Papst Franziskus hat bei seinem Besuch in der mexikanischen Stadt San Christobal de las Casas im Bundesstaat Chiapas die Indigenen Völker für ihren Umgang mit der Natur gelobt. Angesichts einer größten Umweltkrise der Geschichte, die die Welt zurzeit erlebe, könne die Menschheit viel vom Umweltbewusstsein der indigenen Völker lernen: „Eure Völker verstehen, in einer harmonischen Beziehung zur Natur zu leben; sie respektieren sie als ‚Nahrungsquelle, gemeinsames Haus und Altar, auf dem die Menschen miteinander teilen‘ (Aparecida 472).“ Unter Verweis auf seine Umweltenzyklika Laudato Si hob der Papst bei seiner Predigt in der Messe vor rund 100.000 indigenen Mexikanern die Vergehen des Menschen an der Schöpfung hervor: „Diese Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Gebrauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat“ (Laudato si’, 2).
Allerdings seien die Völker indigener Kultur oft systematisch und strukturell verkannt und aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden. Einige hielten die Werte, Kultur und Traditionen für minderwertig. Andere hätten – gleichsam trunken von Macht, Geld und den Gesetzen des Marktes – die Indigenen ihres Bodens beraubt oder ihn durch ihr Handeln verseucht. „Wie traurig! Wie gut täte es uns allen, Gewissenserforschung zu halten und zu lernen, um Verzeihung zu bitten! Die durch die Wegwerfkultur entblößte Welt von heute braucht euch!”
Im Rahmen der Messe verlas Franziskus ein Dekret, wonach die Indigenensprache Nahuatl als Liturgiesprache anerkannt wird. Die Atzekensprache ist mit über 1,5 Millionen Sprechern die meistgesprochene indigene Sprache Mexikos. Auch die Diakonenweihe für indigene Männer ist von der katholischen Kirche seit 2014 zugelassen. Während der Messe wurden Lesungen und Gesänge in den indigenen Sprachen Chol, Tzeltal und Tzotzil vorgetragen.
Die jungen Menschen von heute seien einer Kultur ausgesetzt, die all die kulturellen Reichtümer und Merkmale zu unterdrücken suche zugunsten einer homogenen Welt. Diese Jugendlichen haben es in den Augen von Papst Franziskus nötig, dass die Weisheit der alten Menschen indigener Kultur nicht verloren gehe. „Die Welt von heute, die dem Pragmatismus verhaftet ist, muss den Wert der Unentgeltlichkeit neu lernen!”
Unter Verweis auf den Psalm mit den Worten “die Weisung des Herrn ist vollkommen, sie erquickt den Menschen“ verwies Franziskus auf das Gesetz, das das Volk Israel aus der Hand des Mose empfangen hatte. Es sei ein Gesetz gewesen, das dem Volk Gottes helfen sollte, in der Freiheit zu leben, zu der es berufen worden war. Das Gesetz eines Volkes, das die Sklaverei und die Zwangsherrschaft des Pharaos erlebt hatte, das Leiden und Misshandlung erlitten hatte, bis Gott gesagt habe: „Genug!“, „Jetzt reicht’s! Ich habe das Elend gesehen, habe die Klage gehört, ich kenne sein Leid“ (vgl. Ex 3,9). „Da offenbart sich das Gesicht unseres Gottes, das Gesicht des Vaters, der angesichts des Schmerzes, der Misshandlung und der Ungerechtigkeit im Leben seiner Kinder leidet; und sein Wort, sein Gesetz wird zum Symbol der Freiheit, zu einem Symbol für Freude, Weisheit und Licht.“ Franziskus stellte eine Verbindung her zum „Buch des Rates“ der Indigenen, einer Legendensammlung mit dem Titel: „Popol Vuh“. Darin heiße es: „Die Morgendämmerung brach herein über allen Stämmen gemeinsam. Das Angesicht der Erde wurde sofort geheilt durch die Sonne“ (33).
Und der Papst fügte hinzu: In dieser Aussage liegt ein Sehnen danach, in Freiheit zu leben, liegt eine Sehnsucht nach dem Land der Verheißung, wo Unterdrückung, Misshandlung und Erniedrigung nicht die gültige Währung sind. Diese Sehnsucht werde durch Gott Vater und seinen Jesus Christus gestillt. In ihm nehme das Gesetz Fleisch an, bekomme ein Gesicht, „damit die Finsternis nicht das letzte Wort behält und die Morgendämmerung nicht aufhört, über dem Leben seiner Kinder aufzugehen.“
„Auf vielerlei Art und Weise wollte man dieses Sehnen zum Schweigen bringen und verstummen lassen, auf vielerlei Art hat man versucht, unsere Seele zu betäuben, auf vielerlei Weise hat man danach getrachtet, das Leben unserer Kinder und Jugendlichen schläfrig zu machen und einzulullen mit dem Hinweis, dass sich nichts ändern kann oder dass es unmögliche Träume sind.“
Mit der Messe feierten die Anwesenden die Gewissheit zu, dass der Schöpfer sie nicht verlasse. Jesus Christus sterbe weiter und auferstehe in jeder Geste, die die Menschen für den Geringsten ihrer Brüder vollbrächten. „Fassen wir Mut, weiter Zeugen seiner Passion und seiner Auferstehung zu sein, indem wir die Weisung des Herrn verkörpern, denn Li smantal Kajvaltike toj lek – die Weisung des Herrn ist vollkommen, sie erquickt den Menschen.“ Im Anschluss an die Messe werden sich Franziskus, der Bischof von San Christobal de las Casas, Felipe Arizmendi Esquivel, und acht Indigene im Bischofssitz der Stadt treffen, um gemeinsam Mittag zu essen.
