Quantcast
Channel: POSchenker
Viewing all articles
Browse latest Browse all 6641

Der Papst und die ‚konservativste’ Rota-Ansprache der letzten Jahre

$
0
0

titelbild

Franziskus:
die Ehe in ihren wesentlichen Elementen
– Nachkommen, Wohl der Ehegatten, Einheit, Unauflöslichkeit, Sakramentaliltät –
ist kein Ideal für Wenige, sondern eine Wirklichkeit für alle Getauften.

Von Armin Schwibach
23. Januar 2016

Rom (kath.net/as) Am 22. Januar eröffnete Papst Franziskus mit einer Ansprache an das Gericht der Römischen Rota das Gerichtsjahr. Nach zwei Jahren, in denen sich die Kirche im Rahmen einer außerordentlichen und einer ordentlichen Bischofssynode der Problematik von Ehe und Familie in der modernen Welt zugewandt hatte, wurde diese Ansprache vor allem unter zwei Aspekten erwartet: unter dem Aspekt des Scheiterns der Ehe und der wiederverheirateten Geschiedenen sowie dem Aspekt dessen, was in Deutschland unter dem Begriff „Ehe für alle“ bekannt und in Italien im Moment aktuell ist, da im Parlament ein Gesetz zur zivilrechtlichen Anerkennung von alternativen (auch homosexuellen) Lebensgemeinschaften zur Abstimmung ansteht.

Der vor allem in säkularen Medien gepflegten Legende nach ist Papst Franziskus ja ein „revolutionärer“ Papst, der für viele nicht zögern würde, auch Grundfeste der Lehre zur Abstimmung zu stellen, sie im Horizont von neuen „Lebenswirklichkeiten“ zu beurteilen, die Lehre hinter individuelle Gewissensentscheidungen zu stellen, die Ergebnis einer besonderen Unterscheidung der Geister sein sollten. Wer dem Duktus des Denkens und Handelns des Papstes dagegen aufmerksam folgt, kann weder revolutionäre Umbrüche noch liberale Aufbrüche erkennen. Vielmehr könnte eine bei Päpsten ungewohnte Zweideutigkeit festgestellt werden, woraus sich oft die Notwendigkeit einer konstanten Interpretation von Papstworten ergibt. Dies stellt Anforderungen, die es umso mehr verbieten, plakative Revolutionsparolen zu schwenken oder, wie dies sogar ein Kardinal gewagt hat, von „Krieg“ zu sprechen, sollte diesem angeblich „Neuen“ nicht entsprochen werden.

Nun hat gerade dieser „revolutionäre“ Papst die „konservativste“ Rota-Ansprache der letzten Jahrzehnte gehalten und auch nicht gezögert, problematische Elemente des jüngsten Motu proprio „Mitis iudex Dominus Iesus“ über die Reform des kanonischen Verfahrens für Ehenichtigkeitserklärungen im Codex des kanonischen Rechtes (15. August 2015) zu korrigieren. Aber der Reihe nach.

Zunächst nahm Franziskus die Definition der Sacra Rota Romana auf, mit der sein Vorgänger Pius XII. ihren Aufgabenbereich umschrieben hatte. Dieses Gericht war für den ehrwürdigen Diener Gottes „Gericht der Familie“, damit die Kirche, die untrennbar mit der Familie verbunden sei, fortfahre „den Plan des Schöpfergottes und Erlösers für die Heiligkeit und Schönheit der Einrichtung der Familie zu verkünden.

Dieser Wesensbestimmung des Gerichts der Sacra Rota fügte Franziskus, über Pius XII. hinausgehend, eine weitere komplementäre hinzu. Das Gericht dürfe nicht vergessen, dass es „Gericht der Wahrheit“ sei. Der Papst unterstrich: „die Kirche kann die vollkommene und unfehlbar barmherzige Liebe Gottes gegenüber den Familien zeigen, besonders gegenüber den durch die Sünde und die Prüfungen des Lebens verletzten, und gleichzeitig die unverzichtbare Wahrheit der Ehe nach dem Plan Gottes verkünden“.

Der zweijährige Synodenprozess habe eine vertiefte Unterscheidung gestattet, dank derer „die Kirche der Welt gezeigt hat , dass es keine Verwirrung zwischen der von Gott gewollten Familie und jeder anderen Art von Verbindung geben darf“.

Der Papst zitierte Papst Pius XI. Dieser hatte in „Casti connubii“ unterstrichen, dass die auf der unauflöslichen Ehe gegründete, eine und auf Fortpflanzung ausgerichtete Familie zum „Traum“ Gottes und seiner Kirche für das Heil der Menschheit gehöre.

Die Familie und die Kirche trügen auf verschiedenen Ebenen dazu bei, den Menschen zum Ziel seines Daseins zu begleiten. Gerade weil die Kirche „mater et magistra“ sei, wisse sie, dass einige unter den Christen einen starken, von der Liebe geformten Glauben hätten, „der von einer guten Katechese gestärkt und vom Gebet und sakramentalen Leben genährt wird, während andere einen schwachen Glauben haben, der vernachlässigt und nicht geformt wurde, wenig erzogen oder vergessen worden ist“.

An dieser Stelle korrigierte der Papst eine missverständliche und von vielen Theologen und Kanonisten kritisierte Aussage in seinem Motu proprio zur Reform der Ehenichtigkeitsprozesse, wo es hieß: „Zu den sachlichen und persönlichen Umständen, welche die Behandlung der Ehenichtigkeitssache auf dem Weg des kürzeren Prozesses gemäß cann. 1683 – 1687 nahelegen, werden als Beispiele angeführt: jener Mangel an Glauben, der die Simulation des Konsenses oder den willensbestimmenden Irrtum hervorbringen kann;…“ (Art. 14, §1).

Jetzt unterstrich Franziskus dagegen: „Es ist gut, eindeutig zu bekräftigen, dass die Qualität des Glaubens nicht die wesentliche Bedingung für den Ehekonsens ist, der entsprechend der immerwährenden Lehre nur auf natürlicher Ebene unterminiert werden kann (CIC, can. 1055 § 1 und 2).

Und weiter: „Der ‚habitus fidei’ wird im Augenblick der Taufe eingegossen und fährt fort, seinen geheimnisvollen Einfluss auf die Seele zu haben, auch wenn der Glaube nicht entwickelt ist und psychologisch abwesend zu sein scheint“. Verfehlungen in der Bildung des Glaubens und auch der Irrtum hinsichtlich der Einheit, der Unauflöslichkeit und sakramentalen Würde der Ehe „verderben den Ehekonsens nur, wenn sie den Willen bestimmen (vgl. CIC can. 1099). Gerade aus diesem Grund müssen die Irrtümer, die die Sakramentalität der Ehe betreffen, sehr sorgfältig gewertet werden“.

Abschließend hob der Papst hervor, dass die Kirche mit erneuertem Sinn für Verantwortung die Ehe in ihren wesentlichen Elementen – „Nachkommen, Wohl der Ehegatten, Einheit, Unauflöslichkeit Sakramentaliltät“ – nicht als Ideal für wenige vorschlage, sondern als Wirklichkeit, die dank der Gnade Christi von allen getauften Gläubigen gelebt werden könne. Franziskus betonte in diesem Zusammenhang die pastorale Dringlichkeit einer Art von „Ehevorbereitungs-Katechumenat“, die alle Strukturen der Kirche einbegreifen solle, wie dies auch von einigen Synodenvätern angeregt worden sei.

_______

Quelle


DISCORSO DEL SANTO PADRE FRANCESCO
IN OCCASIONE DELL’INAUGURAZIONE DELL’ANNO GIUDIZIARIO
DEL TRIBUNALE DELLA ROTA ROMANA

Sala Clementina
Venerdì, 22 gennaio 2016

[Multimedia]


 

Cari fratelli,

vi do il mio cordiale benvenuto, e ringrazio il Decano per le parole con cui ha introdotto il nostro incontro.

Il ministero del Tribunale Apostolico della Rota Romana è da sempre ausilio al Successore di Pietro, affinché la Chiesa, inscindibilmente connessa con la famiglia, continui a proclamare il disegno di Dio Creatore e Redentore sulla sacralità e bellezza dell’istituto familiare. Una missione sempre attuale, ma che acquista particolare rilevanza nel nostro tempo.

Accanto alla definizione della Rota Romana quale Tribunale della famiglia[1], vorrei porre in risalto l’altra prerogativa, che cioè essa è il Tribunale della verità del vincolo sacro. E questi due aspetti sono complementari.

La Chiesa, infatti, può mostrare l’indefettibile amore misericordioso di Dio verso le famiglie, in particolare quelle ferite dal peccato e dalle prove della vita, e insieme proclamare l’irrinunciabile verità del matrimonio secondo il disegno di Dio. Questo servizio è affidato primariamente al Papa e ai Vescovi.

Nel percorso sinodale sul tema della famiglia, che il Signore ci ha concesso di realizzare nei due anni scorsi, abbiamo potuto compiere, in spirito e stile di effettiva collegialità, un approfondito discernimento sapienziale, grazie al quale la Chiesa ha – tra l’altro – indicato al mondo che non può esserci confusione tra la famiglia voluta da Dio e ogni altro tipo di unione.

Con questo stesso atteggiamento spirituale e pastorale, la vostra attività, sia nel giudicare sia nel contribuire alla formazione permanente, assiste e promuove l’opus veritatis. Quando la Chiesa, tramite il vostro servizio, si propone di dichiarare la verità sul matrimonio nel caso concreto, per il bene dei fedeli, al tempo stesso tiene sempre presente che quanti, per libera scelta o per infelici circostanze della vita,[2] vivono in uno stato oggettivo di errore, continuano ad essere oggetto dell’amore misericordioso di Cristo e perciò della Chiesa stessa.

La famiglia, fondata sul matrimonio indissolubile, unitivo e procreativo, appartiene al “sogno” di Dio e della sua Chiesa per la salvezza dell’umanità.[3]

Come affermò il beato Paolo VI, la Chiesa ha sempre rivolto «uno sguardo particolare, pieno di sollecitudine e di amore, alla famiglia ed ai suoi problemi. Per mezzo del matrimonio e della famiglia Iddio ha sapientemente unite due tra le maggiori realtà umane: la missione di trasmettere la vita e l’amore vicendevole e legittimo dell’uomo e della donna, per il quale essi sono chiamati a completarsi vicendevolmente in una donazione reciproca non soltanto fisica, ma soprattutto spirituale. O per meglio dire: Dio ha voluto rendere partecipi gli sposi del suo amore: dell’amore personale che Egli ha per ciascuno di essi e per il quale li chiama ad aiutarsi e a donarsi vicendevolmente per raggiungere la pienezza della loro vita personale; e dell’amore che Egli porta all’umanità e a tutti i suoi figli, e per il quale desidera moltiplicare i figli degli uomini per renderli partecipi della sua vita e della sua felicità eterna».[4]

La famiglia e la Chiesa, su piani diversi, concorrono ad accompagnare l’essere umano verso il fine della sua esistenza. E lo fanno certamente con gli insegnamenti che trasmettono, ma anche con la loro stessa natura di comunità di amore e di vita. Infatti, se la famiglia si può ben dire “chiesa domestica”, alla Chiesa si applica giustamente il titolo di famiglia di Dio. Pertanto «lo “spirito famigliare” è una carta costituzionale per la Chiesa: così il cristianesimo deve apparire, e così deve essere. È scritto a chiare lettere: “Voi che un tempo eravate lontani – dice san Paolo – […] non siete più stranieri né ospiti, ma concittadini dei santi e familiari di Dio” (Ef 2,19). La Chiesa è e deve essere la famiglia di Dio».[5]

E proprio perché è madre e maestra, la Chiesa sa che, tra i cristiani, alcuni hanno una fede forte, formata dalla carità, rafforzata dalla buona catechesi e nutrita dalla preghiera e dalla vita sacramentale, mentre altri hanno una fede debole, trascurata, non formata, poco educata, o dimenticata.

È bene ribadire con chiarezza che la qualità della fede non è condizione essenziale del consenso matrimoniale, che, secondo la dottrina di sempre, può essere minato solo a livello naturale (cfr CIC, can. 1055 § 1 e 2). Infatti, l’habitus fidei è infuso nel momento del Battesimo e continua ad avere influsso misterioso nell’anima, anche quando la fede non è stata sviluppata e psicologicamente sembra essere assente. Non è raro che i nubendi, spinti al vero matrimonio dall’instinctus naturae, nel momento della celebrazione abbiano una coscienza limitata della pienezza del progetto di Dio, e solamente dopo, nella vita di famiglia, scoprano tutto ciò che Dio Creatore e Redentore ha stabilito per loro. Le mancanze della formazione nella fede e anche l’errore circa l’unità, l’indissolubilità e la dignità sacramentale del matrimonio viziano il consenso matrimoniale soltanto se determinano la volontà (cfr CIC, can. 1099). Proprio per questo gli errori che riguardano la sacramentalità del matrimonio devono essere valutati molto attentamente.

La Chiesa, dunque, con rinnovato senso di responsabilità continua a proporre il matrimonio, nei suoi elementi essenziali – prole, bene dei coniugi, unità, indissolubilità, sacramentalità [6] –, non come un ideale per pochi, nonostante i moderni modelli centrati sull’effimero e sul transitorio, ma come una realtà che, nella grazia di Cristo, può essere vissuta da tutti i fedeli battezzati. E perciò, a maggior ragione, l’urgenza pastorale, che coinvolge tutte le strutture della Chiesa, spinge a convergere verso un comune intento ordinato alla preparazione adeguata al matrimonio, in una sorta di nuovo catecumenato – sottolineo questo: in una sorta di nuovo catecumenato – tanto auspicato da alcuni Padri Sinodali.[7]

Cari fratelli, il tempo che viviamo è molto impegnativo sia per le famiglie, sia per noi pastori che siamo chiamati ad accompagnarle. Con questa consapevolezza vi auguro buon lavoro per il nuovo anno che il Signore ci dona. Vi assicuro la mia preghiera e conto anch’io sulla vostra. La Madonna e san Giuseppe ottengano alla Chiesa di crescere nello spirito di famiglia e alle famiglie di sentirsi sempre più parte viva e attiva del popolo di Dio. Grazie.

 


[1] Pio XII, Allocuzione alla Rota Romana del 1° ottobre 1940: L’Osservatore Romano, 2 ottobre 1940, p. 1.[2] «Forse tutto questo flagello ha un nome estremamente generico, ma in questo caso tragicamente vero, ed è egoismo. Se l’egoismo governa il regno dell’amore umano, ch’è appunto la famiglia, lo avvilisce, lo intristisce, lo dissolve. L’arte di amare non è così facile come comunemente si crede. A insegnarla l’istinto non basta. La passione ancor meno. Il piacere neppure» (G.B. Montini, Lettera pastorale all’arcidiocesi ambrosiana all’inizio della Quaresima del 1960).

[3] Cfr Pio XI, Litt. enc. Casti connubii, 31 dicembre 1930:  AAS 22 (1930), 541.

[4] Paolo VI, Discorso alle partecipanti al XIII Congresso Nazionale del Centro Italiano Femminile, 12 febbraio 1966: AAS 58 (1966), 219. San Giovanni Paolo II nella Lettera alle famiglie affermava che la famiglia è via della Chiesa: «la prima e la più importante» (Gratissimam sane, 2 febbraio 1994, 2: AAS 86 [1994], 868).

[5] Catechesi nell’Udienza generale del 7 ottobre 2015.

[6] Cfr Augustinus, De bono coniugali, 24, 32; De Genesi ad litteram, 9, 7, 12.

[7] «Questa preparazione al matrimonio, noi pensiamo, sarà agevolata, se la formazione d’una famiglia sarà presentata alla gioventù, e se sarà compresa da chi intende fondare un proprio focolare come una vocazione, come una missione, come un grande dovere, che dà alla vita un altissimo scopo, e la riempie dei suoi doni e delle sue virtù. Né questa presentazione deforma o esagera la realtà» (G. B. Montini, Lettera pastorale all’arcidiocesi ambrosiana, cit.).


ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
ZUR ERÖFFNUNG DES GERICHTSJAHRS DER RÖMISCHEN ROTA

Clementina-Saal
Freitag, 23. Januar 2015

[Multimedia]


 

Liebe Richter, Beamte, Anwälte und
Mitarbeiter des Apostolischen Gerichtshofes der Römischen Rota!

Ich begrüße euch herzlich, angefangen beim Kollegium der Prälaten-Auditoren und dem Dekan, Msgr. Pio Vito Pinto, dem ich für die Worte danke, mit denen er unsere Begegnung eingeleitet hat. Ich wünsche euch allen alles Gute für das Gerichtsjahr, das wir heute eröffnen.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich über den menschlichen und kulturellen Kontext nachdenken, in dem der Ehewille gebildet wird.

Die Wertekrise in der Gesellschaft ist gewiss kein neues Phänomen. Der selige Paul VI. prangerte bereits vor 40 Jahren, ebenfalls in einer Ansprache an die Römische Rota, die Krankheiten des modernen Menschen an, der »zuweilen verwundet von einem systematischen Relativismus sich den einfacheren Entscheidungen der Situation, der Demagogie, der Mode, der Leidenschaft, des Hedonismus, des Egoismus beugt und so äußerlich versucht, die ›Majestät des Gesetzes‹ in die Hand zu nehmen, und innerlich fast ohne es zu bemerken das Gebot des moralischen Gewissens durch die Laune des psychologischen Gewissens ersetzt« (Ansprache an den Gerichtshof der Römischen Rota, 31. Januar 1974: AAS 66 [1974], S. 87). In der Tat mündet das Aufgeben einer Glaubensperspektive unweigerlich in eine falsche Erkenntnis von der Ehe ein, die beim Heranreifen des Ehewillens nicht ohne Folgen bleibt.

Gewiss gewährt der Herr in seiner Güte der Kirche die Freude über unzählige Familien, die, von einem aufrichtigen Glauben gestützt und genährt, die Güter der Ehe, die im Augenblick der Eheschließung aufrichtig angenommen und mit Treue und Beharrlichkeit verfolgt werden, in den Mühen und Freuden des Alltags verwirklichen. Die Kirche kennt jedoch auch das Leid vieler Familien, die sich auflösen und affektive Beziehungen, Pläne, gemeinsame Erwartungen in Trümmern hinterlassen. Der Richter ist aufgerufen, eine gerichtliche Untersuchung vorzunehmen, wenn Zweifel an der Gültigkeit der Ehe bestehen, um zu prüfen, ob ein anfänglicher Konsensmangel vorliegt, sei es unmittelbar aufgrund des Nichtvorhandenseins eines gültigen Ehewillens, sei es aufgrund eines schweren Irrtums über das Verständnis der Ehe selbst, der den Willen bestimmt (vgl. Can. 1099). Denn die Ehekrise ist nicht selten in ihrer Wurzel eine Krise der vom Glauben, also von der Treue zu Gott und zu seinem in Jesus Christus verwirklichten Liebesplan, erleuchteten Erkenntnis.

Die pastorale Erfahrung lehrt uns, dass heute eine große Zahl von Gläubigen in irregulären Situationen lebt, wobei die weit verbreitete weltliche Mentalität einen starken Einfluss auf ihre Geschichte hatte. Denn es gibt eine Art spirituelle  Weltlichkeit, »die sich hinter dem Anschein der Religiosität und sogar der Liebe zur Kirche verbirgt« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 93) und die dazu führt, statt der Herrlichkeit des Herrn das persönliche Wohlergehen zu suchen. Eine der Früchte dieser Haltung ist das Vorhandensein »eines im Subjektivismus eingeschlossenen Glaubens, bei dem einzig eine bestimmte Erfahrung oder eine Reihe von Argumentationen und Kenntnissen interessiert, von denen man meint, sie könnten Trost und Licht bringen, wo aber das Subjekt letztlich in der Immanenz seiner eigenen Vernunft oder seiner Gefühle eingeschlossen bleibt« (ebd., 94). Ganz offensichtlich verliert für den, der sich dieser Haltung beugt, der Glaube seinen richtungweisenden und normativen Wert und lässt freien Raum für Kompromisse mit dem eigenen Egoismus und mit dem Druck der gängigen Mentalität, die durch die Massenmedien vorherrschend geworden ist. Daher muss der Richter, wenn er die Gültigkeit des zum Ausdruck gebrachten Konsens abwägt, den Kontext der Werte und des Glaubens – beziehungsweise ihres Mangels oder ihres Nichtvorhandenseins –, in dem der Ehewille sich gebildet hat, berücksichtigen.

Denn die Unkenntnis über die Glaubensinhalte könnte zu dem führen, was der Codex als einen »den Willen bestimmenden Irrtum« bezeichnet (vgl. Can. 1099). Anders als in der Vergangenheit darf diese Möglichkeit in Anbetracht des häufigen Vorrangs des weltlichen Denkens über das Lehramt der Kirche nicht mehr als Ausnahme betrachtet werden. Dieser Irrtum bedroht nicht nur die Stabilität, die Ausschließlichkeit und die Fruchtbarkeit der Ehe, sondern auch die Hinordnung der Ehe auf das Wohl des anderen, die eheliche Liebe als »Lebensprinzip« des Konsens, die gegenseitige Hingabe zur Bildung einer Gemeinschaft für das ganze Leben. »Die Ehe wird tendenziell als eine bloße Form affektiver Befriedigung gesehen, die in beliebiger Weise gegründet und entsprechend der Sensibilität eines jeden verändert werden kann« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 66), was die Brautleute zu einem mentalen Vorbehalt gegenüber der Dauerhaftigkeit der Verbindung oder ihrer Ausschließlichkeit führt: Diese würden verschwinden, wenn die geliebte Person die eigenen Erwartungen in Bezug auf das affektive Wohlergehen nicht mehr erfüllt.

Ich möchte euch daher zu einem immer größeren und immer leidenschaftlicheren Bemühen in eurem Dienst zum Schutz der Einheit der Rechtsprechung in der Kirche auffordern. Wie viel Pastoralarbeit zum Wohl vieler Ehepaare, vieler Kinder, die oft Opfer dieser Vorgänge sind! Auch hier bedarf es einer pastoralen Neuausrichtung der kirchlichen Strukturen (vgl. ebd., 27), um allen, die sich an die Kirche wenden, um Licht in ihre eigene Ehesituation zu bringen, das »opus iustitiae« anzubieten. Das ist eure schwierige Sendung, ebenso wie die aller Richter in den Diözesen: das Heil der Menschen nicht in den engen Wegen des Legalismus zu verschließen. Die Funktion des Rechts ist auf die »salus animarum« ausgerichtet, unter der Voraussetzung, dass es Sophismen vermeidet, die dem lebendigen Fleisch der in Schwierigkeiten befindlichen Menschen fernstehen, und dazu beiträgt, die Wahrheit im Augenblick der Konsenserklärung zu bestimmen: ob sie also Christus oder der trügerischen weltlichen Mentalität treu war. In diesem Zusammenhang sagte der selige Paul VI.: »Wenn die Kirche ein göttlicher Plan ist – ›Ecclesia de Trinitate‹ –, dann müssen ihre Institutionen, auch wenn sie verbesserungsfähig sind, auf das Ziel ausgerichtet sein, die göttliche Gnade zu vermitteln, und den Gaben und der Sendung eines jeden entsprechend das Wohl der Gläubigen fördern, das der wesentliche Zweck der Kirche ist. Dieses gesellschaftliche Ziel, das Seelenheil, die ›salus animarum‹ [das Heil der Seelen], ist und bleibt das höchste Ziel der Institutionen, des Rechts, der Gesetze« (Ansprache an die Teilnehmer des 2. Internationalen Kongresses über das Kirchenrecht, 17. September 1973: Communicationes 5 [1973], S. 126).

Es ist nützlich, in Erinnerung zu rufen, was die Instruktion Dignitas connubii unter Nr. 113 vorschreibt, in Übereinstimmung mit Can. 1490 des Codex des Kanonischen Rechtes, über die Notwendigkeit der Anwesenheit an jedem kirchlichen Gericht von zuständigen Personen, die rasch einen Rat bezüglich der Möglichkeit und der Verfahrensweise zur eventuellen Einleitung eines Ehenichtigkeitsverfahrens erteilen können, während ebenso vom Gericht entlohnte Parteibestände fest bestellt werden sollen, die den Dienst eines Anwalts ausüben. In dem Wunsch, dass diese Personen an jedem Gericht anwesend seien, um einen wirklichen Zugang aller Gläubigen zur Rechtsprechung der Kirche zu fördern, möchte ich betonen, dass eine erhebliche Zahl von Verfahren an der Römischen Rota dem unentgeltlichen Rechtsschutz zugunsten von Parteien unterliegen, die aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse, in denen sie sich befinden, nicht in der Lage sind, sich einen Anwalt zu beschaffen. Und diesen Punkt möchte ich betonen: Die Sakramente sind unentgeltlich. Die Sakramente schenken uns die Gnade. Und ein Eheverfahren betrifft das Sakrament der Ehe. Wie sehr möchte ich, dass alle Verfahren unentgeltlich wären!

Liebe Brüder, ich bringe erneut einem jeden meine Dankbarkeit zum Ausdruck für das Gute, das ihr dem Gottesvolk tut, indem ihr der Gerechtigkeit dient. Ich rufe den göttlichen Beistand auf eure Arbeit herab und erteile euch von Herzen den Apostolischen Segen.

_______

Quelle



Viewing all articles
Browse latest Browse all 6641


<script src="https://jsc.adskeeper.com/r/s/rssing.com.1596347.js" async> </script>