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Die letzten Nachfolger Petri und das Ökumenische Konzil Vatikanum II – 9

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IV. EIN PAPST DER ZWEITEN EVANGELISIERUNG

1. Die zweite Evangelisierung und Inkulturation

„In der modernen Zeit, die sich rühmt, die Gesellschaft der Information zu sein, wissen Milliarden von Menschen, obwohl sie besorgt das Bedürf­nis nach Heil verspüren, nur wenig oder gar nichts über den Heiland der Welt, über Jesus Christus. Darüber hinaus gibt es in der alten Welt, die über Jahrhunderte in der christlichen Schule herangebildet wurde, sehr eindrucksvolle Formen ideologischen Materialismus, daß man befürchten muß, daß ganze Regionen in der Finsternis des Atheismus versinken.”87

Europa schöpfte aus dem besten klassischen Humanismus, der durch die christliche Offenbarung erhoben und bereichert wurde. So stieg Euro­pa in die Höhe und verwandelte sich in den zentralen Kontinent der Welt. Das Evangelium war das Herz und die Seele der europäischen Kultur. Europa hat die neuen Kontinente entdeckt und damit die Grenzen der bekannten Welt erweitert. Und gleichzeitig hat es den Sauerteig des Evangeliums gebracht, um auf christliche Weise die alten einheimischen Kulturen mit dem christlichen Glauben zu beseelen. 2000 Jahre lang war Europa der missionarische Kontinent schlechthin.

Die immanentistischen Ideologien haben die größte Gegen-Evangelisie­rung Europas und der gesamten alten christlichen Welt vorangetrieben. Die „wissenschaftlichen” Ideologien des 20. Jahrhunderts haben außer­dem auch die großen Stammesreligionen in den Säkularisierungsprozeß hineingezogen. Die Ideologien haben das christliche Europa geteilt und zertrümmert. Sie haben zudem neue, große Spaltungen in der Menschheit hervorgerufen.

„Der Heilige Geist hat zu den Kirchen von heute gesprochen und seine Stimme hallt im Ökumenischen Konzil wider. Es bildet, so kann man wohl sagen, die Grundlage und den Anfang eines gigantischen Werkes zur Evangeli­sierung der modernen Welt, die zu einem neuen Wendepunkt in der Geschich­te der Menschheit gekommen ist, an dem die Kirche äußerst ernsthafte und umfangreiche Aufgaben erwarten. Nach der ursprünglichen Einge­bung nahm sich das Konzil wesentlich vor, »die moderne Welt mit den belebenden Kräften des Evangeliums in Berührung zu bringen« (Johannes

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87 Johannes Paul II., Ansprache vom 13. 5. 1986, 1, 1400; vgl. ders., Ansprache vom 1. 12. 1992, 2, 792.

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XXIII.).”88

„Die Aufgabe der Inkulturation, verstanden als integrale Verbreitung des Evangeliums und, daraus folgend, seine Übertragung ins Denken und Le­ben, setzt sich auch heute noch fort und ist das Herzstück, das Mittel und das Ziel der »Neuevangelisierung«.”89

Die erste Evangelisierung ist die Evangelisierung, die Christus und die Apostel durchgeführt haben. Wir können auch sagen, daß nach Christi Auffahrt in den Himmel die erste Evangelisierung am Pfingsttag ihren An­fang nahm, als die Apostel den Heiligen Geist empfingen. Die zweite Evangelisierung begann mit dem zweiten Pfingsten im zweiten aposto­lischen Zönakel. Das Zweite Vatikanische Konzil ist das Fundament der sogenannten „zweiten Evangelisierung” (oder: der Neuevangelisierung), die in organischer und dynamischer Kontinuität zur ersten steht. Diese neue Evangelisierung bedeutet kein „neues Evangelium”, weil „Christus immer derselbe ist, gestern, heute und in Ewigkeit” (Hebr 13,8). Die zwei­te Evangelisierung ist neu, was ihren Eifer, ihre Methoden und ihre Aus­drucksweise betrifft.

Zusammen mit der ersten Evangelisierung hat sich die erste umfassen­de Form der Inkulturation des Evangeliums (des Glaubens) entwickelt. Man kann auch behaupten, daß es bislang zwei umfassende Formen der Inkulturation des Evangeliums gegeben hat. Die erste ist die patristische in der antiken Welt, die zweite ist die scholastische im Mittelalter. In der Neuzeit entfaltete die Katholische Kirche die scholastische Form der In­kulturation des Evangeliums. Das Zweite Vatikanische Konzil ist das Fundament und der Beginn der zweiten umfassenden Form der Inkultur­ation des Evangeliums. Da die zweite Form der Inkulturation des Evan­geliums umfassender ist, beinhaltet und integriert sie die erste Form (patristisch-scholastische).

„Die Menschheit steht heute – auf der Schwelle zum Jahr 2000 – im schmerzhaften Bemühen einer Umwandlung ohnegleichen, die sich nur durch eine neue Kultur mit planetarischer Dimension zu ihrem Heil voll­ziehen kann. Die entscheidende Lebenskraft, damit sich dieser Übergang

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88 Johannes Paul II., Ansprache vom 11. 10. 1985, 2, 919.

89 Ders., Ansprache vom 26. 9. 1992, 2,189; vgl. ders., Ansprache vom 12. 10. 1992, 2, 317f; ders., Ansprache vom 24. 5. 1992, 1, 1563; ders., Ansprache vom 12. 4. 1986, 1, 987: „Das Zweite Vatikanische Konzil war ein Geschenk des Heiligen Geistes: Es bietet, wenn es richtig verstanden und angewendet wird, die angemessenen Mittel für die kirchliche Erneuerung, um Christus die Welt von heute zu bringen oder sie zu ihm zurückzuführen.”

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von einer Kultur zur anderen im Sinne einer zunehmenden Universalität ereignen kann, ist der Glaube, der, da er sich nie mit einer vorgegebenen Kultur identifiziert, dem Menschen einen Anhaltspunkt bietet, um sich über den Horizont dessen zu erheben, was am untergehen ist.”90

„Der Wiederaufbau der europäischen Kultur ist die entscheidende und dringliche Aufgabe unserer Zeit.”91

„In dieser besonderen Zeit nach dem Konzil reift in der Kirche eine n­eue und tiefere Verwirklichung der Botschaft Christi, die mehr auf die Person ausgerichtet ist, und deren Tragweite für die Zukunft wir nicht kennen.”92

Johannes Paul II. ist nicht nur ein Papst des Übergangs von der ersten zur zweiten umfassenden Form der Evangelisierung und Inkulturation des Evangeliums. Er ist sogar ein Papst mit dem Zeichen dieser zweiten Form. Der Papst entfaltet auf außergewöhnliche Weise in vertikaler und horizontaler Dimension die Lehre des letzten Konzils. In noch größerem Umfang wie Paul VI. ist Johannes Paul II. „der Papst der konziliaren Um­wandlung”.

Mutig den Berg des Herrn und den Berg des Zweiten Vatikanischen Konzils besteigend, baut er die europäische Kultur in der zweiten Form der Inkulturation des Evangeliums wieder auf. Und er integriert in die erwähnte Form auch die anderen Kulturen der heutigen Welt.

Der Papst fördert den „Sinn für Katholizität und die universale Öff­nung, die wie das Atmen der Kirche ist.”93 Er fördert außerdem den „ganzheitlichen Humanismus”94 (eine ganzheitliche Entwicklung des

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90 Johannes Paul II., Ansprache vom 18. 10. 1986, 2,1090.

91 Ders., Ansprache vom 9. 3. 1986, 1, 783.

92 Ders., Ansprache vom 11. 5. 1986, 1, 1379; vgl. ders., Ansprache vom 31. 1. 1992, 1, 198: Von 1924 bis 1992 haben sich Gesellschaft und Kirche tiefgreifend verändert; ders., Schreiben vom 20. 5. 1982, 2,1775: „Seit Beginn meines Pontifikats betrachtete ich den Dialog der Kirche mit den Kulturen unserer Zeit als ein lebenswichtiges Feld, auf dem das Schicksal der Welt im letzten Abschnitt des zwanzigsten Jahrhunderts auf dem Spiel steht.”

Ders., Ansprache vom 11. 5. 1986, 1, 1390: „Neue Rechte und unvorstellbare Perspektiven warten darauf, aus der Sicht des Evangeliums abgeleitet zu werten”; ders., Ansprache vom 13. 1. 1986, 1, 108: „Wir stehen am Anfang einer unermeßlichen Arbeit zur Evangelisierung der modernen Welt, die sich in neuer Weise darbietet. Wir treten in eine neue Zeit der menschlichen Kultur ein, und die Christen stehen vor einer ungeheuren Herausforderung”; ders., Ansprache vom 19. 3. 1991, 1, 581: „Die Kirche spürt, daß sie in einer der innovativsten Phasen ihrer Geschichte lebt, in der sich das Verständnis der Kultur ausgeweitet hat.”

93 Johannes Paul II., Ansprache vom 15. 12. 1979, 2,1428.

94 Johannes Paul II., Ansprache vom 27. 6. 1986, 1, 1943; vgl. ders., Ansprache vom 26. 5. 1989, 1, 1350 f.

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Menschen, der Gesellschaft, der Völker und der Menschheit) und eine „Zivilisation der Universalität95 (eine Zivilisation mit planetarischen Dimensionen).

„Dieses »an der Lehre der Apostel festhalten« (Apg 2,42) der ersten Gemein­de von Getauften ist der Ausdruck für die systematische Katechese der Kirche in ihren Anfängen.

Am Tag von Pfingsten begann Simon Petrus in Jerusalem die Katechese der Kirche. Sein gegenwärtiger Nachfolger auf dem römischen Bischofs­stuhl und im Amt des Stellvertreters Christi hält es für seine Pflicht, diesen Dienst Petri fortzuführen.”96

Der Pfingsttag in Jerusalem bildet auch den Anfang der Katechese der Kirche. Der ersten Verkündigung (Kerygma) der Botschaft Christi, die gläubig von den Zuhörern angenommen wurde, folgte die Katechese. Bei ihr handelte es sich für die ersten Gläubigen nicht darum, die Wissen­schaft „der Religion” (in diesem Fall die christliche) zu erwerben, sondern vielmehr darum, die Glaubensinhalte zu vertiefen. Die Katechese war eine systematische, umfassende und lebendige Einführung in das Geheimnis Christi. Die Katechese wurde aus dem Glauben geboren und diente dem Glauben: dem Bedürfnis, ihn zu bekennen, in ihm zu bleiben und zu wach­sen.

Nach dem zweiten apostolischen Zönakel begann Paul VI. mit der Kate­chese in den mittwöchlichen Generalaudienzen die zweite Evangelisie­rung durchzuführen, und zwar maßgebend, authentisch und systematisch. Papst Johannes Paul I. und dann Papst Johannes Paul II. führten sein Werk fort. Diese Nachfolger Petri behandeln Themen des Konzils und legen sie in einer ganz einfachen Sprache dar. So führen sie die Zuhörer zur Schule des Evangeliums zurück, die den Kleinen die Offenbarung der großen Wahrheiten des Reiches Gottes vorbehält.

Die lange Reihe der Katechesen bei den mittwöchlichen Generalaudien­zen bildet zusammen mit den Enzykliken das Rückgrat des Lehramtes Johannes Pauls II. Der Papst durchläuft eine neue Stufe in der Entwick­lung der christlichen Lehre und hebt die wesentliche Verbindung zwi-

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95 Johannes Paul II., Ansprache vom 13. 1. 1986, 1, 110. Ders., Ansprache vom 2. 4. 1987, 1, 1295: Eine charakteristi­sche Tatsache „der wahren Kultur ist ihre Universalität. Für die Erneuerung der Kultur ist ihre Öffnung zum Universalen heute ganz besonders notwendig.”

96 Johannes Paul II., Ansprache vom 5. 12. 1984, 2, 1510; vgl. ders., Ansprache vom 12. 12. 1984, 2, 1611 f; ders., Catechesi tradendae, Nr. 10f.

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schen dem Zweiten Vatikanischen Konzil und den vorhergehenden Öku­menischen Konzilien hervor. Seine Katechesen über das Credo (das Glau­bensbekenntnis) haben am 5. Dezember 1984 begonnen und sind noch nicht beendet. Die päpstliche Auslegung des Glaubensbekenntnisses ist die tiefste, weitreichendste und belebendste in der Kirchengeschichte.

Mit der systematischen umfassenden Erklärung des letzten Ökume­nischen Konzils hat sich Johannes Paul II. mit der Invasion des „babylo­nischen Heeres” auseinandergesetzt. Indem er unerschütterlich im Zen­trum des neuen Jerusalems der Liturgie, der Lehre und der Pastoral wirkt, hat er das „Heer der Verwirrung” besiegt.

2. Ein außergewöhnlicher evangelischer Fischer

Johannes Paul II. ist ein außergewöhnlicher Evangelist der zweiten Evangelisierung, die Anpassung ohne Kompromisse und Erneuerung ohne Verkürzungen ist. Er wirft das umfassende und sonnige Netz des Evangeliums mit apostolischem Starkmut im „Innern” der Kirche aus: er fördert damit ihre Selbst-Evangelisierung. Im Dienst dieser neuen Selbst­-Evangelisierung stehen auch die Reform der liturgischen Bücher und Ri­ten, die Erneuerung des Codex des kanonischen Rechtes und der neue Katechismus.

Die Liturgiereform und das neue Kirchenrecht sind „gewissermaßen als die letzten Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils zu betrach­ten. Eine ähnliche Bewertung wird heute (und vielleicht mit größerer Be­rechtigung) im Hinblick auf den »Katechismus der Katholischen Kirche« ausgesprochen.”97

Die Reform der liturgischen Bücher und Riten wurde nach der Promul­gation der Konstitution Sacrosanctum Concilium vorgenommen und in we­nigen Jahren abgeschlossen. Die Revision des Kirchenrechtes der lateini­schen Kirche begann unter dem Pontifikat von Johannes XXIII. und wur­de unter dem Pontifikat von Johannes Paul II. vollendet. Letzterer pro­mulgierte 1983 den neuen, im Lichte des Zweiten Vatikanischen Konzils überarbeiteten Codex. Die Kodifizierung des Rechtes der Orientalischen Kirchen wurde unter Pius XI. begonnen und ebenfalls unter Johannes Paul II. vollendet. Letzterer promulgierte 1990 den neuen Codex der Ca­nones der Orientalischen Kirchen.

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97 Ders., Ansprache vom 22. 12. 1992, 2, 980; vgl. ders., Ansprache vom 23. 4. 1993.

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Der neue Codex übersetzt gewissermaßen die Ekklesiologie des Kon­zils in eine juristische Sprache. Die Struktur der Kirche als sichtbare Ge­sellschaft steht im Dienst eines tieferen Geheimnisses der Gnade und der Gemeinschaft: der Kirche als mystischer Leib Christi. Die Funktion des Rechtes gehört im Leben der Kirche aber sehr wohl zum mysterium salutis (Heilsgeheimnis): sie ist nicht einfach etwas Äußerliches, sondern sie tritt in die Heilsdynamik ein. Das Kirchenrecht ist folglich mit dem Wesen der Kirche verbunden. Es bildet mit diesem Wesen ein Ganzes zur rechten Ausübung des Hirtenamtes in seiner dreifachen Bedeutung: zu lehren, zu heiligen und zu leiten (weiden). Die „Leitung der Kirche” (LG 14) durch das umfassende Netz der kanonischen Gesetzgebung regelt das Leben und die Sendung der Kirche, die Pflichten und Rechte ihrer Glieder und alles, was für ihr sichtbares Gefüge notwendig und nützlich ist. Der Gehorsam gegenüber den kirchenrechtlichen Vorschriften trägt zum Wachstum des Netzes der Gemeinschaft im pilgernden Volk Gottes bei.

„Der Katechismus der Katholischen Kirche ist der maßgebliche Ausdruck des vollkommenen Reichtums und der wunderbaren Harmonie des ka­tholischen Glaubens. Ich betrachte seine Veröffentlichung als eine der wesentlichen Früchte des Zweiten Vatikanischen Konzils und als eines der bedeutendsten Ereignisse meines Pontifikats. Er ist ein wertvolles Instrument der authentischen Erneuerung der Kirche, die das Konzil anstrebte.”98

Der Katechismus der Katholischen Kirche, den Johannes Paul II. 1992 promulgiert hat, ist die reifste und vollständigste Frucht der Lehre des Konzils, die in ihm im Rahmen der ganzen kirchlichen Überlieferung dargelegt wird. Der neue Katechismus ist ein Kompendium der Glaubens- und Sit­tenlehre, des sakramentalen Lebens und des Gebetes. Dennoch ist die katholische Lehre, die sich im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende nicht wandelt, im Katechismus in neuer Form formuliert worden. Und dies bezieht sich sowohl auf eine größere Treue zur ganzen Wahrheit

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98 Ders., Ansprache vom 20. 3. 1993, 1, 696; vgl. ders., Apostolische Konstitution Fidei depositum, 11. 10. 1992, 2, 377f; ders., Ansprache vom 8. 12. 1992, 2, 851f; ders., Ansprache vom 29. 4. 1993, 1, 1038f; ders., Ansprache vom 12. 11. 1988, 4,1522: „Man muß hier bedenken, daß die Gesamtheit der Wahrheiten, die dem Verkündigungsdienst der Kirche anvertraut sind, ein einziges Ganzes, eine Art Symphonie bildet, in der sich jede Einzelwahrheit harmo­nisch mit den anderen verbindet”; ders., Ansprache vom 13. 6. 1994: Der Katechismus der Katholischen Kirche und die Enzyklika Veritatis splendor „kommen einem Bedürfnis von wesentlicher Bedeutung entgegen: Dringend mußte eine klare und zeitgemäße Darstellung der Grundlagen der Glaubenslehre und der christlichen Moral vorgelegt werden, insbesondere für die Seminare und die theologischen Fakultäten.”

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über Gott und den Menschen als auch über die Bedürfnisse und Anforde­rungen der neuen Zeit. Der Katechismus ist ein geeignetes und rechtmä­ßiges Instrument im Dienst für die kirchliche Gemeinschaft und eine feste Norm für den Glaubensunterricht. Er ist ein wertvolles Instrument für die Neuevangelisierung. Die katechetische Pastoral findet im Katechismus ein sehr geeignetes Werkzeug im Hinblick auf die Neuevangelisierung.

Der neue Katechismus der Katholischen Kirche ist eine „wunderbare Symphonie des Glaubens”, die dem Wirrwarr des chaotischen Pluralis­mus des großen „babylonischen Heeres” widerspricht. So gesehen setzt der Katechismus das „Heer der Verwirrung” in Schrecken und jagt es in die Flucht.

„Es erfüllt sich die Verheißung Jesu: »Dieses Evangelium vom Reich wird auf der ganzen Welt verkündet werden, damit alle Völker es hören« (Mt 24,14). Und der christliche Glaube hat sich wirklich auf der ganzen Erde verbreitet, heute begünstigt durch Instrumente der Wissenschaft und Technik.”99

„Die Evangelisierung der Welt ist heute wie nie zuvor mit der Wieder­-Evangelisierung Europas verbunden.”100

In seinem Pontifikat hat Johannes Paul II. die Neuevangelisierung „nach außen” in außergewöhnlicher Weise intensiviert (die Wieder-Evan­gelisierung der alten entchristlichten Welt, die Evangelisierung der Völ­ker, die Christus noch nicht oder nur wenig kennen, und den ökumeni­schen Dialog mit den getrennten Kirchen und christlichen Gemeinschaf­ten). Der Papst schreitet durch Europa und durch die ganze Welt und wirft mit überraschendem Starkmut das umfassende Netz des Evangeli­ums aus. Die modernen Verkehrsmittel erlauben es ihm, die äußersten Enden der Erde persönlich aufzusuchen.

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99 Ders., Ansprache vom 28. 8. 1988, 3, 488.

100 Ders., Ansprache vom 27. 6. 1986, 1, 1951; ders., Ansprache vom 23. 9. 1989, 2, 624; ders., Ansprache vom 23. 7. 1988, 3, 157f; ders., Ansprache vom 25. 5. 1987, 2, 1833: „Aus meinen Pastoralreisen auf die verschiedenen Kontinente habe ich die Überzeugung gewonnen, daß der Prozeß der Evangelisierung der Welt von heute wie nie zuvor im Gange ist”; ders., Ansprache vom 25. 5. 1985, 1, 1630: „Das Wort des Evangeliums wird auch in den Verfolgungen von heute siegen und die Schwelle des bereits nahen neuen Jahrtausends überschreiten, um den kommenden Generationen die Verheißung der Vergebung und die Verkündigung der Hoffnung zu bringen.”

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3. Ein Papst des Sternes der zweiten Evangelisierung

In der heiligen Jungfrau Maria „wurde das Wort Gottes Fleisch und begegnete so zutiefst der menschlichen Wirklichkeit, ja es nahm sogar die Gestalt des Menschen an. Maria ist deshalb Mutter und Urbild jeder Evangelisierung und jeder Inkulturation des Glaubens.”101

Das Evangelium ist in erster Linie nicht eine Reihe von „Wahrheiten”, die Jesus verkündet hat, sondern er selbst in Person, er, der Weg, die Wahrheit und das Leben. Die allerseligste Jungfrau Maria ist der Morgen­stern, der durch das Wirken des Heiligen Geistes Jesus Christus empfan­gen und geboren hat: das lebendige Evangelium und die Sonne der Ge­rechtigkeit. Sie ist daher Stern und Mutter Christi, des lebendigen Evan­geliums.

Die Gottesmutter war die erste und vollkommene Jüngerin Jesu. Noch bevor die inspirierten Verfasser die Wahrheit vom ewigen Leben, das in Jesus Christus offenbar wurde, niederschrieben, hatte seine Mutter diese Wahrheit bereits in ihrem Herzen bewahrt und angenommen (vgl. Lk 2,51). Jesus hat sein Evangelium in der Kraft des Geistes der ewigen Liebe zunächst und vor allem in das Unbefleckte Herz seiner eigenen Mutter eingeprägt. Dieses Herz war in der Tat immer zutiefst mit seinem Herzen verbunden und schlug im gleichen Rhythmus wie sein Herz.

Im Zönakel am Pfingsttag zu Jerusalem wurde die makellose Jungfrau durch das Wirken des Heiligen Geistes gleichsam Mutter und Stern der ersten Evangelisierung und Inkulturation. Denn sie zeugte mystisch das fleischgewordene Wort im Herzen der Kirche. Aufgenommen in das himm­lische Jerusalem, war sie Stern und Mutter der ersten Evangelisierung und Inkulturation der pilgernden Kirche im Laufe der Jahrhunderte.

„Die Gottesgebärerin ist jenes große »Zeichen«, das am Himmel erschien (vgl. Offb 12,1).

Dieses Zeichen ist gleichzeitig eng mit der Erde verbunden. Es ist vor al­lem das Zeichen des Kampfes »mit dem Drachen« (Offb 12,4), und in diesem Kampf sehen wir die ganze Geschichte der Kirche auf Erden enthalten: den Kampf gegen Satan, den Kampf gegen die Mächte der Finsternis, die ununterbrochen ihre Angriffe gegen das Reich Gottes unternehmen.”102

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101 Ders., Ansprache vom 6.3. 1994; vgl. ders., Ansprache vom 19. 9. 1990, 2, 650; ders., Ansprache vom 14. 8. 1991, 2, 243.

102 Ders., Ansprache vom 15. 8. 1982, 3, 237; vgl. ders., Botschaft vom 8. 9. 1992, 2, 142; ders., Ansprache vom 6. 10. 1979, 2, 654; ders., Ansprache vom 28. 10. 1979, 2, 997.

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Ohne Maria löst sich das Evangelium auf, wird entstellt und in eine Ideologie, in einen spiritualistischen Rationalismus, in eine falsche theolo­gische Wissenschaft umgewandelt. Der Stern des höllischen Abgrundes versuchte immer das pilgernde Volk Gottes auf Erden vom rechten Glau­ben abzubringen, und dies in besonderer Weise durch Irrtümer und Irr­lehren, die sein Anhang verbreitete.

Maria, Mutter und Stern, beschützte und verteidigte die Kirche auf je­dem Abschnitt ihres Glaubensweges und ihres Kampfes gegen das Böse, die Irrtümer und Irrlehren. Sie beschützte sie besonders in den schwierig­sten Augenblicken ihrer Geschichte. Die Gottesmutter erschien der pil­gernden Kirche immer als strahlender Stern, als Zeichen des endgültigen Sieges und als Siegerin über das Böse, über jeden Irrtum und jede Irrlehre. Die Kirche hat in der Tat mit der besonderen Hilfe der Königin vom Sieg jeden Irrtum und jede Irrlehre besiegt und Christus die Treue bewahrt. Sie hat jede falsche Theologie überwunden und das Glaubensgut unver­sehrt bewahrt.

„In Maria hat die Seligpreisung des Hörens ihre höchste Erfüllung ge­funden: sie ist der »heilige Ort«, wo das Wort des Heiles Fleisch geworden ist und sich weiterhin für uns hingibt.”103

„Die Kirche hat auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil gelernt, auf dich zu schauen (Maria) als ihre lebendige und vollkommene Gestalt.

Dieses ganze Jahr, das nun zu Ende geht, war eine Zeit, in der die Augen zu dir erhoben waren, Mutter Gottes und Jungfrau, die du immer im Ge­heimnis Christi und der Kirche gegenwärtig bist.

Das Marianische Jahr geht heute zu Ende. Doch die Zeit der zu Maria »erhobenen Augen« hört nicht auf.”104

Während das dritte christliche Jahrtausend näherrückt, wirft der Polar­stern des höllischen Abgrundes mit seinem großen Anhang subtil wie nie zuvor die Netze des Anti-Evangeliums aus: die falschen Ideologien und Systeme der überarbeiteten theologischen Pseudowissenschaft. Der Stern zieht mit seinen Netzen (Strukturen) der Sünde eine unermeßliche Menge von Menschen in seinen Abgrund.

Johannes Paul II. richtet seinen teleskopischen Blick des Glaubens be­ständig auf Maria, Mutter und Stern der zweiten Evangelisierung und

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103 Ders., Ansprache vom 26. 11. 1987, 3,1215-1216.

104 Ders., Ansprache vom 15.8. 1988, 3, 384.

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Inkulturation, um von ihr das Wort des Heiles zu empfangen. Aus dem Unbefleckten Herzen der himmlischen Mutter fließt die strahlende, feste und umfassende Weisheit des Evangeliums (der göttlichen Offenbarung) in sein Herz, und zwar in Harmonie mit der zweiten umfassenden Form der Evangelisierung und Inkulturation.

Als Hirte der Weltkirche ermahnt Johannes Paul II. alle Glieder der pilgernden Kirche, den teleskopischen Blick ihres Glaubens auf Maria, Stern und Mutter, zu erheben und sie nicht aus den Augen zu verlieren. Die Kleinen, die Demütigen, die Einfachen und die Gelehrsamen hören ihre Stimme. Und indem sie die Augen zu ihrer Mutter, die ihnen als Stern voranleuchtet, erheben, werden sie gestärkt im Glauben an das Wort Gottes, das in Ewigkeit bleibt. So überwinden sie siegreich die Nachstellungen des Sternes des höllischen Abgrundes und seines An­hangs.

„Der Vater enthüllt seine Pläne den Kleinen (vgl. Mt 11,25). Maria führt die Schar dieser »Kleinen« an, welche im Herzen die Weisheit Gottes tra­gen.”105

Die Gottesmutter wirkt mit dem Heiligen Geist bei der wunderbaren Umwandlung der Christen in Christus mit. Mit der Sonne bekleidet, be­kleidet sie sie in ihrem Unbefleckten Herzen mit der Sonne der göttlichen Gnade. Sie lehrt und erzieht mütterlich ihre Kinder, die Kinder Gottes. Die Frau, mit der Sonne bekleidet, führt die Schar der mit der Sonne be­kleideten kleinen Kinder an. Diese sind die Apostel der zweiten Evangeli­sierung und Inkulturation, die die Erde erleuchten und die Finsternis ih­rer dunklen Nacht (ihres eisigen Winters) vertreiben.

4. Der entscheidende Aufstieg

„Während uns das Zweite Vatikanische Konzil daran erinnert, daß Christus, das menschgewordene Wort, uns »mit einem menschlichen Her­zen geliebt hat« (GS 22), versichert es, daß »seine Botschaft – fern davon den Menschen herabzusezten – dem Fortschritt dient, indem sie Licht, Leben und Freiheit schenkt, und außer ihr ist nichts in der Lage, das

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105 Ders., Ansprache vom 11. 2. 1981, 1, 281; ders., Ansprache vom 7. 2. 1993, 1, 350: „Der Heilige Geist bereitet »einen neuen Frühling des Evangeliums« vor (vgl. Redemptoris missio, Nr. 86). Wir dürfen uns nicht wundern, wenn er sich der »Kleinen« (vgl. 1 Kor 1,26-29) bedient, derer, die im Frühling ihres Lebens stehen, um sein Ziel zu erreichen.”

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Menschenherz zu sättigen« (GS 21). Vom Herzen Christi lernt das Herz des Menschen, den wahren und einzigen Sinn seines Lebens und seiner Bestimmung zu erkennen, den Wert eines wahren christlichen Lebens zu verstehen, sich vor einigen Niederträchtigkeiten des menschlichen Her­zens in acht zu nehmen, die kindliche Liebe zu Gott mit der Liebe zum Nächsten zu verbinden. So kann (und das ist die wahre Wiedergutma­chung, die das Herz des Erlösers verlangt), – auf den von Haß und Ge­walt angehäuften Trümmern – die so sehr ersehnte Zivilisation der Liebe errichtet werden, das Reich des Herzens Christi.”106

Der Säkularisierungsprozeß des Christentums in den letzten Jahrhun­derten und im 20. Jahrhundert war eine Flucht der Christen aus dem Reich des wahren Gottes hinaus. Ja, er war eine Flucht der Christen als innere Menschen (als Herzen) aus dem Herzen Jesu und aus dem Herzen der Mutter der Kirche hinaus. Und es war eine Flucht der Christen aus der oberen Hemisphäre der Kirche auf die untere Hemisphäre der Menschheit, aus der intelligiblen Welt (aus dem Himmelreich) in die äu­ßere Welt: in die sichtbare Welt. Die Christen traten in die „Welt” ein, die „unter die Knechtschaft der Sünde [und des Bösen] geraten ist” (GS 2). Dort verwandelten sich die Herzen der Christen, die hartnäckige Sünder ge­worden waren, aus „Herzen von Fleisch” in „Herzen von Stein” (vgl. Ez 36,26).

Die Kultur (Zivilisation) der Neuzeit war mehr eine Kultur der Dinge als der Menschen. Der Säkularismus verkündete den „Tod des Men­schen” als Herz, als Person, als transzendenter Wert. Man verglich den Menschen bereits mit den übrigen Dingen des sichtbaren Kosmos. Die menschliche Person wurde letztlich als ein Anhängsel der materiellen Welt betrachtet.

Der erbitterte Kampf gegen das Herz des gekreuzigten und auferstan­denen Gottmenschen – und demzufolge gegen das Herz des Menschen ­hat den Menschen ohne Herz dazu geführt, Schutt und Asche aufzuhäu­fen. Die großen geistigen Prozesse des Begräbnisses der modernen Zivili­sation im neuen Grab haben letztlich auch zu ihrem Begräbnis in der Ord­nung der sichtbaren Welt geführt; zu ihrem Begräbnis unter den von grenzenlosem Haß und Gewalt aufgehäuften Trümmern.

„Der Prophet Jesaja spricht vom »Berg des Hauses des Herrn«, zu dem »alle Völker strömen werden (…) und viele Nationen machen sich auf den Weg« (Jes 2,2-3). Es handelt sich um eine Vision vom, wiederaufgebauten Tempel, in dem sich das Volk Gottes versammelt, um zu erkennen, daß er der Herr des Himmels und der Erde ist: »Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn (…) Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen« (ebd.).

Dies ist eine Vision des Volkes, das sich erhebt, indem es auf den Berg Gottes hinaufzieht.”107

Johannes Paul II. ist ein Papst des Heiligsten Herzens Jesu und des Un­befleckten Herzens Mariens: ein Papst mit dem Zeichen des neuen Zeit­alters, das unverkennbar ein Zeitalter des Herzens sein wird: des Heilig­sten Herzens Jesu und des Unbefleckten Herzens Mariens, des Herzens des Christen (des Menschen) und des Herzens der Kirche.

Johannes Paul II. lebt die Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens und an das Heiligste Herz Jesu – er lebt mit dem Herzen im Bund mit den bei­den heiligen Herzen. Er ist ein außerordentlicher Bergsteiger des Unbe­fleckten Herzens Mariens und des Heiligsten Herzens Jesu. Er steigt be­harrlich auf den wunderschönen Berg des Unbefleckten Herzens der Mut­ter Gottes und der Mutter der Kirche hinauf. Und gleichen Schrittes steigt er auf den überaus wunderbaren Berg des Herzens des gekreuzigten und auferstandenen Gottmenschen. So steigt er innerlich auf die ewigen Berge des Evangeliums, die im Herzen Jesu geborgen sind. Und er geht gleich­zeitig auf dem solaren, polaren und globalen Weg des neuen Jerusalems der Lehre und der Pastoral. Die aufsteigende Spirale des pilgernden ka­tholischen Volkes folgt den Schritten seines Hirten. Dieser wunderbare Aufstieg hat für das Leben der Kirche beim Übergang vom zweiten zum dritten Jahrtausend und für das dritte Jahrtausend insgesamt eine ent­scheidende Bedeutung. Denn auf diesem Aufstieg verwirklicht sie die Erneuerung (aggiornamento) des Zweiten Vatikanischen Konzils.

„Für die Evangelisierung muß heute das Herz Christi als Herz der Kirche anerkannt werden: Er ist es, der zur Bekehrung und Versöhnung ruft. Er ruft die reinen Herzen und diejenigen, die nach Gerechtigkeit dürsten, auf die Wege der Seligpreisungen. Er verwirklicht die warmherzige Ge­meinschaft der Glieder des einen Leibes. Er läßt uns der Frohen Botschaft anhangen und die Verheißungen des ewigen Lebens annehmen. Er sendet uns zur Mission aus. Die vertraute Nähe mit Jesus öffnet das Herz des Men-

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107 Ders., Ansprache vom 26. 11. 1986, 2,1679.

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schen auf die Dimensionen der Welt hin.

Möge die Heiligsprechung von Claude de la Colombière (1641-1682) für die ganze Kirche zu einem Aufruf werden, die Weihe an das Herz Christi zu leben, eine Weihe, die Selbstaufopferung bedeutet, damit die Liebe Christi uns treibt, uns verzeiht und uns in ihr brennendes Verlan­gen einbezieht, allen unseren Brüdern und Schwestern die Wege der Wahrheit und des Lebens zu eröffnen!”108

„Um das Millennium wahrhaft zu feiern, muß die Kirche ihren Ur­sprung wiedergewinnen und über ihre Sendung nachdenken.”109

„Das Ereignis des Millenniums ist für die apostolische Kirche der An­laß, für Christus Zeugnis abzulegen, der sie zu allen Nationen gesandt hat, als er sagte: »Lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch befohlen habe. Seht, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20).”110

Durch den erwähnten Aufstieg erhebt sich die Katholische Kirche in­nerlich auf die Höhen des Unbefleckten Herzens ihrer geistigen Mutter. Und zur gleichen Zeit erhebt sie sich auf die Höhen des Herzens Christi des Gekreuzigten und Auferstandenen – in die unerforschlichen Tiefen der göttlichen Dreifaltigkeit. Die Kirche gewinnt so ihren Ursprung wie­der, denn sie wird durch das Wirken des Geistes der Liebe ununterbro­chen aus dem Herzen des Erlösers und aus dem Unbefleckten Herzen Mariens geboren. Sie wird letztlich aus dem Herzen der göttlichen Drei­faltigkeit geboren.

Die Kirche tritt so tief wie nie zuvor in das Herz des Evangeliums (der göttlichen Offenbarung) ein. Und gleichzeitig tritt sie in das Herz des Zweiten Vatikanischen Konzils ein. Das pilgernde katholische Volk steigt mit neuem Eifer auf die wunderbaren Berge des ewigen Evangeliums hinauf und erhebt sich damit auf die geheimnisvollen Hochebenen des Berges des Zweiten Vatikanischen Konzils. Bei diesem Aufstieg denkt die Kirche über ihre Sendung nach und gewinnt sie zurück. Denn aus dem großen Aufstieg geht ihre neue Sendung hervor: ihre zweite Selbst-Evan­gelisierung und ihre zweite Evangelisierung.

Die Kirche wirft auf diesem wunderbaren Aufstieg mit neuer Begeiste-

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108 Ders., Ansprache vom 31. 5. 1992, 1, 1664.

109 Ders., Ansprache vom 16. 4. 1988, 1, 911.

110 Ders., Ansprache vom 16. 4. 1988, 1, 913.

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rung das umfassende Netz des Evangeliums aus, um alle Nationen zum Herzen des Erlösers der menschlichen Welt und zum Unbefleckten Her­zen der Mutter der Menschheit zu ziehen. Nach der großen Nacht der Neuzeit wird die zweite Evangelisierung der Kirche am strahlenden Mit­tag des neuen Zeitalters durch einen überraschenden und wunderbaren Fischfang gekrönt.

„So bildet sich allmählich eine mehr universelle Form der menschlichen Kultur, die die Einheit der Menschheit um so mehr fördert und zum Aus­druck bringt, je besser sie die Besonderheiten der verschiedenen Kulturen achtet” (GS 54).

„Der Christus des Millenniums ist der Mensch, der in die Geschichte der Nationen eingetreten ist, der mit seiner Botschaft Kulturen hervor­gebracht, das Schicksal der Völker verwandelt und Gott dem Menschen offenbart und der Menschheit sich selbst offenbart hat (vgl. GS 22).

Das Millennium ist deshalb die Stunde unserer christlichen Identität in ihrer katholischen Universalität.”111

„Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts wird darin bestehen, durch das Evangelium die Gesellschaft und ihre Institutionen menschlicher zu gestalten, der Familie, den Städten und Dörfern die Seele wieder zu geben, die dem nach dem Ebenbild Gottes geschaffenen Menschen würdig ist. Hierbei kann sich die Kirche auf Männer und Frauen stützen, die sich kulturell betätigen, um den Völkern zu helfen, sich ihre Vergangenheit ins Bewußt­sein zu rufen, ihr heutiges Gewissen aufzurütteln und ihre Zukunft vor­zubereiten. Der christliche Sauerteig wird die lebendigen Kulturen und ihre Werte durchsäuern und ihre Entfaltung fördern. So wird Christus als Weg, Wahrheit und Leben (vgl. Joh 14,6) in die Herzen eintreten und die Kulturen erneuern: Er, der »uns alles Neue bringt, indem er sich uns schenkt« (Irenäus von Lyon, Adv. haer. IV,34,1).“112

Indem der Mensch sich durch das Unbefleckte Herz Mariens zum Her­zen des Gottmenschen bekehren wird, wird er aus der Zerstreuung ins eigene Herz zurückkehren: er wird endlich aus der Knechtschaft seines eigenen Ichs, der „Welt” und der materiellen Dinge herausgehen und sich

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111 Ders., Ansprache vom 16.4. 1988,1, 911.

112 Ders., Ansprache vom 10. 1. 1992, 1, 51; ders., Ansprache vom 26. 8. 1988, 3, 469: „Wir alle möchten, daß die neue Ära dem Bild entspricht, das der Schöpfer von der Menschheit entworfen hat.”

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selbst als einzigartige und unwiederholbare Person wiederfinden. Indem er den äußeren Menschen und die äußere Welt übersteigen wird, wird er in das unendliche und ewige Reich Gottes und in das große Geheimnis (Universum) des inneren Menschen eintreten. Als Glied des pilgernden Volkes Gottes wird er vollkommen in der personalen und interpersonalen Dimension leben.

Durch den erwähnten Aufstieg vollzieht sich und wird sich die zweite Inkulturation des Evangeliums und demzufolge die großen Prozesse der Personalisierung und Humanisierung der Menschen, Völker, Gesellschaf­ten, Kulturen, Zivilisationen, Institutionen … vollziehen. Die irdischen und himmlischen Menschen sind Gebirgsbewohner des Unbefleckten Herzens Mariens und des Herzens des gekreuzigten und auferstandenen Gottmenschen, und sie werden es in Zukunft noch mehr sein. Sie errich­ten und werden die neue umfassende Form der Kultur (Zivilisation) des Herzens des Gottmenschen und des Unbefleckten Herzens Mariens, ihrer himmlischen Mutter errichten, eine neue und sehr schöne Form der gött­lichen und menschlichen, theozentrischen und anthropozentrischen, himmlischen und irdischen Kultur (Zivilisation) – die neue umfassende Form des christlichen Humanismus; eine Kultur der Personen und weni­ger eine Kultur der Dinge – die neue umfassende Kultur der Weisheit, der Liebe, des Friedens, der Brüderlichkeit, der Solidarität, usw.

Durch den genannten Aufstieg bildet sich allmählich die neue christli­che Seele und das neue christliche Herz – in ihrer katholischen Universa­lität – von Europa und der Welt. Europa und die Welt werden im Herzen Jesu – im Herzen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit – vergöttlicht und ver­menschlicht. Im Herzen Jesu, im Unbefleckten Herzen Mariens und im Schoß der Weltkirche vereinigen sie sich in der Wahrheit, in der Liebe, im Frieden und in der universalen Brüderlichkeit.

 

V. EIN PAPST DES ZWEITEN ADVENTS

1. Das Geheimnis des zweiten Advents

„»Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau mit der Sonne bekleidet« (Offb 12,1).

Wir richten unsere Augen auf den Advent der zweiten Ankunft, die durch den Tod und die Auferstehung des Sohnes vorbereitet wurde. Er hat sich bereits im Herzen der Mutter als Derjenige offenbart, der war, der ist und der kommen soll (vgl. Offb 4,1.8).”113

Johannes Paul II. spricht von der ersten, der zweiten und von der end­gültigen Ankunft Christi (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 41). Nach dem Sün­denfall Adams wurde im Zeichen der Frau (vgl. Gen 3,15) die erste Ver­heißung gegeben, und für die ganze Menschheit begann die Zeit des ers­ten Advents. Im Zeichen der mit der Sonne bekleideten Frau (vgl. Offb 12,1) erfüllt sich die Zeit des zweiten Advents. Dieser Advent hat seinen Höhepunkt im zweiten Kommen Christi.

Während wir uns dem Ende des zweiten christlichen Jahrtausends nä­hern, geht die Zeit des zweiten Advents und die Zeit des zweiten Anti-Advents ihrem Höhepunkt entgegen. Johannes Paul II. ist ein stark ge­prägter Papst, ein Prophet des zweiten Advents. Er erklärt, von einem Licht aus der Höhe geführt, die Heilige Schrift, die das Geheimnis des zweiten Advents und des zweiten Anti-Advents vorausgesagt und vor­gezeichnet hat.

Vor dem Hintergrund des religionsfeindlichen Materialismus, „der für unsere Zeit so kennzeichnend ist, muß man bei den Vorbereitungen auf das große Jubiläum das »Begehren des Geistes« (Gal 5,17) hervorheben als fordernde Rufe, die in der Nacht eines neuen Advents erschallen, an des­sen Ende wie vor zweitausend Jahren, »alle Menschen das Heil sehen, das von Gott kommt« (vgl. Lk 3,6; Jes 40,5).“114

„Mögen sich Gerechtigkeit und Friede noch einmal küssen (vgl. Ps 85,10) am Ende des zweiten Jahrtausends, das uns auf die Ankunft Chri­sti in Herrlichkeit vorbereitet.”115

„Das Ende des zweiten christlichen Jahrtausends eröffnet gleichsam

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113 Ders., Gebet vor der Mariensäule in Rom, 8. 12. 1991, 2, 1343-1344; ders., Ansprache vom 20. 12. 1978, 372: „Advent heißt: Gott kommt, denn er will, daß »alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen« (1 Tim 2,4). Er kommt, weil er die Welt und den Menschen aus Liebe geschaffen und ihn für die Gnadenordnung bestimmt hat. Er kommt jedoch »wegen der Sünde«; er kommt »trotz der Sünde«; er kommt um die Sünde hinwegzunehmen.”

114 Ders., Dominum et vivificantem, Nr. 56.

115 Ders., Ansprache vom 17. 9. 1984, 2, 589.

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eine neue Perspektive.”116

Schon zu Beginn seines Pontifikats und insbesondere in der Enzyklika Redemptor hominis hat Johannes Paul II. versucht, die Aufmerksamkeit der Kirche auf die Zeit des „neuen Advents” zu lenken, die dem großen Jubi­läum 2000 vorausgeht. Es handelt sich um die Zeit des neuen Advents der Kirche und der Menschheit. Der religionsfeindliche Materialismus hat die Menschheit in eine tiefe Polarnacht gestürzt. Diese Nacht umhüllt auch einen großen Teil des „neuen Israel”. Während die Finsternis die Kirche zu umhüllen versucht, wächst in ihr die Erwartung der zweiten Ankunft Christi.

„Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen” (Jes 40,5). Die zweite Ankunft Christi ereignet sich zwischen seiner ersten und seiner letzten Ankunft. Das Geheimnis der zweiten An­kunft erschließt sich zutiefst in ihrer Beziehung zur ersten und zur letzten Ankunft. Die zweite Ankunft Christi wird seiner letzten Ankunft am Ende der Welt ähnlich sein – es wird eine Ankunft in Herrlichkeit sein.

Die zweite Ankunft wird das zweite Weihnachten sein: Christus wird „wie die aufgehende Sonne aus der Höhe” (Lk 1,78) geboren werden. Er wird die tiefe Nacht des „neuen Israels” und der Menschheit bis auf den Grund erleuchten. In der Kirche wird der große Tag des Herrn erstrahlen. Die ganze im Glanz des Mittags erneuerte Kirche wird in Freude die zweite Geburt des Herrn feiern. Der große Tag des Herrn wird in der Menschheit die Finsternis der tiefen Nacht vertreiben, und es wird zu einer religiösen und moralischen Wiedergeburt der Menschen und Völker kommen, da sie zu Gott ihrem Retter zurückkehren.

„»Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! (…) Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt« (Lk 3,4.6).

Diese Worte sprach einst der große Prophet Jesaja, der Evangelist des Alten Testaments. Die gleichen Worte erschallen am Jordan, als die An­kunft Jesu bevorsteht. Johannes, der Sohn von Zacharias und Elisabeth, hat sie wiederholt und seine Hörer aufgefordert, die Bußtaufe zu empfan­gen.

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116 Ders., Redemptor Mater, Nr. 49; vgl. ders., Redemptor hominis, Nr. 1.22; ders., Ansprache vom 15. 8. 1993, 2, 505; ders., Ansprache vom 9. 11. 1990, 2,1065: „Unsere geschichtliche Epoche ist einerseits vom »Ende der Neuzeit« (Romano Guardini) gekennzeichnet und andererseits von einer allgemeinen Erwartung, die für einen neuen Advent typisch ist”; ders., Ansprache vom 24. 12. 1991, 2, 1450: Jesus Christus ist die „Quelle jeder Erneuerung: des Menschen, der Nationen und der Menschheit.”

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»Das ganze Volk, das Johannes hörte, selbst die Zöllner, sie alle haben die Gerechtigkeit Gottes anerkannt und sich von Johannes taufen lassen. Doch die Pharisäer und die Gesetzeslehrer haben den Willen Gottes miß­achtet und sich von Johannes nicht taufen lassen« (Lk 7,29-30).

Wir befinden uns in der gleichen Situation wie die Hörer von Johannes am Ufer des Jordan.

Der Prophet sagte: »Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Pfa­de!«, und er sprach im Plural, er sagte es zu allen. Dennoch verstand jeder der Anwesenden, daß er zu ihm sprach. Jeder wußte, daß es bei ihm per­sönlich lag, »die Gerechtigkeit Gottes anzuerkennen«, die Gerechtigkeit, die sich in den Worten des Propheten äußerte. Es lag an jedem persönlich, »die Bußtaufe« zu empfangen oder »den Plan Gottes für sich zunichte machen.”117

Johannes Paul II. ist ähnlich einem neuen Johannes dem Täufer, ist ein großer Prophet, der in der Wüste ruft und der zweiten Ankunft Christi und dem neuen Zeitalter den Weg bereitet. Er bereitet diesen Weg in der Kirche, indem er ihre zweite Selbst-Evangelisierung verstärkt. Johannes Paul II. bereitet die Menschheit auf die zweite Ankunft Christi vor, indem er die zweite Evangelisierung vorantreibt, die zweite Form der universel­len Zivilisation der Wahrheit, der Weisheit und der Liebe.

2. Ein Papst auf dem Weg nach Betlehem

„Herr, in der Nacht deiner Geburt hörten die armen Hirten die Verhei­ßung vom Frieden. Wir haben das Leben aufs Spiel gesetzt und glauben, daß die Wirren unseres Jahrhunderts der Todeskampf einer alten Welt sind. Sie sind auch die Wehen einer neuen Geburt. Wir nehmen wahr, daß für die junge Mutter des neuen Advents die Stunde der Geburt näher rückt und daß der Vater durch uns den Regenbogen seines Bundes der Versöhnung ausbreiten will.

Herr, die Engel mögen bald die Seligpreisungen für diejenigen singen, die auf dieser Erde ein armes Herz haben. Und sie werden so vertrauens­voll entdecken, daß Dein ewiges und universelles Reich für sie anbricht,

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117 Ders., Ansprache vom 15. 12. 1983, 2, 1362-1363.6; ders., Die Schwelle der Hoffnung überschreiten, 130-131: „Christus sagt: »Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben« (Lk 12,32). Ich meine, daß diese Worte die bestmögliche Antwort auf die Probleme sind, die manchen Menschen Sorge bereiten (…). Jesus geht noch weiter, wenn er sagt: »Wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?« (vgl. Lk 18,8).”

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das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens.”118

Die makellose Jungfrau war der Morgenstern und die Morgenröte am Horizont des auserwählten Volkes Israel und der Menschheit, – der er­sten Ankunft Christi, der Sonne der Gerechtigkeit. Ja, sie war die Mutter der ersten Ankunft Christi, und in der Nacht von Betlehem hat sie dem Volk Israel und der Menschheit den Erlöser geschenkt.

Die glorreiche Gottesmutter im Himmel ist die junge Mutter des zwei­ten Advents und der zweiten Ankunft Christi, der Sonne der Gerechtig­keit. In der Nacht des neuen Advents erstrahlt sie wie der Morgenstern und wie das Morgenrot, die der Ankunft Christi in Herrlichkeit vorausge­hen und sie ankündigen. Die Gottesmutter nähert sich immer mehr der Kirche und der Menschheit in der ganzen Welt, weil sie als Mutter der glorreichen Wiederkunft Jesu, ihres Sohnes, vorausgeht und sie mütter­lich vorbereitet.

Neben Gott, „Pater constitutionis omnium”, „dem Vater, der alles ins Dasein gerufen hat”, ist Maria „Mater restitutionis omnium”, „die Mut­ter, die alles neu macht”119: die Mutter der großen Erneuerung der Kirche bei der zweiten Weihnacht Christi und die Mutter einer großen Wieder­geburt der Menschheit bei der zweiten Weihnacht Christi. Bei der zweiten Weihnacht Christi wird das Unbefleckte Herz der Mutter des neuen Ad­vents ihren schönsten Triumph feiern.

„Die Kirche kann sich auf das große Jubiläum in keiner anderen Weise als im Heiligen Geist vorbereiten. Was »in der Fülle der Zeit« durch das Wir­ken des Heiligen Geistes geschah, kann heute nur durch sein Wirken im Gedächtnis der Kirche neu erwachen. Durch sein Wirken kann all dies Gegenwart werden in der neuen Phase der Geschichte des Menschen auf dieser Erde: im Jahr 2000 nach Christi Geburt.”120

„Die Kirche des neuen Advents, – die Kirche, die sich ständig auf die Ankunft des Herrn vorbereitet, muß die Kirche der Eucharistie und der

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118 Ders., Ansprache vom 30. 3. 1985, 1, 875-876; ders., Ansprache vom 8. 12. 1982, 3,1555: „Alma Redemptoris Mater, / quae pervia caeli porta manes, / et stella maris. Erhabne Mutter des Erlösers, / du allzeit offne Pforte des Himmels / und Stern des Meeres. — Wir blicken fest auf die Unbefleckte Jungfrau wie auf einen Stern, der uns führt, am dunklen Himmel der menschlichen Erwartungen und Unsicherheiten; wir sehen sie in der ewigen Heils­ökonomie als offene Pforte, durch die der Erlöser der Welt kommen muß”; ders., Ansprache vom 3. 12. 1978, 271: „Die Jungfrau Maria führt uns in den Advent ein.”

119 Anselm von Canterbury, zitiert aus Johannes Paul II., Gebet am 8. 12. 1993, 2, 1438 vor der Mariensäule in Rom.

120 Johannes Paul II., Dominum et vivificantem, Nr. 51.

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Buße sein.”121

„O demütige und zugleich mächtige Magd, seit Beginn der Geschichte bist du am Kampf gegen den Vater der Lüge beteiligt, der die ganze Welt betrügt. In deiner Unbefleckten Empfängnis ist die Hoffnung auf Sieg gegeben. Am Ende dieses Jahres, dieses Jahrhunderts, dieses Jahrtausends suchen wir erneut bei Dir unsere Zuflucht.”122

Die Kirche des neuen Advents konzentriert sich auf Jesus Christus und bereitet sich so auf seine Ankunft in Herrlichkeit und auf das dritte Jahr­tausend vor. In dem erbitterten Kampf gegen die Mächte der Finsternis geht sie auf dem Weg der Buße und des Gebetes. Man besiegt und ver­treibt den Teufel und damit das Böse nur durch Gebet und Fasten (vgl. Mt 17,21). Das Gebet, vereinigt mit Opfer und Leiden, ist die stärkste Kraft in der Geschichte der Menschheit. Die Kirche des neuen Advents fördert die treue Beobachtung der jahrhundertealten Praxis der Einzelbeichte und garantiert so das Recht des einzelnen auf eine persönliche Begegnung mit Christus und das Recht Christi, jedem von uns im entscheidenden Augen­blick der Umkehr und Vergebung zu begegnen.

Im Blick auf das Jahr 2000 brauchen Kirche und Welt viel Gebet. Die Kirche des neuen Advents verstärkt ihr Gebet und im Gebet die Gemein­schaft mit der leidenden Kirche im Fegefeuer sowie mit der triumphieren­den Kirche im Himmel. Im Gebet und insbesondere im Rosenkranzgebet vereinigt sich die Kirche immer inniger mit der jungen Mutter der neuen Ankunft Christi. Durch das Gebet wächst in den Christen die Erwartung der neuen Ankunft Christi. Maranatha! „Komm Herr Jesus” (Offb 22,20).

Die Kirche des neuen Advents bereitet sich im Heiligen Geist auf das große Jubiläum 2000 vor, wie damals die Jungfrau aus Nazareth vom Hei­ligen Geist auf das unaussprechliche Ereignis (und Wunder) der Mensch­werdung des Wortes und auf das unaussprechliche Ereignis (und Wun­der) der Geburt Christi in Betlehem vorbereitet wurde. Während die Nacht des Unglaubens immer größer wird, braucht die Kirche wie nie zuvor das Licht ihrer makellosen Mutter, der Mutter der zweiten Ankunft Jesu.

„Dort, wo man auf Jesus wartet, ist Maria immer gegenwärtig, der

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121 Ders., Redemptor hominis, Nr. 20.

122 Ders., Gebet vor der Mariensäule in Rom, 8. 12. 1991, 2, 1344-1345; vgl. ders., Schreiben vom 6. 1. 1994; ders., Ansprache vom 12. 1. 1994; ders., Ansprache vom 17. 2. 1994; ders., Ansprache vom 8. 12. 1993, 2, 1430; ders., Dominus et vivificantem, Nr. 66.

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»Morgenstern«, der uns auf die Ankunft der »Sonne der Gerechtigkeit« (Mal 4,2) vorbereitet.”123

„Ich übergebe mich Maria. Ihr übergebe ich die ganze Kirche. Mit Maria machen wir uns zusammen auf den Weg nach Betlehem.“124

In der tiefen Nacht leuchtet am Himmel der Morgenstern auf, die Mut­ter des zweiten Advents und der zweiten Ankunft Jesu. Ihr Unbeflecktes Herz ist der Weg des zweiten Advents und der zweiten Ankunft Christi, der Sonne der Gerechtigkeit. Johannes Paul II. lebt die Ganzhingabe an das Unbefleckte Herz Mariens und durch sie die Ganzhingabe an den Herrn. So ist er mit Maria auf dem Weg nach Betlehem: zur zweiten Weihnacht Christi. Johannes Paul II. ist ein Papst und Lehrer der Kindheit gemäß dem Evangelium. Er geht in Lauterkeit den Weg der geistigen Kindheit, die ihn nach Betlehem führt.

Johannes Paul II. geht als Hirte der Gesamtkirche der Kirche auf dem Weg nach Betlehem voraus. Er klopft bei den Menschen und Nationen an: „Fürchtet euch nicht! Öffnet, ja macht Christus die Tore weit!” Die auf­steigende Spirale der Völker in den Missionsländern ist stetig auf dem Weg zu Christus und zur Kirche. Und die aufsteigende Spirale der gefal­lenen Menschheit von heute wartet voller Ungeduld auf das Offenbar-werden der Kinder Gottes und auf die große Befreiung aus der inneren und äußeren Knechtschaft.

„Selig, die Armen im Geiste, denn ihnen gehört das Himmelreich” (Mt 5,3): das sind die Worte, die seit der Nacht und dem Tag der Geburt Jesu in Betlehem ins Herz des Evangeliums geschrieben sind; diese Worte sind heiliges Erbe der Kirche. In der Kirche des neuen Advents ragt der Rest der „Demütigen und Armen des Herrn hervor, die das Heil mit Vertrauen von ihm erhoffen und empfangen” (LG 55); der Rest der kleinen Kinder Gottes und Mariens. Die Kirche des neuen Advents möchte in der Kraft der ersten Seligpreisung die Menschen, die Gesellschaft und die Systeme

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123 Ders., Ansprache vom 23. 12. 1982, 3,1672.

124 Ders., Ansprache vom 22. 12, 1979, 2,1497; vgl. ders., Ansprache vom 11. 10. 1987, 3, 834; ders., Ansprache vom 25. 12. 1984, 2, 1664f; ders., Schreiben vom 15. 8. 1993, 2, 527: „Wie die Kirche in den letzten Tagen der liturgi­schen Zeit des Advents ihre ganze Aufmerksamkeit auf Maria richtet, aus der der Herr geboren wird, so wird uns nun das lauretanische Jubiläum helfen, während dieses »Advents«, der uns dem Weihnachtsfest des Jahres 2000 entgegenführt, das gleiche zu tun. Maria — schrieb der hl. Bernhard — ist der »königliche Weg«, auf dem Christus uns entgegengekommen ist und auf dem wir jetzt ihm entgegengehen können« (vgl. 1. Adventspredigt, 5, Zisterzienserverlag, Rom, 1966, S. 174). Sie ist also auch der »königliche Weg« zur Vorbereitung auf das große Ereignis der Vollendung des zweiten christlichen Jahrtausends.”

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verwandeln. Sie möchte „den neuen Himmel und die neue Erde” errichten, wo Gerechtigkeit und Friede herrschen.

„Denn es besteht eine enge Verbindung zwischen der Eucharistie und der Jungfrau Maria, welche die mittelalterliche Frömmigkeit in die Worte faßte: »Caro Christi, caro Mariae« — Sakramental ist das Fleisch Christi in der Eucharistie das von der Jungfrau Maria angenommene Fleisch. Des­halb wollte ich in der Enzyklika Redemptoris Mater hervorheben: »Maria führt die Gläubigen zur Eucharistie« (Nr. 44).“125

„Bet-lehem heißt wörtlich das »Haus des Brotes«. Christus, der dort gebo­ren wurde, ohne eine Herberge zu finden, wird in der Geschichte der Welt ein Haus errichten, das der Bedeutung dieses Namens entspricht: Betlehem.

Das Haus des Brotes: die Eucharistie.

Er selbst, der Erlöser, wird sakramental in diesem Haus wohnen. Ja, noch mehr, er selbst wird dieses Haus sein: sein Leib und sein Blut, seine ganze Menschheit, in der die göttliche Verwandlung des Menschen begonnen hat.

So wird der Mensch ständig die Grenzen überschreiten können, die dem Heil, ja, dem ewigen Heil im Wege stehen, das Gott selbst durch die menschliche Geburt des Wortes, seines ewigen Sohnes, eröffnet hat.

Dies geschieht durch die menschliche Geburt Gottes.

Wahrhaftig!

»Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis wohnen, strahlt ein Licht auf« (Jes 9,1).

Wahrhaftig!

»Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude« (Lk 2,10).”126

Am 3. Dezember 1981, zu Beginn des Advents (der liturgischen Zeit des Advents), eröffnete Papst Johannes Paul II. die ewige Anbetung Jesu in der Eucharistie im Petersdom in Rom.

Die Verehrung Mariens führt zu Jesus in der Eucharistie. Die gelebte Weihe an das Unbefleckte Herz der Mutter des neuen Advents führt die

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125 Ders., Ansprache vom 13. 6. 1993, 1, 1508-1509.

126 Ders., Ansprache vom 24. 12. 1988, 4,1930; vgl. Dominum et vivificantem, Nr. 66; ders., Ansprache vom 13. 6. 1993, 2, 1509: Die Eucharistie und Maria sind zwei Quellen der geistlichen und sozialen Erneuerung der Christen; ders., Ansprache vom 24. 12. 1992, 2, 1003: „Der Raum der Theophanie von Betlehem reicht bis an die Grenzen der Schöpfung. Ja, er überschreitet sie. Er umfaßt die Erde und reicht zugleich bis in jene Höhen hinauf, die von der Ehre Gottes erfüllt sind: «Ehre sei Gott in der Höhe” (Lk 2,14).”

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Kirche zu einem intensiveren eucharistischen Leben und zur zunehmen­den Verehrung Jesu in der Eucharistie. So ist die Kirche des neuen Ad­vents auf dem sonnigen Weg nach Betlehem und damit zur zweiten Weihnacht Christi. Auf diese Weise wächst in ihr der polare und globale Tag des Herrn, der die polare und globale Nacht der modernen Welt überwindet.

Die Kirche des neuen Advents nähert sich einer überaus strahlen­den, schönen und umfassenden Offenbarung des eucharistischen Je­sus. Es wird zu einer großen Theophanie Jesu in der Eucharistie kom­men: vom eucharistischen Jesus aus wird der große Tag des Herrn an­brechen, der die Kirche erfassen und die Polarnacht der Menschen und Völker, die in Finsternis wandeln, erhellen wird. Die Menschen und Völker werden sich zu Gott ihrem Erlöser bekehren, das Land der Fin­sternis verlassen und zur Kirche kommen, wo das Licht nie untergeht. Und sie werden Jesus in der Eucharistie anbeten und das Brot des ewi­gen Lebens empfangen.

„Der eucharistische Christus wird allen Feiern des Millenniums vor­stehen; er wird seine Kirche erneuern und sie mit ihm vereint zum Va­ter führen. Das Millennium wird vor allem durch die Eucharistie die Kraft der Erlösung verwirklichen. In der Eucharistie wird die Kirche die sichere Quelle und die Sicherheit für ihren Einsatz zum Dienst an der Menschheit finden.”127

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127 Ders., Ansprache vom 16.4. 1988, 1, 912.

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Quelle: Ivan Pojavnik: DAS MYSTERIUM DES KONZILS – Erster Band – Meckenheim – 1996 – Maximilian-Kolbe-Verlag – ISBN 3-924413-13-4



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