„Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren!”
SCHWEIZER FATIMA-BOTE Nr. 42
QUARTALSHEFT DES FATIMA-WELTAPOSTOLATS DER DEUTSCH-SCHWEIZ
10. Jahrgang Nr. 3 / September-November 2009
Liebe Fatima-Interessierte
In letzter Zeit ist das Interesse, die Ereignisse um „Fatima” und ihre Folgen zu verfilmen, wesentlich grösser geworden. So bestehen momentan einige Filmvorhaben (in englischer Sprache) und sogar ein Projekt für ein „Musical”! Dies hat bestimmt etwas mit der Seligsprechung der beiden Seherkinder Jacinta und Francisco im Jahr 2000 durch Papst Johannes Paul II. in Fatima zu tun und vielleicht noch mehr mit der damals gleichzeitig erfolgten Bekanntgabe des so genannten 3. Geheimnisses von Fatima (effektiv handelt es sich ja um den 3. Teil eines einzigen Geheimnisses, denn zwei Teile waren ja längst bekannt – darunter auch die Höllenvision vom 13. Juli 1917).
Würde nun ein Filmregisseur zu Beginn wissen wollen, was man dem nicht informierten Zuschauer unbedingt näher bringen müsse, könnte die Antwort etwa wie folgt lauten (wobei angenommen wird, die sechs Erscheinungen von 1917 und das Papstattentat seien ihm bekannt):
Fatima ist ein Geschenk der göttlichen Vorsehung für die Menschheit, um der Erde Frieden zu bringen und die Bekehrung der Sünder zu bewirken. Es ist eine neue Hoffnung inmitten der krisengeschüttelten Welt von damals und noch mehr von heute! Die Botschaften von Fatima sind authentische von Gott stammende Prophezeiungen. Solche Prophezeiungen eröffnen der Menschheit stets Möglichkeiten, den Gang der Geschichte zu ändern (Beispiel Ninive! – und verhinderter Atomkrieg von 1985). Die authentische Botschaft von Fatima ist der Ruf zur Neuevangelisierung der Welt wie von den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. klar zum Ausdruck gebracht. Papst Johannes Paul II. hat diesen Ruf wie kein anderer verstanden , und wurde deshalb auch von der Göttlichen Vorsehung für diese Aufgabe auserwählt, eine hervorragende Rolle in der Bekehrung Russlands, der osteuropäischen Länder und so vieler anderer Länder mit kommunistischer Vergangenheit zu spielen.
Unsere liebe Frau zeigte sich den Kindern in Fatima, um uns allen den Weg zu ihrem göttlichen Sohn Jesus zu zeigen. Das ist die Hauptstossrichtung der Erscheinungen der Muttergottes.
Natürlich will Gott auch explizit die Verehrung seiner Mutter. So sagte Maria am 17. Juni 1917 zu Lucia: „Du bleibst noch einige Zeit hier. Jesus möchte sich deiner bedienen, damit die Menschen mich erkennen und lieben. Er möchte auf Erden die Verehrung meines Unbefleckten Herzens begründen. Mein Unbeflecktes Herz wird deine Zuflucht sein und der Weg, der dich zu Gott führen wird.” Am 10. Dezember 1925 erschien die Heiligste Jungfrau Lucia in Pontevedra (Spanien). An der Seite der Gottesmutter war ein Kind zu sehen. Die Gottesmutter legte ihre Hand auf die Schultern Lucias und zeigte ein von Dornen umgebenes Herz, das sie in der rechten Hand hielt. Das Kind sagte: „Habe Mitleid mit dem Herzen deiner Heiligsten Mutter, umgeben von Dornen, mit denen die undankbaren Menschen es ständig durchbohren, ohne dass jemand einen Sühneakt machen würde, um sie herauszuziehen.” An diesem Tag bat Maria um die so genannte Sühne-Kommunion an fünf aufeinander folgenden ersten Samstagen des Monats, um Sühne zu leisten für die Verunehrungen, Gotteslästerungen und Gleichgültigkeiten gegenüber ihrem Unbefleckten Herzen. Wer diese fünf Samstage hält (mit entsprechenden Bedingungen), hat die Zuversicht einer Todesstunde mit allen Gnaden, die für das Heil der Seelen notwendig sind. Die Ernsthaftigkeit dieser Sühne-Samstage wird noch unterstrichen durch eine Erscheinung von Jesus an Lucia vom 15. Februar 1926 (also nur drei Monate später). Jesus erkundigte sich bei Lucia, ob diese Andacht schon verbreitet werde….). Und die Gläubigen warten nun schon seit über 83 Jahren (!) auf die offizielle Dekretierung dieser Sühne-Samstage (analog der neun Herz-Jesu Freitage) durch den HI. Stuhl! Und dies trotz wiederholter Bittschriften von Schwester Lucia an verschiedene Päpste! Die Botschaft von Fatima gipfelt in der wunderbaren Prophezeiung der Muttergottes: “Am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren”.
Fatima ist ein dringender Aufruf zu Opfer und Gebet: “Betet täglich den Rosenkranz”! Und am 19.8.1917 anlässlich der verzögerten Erscheinung (die Kinder konnten am 13. August nicht am Ort der Erscheinungen sein, weil sie ins Gefängnis geworfen und mit dem Tod im siedenden Oel bedroht wurden!): “Betet, betet viel und bringt Opfer für die Sünder, denn viele Seelen kommen in die Hölle, weil sich niemand für sie opfert und für sie betet!”
„Fatima” ist aber auch eine Bestätigung kirchlicher Lehren: Himmel, Fegfeuer und Hölle werden von der Gottesmutter ausdrücklich erwähnt, ja die Hölle wird den Kindern sogar in einer Vision gezeigt! In den je drei Engelvisionen von 1915 und 1916 wird auch auf die hl. Eucharistie – und deren würdiger Empfang hingewiesen (der Engel sagte zu den Kindern: “Empfangt den Leib und trinkt das Blut Jesu Christi, der durch die undankbaren Menschen so furchtbar beleidigt wird. Sühnt ihre Sünden und tröstet euren Gott!”). Fatima ist auch ein dringender Aufruf der Bekehrung und Hinwendung zu Gott. Im 3. Teil des Geheimnisses zeigt der Engel mit einem Flammenschwert auf die Erde und ruft ,,Busse Busse, Busse!”
Fatima ist (leider) aber auch eine Drohung: Wenn man nicht auf meine Worte hört, werden Kriege und Verfolgungen kommen… Mit andern Worten hätte z.B. ein 2. Weltkrieg verhindert werden können und auch die Ausbreitung der „Irrlehren” Russlands mit allen ihren verheerenden Folgen. Am 25. März 1984 erfüllte Papst Johannes Paul II. endlich die Aufforderung Marias: Die Weihe Russlands an ihr unbeflecktes Herz. Das Wunder des Zusammenbruchs des Sowjet-Imperiums liess nicht lange auf sich warten und Lucia sagte, durch diese Weihe sei die Welt vor einem Atomkrieg verschont geblieben, der 1985 stattgefunden hätte. Die Seligsprechung von Jacinta und Francisco vom 13. Mai 2000 in Fatima ist einzigartig in der gesamten Kirchengeschichte: Mit der Seligsprechung ist nicht nur die Botschaft von Fatima von der Kirche anerkannt, sie ist vor der Kirche und Welt Zeugnis für die apokalyptische Sendung der Mutter Gottes, die Wiederkunft ihres Sohnes vorzubereiten.
In diesem Zeugnis ist das unerschrockene, heldenhafte Zeugnis der drei Hirtenkinder angenommen und von der Kirche aufgenommen. Das mögen für den Regisseur vorerst mal genügend „Stichworte” sein. Wir wollen ihn aber im Folgenden noch etwas mehr in die Tiefe informieren: Lucia sagte: „Vielleicht kommt jemand und fragt mich: „Was hat die Botschaft mit den Geboten des Gottesgesetzes zu tun?” Ich antworte: „Vieles ist zu beachten: Es geht um die Hauptpunkte der Botschaft. Tatsächlich schloss Unsere Liebe Frau ihre Erscheinungen in Fatima ab mit folgenden Worten: „Man soll unseren Herrn nicht mehr beleidigen, der schon so sehr beleidigt worden ist.” Vorher, am 13. Juli, hatte sie gesagt: „Im Oktober werde ich euch sagen, wer ich bin und was ich wünsche.” Da unsere Frau das so wollte, ist das Hauptziel der Botschaft, zu bitten, dass man Gott, unseren Herrn, nicht mehr beleidige. Und was Gott am meisten beleidigt, ist die Übertretung seines Gesetzes (…).
Papst Johannes Paul II. sagte diesbezüglich in Fatima: „Es ist die grosse Sorge einer Mutter, die sie zum Sprechen veranlasst: Das Schicksal ihrer Kinder steht auf dem Spiel. Aus diesem Grund bittet sie die kleinen Hirtenkinder: Betet, betet und bringt viele Opfer für die Sünder; viele Seelen gehen zur Hölle, weil sie niemanden haben, der für sie betet und Opfer bringt… Und lasst uns nicht sagen, dass es Gott ist, der uns auf diese Art bestraft, im Gegenteil, es sind die Menschen selbst, die ihre eigene Bestrafung vorbereiten. In seiner Güte warnt uns Gott und ruft uns auf den rechten Weg; er achtet die Freiheit, die er uns gegeben hat; infolgedessen sind die Mensch verantwortlich.”
Überhaupt: „Fatima” und Papst Johannes Paul II. sind aufs Engste miteinander verbunden – und diese Erkenntnisse werden für unseren Regisseur nun weiterhin sehr viel „ heissen Zündstoff” beinhalten.
Papst Johannes Paul II. und Fatima
Hören wir den Papst zuerst selber, was er in seinem Buch „Die Schwelle der Hoffnung überschreiten” sagt (S. 159):
„Und was ist über die drei portugiesischen Kinder aus Fatima zu sagen, die unerwartet und kurz vor dem Ausbruch der Oktober-Revolution hörten: ,Russland wird sich bekehren’, und ,am Ende wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren’? Sie konnten derartige Voraussagen unmöglich erfunden haben. Sie kannten sich weder in der Geschichte noch in der Geographie aus und noch weniger wussten sie von Sozialbewegungen oder Ideologie-Entwicklungen. Und doch ist genau eingetreten, was sie angekündigt hatten. Vielleicht ist der Papst auch aus diesem Grund aus ,einem fernen Land’ gerufen worden; vielleicht hat das Attentat auf dem Petersplatz gerade am 13. Mai 1981, dem Jahrestag der ersten Erscheinung in Fatima, stattfinden müssen, damit alles durchsichtiger und verständlicher würde, damit die Stimme Gottes, die in der Menschengeschichte in ‚Zeichen der Zeit’ spricht, einfacher zu hören und zu verstehen sein würde.”
Das “Blutzeugnis” von Papst Johannes Paul II. beim Attentat vom 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz.
Aus einem Vortrag vom 13. Mai 2001 von Stanislaw Dziwisz, dem ehemaligen Privatsekretär (und heutigem Kardinal) von Papst Johannes Paul ist zu erfahren: “Für diesen gleichen Tag organisierten die kommunistische Partei und Kreise, die das Recht auf Abtreibung befürworteten, in Rom eine Gross-Demonstration. Aufgrund des Attentats wurde diese Kundgebung abgesagt. Im Plan der göttlichen Vorsehung geschieht nichts durch Zufall. Vielleicht war dieses unschuldige Blut und jener verzweifelte Kampf für das Leben notwendig, um in den Gewissen der Menschen das Bewusstsein seines Wertes und den Willen zu wecken, es von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zu schützen. Die Tatsache, dass an jenem Tag sowohl der Päpstliche Rat für die Familie als auch das Institut für die Familie an der Päpstlichen Lateran-Universität gegründet wurden, scheint jene Eingebung zu bestätigen. (…) Kardinal Dziwisz ist der festen Überzeugung, dass das am 13. Mai auf dem Petersplatz vergossene Blut im Frühling der Kirche des Jahres 2000 Frucht brachte… (so weit Kardinal Dziwisz).
Lucia, Francisco und Jacinta waren beim Zeitpunkt der Erscheinungen zehn, neun und sieben Jahre alt. Sie waren Analphabeten und verbrachten ihre Zeit mit Hüten von Schafen. Johannes Paul hatte keinen Zweifel an ihrer Einfachheit, die später Schwester Lucia selber bestätigte: „Als Unsere Liebe Frau das erste Mal von Russland sprach, wussten wir nicht, was das war. Wir dachten, Russia sei ein Frauenname. Wir dachten, es sei eine sündige Frau, für die wir uns opfern sollten.”
Das Sonnenwunder vom 13. Oktober 1917 vor rund 70’000 Personen bestätigte Fatima voll und ganz! Anlässlich dieser letzten Erscheinung bezeichnete sich Maria als “Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz”!
Die kirchlichen Behörden hatten die Vorgänge in der Cova da Iria mit der grössten Zurückhaltung verfolgt. Die Kommission, die mit der Durchführung des kanonischen Prozesses beauftragt war, arbeitete gewissenhaft, doch langsam. Erst am 14. April 1930 wurde die letzte Sitzung abgehalten, bei der noch einmal die 31 Kapitel des langen Berichtes überprüft wurden… Der Bischof widmete dem Studium desselben und der Vorbereitung des Urteils volle sechs Monate. Endlich erschien ein Hirtenbrief über den Kult der Madonna von Fatima, der feierlich “die Erscheinungen vom 13. Mai bis zum 13. Oktober 1917 als glaubwürdig erklärte und die öffentliche Verehrung Unserer Lieben Frau von Fatima gestattete”. Und schliesslich soll nun unser Regisseur auch noch auf ein äusserst spannendes Buch hingewiesen werden, das ausgiebig Aufschluss über verschiedenste Aspekte von Papst Johannes II. und dem Zusammenbruch des Sowjet-Reiches aufzeigt. Der Titel lautet: „Fatima, ein Geheimnis begleitet den Papst” von Aura Miguel, erschienen im Miriam-Verlag. Wir wollen nun daraus ein wichtiges Kapitel übernehmen.
Fatima und der Osten – in erster Linie Russland
Die Weihe der Welt und Russlands an das Unbefleckte Herz Mariens schuf in den Spitzen der Kirche einige Verlegenheit. Noch nie hatte Unsere Liebe Frau wie in Fatima den Menschen eine Botschaft mit solchen politischen Implikationen hinterlassen.
Auch Johannes Paul II. weiss darum und spricht mit einigen ihm nahe stehenden Bischöfen darüber. Msgr. Paul Josef Cordes, Präsident des Päpstlichen Rates Cor Unum ist einer von denen, mit welchen er darüber spricht: “Während eines privaten Essens sprach der Papst über die Weihe, die er vollzogen hatte. Er erzählte, wie er daran gedacht hatte, Russland während des Weihegebets ausdrücklich zu erwähnen. Aber seine Mitarbeiter rieten ihm, davon abzusehen, weil er den sowjetischen Führern gegenüber eine solch direkte Herausforderung nicht wagen durfte. Der Papst erzählte uns, wie viel es ihn gekostet habe, auf die öffentliche Segnung Russlands zu verzichten.”
Beim selben Essen erzählt Johannes Paul II. dem deutschen Bischof, wie erleichtert er war, als er nach der Weihe vom 25. März 1984 erfuhr, dass die orthodoxen Bischöfe, die über Freundschaftskanäle informiert worden waren, sich spontan und aus eigener Initiative entschlossen hatten, sich an diesem Tag mit dem Papst zu verbinden, um die Weihe Russlands im Namen Mariens zu vollziehen. “Der Papst war höchst erfreut”, erinnert sich Msgr. Cordes, „nicht nur wegen des Ereignisses an sich, das heisst, weil die Weihe Russlands durch die russischorthodoxen Bischöfe vollzogen worden war, deren Bischofsweihe durch Rom anerkannt wird, sondern auch, weil er darin eine wohlwollende Antwort Gottes sah, die ihn darin bestärkte, dass er sich nicht getäuscht hatte mit dieser Weihe, mit der so viele nicht einverstanden waren.”
Im folgenden Jahr am 11. März 1985 wird Michail Gorbatschow zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gewählt.
Er beginnt, den Boden für die Perestroika vorzubereiten. Im April besucht der neue Generalsekretär Polen, um an der Versammlung des politischen Beratungskomitees des Warschauer Pakts teilzunehmen und trifft sich längere Zeit mit dem Präsidenten Jaruzelski. Die beiden Männer analysieren die Situation in den sozialistischen Ländern des Sowjetblocks und deren Beziehungen mit dem Westen. Bei diesem Gespräch wird notwendigerweise über den Papst gesprochen.
Jaruzelski erzählt später, dass Gorbatschow ihm viele Fragen über Johannes Paul II. gestellt habe, wobei der polnische Präsident Wojtyla als einen aussergewöhnlichen Mann, einen großen Humanisten und vor allem als einen Mann des Friedens beschrieben habe. Bei dieser Antwort “begeisterte sich Gorbatschow über die Möglichkeit einer friedlichen Koexistenz zwischen Ost und West, einer Reduzierung der Aufrüstungen bis zu ihrer gänzlichen Vernichtung.” Jaruzelski bietet sich als Vermittler zwischen dem polnischen Papst und Michail Gorbatschow an. Diese Vermittlung wird tatsächlich ihre Früchte tragen. Am anderen Ende Europas wird die Person Johannes Pauls II. ebenfalls durch die Aufmerksamkeit der Politiker gewürdigt. Am 10. Mai dieses Jahres besucht US-Präsident Ronald Reagan Portugal. Bei seiner Rede vor der Nationalversammlung bezieht er sich auf den Heiligen Vater: “Niemand hat der Welt mehr die Wahrheit der menschlichen Würde – wie die Wahrheit, dass Friede und Gerechtigkeit in jedem einzelnen von uns beginnen – in Erinnerung gerufen als jener Mann, der vor einigen Jahren nach Portugal kam nach einem schrecklichen Attentat gegen sein Leben … Ich wage zu behaupten, dass im Beispiel von Menschen wie ihm und in den Gebeten demütiger Menschen auf der ganzen Welt – demütiger Menschen wie die Hirtenkinder von Fatima – eine grössere Kraft liegt als in allen grossen Heeren und Staatsmännern der Welt.”
Zwei Jahre später begibt sich Michail Gorbatschow in die Vereinigten Staaten, um den ersten Atomsperrvertrag zu unterzeichnen. “Ich bin mir gewiss, dass Gott in der Höhe des Himmels uns nicht die notwendige Weisheit verweigern wird, um Wege der Verständigung zu finden”, sagt der Sowjetführer gegenüber der Zeitschrift ,Time’. Der Abrüstungsvertrag wird mit Datum vom 8. Dezember 1987 unterzeichnet.
In dieser Periode findet auf Initiative des Papstes das Marianische Jahr statt. Es wird 1987 ausgerufen, um der Geburt der Jungfrau vor 2000 Jahren zu gedenken und um die Menschheit auf die Bedeutung des Jahres 2000 hinzuweisen. Johannes
Paul II. kündigt es am 1. Januar in der Petersbasilika an. Das Jubiläumsjahr dauert vom 7. Juni 1987 (Pfingsten) bis zum 15. August 1988 (Fest der Aufnahme Mariens). Zuvor veröffentlicht der Papst die Enzyklika über die Rolle Mariens im Geheimnis Christi und in der Sendung der Kirche. Das Dokument erwähnt auch Russland und den Reichtum seiner Spiritualität, weil während des Marianischen Jahres die Tausendjahrfeier der Taufe des hl. Vladimir, des Grossfürsten von Kiew (988), gefeiert wird, die den Beginn des Christentums auf dem Gebiet der alten Rus und nachher in allen Gebieten Osteuropas markierte. (Das Zusammenfallen des Datums vom 8. Dezember, dem Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens, mit der Anrufung Gottes durch Gorbatschow, dem Führer der Weltmacht, wo dieses Wort während 70 Jahren schwerste Verfolgungen hervorrief, wird von vielen als Zeichen der ersten Schritte zur Erfüllung der Prophezeiungen von Fatima betrachtet.)
Mit dem Wunsch, auf beste Weise in diese der Jungfrau Maria geweihte Zeit einzutreten, und gewiss eingedenk ihrer Hinweise in Fatima, um den Frieden in der Welt zu erlangen, ergreift der Papst eine Welt umfassende Initiative. Am Vorabend der Eröffnung des Marianischen Jahres, dem ersten Samstag im Monat, dem 6. Juni 1987, bittet Johannes Paul II. alle Gläubigen, sich im Gebet mit ihm zu vereinen, indem sie den Rosenkranz über eine direkte Fernsehverbindung gleichzeitig in siebzehn marianischen Heiligtümern der Welt beten. Der Heilige Vater nimmt in Rom in der Basilika Santa Maria Maggiore daran teil. In all diesen Heiligtümern gibt es Riesenbildschirme, über welche die Gläubigen verfolgen können, was in den anderen marianischen Zentren auf der Welt geschieht.
Die Sendung beginnt im Heiligtum von Fatima, wo sich auf Einladung des Papstes hin Tausende versammelt haben. In der Einführung zum ersten Geheimnis, das auf Portugiesisch vorgebetet wird, nimmt Johannes Paul II. Bezug auf die Aktualität der Botschaft „Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz” und hebt die Notwendigkeit des Gebets um den Frieden hervor. Fatima nimmt also einen privilegierten Platz ein bei der Übertragung der ersten Bilder in Mondovision, wo auch der siebzig Jahre seit den Erscheinungen in der Cova da Iria gedacht wird. Am Ende des Rosenkranzes lädt Johannes Paul II. alle Gläubigen, die sich in den auf der Welt verstreuten Heiligtümern versammelt haben, ein, dasselbe zu tun wie die Pilger in Fatima bei der Abschlussprozession, und alle winken zum Abschied mit weissen Tüchern der Jungfrau zu.
Im folgenden Monat, am 26. Juli 1987, hebt der Papst erneut hervor, wie zentral die Botschaft von Fatima für die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist: „Die Erscheinungen der allerseligsten Jungfrau Maria in Fatima sind 1917 durch aussergewöhnliche Zeichen bewiesen worden und bilden einen Bezugs- und Ausstrahlungspunkt für unser ganzes Jahrhundert”
DIE AGONIE DES KOMMUNISMUS
Die ersten Anzeichen der Krise des internationalen Kommunismus gehen von Polen aus. Johannes Paul II. verstärkt seine Unterstützung für Lech Walesa und die Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc” („Solidarität”), die trotz der Verfolgung durch das Regime nicht aufzuhalten ist.” Beim dritten Besuch des Papstes in seinem Heimatland im Juni 1987 gebraucht er dieses Wort als Motto für seine Ansprachen. “Er pries das Ideal von Solidarnosc, das für ihn nicht nur Polen galt, sondern für die gesamte Welt, für die westlichen Demokratien”, schreibt sein Freund André Frossard.
Für Johannes Paul II. ist die Teilung Europas unannehmbar. Das Gesicht dieses Kontinents wird geprägt durch das Erbe Roms und Byzanz’. Europa muss mit „beiden Lungen” atmen, der westlichen und der östlichen. Deswegen ist diese Spaltung eine historische Anomalie, der ein Ende gesetzt werden muss. Europa muss seine kulturellen und religiösen Wurzeln wieder finden, die beiden Teilen gemeinsam sind. In Polen beginnt dieses gemeinsame Schicksal Form anzunehmen, wie der Papst selbst zu Lech Walesa sagt: “In Polen ist es, wo sich das Gesicht dieses neuen Europa, des gemeinsamen europäischen Hauses dank “Solidarität” zu bilden begann, und kein Ereignis wird dies aufhalten können.”
Die gleiche Sorge um den Frieden und die Einheit in Europa” vom Atlantik bis zum Ural” wird Anfang 1988 durch Papst Johannes Paul II. erneut bestätigt. Die Augen auf Russland gerichtet, verfasst er ein Apostolisches Schreiben an die Christen in sowjetischen Ländern: “Der Wunsch nach Einheit und Frieden, nach Überwindung der verschiedenen Barrieren und nach Ausgleich der Kontraste – wie auch der Appell selbst, den die Vergangenheit Europas an uns richtet – wird ein bewegendes Zeichen unserer Zeit. Es gibt keinen echten Frieden, wenn nicht auf der Grundlage eines Einigungsprozesses, in welchem jedes Volk in Freiheit und Wahrheit die Wege der eigenen Entwicklung selbst wählen kann.”
Wenige Monate später beginnen sich die Anzeichen dieser “Wahl jedes Volkes” abzuzeichnen. Neben Polen nehmen die Auseinandersetzungen in der Tschechoslowakei und in Ungarn zu. Unterdessen macht im Juni 1988 eine Vatikandelegation auf höchster Ebene einen historischen Besuch in Moskau. Kardinal Agostino Casaroli, Chef dieser Delegation, ist eingeladen worden, bei einer speziell für ihn organisierten Sitzung im Bolschoitheater das Wort zu ergreifen: “Die religiöse Tatsache ist von unbestreitbarer Aktualität, und kein Verantwortlicher kann diese vernachlässigen”, bestätigt der Staatssekretär des Vatikans.
Drei Tage später, am 13. Juni trifft sich Casaroli im Kreml mit Gorbatschow und überreicht ihm einen persönlichen, von Hand auf russisch geschriebenen Brief von Johannes Paul II. “Die Katholische Kirche betrachtet mit hoher Achtung und wirklicher Liebe das unermessliche geistliche Erbe der slawischen Völker des Ostens”, beginnt der Papst. „Ich bin überzeugt, dass Ihre Arbeit, Herr Generalsekretär, grosse Erwartungen und eine berechtigte Hoffnung unter den Gläubigen geweckt hat. Ich teile diese Empfindungen und möchte Ihnen gerne das Vertrauen ausdrücken, das ich in der Tatsache sehe, dass der Besuch von Kardinal Casaroli neue Perspektiven für die Katholiken der Sowjetunion eröffnen wird. Zusammen mit dem Papstbrief erhält der sowjetische Führer ein Dossier mit drei fundamentalen Anliegen des Heiligen Stuhls: Die Wiederaufnahme der Beziehungen zwischen dem Vatikan und Moskau, die Religionsfreiheit für alle Gläubigen in der UdSSR; die Legalisierung der Katholiken des orientalischen Ritus. Am Ende des Gipfels erklärt Kardinal Casaroli einem Journalisten der Prawda gegenüber: „Wir haben zu Fuss eine Brücke über siebzig Jahre geschlagen. Ich war nicht der einzige, der diese Brücke gebaut hat, die andere Seite trug ebenfalls dazu bei.”
1989 verbreitet sich “der ansteckende Zerfall” in Osteuropa. Das erste Land, das im Februar die Legalität unabhängiger Parteien anerkennt ist Ungarn. Dann finden in der Sowjetunion am 26. März die ersten Wahlen mit unabhängigen Kandidaten statt. Boris Jelzin gewinnt in Moskau. Am 17. April legalisiert die polnische Regierung die “Solidarität”.
Gorbatschow verkündet in diesem Jahr das Ende “der Politik der eingeschränkten Souveränität” gegenüber den Ländern des Ostblocks. Der Rückzug der sowjetischen Truppen und der Fall des Eisernen Vorhangs beginnt in Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei und der Deutschen Demokratischen Republik. In den baltischen Ländern bilden Oppositionsgruppen in Litauen. Estland und Lettland am 13. Mai 1989 die erste baltische Versammlung, die erklärt, ihre Berufung sei “der Weg zu Europa und nicht zur kulturellen Assimilation”.
In einer Schwindel erregenden Aufeinanderfolge der Ereignisse anerkennt der polnische Staat die Katholische Kirche offiziell am 17. Mai und ruft für den 4. Juni Wahlen aus, wo es zu einem klaren Sieg der “Solidarität” kommt, der zur Bildung einer Koalitionsregierung führt. Dann ist die Reihe an Ungarn, das seine Grenzen zu Österreich hin öffnet und so Tausenden von Flüchtlingen aus der DDR den Weg in den Westen freimacht. Angesichts dieser und anderer Tatsachen interveniert die Sowjetunion nie. Unterdessen gibt Erich Honecker die Macht in Ostdeutschland ab, und am 8. November werden mit “unmittelbaren Folgen” freie Wahlen und die Öffnung der Grenzen zur Bundesrepublik Deutschland verkündet. Noch in dieser Nacht beginnt das Volk mit der Zerstörung der Berliner Mauer.
Wenige Tage nach diesem Zusammenbruch des Kommunismus findet das historische Treffen Gorbatschows mit dem Papst statt.
Am Morgen des 1. Dezembers fährt eine schwarze gepanzerte Limousine mit der sowjetischen Flagge (rot, mit Hammer und Sichel) über den Petersplatz, überquert die Grenze zum Vatikan, an der Petersbasilika vorbei zum Damasushof. Der Sowjetführer wird von einer Ehrenwache empfangen. Er ist in Begleitung seiner Frau Raissa, die ganz in Rot gekleidet erscheint. Johannes Paul II. geht hinaus zur Begrüssung. Die vorgesehene Zeit für die Audienz (mit Dolmetschern) wird überschritten und dauert über eine Stunde. Der Papst selber eröffnete später George Weigel, man habe bei dieser Begegnung über die Religionsfreiheit gesprochen sowie die Sprechzeit benutzt, um den Gesprächspartner und die Kraft seiner Überzeugungen besser kennen zu lernen. Als endlich die Bibliothekstür geöffnet wird, treten Raissa und die übrige Begleitung zu Vortrag und Austausch von Geschenken ein. “Raissa Maximovna, ich habe die Ehre, dir die höchste moralische Autorität der Erde vorzustellen.” Dann fügt Gorbatschow lächelnd hinzu: “Er ist Slawe wie wir.” Der Papst ordnet dieses Treffen ein als “ein Zeichen der Zeiten, die langsam reifen, reich an Verheißungen für die Zukunft”. Gorbatschow seinerseits kommentiert bewegt: „Ein wahrhaft ausserordentliches Ereignis hat stattgefunden.” Am Ende überreicht der Heilige Vater dem Sowjetführer ein Mosaik aus der Vatikanischen Schule, die Christus mit dem offenen Evangelienbuch darstellt mit dem Satz: “Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.” Millionen Menschen auf der ganzen Welt verfolgen dieses Treffen am Fernsehen, wo es direkt übertragen wird. “Es geschah das Undenkbare, das Geheimnis der Geschichte siegte über die Pläne der Menschen”, tituliert der «Osservatore Romano» am folgenden Tag. “Alles, was sich in Osteuropa in den letzten Jahren ereignet hat, wäre ohne die Gegenwart dieses Papstes nicht möglich gewesen, ohne die auch politische Rolle, die er auf der Weltbühne zu spielen verstand”, erklärt Michail Gorbatschow einer italienischen Zeitung. Doch Johannes Paul II. wird später seine eigene Hauptrolle differenzieren: “Ich finde, wenn es eine bestimmende Rolle gab, war es die des Christentums als solches, sein Inhalt, seine religiöse und moralische Botschaft, seine ihm innewohnende Verteidigung der menschlichen Person und seiner Rechte. Ich habe nichts anderes getan, als in Erinnerung zu rufen, zu wiederholen und zu bekräftigen, dass dies ein Grundsatz sei, der beachtet werden muss.” Der Heilige Vater sagte gegenüber Vittorio Messori im Hinblick auf den “Finger Gottes” beim Zusammenbruch des Kommunismus: “Es gehört sich, eine übertriebene Vereinfachung zu vermeiden, weil der Kommunismus infolge seiner eigenen Irrtümer und Missbräuche zerfiel.” Auf geheimnisvolle Weise schloss der Papst in diese Antwort jedoch einen Bezug zu den Erscheinungen von Fatima und die Verbindung jener Botschaft mit seinem Pontifikat ein. Johannes Paul II. geht sogar soweit anzunehmen, dass das Attentat vom 13. Mai “notwendig” gewesen sei, um alles “transparenter und verständlicher” zu machen und so zu erlauben, dass Gott gehört wurde: “Vielleicht ist deswegen der Papst ,aus einem entfernten Land’ berufen worden, vielleicht wurde deswegen das Attentat auf dem Petersplatz notwendig, genau am 13. Mai 1981, am Jahrestag der ersten Erscheinung in Fatima, damit die Stimme Gottes, die in der Geschichte des Menschen durch die ,Zeichen der Zeit’ spricht, leichter gehört und ver-standen werde.” So anerkennt der Papst selber objektiv “die Nützlichkeit” des Attentats.
Georges Inglin
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Quelle: Schweizer Fatima-Bote Nr. 42, 10. Jahrgang Nr. 3, Sept./Nov. 2009
