5. Selbstbewusstsein durch Gehorsam
Wenn in dem gesamten Kapitel die spirituellen Leitlinien Roncallis skizziert werden sollen, so steht der Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes immer an erster Stelle. Doch dieser Gehorsam macht Roncalli nicht willenlos und ängstlich, sondern kraftvoll und selbstbewusst. Die Sicherheit des Gehorsams öffnete ihm die Kraft zur Gestaltung. Wer wie Roncalli einen sicheren Zielpunkt hat, dem braucht vor nichts bange zu sein. Für ihn ist es das Paradies, »das mich erwartet«¹⁸⁴, so sicher und selbstbewusst kann Roncalli das als Papst sagen. Da redet keiner, der unsicher und zögerlich ist, das spricht ein Wissender: »Ich bin zur Seligkeit des Himmels berufen«¹⁸⁵, konnte schon der junge Seminarist Roncalli von sich sagen. Vor einem solchen »In omnibus respice finem« brauchte es ihn nicht über die Widrigkeiten und Aufgeregtheiten des Alltags schaudern, sondern er konnte mit erhobenem Haupt die Notwendigkeiten bewerten. Wenn hier Wolfgang Seibel von »charismatischer Sicherheit des Glaubens«¹⁸⁶ spricht, meint das vor allem das Charisma, das von einer solchen Sicherheit des Glaubens ausstrahlt.
Und diese Sicherheit ist frappant. Wie sagte er bei seinen Exerzitien zur Vorbereitung auf die Bischofsweihe: »Ich habe nicht nach diesem neuen Amt getrachtet und es mir auch nicht gewünscht. Doch der Herr hat mich mit so offensichtlichen Zeichen seines Willens dazu auserwählt, dass jede Weigerung eine schwere Schuld bedeuten würde.«¹⁸⁷ Und als Antwort zu den Glückwünschen zu seinem 80. Geburtstag: »Dem Lob und den Wünschen der Menschen ziehe ich die Barmherzigkeit des Herrn vor, der mich für eine derartig große Aufgabe auserwählt hat, dass ich bete, er möge mich bis an das Ende meines Lebens stützen.«¹⁸⁸
Eine solche, fast überbordende Sicherheit schuf eine Selbstsicherheit und ein Selbstbewusstsein, das Roncalli auch gelassen eine so schwierige Aufgabe wie die eines Papstes tragen lassen konnte. Aber es war kein Selbstbewusstsein gleichsam aus sich selbst heraus, sondern ein durch den Gehorsam gegenüber dem Plan Gottes geschenktes. Indem er sich vor Gott zu einem Nichts machte¹⁸⁹, wurde er mit einer Kraft versehen, die »charismatische Sicherheit« signalisierte. Demut vor Gott, nicht vor den Menschen. Einen charakteristischen Satz hierzu schreibt schon der junge Seminarist: »Der Mensch ist nie so groß, als wenn er kniet.«¹⁹⁰
Roncalli baut nicht auf seine Kraft, sondern auf Gottes Kraft, lässt sich von ihr inspirieren, lässt sich von ihr Kraft zuweisen: »Denn ich habe keinerlei Vertrauen zu mir selbst, aber volles Vertrauen in den Herrn Jesus.«¹⁹¹ In der Konsequenz heißt der Satz aber, nur volles Vertrauen in Gott zu haben, bedeutet volles Zu- trauen zu sich selbst haben zu können. Hannah Arendt bemerkt zum Roncalli des Geistlichen Tagesbuches, »denn allen ›Gewissenserforschungen‹ zum Trotz hatte er keinerlei Neigung zur Selbstkritik.«¹⁹² Ist das Vertrauen und Zutrauen da, dann ist kein Platz zur Selbstkritik und zu Selbstzweifeln. So schreibt er 1957 an seine Nichte Giuseppina: »Aus Deinen Worten entnehme ich, dass Du gegen innere und äußere Schwierigkeiten anzukämpfen hast. Lass Dich nicht betrüben: keine zu hohe Selbsteinschätzung und Misstrauen sich selbst gegenüber, bereit sein, demütig die Schwäche, sobald man sie bemerkt, auf sich zu nehmen; aber halte Dich nie dabei auf, über Dich nachzugrübeln: Ein Akt tiefer Demut hilft uns immer weiter. Und außerdem großes, unendliches, liebevolles Vertrauen auf den Herrn und dann unverzüglich die gute Arbeit unbeschwert wieder aufnehmen.«¹⁹³ Vom »aber halte Dich nie dabei auf, über Dich nachzugrübeln«, ist es nicht weit zum bekannten Ausspruch Johannes XXIII.: »Giovanni, nimm dich nicht so wichtig!«¹⁹⁴ Aber auch hier gilt für Roncalli, dass ihm diese Leichtigkeit keine Legitimation für ein Nichtstun oder ein schlampiges Tun gewährte, im Gegenteil, es zwang ihn vielmehr, die ihm gestellte Arbeit zu verrichten, aber eben ohne Verbissenheit: »Alle Unternehmungen, an denen ich in diesem Jahr mitwirkte (schreibt der Bischofssekretär Roncalli 1912, Ko.), sollen, soweit mein großer oder kleiner Beitrag reicht, so geprägt sein: alles für den Herrn und im Herrn. Viel Begeisterung, aber keinerlei Sorgen um den größeren oder kleineren Erfolg. Ich werde mich an die Aufgabe machen, als wenn alles von mir abhinge und als ob ich selbst überhaupt ohne Bedeutung wäre.«¹⁹⁵
Eine solche selbstbewusste Gelassenheit musste nicht nur Auswirkungen auf die Einschätzung der eigenen Arbeit und Aufgabe nach sich ziehen, sondern legt auch die Wege für die Zusammenarbeit mit anderen. Man braucht sich nicht mehr so wichtig zu nehmen, um alles selbst machen zu müssen: »Um besser voranzu-kommen und meiner Arbeit und meinem ganzen Programm gute Entfaltung zu sichern, will ich mich an die Regel des hl. Gregor halten, d.h.: ich werde andere arbeiten lassen und nicht alles selber erledigen wollen! ›Die Untergebenen sollen die Dinge von geringerer Wichtigkeit erledigen, die Leitenden sollen das Ganze durchdenken, damit das Auge, das die künftigen Schritte dirigiert, nicht durch Sorge um den Staub getrübt wird‹.«¹⁹⁶ Hier sind schon Leitlinien einer Management- und Selbstmanagementkonzeption grundgelegt, die einem unbedingten Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes entspringen. In dieser scheinbar widersprüchlichen Dialektik liegt die Sicherheit und das Selbstbewusstsein Roncallis begründet. Nichts von sich aus, sondern alles von Gott. »Versteht, um Jesus zu lieben, muss man schwach sein, ohne Wünsche und ohne Tugenden, denn dann erst kann seine verzehrende und verwandelnde Liebe an uns wirken.«¹⁹⁷ Oder wie es Hannah Arendt treffend formulierte: »Es war ohne Zweifel diese ›Armut im Geiste‹, die ihn ›vor Ängsten und lästigen Konflikten‹ bewahrte und ihm ›Kraft zu dem Wagemut des Einfachen‹ gab.«¹⁹⁸
6. Freiheit durch Gehorsam
Wir konnten schon des Öfteren aufzeigen, dass die radikale Unterordnung Roncallis unter die Kirche seinen Gehorsam in Christus widerspiegelte. »Der Gehorsam aber erzeugt den Frieden, der gewiss nicht als Befreiung von eigener Verantwortung zu verstehen ist, sondern im Gegenteil als Freiheit zu unbeschränktem Engagement. Nicht von ungefähr schreibt er 1928 aus Sofia: ›Es ist nichts Heroisches in all dem, was mir widerfahren ist und was ich geglaubt habe, tun zu müssen. Wenn man erst einmal auf alles verzichtet hat, wirklich auf alles, dann wird aller Wagemut die einfachste und natürlichste Sache der Welt‹.«¹⁹⁹
Wer also für sich selbst nichts erstrebt, hat mutig die Freiheit, das zu tun und zu fordern, was Gottes Plan für einen vorsieht. Rücksichten auf Zweitrangiges braucht es nicht. Wer wie Roncalli eine solche Freiheit empfindet, braucht sich nicht hinter starren Formeln oder starren Strukturen zu verstecken, sondern kann seinen – Gottes Weg – gehen. Vorschriften sind zum Wohle der Menschen da, nicht umgekehrt: »Eines Tages teilte man Roncalli mit, in einem Krankenhaus (während seiner Zeit in Sofia, Ko.) liege eine orthodoxe Frau im Sterben, und es finde sich kein Priester ihrer Kirche, der ihr die Sakramente spenden könne. Der Ordensmann bat Roncalli um die Erlaubnis, Beichte zu hören. Dieser antwortete: ›Danach darfst du mich nicht fragen; denn du weißt sehr wohl, dass ich sie dir nicht geben kann. Jetzt aber schnell, geh und lass sie bei dir beichten, damit sie in Frieden sterben kann!‹«²⁰⁰
Auch und gerade eine Institution wie die Kirche braucht klare Vorschriften, um die Botschaft Christi authentisch weitergeben zu können, aber sie braucht auch die Freiheit des weiten und liebenden Blicks, um nicht zu erstarren. So resümierte Roncalli anlässlich des Todes Pius’ XII., also wenige Tage vor der eigenen Wahl zum Papst: »Wir sind hier auf Erden, nicht um ein Museum zu bewachen, sondern um einen blühenden Garten voller Leben zu kultivieren, dem eine herrliche Zukunft vorherbestimmt ist.«²⁰¹ Hier zeigt sich die wahre Größe und Freiheit eines Christenmenschen, eine Freiheit, die erst befähigt und ermöglicht wird durch die Treue und den Gehorsam gegenüber dem Auftrag Christi, verifiziert in seiner Kirche.
Und trotzdem ist es erstaunlich: Roncalli war keiner, der die Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen suchte als selbsternanntes »Schwert Gottes«, es gab für ihn nicht das kämpferische Entweder-oder, sondern es gab nur den einen Weg, eben den Weg Gottes, der sich schon seinen Weg bahnen wird, wenn man ihm seine Zeit lässt. Deutlich begegnet uns hier wieder der Blick des Historikers! Selbstredend hat das alles nichts mit einem Relativismus zu tun, viel aber mit der Freiheit, zwischen Irrtum und Irrendem unterscheiden zu können, also mit der Güte und Gelassenheit, Menschen jeweiliger Provenienz begegnen zu können, und der Sicherheit, dass sich die Wahrheit letztlich selbst ihren Weg bahnt. Nur so ist die Dialektik im Handeln Roncallis erklärbar, wenn er auf der einen Seite sagt: »Wenn ihr seht, dass das Verlangen nach irgend etwas euch ein wenig Kummer und sich zu sehr bemerkbar macht, dann gebt es auf und vertraut euch einfach dem Willen Gottes an«²⁰², aber auf der anderen Seite gegen alle Widerstände die Möglichkeit eines solchen großes Reformprojekts wie das eines Konzils nahezu alleine erkämpft. Er kannte eben seine Grenzen, aber auch die grenzensprengende Macht und Freiheit, die in der Gewissheit Gottes gründet. So fühlte er sich bei seinen Bemühungen um das Konzil tatsächlich nicht alleine, sondern erkannte klar die Gewissheit, Gottes Weg gehen zu müssen, trotz mannigfaltigen Vorbehalten und Kritik gerade aus den eigenen Reihen.²⁰³ So gesehen wusste Roncalli, dass seine Grenzen nicht die Grenzen Gottes waren. Die Klugheit, das zu erkennen, befähigte ihn zur Freiheit, die eigenen Grenzen überwinden zu können. Und auch hier half ihm sein »In omnibus respice finem.« So zum Beispiel, als er einem jungen Priester den Rat gab: »Mein lieber Sohn, mach dir doch nicht so viele Sorgen. Du kannst versichert sein, dass dich Jesus beim Jüngsten Gericht nicht fragen wird: Und wie bist du mit dem Heiligen Offizium ausgekommen?«²⁰⁴ Ein solcher Blickwinkel gibt die Chance, Grenzen und festgefahrene Strukturen zu überwinden. »Daher muss ich mich mit dem Gedanken an den Tod vertraut machen, und zwar so, dass mein Leben dadurch noch fröhlicher, noch beweglicher und arbeitsamer wird.«²⁰⁵ Noch beweglicher zu werden, heißt dann auch, ausgetretene Pfade zu verlassen, wenn man die Notwendigkeit wahrnimmt und sei es, eine solch große Aufgabe wie ein Reformkonzil zu wagen. Nicht nur bei den großen Fragen ermöglichte ihm eine solche Haltung andere Weg einzuschlagen, sondern auch in den Modalitäten der Umsetzung, gerade auch beim Konzil: »In nicht seltenen Fällen erhob Johannes XXIII. dabei Prälaten in einflussreiche Positionen, von denen er wissen musste, dass sie den Plänen, die er in seinem Pontifikat zu verwirklichen suchte, keine aktive Unterstützung zollen würden. Er hat die sich daraus ergebenden Hemmnisse und sogar scheinbare Widersprüche in seiner eigenen Haltung nicht nur in Kauf genommen und für unvermeidlich angesehen, sondern in gewisser Weise bejaht. (…) In seinen Entscheidungen ging der Papst über alle taktischen Erwägungen weit hinaus. Gerade in wichtigen Fragen verzichtete er bisweilen offenbar bewusst auf eigene Führung und ließ die Zeit ihr Werk tun. Wenn es ihm auf etwas wirklich ankam, war er jedoch unerschütterlich. Die Kurie bekam er niemals ganz in die Hand, wollte er wohl auch gar nicht; maßgebliche Initiativen entwickelte er unabhängig von ihr.«²⁰⁶
Man sollte sich also nicht täuschen und Geduld und Vertrauen in Gottes Bahn mit Führungsschwäche, gar mit Orientierungslosigkeit gleichsetzen. »Wer alles Heil von einer straffen Führung, von der perfekten Organisation und von klaren und scharfen Definitionen erwartet, konnte diesem geduldigen und gläubigen Optimismus kein Verständnis entgegenbringen und musste meinen, dem Papst sei die Führung entglitten. Er selbst täuschte sich auch nicht darüber, wie leicht seine zielbewusste Geduld missverstanden werden konnte. So sagte er einmal: ›Oft ist diese Demut Schweigen; oft mag diese Milde wie Schwäche erscheinen. In Wirklichkeit ist es Charakterstärke und eine hohe Würde im Leben; es ist Zeichen eines sicheren Wertes‹.«²⁰⁷
Wer ein solch sicheres Fundament hat, braucht keine Vorschriften, um zu führen. So sah es Roncalli schon als junger Seminardirektor in Bergamo in seinem Verhältnis zu den Studenten: »keine strenge Maßnahmen, keine fordernde Autorität, keine Polizeimethoden. Sie müssen Vertrauen fühlen, keine Zügel.«²⁰⁸ Sich die Freiheit für eine solche Führung zu geben, »ist die Frucht des charismatischen, gläubigen Gehorsams, aus dem Johannes XXIII. lebte.«²⁰⁹ »Man soll immer die Würde dessen respektieren, der vor einem steht, und vor allem die Freiheit eines jeden Menschen. Gott selbst hält es so!«²¹⁰
Es ist doch erstaunlich, dass ein Mann der Kirche wie Roncalli, der zudem noch den Gehorsam an so zentraler Stelle nicht nur seines Bischofsspruches platziert, immer wieder so intensiv von der Freiheit des Menschen und von der Respek- tierung dieser Freiheit reden konnte. Und doch ist es so, dass gerade er, der selbst die Freiheit aus dem Gehorsam erfahren hatte, fähig wurde, sowohl für sich die Freiheit anzunehmen, scheinbare, von Menschen gemachte Grenzen, zu über- springen, als auch für andere die Freiheit als Zentraltopos menschlichen Lebens anzuerkennen. Mit seinem Amtsverständnis als Bischof brachte er das mit dem Bild eines Vaters in Einklang, »der seine Söhne gewähren lässt (und sicherlich auch seine Töchter, Ko.), der sich nicht aufdrängt, wohl aber darüber wacht, dass die Freiheit für die notwendigen Auseinandersetzungen geschaffen und gewahrt wird.«²¹¹
»Voluntas Dei pax nostra« – Der Wille Gottes ist unser Friede, dieser Leitspruch sollte als Leitlinie Angelo Roncallis gekennzeichnet werden. Die Unterwerfung unter diesen Willen Gottes schuf bei Roncalli keine enge, gar ängstliche Verzagtheit oder Unmündigkeit, sondern diese Unterordnung gab ihm die Kraft und die Sicherheit, mutig verkrustete Strukturen aufzubrechen und neue Wege zu gehen. Und das sowohl für sein eigenes (Glaubens-)Leben, als auch für die Verantwortungsbereiche, die ihm übertragen wurden. Er spürte die Last solch neuer Wege, doch er wusste auch, dass es nicht seine Wege waren, die er ging, sondern die Wege Gottes. Im tiefen Gottvertrauen konnte er das Psalmwort sagen: »Mit meinem Gott überspringe ich Mauern.«²¹²
IV. Soweit möglich: Umsetzungen
Roncalli gab sich nicht nur und hatte nicht nur Leitlinien, auch und gerade für sein spirituelles Leben, sondern er kämpfte regelrecht mit sich, diese Leitlinien zur Umsetzungen zu bringen. Und er versuchte das nicht nur, sondern er begleitete seine Bemühungen reflektierend in seinem »Geistlichen Tagebuch« und lässt seine Leser – nach Erlaubnis zur Veröffentlichung – an seinen Fort- und Rückschritten, an seinen Hoffnungen und Frustrationen teilnehmen. Dabei ist es gerade das Tagebuch, das er als Medium der Vergewisserung vor allem bei den jährlichen Exerzitien zum Festhalten seiner Vorsätze und retrospektiv zur Überprüfung seiner Erfolge und Misserfolge nutzt, für Roncalli die entscheidende Möglichkeit »dran« zu bleiben bei den Umsetzungsbemühungen seiner Leitlinien. Er baut sich mit dem Tagebuch eine äußerst moderne Form des »reporting« auf, wissend, dass eine Sache sich leicht verflüchtigt, wenn sie keinen reflektierbaren Ort hat. Sein »Giornale dell’Anima«, wie es im italienischen Original heißt, beginnt Roncalli schon im Jahre 1895, als er kaum 14 Jahre alt war, und es endet im Jahre 1962, als Roncalli als Papst schon 81 Jahre erreicht hatte, wenige Monate vor seinem Tod. Solchermaßen begleitet das »Tagebuch der Seele« Roncalli fast 70 Jahre, also praktisch sein gesamtes Leben. Das Giornale ist aber kein Buch, das Roncalli von vorn herein für die Nachwelt schreiben wollte, sondern er nimmt es sich meistens im jährlichen Rhythmus immer wieder vor, um Rückschau zu halten und nach den geistlichen Übungen seine Schlüsse und Bemühungen für das nächste Jahr zu ziehen. Und immer wieder verzeichnet Roncalli sein Ungenügen mit seinen Fortschritten, und immer wieder hadert er mit seinen zu geringen Erfolgen bei den Umsetzungsbemühungen. Aber er gibt nicht auf, und er gibt nicht auf bis ins hohe Alter, bis zu seinem Tod. So gesehen war Roncalli sich bewusst, dass seine Leitlinien, die für ihn handlungsleitend sicher und fest waren, in der täglichen Anwendung aber einen immerwährenden Kampf bedeuteten: Ein Kampf mit den Widerständen des Alltags, mit den eigenen Begrenztheiten. Aber gerade diese Auseinandersetzung macht es für den Leser des Tagesbuches so spannend, zu sehen und nachzuvollziehen, wie es Roncalli gelingt, sich immer wieder auf der Grundlage seiner Leitlinien neu auszurichten, ob im Knabenalter oder als Papst. Hier schreibt eben keiner, der für die Nachwelt »Eindruck schinden« wollte, sondern jemand, der weiß, dass die Gnade des Glaubens einer kontinuierlichen, permanenten und konsequenten Reflexion bedarf, um als Handlungsanleitung nicht im Alltag zu versickern, sondern gerade im Alltag Anwendung zu finden.
Wenn hier von Umsetzungen gesprochen wird, dann in dem Sinn, dass Roncalli sich aufgrund seines Wissens um die täglichen Anfechtungen eine Art Lebenslernprogramm verordnete, das in seinem Sinne nur ein geistliches Lebenslernprogramm sein konnte. Dieses Lebenslernprogramm umfasst die großen Linien der eigenen Heiligung bis hin zu den scheinbar unwichtigen Fragen der täglichen Lebensgestaltung, ja sogar bis zur Frage der Nahrungsaufnahme, aber immer »inquantum possum« – soweit ich es vermag, wie Roncalli 1924 in seinem Tagebuch vermerkt. Und wir werden sehen, dass gerade das »inquantum possum« so kennzeichnend für das Lebenslernprogramm ist: die Stetigkeit, auch angesichts der Misserfolge nicht nachzulassen, aber auch das völlige Fehlen einer »Prinzipienreiterei«, ja eben das Biegen, nicht das Brechen.
Und genau deshalb ist dieses Lebenslernprogramm für die Menschen unserer heutigen Zeit so interessant: Da kämpft ein Zeitgenosse um sein geistliches Leben, ja um seine Heiligung, und lässt über sein Journal Menschen daran teilnehmen, aber es geht bei ihm ohne (abschreckende) Genialität. Da zeigt sich einer ohne gleich als »Heiliger« identifiziert werden zu können, da bemüht sich einer, der in seiner Alltäglichkeit beispielgebend sein kann. Es scheint, als wäre er nur dann wirklich konsequent, wenn es darum geht, seine Inkonsequenz immer wieder konsequent von Neuem anzugehen. Das schafft für Menschen unserer Zeit Nähe und Verständnis, deshalb ist das Lebenslernprogramm Roncallis so lebensdienlich für die Menschen unserer Zeit.
1. Lebenslernprogramm: Einfachheit
Wenn gesagt wurde, Roncalli ginge Genialität ab, so bezieht sich das auf asketische oder theologisch-intellektuelle Leistungen. Er war weder ein exzellenter Theologe noch ein verklärter weltentsagender Asket. Roncalli war scheinbar die gelebte Alltäglichkeit, letztlich ein Mensch wie du und ich.
Doch diesem alltäglichen Menschen wohnte eine Fähigkeit inne – wenn man so will: seine Genialität –, alle Dinge, Probleme, Notwendigkeiten komplexitäts-reduzierend auf ihren Kern bis in ihre letzte Vereinfachung hinein zurückzuführen. Diese Komplexitätsreduktion ist es auch, die ihn bei Zeitgenossen (und das bezieht sich durchaus auch auf Repräsentanten der Kurie) als naiv und einfältig erschienen ließ. Doch es wäre nicht Roncalli, wenn er nicht mit diesen Eindrücken fast kokettierend spielen würde, so wie bei seiner Ernennung für den wichtigen Posten eines Nuntius in Paris, als er gesagt haben soll: »Wenn die Pferde nicht mehr können, nimmt man Esel.«²¹³
Doch darf man sich nicht täuschen lassen: Die Einfachheit Roncallis hat nichts mit Einfältigkeit zu tun. Denn seine Einfachheit ist ein bewusster Prozess und eine bewusste Entscheidung, immer wieder – auch und gerade in seinem Tagebuch – reflektiert. Für ihn heißt diese Einfachheit die Rückführung auf einen Fixpunkt: »Tu autem, o homo Dei – du aber Mann Gottes, habe Mut, wirf alle Sorgen und dein ganzes Vertrauen auf den Herrn und lass Dich führen wie ein Kind«²¹⁴ Dieses Führenlassen wie ein Kind ist seine Reduktion als Grundlage für sein Lebenslernprogramm. Ein solches Führenlassen ist für Roncalli so einfach und konsequent, dass es von außen als naiv, wenn nicht gar als dumm erscheint. Wie anders ist es zu deuten, wenn er von sich lapidar sagt: »Man denkt und sagt, ich sei ein Trottel«²¹⁵. Mit diesem latenten Vorwurf wird Roncalli sein ganzes Leben konfrontiert sein – die Kurie wird den Papst Johannes XXIII. nicht viel anders gesehen haben.
Doch wenn man den Satz Roncallis vom Führenlassen noch einmal genauer liest, dann sieht man, dass eine solche Vereinfachung nichts mit dummer Naivität zu tun hat, sondern ganz im Gegenteil mit Mut: »Habe Mut«, sagt Roncalli. Zu solch einem Akt des Vertrauens muss man sich trauen, es ist ein Schritt des Mutes deshalb, weil er von den üblichen Gewissheiten ins Ungewisse führt, mit der Gefahr, von seinen Mitmenschen belächelt zu werden, wie es eben auch Roncalli ergangen ist.
Eine der interessantesten Eintragungen in sein Tagebuch – ich erwähnte es in anderem Zusammenhang schon einmal – nimmt Johannes XXIII. am 13. August 1961 vor, einem schicksalsschweren Tag mit dem Bau der Berliner Mauer, der ein gewaltiger Schritt hin vom Kalten Krieg zum offenen Krieg hätte werden können. Johannes hält in diesen Tagen seine geistliche Einkehr in Castel Gandolfo und muss von diesen Ereignissen schwer getroffen und als Papst schwer angefragt worden sein, hier richtig zu reagieren. Doch: kein direktes Wort zu dieser möglichen Kriegsprovokation, sondern Meditationen über Einfachheit und Klugheit allgemein. Johannes bemüht sich hier, sich den Mut herauszunehmen, nicht aufgescheucht und kopflos zu reagieren, sondern klug, das heißt, alle Vorgänge (und eben auch den Bau der Mauer) darauf zu reduzieren, wie der Wille Gottes in allem zu sehen und zu begreifen ist, um so die richtigen Handlungsschritte setzen zu können.
Johannes wählt für seine Überlegungen an einem solch schweren Tag die Überschrift: »Vorschläge für ein gutes Apostolat.« Und fährt dann weiter: »Alle mit Achtung, Klugheit und evangelischer Einfachheit behandeln. Man glaubt gewöhnlich und hält es für richtig, dass selbst die alltägliche Redeweise des Papstes voll von Geheimnissen und Tiefsinn sei. Dem Beispiel Jesu ist aber viel näher eine gewinnende Einfachheit, die Hand in Hand geht mit der Klugheit der Weisen und Heiligen, denen Gott beisteht. Die Einfachheit mag bei den Überklugen wenn nicht gerade Verachtung, so aber doch geringeres Ansehen finden. Darauf kommt es nicht an, nach den Überklugen soll man sich nicht richten, auch wenn sie einen durch ihr Urteil oder ihr Benehmen demütigend behandeln: alles wendet sich zu ihrem Schaden und ihrer Verwirrung. Der ›Rechtschaffene, Schlichte und Gottesfürchtige‹ ist immer der Würdigere und Stärkere. Natürlich immer unterstützt durch weise und liebenswürdige Klugheit. Derjenige ist einfach, der sich nicht schämt, das Evangelium zu bekennen, auch vor Menschen, die es als eine Schwäche und Kinderei ansehen, es zu bekennen in seinem vollen Umfang, wo auch immer und in Gegenwart aller; derjenige ist einfach, der sich von niemand täuschen oder beeinflussen lässt, der die Seelenruhe nicht verliert, ganz gleich, wie die anderen sich gegen ihn benehmen. (…) Klug ist, wer in jeder Sache das Wesentliche erkennt und sich vom Nebensächlichen nicht hinhalten lässt; wer seine Kräfte zusammenhält und sie alle auf ein glückliches Ziel hinordnet; klug ist, wer von Beginn an bei all diesem den guten Ausgang allein von Gott erhofft, auf den er vertraut; und der auch, wenn er im Ganzen oder zum Teil erfolglos blieb, weiß, dass er recht gehandelt hat, und alles dem Willen der größeren Ehre Gottes anheimstellt.«²¹⁶
Roncalli setzte in seinem Lebensprogramm die Einfachheit zentral, eine Einfachheit, die Maß nimmt an der bedingungslosen Erfüllung des Willens Gottes in allen Bereichen. An seinen Reflexionen an einem solch entscheidungsschweren Tag sieht man deutlich, dass er bis in die Zeit als Papst hinein mit sich kämpfen muss- te, sich immer sein Koordinatensystem der Einfachheit zu vergegenwärtigen. Es fällt ihm nicht »einfach« zu, sondern er muss es sich Tag für Tag erkämpfen, und doch merkt er Tag für Tag, dass sich seine Mühe lohnt. So notiert er 1952: »Je älter ich werde, desto mehr konstatiere ich die Würde und die überwältigende Schönheit der Einfachheit sowohl im Denken wie im Tun und Reden. Es läutert sich die Tendenz heraus, alles zu vereinfachen, das verwickelt ist: alles auf die höchstmögliche Ursprünglichkeit und Klarheit zurückzuführen, ohne mich von Lappalien und künstlichen Winkelzügen in Gedanken und Worten gefangen nehmen zu lassen. ›Simplicem esse cum prudentia – mit Klugheit einfach sein‹. Dieser Wahlspruch stammt vom heiligen Johannes Chrysostomus. Welch eine Lehre in zwei Sätzen!«²¹⁷ Und man kann hinzufügen: Welch ein Kondensat des Lebenslernprogramms Roncallis!
Es ist klug, einfach zu sein – doch eine solche Klugheit hat ihren Urgrund nicht innerweltlich, sondern im Akt der Einfachheit spiegelt sich die Wahrheit Gottes wider. Das Lexikon für Theologie und Kirche sagt das so: »Die Einfachheit des Lebens, in welcher der geschaffene Geist auf übernatürliche Weise an der Einfachheit teilnimmt, besteht darin, dass er, von den Einflüssen der Geschöpfe losgelöst, befähigt wird, Gott unmittelbar in sich selbst zu erkennen und alles in ihm und durch ihn zu erkennen und zu lieben. (…) Im Lichte der Gnade und unter dem Eindruck der vorbildlichen Einfachheit des Herrn in Leben und Lehre (Gleichnisse!) gewinnt der Christ die Weisheit einer gott- und heilsbezogenen Schau der Wirklichkeit und die Gewissenslauterkeit, die ihn instand setzen, die Einfachheit Gottes in seinem Leben zu spiegeln, niemals ›aus der Einfachheit herauszufallen, die in Christus ist‹ (2 Kor 11,3), und durch eine alles beherrschende Liebe, welche die Fülle der sittlichen Wertantworten nicht ersetzt, sondern überformt, zu einer vollkommenen Einfachheit zu gelangen, in der alles Wertvolle mit Danksagung gebraucht, opfernd Gott dargeboten und so in die Lebensgemeinschaft mit dem Herrn hineingenommen wird.«²¹⁸
Die Einfachheit ist also nicht nur eine innerweltliche Lebenspraxis, sondern in der Einfachheit spiegelt sich auch die Wahrheit wider, nicht nur nach Seneca »simplex veri sigilium«, sondern im christlichen Sinne die Wahrheit Gottes. Diese Wahrheit Gottes – so das Lebenslernprogramm Roncallis – kann durch die Kondensierung auf ihren einfachen Urgrund gesehen werden, so dass daraus entsprechend gehandelt werden kann. Das Sich-fallen-Lassen in den Willen Gottes war Roncallis Methode, um den Zustand der Einfachheit in sich aufnehmen zu können. »Darauf kommt es an, dass ich mich von Anfang an unerschütterlich in Gottes Willen füge«²¹⁹, notiert schon der 17-jährige als Maßgabe für sein Leben, und dieser Maßgabe wird er – immer wieder reflektierend und immer aufs Neue beginnend – ein Leben lang treu bleiben und den Nachgeborenen als sein Manifest eines Lebens und Glaubenslernprogramms weitergeben.
Doch es ist nicht nur klug, die Einfachheit des Lebens und des Glaubens zu praktizieren, klug zum Zwecke der Erkenntnis und klug zum Zwecke des Handelns, sondern die Rückführung zur Einfachheit schafft auch eine Offenheit für neues Erkennen und neues Handeln. Nur wenn ich die Vielfalt des Lebens auf seinen einfachsten Kern reduziere, kann ich von diesem Ursprung aus die Vielfalt der Wege erkennen. Das macht offen für neue Möglichkeiten und neue Lösungen. Man gibt sich durch die Strategie der Vereinfachung eine Offenheit, ohne zum Spielball der Anforderungen zu werden, da der feste Grund ja vorhanden ist. »Damit gewinnt das geistliche Leben Roncallis eine Elastizität und eine persönliche Prägung, die – ohne eine engagierte Treue zu verkleinern – in der Anpassung an die konkreten Möglichkeiten bei der Suche der Vollkommenheit auch die Freiheit hochhält.«²²⁰
Also auch hier begegnet uns das, was schon für den Gehorsam Roncallis galt: Gehorsam führt eben nicht in die Unfreiheit, sondern in die Freiheit, gegründet in der unabänderlichen Sicherheit Gottes. Ganz ähnlich ist es mit der Einfachheit, die sich Roncalli als Lebenslernprogramm verordnet hat, die nicht zur dumpfen Einfalt führt, sondern in eine Freiheit und Offenheit, die weiß, dass Gottes Wille der Urgrund jeglicher Komplexitätsreduktion darstellt. Von dort aus gesehen ist vieles möglich, ist vieles auch für Roncalli möglich: »Ich betrachte mich in allem als gehorsam und stelle fest, dass diese meine Haltung im ›Großen und Kleinen‹ meiner Kleinheit so viel Kraft kühner Einfachheit verleiht, dass sie, ganz im Geiste des Evangeliums, allgemeinen Respekt verlangt und erhält und überdies für viele Anlass zur Erbauung ist.«²²¹
Die »Kraft kühner Einfachheit« sieht also Roncalli aus seinem Lebenslernprogramm entsprießen, die »Kraft kühner Einfachheit«, die ihm den Mut und die Offenheit gibt, neue Wege zu gehen. Für Franz Michel Willam ist hierin auch die Bereitschaft Johannes’ XXIII. zu sehen, mit dem Konzil eine Aufgabe anzugehen, die ihm niemand zugetraut hätte: »Der Weg zur Aggiornamento-Idee des Zweiten Vatikanischen Konzils, den der junge Angelo Roncalli einschlug, lässt erkennen, dass ihm nicht bloß Frömmigkeit, sondern auch eine schöpferische Denkkraft hohen Grades eignete. Die Einfachheit seiner Sprache ist aber nicht die erste, sondern die ›zweite Einfachheit‹. Sie kommt, wie er selbst einmal sagt, auf dem Wege zustande, dass man komplizierte Dinge zuerst durchzudenken und dann möglichst einfach darzustellen sich bemüht.«²²²
Die Rückführung auf die Einfachheit des Gehorsams, Gottes Willen immer und überall zu befolgen, ist zentraler Baustein im Lebenslernprogramm Roncallis. Sie macht frei und offen, und gibt Mut, neue und unerwartete Wege zu gehen. Für Michel de Kerdreux, der das Leben Roncallis in einer Wechselsicht zu Thomas von Kempen und Therese von Lisieux beschreibt, heißt das: »Das außergewöhnlich Außerordentliche an diesem Leben liegt gerade in seiner äußersten Einfachheit.«²²³
2. Lebenslernprogramm: Integration des Kreuzes
Die Einfachheit für sich als Lebenslernprogramm auszuwählen, heißt beileibe nicht, dass ein Leben nach solchen Vorhaben einfach ist, ganz im Gegenteil: Das Leben ist oftmals hart genug, um an der Einfachheit, sein Leben in Gottes Hand zu wissen, mehr als zweifeln zu können. Und natürlich musste auch Roncalli diese Erfahrung machen. Er wusste um die dunklen Seiten des Lebens, er wusste um das Gefühl der Verlassenheit, auch und gerade um die Verlassenheit von Gottes Nähe und Geborgenheit, die feste Urgründe seiner Reduktion in die Einfachheit waren. Doch Roncalli blendete diese dunklen Seiten, sein Kreuz, nicht aus, unterdrückte das Kreuz nicht, sondern integrierte es in sein Lebenslernprogramm, akzeptierte es als Teil seines Lebens. Gerade dieser Schritt zeigt Roncalli als einen Menschen, der nicht weltfremd, gleichsam als ein Alles-ist-doch-gut-Mensch scheinbar unbehelligt durch das Leben geht, sondern Roncalli ist mit seinem Lebenslernprogramm gerade deshalb so glaubwürdig, weil er die Realität des Menschen wahrnimmt und annimmt und die Tragödie des Mensch-Seins dem Willen Gottes unterordnet, der letztlich alles zum Besten ordnet. Die Einfachheit Roncallis liegt in diesem radikalen Vertrauen auf das »letztlich«.
Dass auch Roncalli sein Kreuz zu tragen hatte, nimmt man dem immer freundlich Lächelnden nur schwer ab. Auch Roncalli sieht das so: »Wer mich von außen beurteilt, hält mich für einen ruhigen und beständigen Arbeiter.«²²⁴ Doch seine Realität sieht anders aus: Gerade in den langen Jahren auf dem Balkan fühlt er sich oft verlassen und gedemütigt. »In den vergangenen Monaten hat mir der Herr manches auferlegt, meine Geduld zu prüfen: die mühevollen Verhandlungen über die Gründung des bulgarischen Seminars; die über fünf Jahre währende Ungewissheit, welche definitiven Aufgaben mit diesem meinem Amt verbunden sein sollen; die Ängste und die Schwierigkeiten, nicht noch mehr tun zu können, die Notwendigkeit, das Leben geradezu eines Eremiten führen zu müssen, was meiner Neigung zur Sorge für die Seelen widerstrebte; innere Unzufriedenheit, was immer noch an menschlichen Schwächen in meiner Natur ist, wenn ich es auch bisher in Zucht zu halten vermochte.«²²⁵ »Ich schaue zurück in die Bitternis meines Herzens.«²²⁶ Doch seine Bitternis bezieht er nicht nur auf sich, er sieht auch das Kreuz der Anderen: »Wenn ich an das denke, was neben und um mich herum vorgeht, halte ich oft von allein auf Kalvaria inne. Dort spreche ich mit dem sterbenden Jesus und seiner Mutter und kehre dann von Kalvaria zurück zum Tabernakel, zu Jesus im Sakrament.«²²⁷
Roncalli kennt das »Kreuz des Alltags«, das Kreuz des Scheiterns und das Kreuz des Todes. Und er reagiert menschlich, das heißt, auch er zittert vor Furcht und hat Angst: »Ich zittere bei dem Gedanken, Schmerzen ertragen zu müssen, Verantwortung, Streitigkeiten, die über meine armen Kräfte gehen, aber ich vertraue auf den Herrn, ohne jeden Anspruch auf Erfolg, auf sichtbare und besondere Verdienste.«²²⁸ »Der Gedanke an ein Martyrium ängstigt mich. Ich fürchte um meine Festigkeit gegenüber körperlichen Schmerzen.«²²⁹ Roncalli fürchtet sich nicht nur, sondern reagiert auch zunächst entsprechend – er zieht sich zurück: »Als der Heilige Vater mich hierher schickte (in die Türkei als Apostolischer Delegat, Ko.), hob er Kardinal Sincero gegenüber ausdrücklich hervor, welchen Eindruck mein zehn Jahre langes Schweigen auf ihn gemacht habe, dass ich in Bulgarien blieb, ohne mich jemals zu beklagen oder den Wunsch nach etwas anderem auszudrücken.«²³⁰
Hier zeigt sich schon ein wichtiger Schritt gegen die Furcht und die Resignation gegenüber Widerständen: Roncalli zieht sich eben nicht definitiv verängstigt zu- rück, sondern er bleibt ruhig und akzeptiert seinen Zustand, auch wieder im siche- ren Wissen, dass letztlich Gott es zum Besten richtet. Er beklagt weder sein Kreuz permanent, noch verschweigt er es, sondern er lässt es für sich und sein Leben zu: »Ich muss und will mich daran gewöhnen, dieses Kreuz (wieder ist sein Balkan- einsatz gemeint, Ko.) mit mehr Geduld und Ruhe und innerer Gelassenheit zu tragen, als ich es bisher fertiggebracht habe.«²³¹ Er weiß um das Kreuz, und will es annehmen als Teil des Lebens, ja für ihn ist die Integration des Kreuzes zentraler Topos seines Lebenslernprogramms: »Zu leiden verstehen! Das ist die große Lebenskunst.«²³² So kann er für sich das positive Fazit ziehen: »Ich bin wie ein Vogel, der in einem Dornenbusch singt.«²³³ Er sieht zwar seinen Dornbusch, doch am Singen kann dieser ihn nicht hindern.
Welche Schritte zum Erlernen einer Integration des Kreuzes legt sich Roncalli zur Einübung auf? Es ist für ihn eine rationale Überlegung, sozusagen sein Schlussstein in seinem spirituellen Lebenslernprogramm: Wenn der Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes seine Quelle für einen Frieden im umfassenden Sinne ist, dann verlangt die Akzeptanz des Kreuzes die letzte Stufe des Gehorsams. Das ist, was Edith Stein mit »Kreuzeswissenschaft« meint: Das Sich-fallen-Lassen in die Liebe Gottes, der Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes, führt logischer- weise und als rationaler Akt im letzten Schritt zum Bejahen des Kreuzes. Edith Stein spricht von der »frohen Botschaft des Kreuzes«. Die Akzeptanz des Kreuzes macht frei, um weiter singen zu können. So kann Roncalli 1947 schreiben: »die ständige Übung des Gehorsams gibt mir Mut und vertreibt alle Furcht. Es liegt dem Herrn daran, mir zu helfen. Ich preise ihn und danke ihm: ›Sein Lob ist stets in meinem Munde‹.«²³⁴ Gerade seine langen Jahre auf dem Balkan waren für Roncalli Lehrjahre, sein Kreuz zu akzeptieren und über diesen Schritt seinen Seelenfrieden und eine intensive Gottesnähe zu erreichen: »Bei der Einkehr vergangenen Jahres in Roustchouk (1939 in Bulgarien, Ko.) führten mich die Umstände zu einer Vertiefung meiner Liebe zum Kreuz und zum Leiden mit Jesus, meinem Herrn und König. Durch die Gnade des Herrn war diese tiefe Besinnung nicht vergeblich. Seit damals nehme ich alle Ereignisse meines Lebens ruhiger hin, gleicherweise bereit zu den verschiedenartigsten Dingen, Erfolgen und Niederlagen.«²³⁵ Roncalli lernt mit dem Kreuz umzugehen, er übt es gleichsam ein. Natürlich ist auch hier sein Tagebuch ein unentbehrliches Hilfsmittel, das seine Entschlüsse bei den Exerzitien aufnimmt und es ihm im Jahresrhythmus der Exerzitien wieder fast unbarmherzig zur Reflexion vorlegt. »Beim Durchlesen der Niederschriften aus früheren Einkehrtagen habe ich Motive und Anregungen für den ›Weg zum immer mehr nahenden Ende‹ gefunden.«²³⁶
Schon früh ist das eben Angedeutete ein Anliegen Roncallis und somit ein wichtiger Teil seines Lebenslernprogramms: die Einübung und die Annahme des Kreuzes des Sterbens und des Todes. Viele Stellen im Tagebuch weisen Roncalli als einen Menschen aus, der nicht im Mindesten zweifelt, sie weisen aber auch einen Menschen aus, der sich fürchtet vor dem Sterben, ja Angst davor hat: »Ich zittere bei dem Gedanken, Schmerzen ertragen zu müssen.«²³⁷ Auch hier zeigt sich Roncalli als menschlich, hofft er doch, die umfassende Liebe Gottes im ewigen Leben erfahren zu dürfen, lässt das aber keineswegs einfließen in ein sehnsüchtiges »hei- ligengemäßes« Jenseitsverlangen, sondern hat real Angst vor dem Sterben. Aber es wäre nicht Roncalli, wenn er es – das Sterben lernen – nicht in sein Lebenslernprogramm mit integrieren würde und wenn er hier nicht ebenso den »menschlichen Faktor« mit berücksichtigen würde, das »Inquantum possum«. In Bezug auf sein Kreuz heißt das: »Ganz einfache Übungen«²³⁸. »Man braucht nicht oft davon sprechen und den anderen damit lästig werden, aber immer daran denken, denn wenn das ›indicium mortis – das Gesetz des Todes‹ einem vertraut wurde, so ist es gut, es hilft die Eitelkeit auszutilgen und allem den Sinn von Maß und Ruhe zu geben.«²³⁹ Wenn man sich wie Roncalli den Psalm 121 klar macht: »Du nimmst mich Herr bei der Hand und führst mich nach deinem Willen«, dann ist es auch klar, dass das größte Vertrauen das Vertrauen in das Behütetsein im Sterben ist. »›In omnibus respice finem – Bei allem schau auf das Ende.‹ Das Ende nähert sich mir in dem Maße, wie die Tage meines Lebens aufeinander folgen. Ich muss mich mehr mit dem Gedanken beschäftigen, schnell und gut zu sterben als mir Träume von einem hohen Alter auszuspinnen (Roncalli ist hier 70 Jahre alt, Ko.). Aber ohne Traurigkeit, ohne viel davon zu sprechen. ›Der Wille Gottes ist unser Friede.‹ Das soll allezeit gelten, im Leben und mehr noch im Tod.«²⁴⁰
Das ist der Zentralsatz für Roncalli und für die Grundlegung seines Lebenslernprogramms: Der Wille Gottes ist unser Friede. Und der Gehorsam gegenüber diesem Willen die Voraussetzung – gerade für die Annahme des Kreuzes: »Semper in cruce, oboedientia duce – im Kreuz allezeit, der Gehorsam gibt Geleit.«²⁴¹ Die Integration des Kreuzes in sein Lebenslernprogramm ist für Roncalli also in erster Linie eine Sache des Gehorsams. Wenn der Wille Gottes den Weg vorgibt, den ein Mensch zu gehen hat, dann braucht über den Weg nicht gezweifelt werden, nur einfach in Gehorsam und Geduld weiterzugehen, sich nicht von der Resignation übermannen zu lassen – inquantum possum –, das ist das Geheimnis Roncallis für ein Leben im umfassenden Frieden.
3. Lebenslernprogramm: Eigene Heiligung als Weltauftrag
Wenn wir in diesem Kapitel nach den Umsetzungen der Spiritualität Johannes XXIII. fragen, dann steht für ihn sicherlich an erster Stelle die Intention seiner eigenen Heiligung. Das gesamte Geistliche Tagebuch ist von diesem Wunsch durchdrungen, die Verwirklichung seiner Berufung hat für ihn oberste Priorität. Für einen Priester seiner Zeit scheint klar: Die Entsagung dieser Welt ist Jahrhunderte lang notwendige Tradition und Voraussetzung dafür, die eigene Heiligung zu ermöglichen. Der Welt den Rücken zu zeigen, scheint der einzige Weg zu sein, auf Gott zuzugehen.
Doch die Grundlegungen seiner Spiritualität lassen Roncalli nicht haltmachen bei dieser Verinnerlichung und Weltentsagung: Roncalli ist als gläubiger Mensch auch Historiker, der für sich weiß, dass die Geschichte dieser Welt und der Menschen auch eine Geschichte der Einwirkung Gottes in und mit dieser Welt ist, diese Welt also keine gottlose, also abwendungsbedürftige Ansammlung von Menschen ist, sondern die Welt eine Geschichte Gottes mit den Menschen impliziert, die dem Auftrag Gottes verpflichtet sind, Gottes Wirken in dieser Welt zu ermöglichen. Somit ist es für Roncalli von seinem Gottesverständnis, aber auch von seinem davon abgeleiteten Weltverständnis her unmöglich, bei der eigenen Heiligung stehenzubleiben, sondern zu seiner eigenen Heiligung gehört christushaft der Weltauftrag dazu. Eigene Heiligung und öffentlicher Auftrag gehören für ihn wesenhaft zusammen. Somit gibt Roncalli »Zeugnis für den Glauben als eine von Christus in die Geschichte eingebrachte wirkende Kraft.«²⁴²
Und für Roncalli ist auch klar, dass ein befreiender Glaube an Jesus Christus nicht heißen kann: »ich habe meinen Glauben, alles andere geht mich nichts an.« Jeder hat die Pflicht – und das zeigt Roncalli im Geistlichen Tagebuch immer wieder –, von diesem Glaube Kunde zu geben, ganz nach dem Petrusbrief mit seiner Aufforderung: »Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen.« (1 Petr 3,15) Mit dieser Kunde ist es aber nicht getan. Denn nicht nur eine öffentliche Rede über den Glauben ist gefordert, sondern damit einhergehen muss die praktizierte Weltverantwortung des je Einzelnen. Denn: Wo sonst kann der Glaube eingelöst werden als in den menschlichen Beziehungen dieser Welt, wo sonst kann sichtbar werden, dass Gottes Geist wirkt als in dieser Welt?
Doch diese »Weltaktivität« ist für Roncalli keine blanke Diesseitigkeit, sondern es gilt für ihn immer: Nur getragen vom Gottesglauben ist es möglich, für die Aktivitäten die richtigen Maßstäbe zu finden und anzulegen. Und diese Grundlegung für das Handeln darf nicht verschleiert werden. Von daher muss man auch seine Kritik der Arbeiterpriester vor allem in Frankreich verstehen, mit denen er in seiner Zeit als Nuntius in Paris zu tun hatte. Es ging ihm auch dort um die Sichtbarmachung der inneren Sendung für das äußere Tun. So hatte er es bei seinem Bergamasker Bischof Radini-Tedeschi erlebt, und so wollte er es für sich umsetzen. Von daher ist es auch zu verstehen, dass er als Papst die Erlaubnis gab, sein Tagebuch, sein immer wieder reflektierendes Bemühen, öffentlich zu machen, sozusagen der Welt mitzuteilen, dass der Glaube in jedem einzelnen Menschen entstehen, aber im öffentlichen Miteinander gelebt werden muss. Solches Denken und Handeln ist gerade kein Rückzug aus dieser Welt, ist gerade kein Aufsuchen der Wärmeherde der weltabgewandten Versenkung, sondern solches Denken und Handeln löst die Verantwortung ein, die jedem Christen mit der gelebten Nächstenliebe anheimgegeben ist.
Ist der Blick so nach innen und außen geschärft, dann ist es auch möglich, die Zeichen der Zeit zu erkennen. So sagt Johannes XXIII. bei der Generalaudienz im März 1960: »Wichtig ist es, immer in Bewegung zu bleiben und nicht in den Spuren alter Gewohnheiten auszuruhen; wichtig ist, immer auf der Suche nach neuen Kontaktmöglichkeiten Ausschau zu halten, unaufhörlich auf der Höhe berechtigter Forderungen der Zeit zu bleiben, in der zu leben wir berufen worden sind, damit Christus auf jegliche Weise verkündet und erkannt werde.«²⁴³ Denn für ihn galt: »Die Stimme der Zeit ist die Stimme Gottes.«²⁴⁴ Das ist eine zentrale Aussage für Johannes XXIII. So kann Wolfgang Seibel sagen: »Er war der erste Papst, der ein grundsätzliches Ja zur modernen Welt als Ganzes gesprochen hat, und zwar auch zu jenen Formen und Werten, die ursprünglich in der Absage an die Kirche und ihre Lehre entstanden sind.«²⁴⁵ Eine solche Einstellung konnte für Roncalli nur gelten, weil er eben nicht nur seine eigene Heiligung im Blick hatte, sondern auch immer ihre öffentliche und weltorientierte Einlösung. So konnte er die Zeichen der Zeit erkennen, konnte aber auch den Mut finden, »sich der veränderten Zeit anzupassen.«²⁴⁶ Deutlich formuliert Roncalli, was er unter Anpassung versteht, in einer Ansprache vor der Arbeitsgemeinschaft »Studi cristiani« in Assisi am 29. August 1957: »Im Heiligen Geiste ist der Kirche eine ewige Jugendfrische eigen, eine Jugendfrische, die sie dazu befähigt, die Bedürfnisse der Menschheit aller Jahrhunderte zu erfassen und für jedes einzelne Zeitalter eine ihm angepasste – adatto – Sprache zu finden.«²⁴⁷ Und von dieser Kraft, sich der veränderten Zeit anzupassen, war es nicht mehr weit, die Kirche der veränderten Zeit anzupassen, sprich: den Mut zum Zweiten Vatikanischen Konzil zu haben. In dieser Grundlage der eigenen Heiligung als Weltauftrag liegt die Intention des Aggiornamento, liegt die Intention des Zweiten Vatikanischen Konzils insgesamt. Gleich bei seiner Ansprache zur Eröffnung des Konzils am 11. Oktober 1962 macht Johannes XXIII. das deutlich: »Doch es ist nicht unsere Aufgabe, diesen kostbaren Schatz (d.i. die Kirche, Ko.) nur zu bewahren, als ob wir uns einzig und allein für das interessieren, was alt ist, sondern wir wollen jetzt freudig und furchtlos an das Werk gehen, das unsere Zeit erfordert.«²⁴⁸
Johannes XXIII. verlangt von den Bischöfen, dass starke Impulse vom Konzil ausgehen, wie die Botschaft Christi ausgelegt werden kann, »wie unsere Zeit es verlangt.«²⁴⁹ So kann nur jemand reden, der in der Gewissheit seines Glaubens »furchtlos« auf die Menschen und die Welt zugeht, um am Aufbau des Reiches Gottes schon in dieser Welt mitzuwirken, wohl wissend, dass es in der Spannung von »schon jetzt« und »noch nicht« nicht erzwungen werden kann. Das meint eigene Heiligung als Weltauftrag.
Und für Johannes XXIII. geht diese eigene Heiligung als Weltauftrag bis zur Schwelle des Todes weiter, auch das eigene Sterben war für ihn eine »öffentliche Tugend«: »In der Treue zur Tradition verfällt er jedoch nicht deren Versuchung zur Privatisierung des Heils. Frömmigkeit und Dienst, die innere Haltung und das äußere Handeln bleiben als zwei untrennbare Momente ein und derselben Berufung miteinander verwoben – bis dahin, dass das Sterben, der ins Letzte und Innerste gehende Schritt, bei Johannes XXIII. zur ›großen theologischen, pastoralen und evangelischen Predigt über den christlichen Glauben als öffentliche Tugend geworden ist, die er im Angesicht der Menschheit gehalten hat‹.«²⁵⁰
Wenn man so will, war Johannes XXIII. der erste öffentliche Papst, der die Öffentlichkeit, das heißt die Welt und die Menschen in ihrer Aufrichtigkeit akzeptierte, weil er »in der gegenwärtigen Entwicklung der menschlichen Ereignisse (…) einen verborgenen Plan der göttlichen Vorsehung«²⁵¹ sah. Und was ziemt einem Christen dann mehr, als in einem öffentlichen Handeln am göttlichen Heilsplan mitzuwirken?
4. Lebenslernprogramm: Von einer Stunde zur andern
Kaum ein Text eines Papstes hat so große Verbreitung bei so vielen Menschen gefunden wie der »Dekalog für jeden Tag« von Johannes XXIII. In unterschiedlicher Form ist dieser Ratgeber fester Bestandteil der helfenden Literatur.
Bei Johannes XXIII. ist dieser Dekalog aber so nicht existent, er ist eine Zusammenstellung aus seinem »Geistlichen Tagebuch«. Aber trotzdem oder gerade deswegen ist es bemerkenswert, dass solch eine Essenz des spirituell fundierten Denkens und Handelns Roncallis nahezu ins Volksbewusstsein gelangte. Das »nur für heute« ist Teil seines Lebenslernprogramms und anscheinend hilfreich für Menschen. Eine Version dieses Dekalogs sieht folgendermaßen aus:
»Die zehn guten Vorsätze aus dem Geistlichen Tagebuch von Johannes XXIII.
Nur für heute werde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das Problem meines Lebens auf einmal lösen zu wollen.
Nur für heute werde ich die größte Sorge für mein Auftreten pflegen. Ich werde niemanden kritisieren, ja ich werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu verbessern. Nur mich selbst.
Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin.
Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass sich die Umstände an mich und meine Wünsche anpassen.
Nur für heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen. Wie die Nahrung für das Leben des Leibes notwendig ist, so ist die Lektüre notwendig für das Leben der Seele.
Nur für heute werde ich eine gute Tat vollbringen. Und ich werde es niemandem erzählen.
Nur für heute werde ich etwas tun, wozu ich keine Lust habe es zu tun. Sollte ich mich in meinen Gedanken beleidigt fühlen, werde ich dafür sorgen, dass niemand es merkt.
Nur für heute will ich ein genaues Programm aufstellen. Vielleicht halte ich mich nicht daran, aber ich werde es aufsetzen. Und ich werde mich vor zwei Übeln hüten: Vor der Hetze und vor der Unentschlossenheit.
Nur für heute werde ich fest glauben – selbst, wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten –, dass die gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt.
Nur für heute werde ich keine Angst haben. Ganz besonders werde ich keine Angst haben,mich an allem zu freuen, was schön ist, und an die Güte zu glauben.«²⁵²
Wahrscheinlich ist dieser Dekalog deshalb so beliebt, weil er die Menschen nicht überfordert – inquantum possum – und er keine Geniestreiche von ihnen erwartet. Aus der Alltäglichkeit heraus werden kleine Schritte – Step by Step – vorgeschlagen, die »nur für heute« zu behandeln sind. In diesem Dekalog fließt aber auch zusammen, dass die Ratschläge nicht nur innerweltlich orientiert sind, sondern Platz lassen, um von der göttlichen Fügung geführt zu werden. Diese Gelassenheit, die sich damit Bahn brechen kann, ermöglicht es, immer wieder, Tag für Tag, Stunde für Stunde, neu zu beginnen, ohne ins resignative Verzweifeln zu verfallen. Ohne die Gelassenheit, die in der Nähe Gottes wurzelt, wären diese Vorschläge nicht zu verstehen. Ähnlich der Weisheitsliteratur der biblischen Bücher nimmt Roncallis Lebenslernprogramm »Von einer Stunde zur andern« Maß an den alltäglichen Notwendigkeiten der Menschen, stellt sozusagen das Gefäß zur Verfügung, das bereit gehalten und kultiviert werden muss, um mit etwas Größerem gefüllt werden zu können. Roncalli hat sich von seinen Jugendtagen an immer wieder diesem Programm unterzogen, für ihn ein Werkzeug, sein Ziel einer Heiligung seines Lebens und seiner Existenz nicht aus dem Auge zu verlieren.
Roncallis Lebenslernprogramm »Von einer Stunde zur andern« impliziert einen Menschen, der einerseits von der Schwachheit, aber andererseits von der großen Hoffnungssehnsucht geprägt ist: Von der Schwachheit, immer wieder scheitern zu müssen, trotz oder gerade wegen des ehrlichen Bemühens, und von der großen Hoffnungssehnsucht, vom Traum eines heilen Lebens und einer heilen Welt nicht lassen zu können und zu wollen. Ein schwaches Wesen mit großer Hoffnung, so sieht Roncalli den Menschen, so sieht Roncalli letztlich sich selbst. Und deshalb versucht er, sich zu bemühen, Tag für Tag sich nicht zu viel vorzunehmen, weil er um die Gefahr des Scheiterns weiß, aber auch nicht aufzugeben, weil er den Weg zu seiner Hoffnung kennt.
In einem Brief aus Sofia schreibt der Bischof Roncalli: »Mache keine Pläne: sondern nimm einfach die hin, die dir die Vorsehung Tag für Tag bestimmt.«²⁵³ Tag für Tag seine Pflicht zu tun, heißt für Roncalli, Platz für die Vorsehung zu lassen. Wenn man so will, ist das modernes Managementdenken: Man muss sich ein Ziel geben, aber die einzelnen Schritte hierauf dürfen nicht so einengen, dass man die neuen Möglichkeiten nicht mehr sieht. Roncalli zieht dieses sein Lebensprinzip von Jugendbeinen an bis zu seinem Tod als Papst konsequent durch. Hier ist er konsequent, er ist sich nicht zu schade, im Tagebuch immer wieder zu vermerken, dass er seinen Vorsätzen mal wieder nicht gerecht wurde. Doch immer wieder sagt er sich selber, dass das nicht so schlimm ist (»dann soll es mich auch nicht betrüben«²⁵⁴), wichtiger sei für ihn, Gott zu lieben und wieder »Tag für Tag« neu anzufangen.²⁵⁵
Tag für Tag heißt für Roncalli nicht nur, von einem Tag zum andern zu leben, sondern dieses Prinzip gibt ihm auch die Chance, ganz präsent im Hier und Jetzt zu sein: »Um mich nicht zu sehr zu belasten und mich ohne Nutzen zu verwirren, darf ich nur eines tun, was mir mein geistlicher Vater auferlegt: Nicht wie der hl. Stanislaus Kostka von einem Tag zum andern zu leben, sondern wie der hl. Johannes Berchmans von einer Stunde zur anderen. Die Handlung, die ich eben jetzt zu tun habe, und nichts anderes: darauf muss ich meine ganze Sorgfalt verwenden, hier an dieser Stelle muss ich die Vollkommenheit üben.«²⁵⁶
Ganz präsent im Hier und Jetzt zu sein, ist das eine, das ihm sein Lebenslernprogramm ermöglicht, ganz offen und nicht ängstlich auf die Zukunft hin zu sein, das andere: »Daher soll mir die Vergangenheit eine gute Lehre für die Zukunft sein. Denken wir nicht von einem Tag zum andern, sondern von Stunden zu Stunde. Ich will mich von Gott in Liebe und Selbstaufopferung leiten lassen.«²⁵⁷ Die Entscheidung, im Hier und Jetzt präsent zu sein, ermöglicht es Roncalli, die Wirklichkeit und die Anforderungen des Hier und Jetzt zu erkennen und den Forderungen des Augenblicks gerecht zu werden. Gerade als Papst nutzt ihm dieser Leitgedanke und er notiert ihn auch im schon skizzierten schicksalsschwangeren und kriegsmöglichen August 1961: »Es ist nicht nötig, Phantasie und Sorge auf Zukunftsgebäude zu verwenden. Der Stellvertreter Christi weiß, was Christus von ihm will; es ist nicht nötig, dass er ihm mit Ratschlägen zuvorkommt oder ihm fertige Pläne vorlegt. Eine fundamentale Regel für das Verhalten des Papstes ist die, sich stets mit dem gegenwärtigen Zustand zu begnügen und sich nicht mit der Zukunft zu beschweren; die soll er vom Herrn erwarten, ohne darüber Berechnungen anzu- stellen und menschliche Vorsorge zu treffen.«²⁵⁸
Es ist schön, nachzuvollziehen, wie Roncalli sein ganzes Leben über kämpft, sich dieses Prinzip von einer »Stunde zur anderen« gleichsam über die Kraft suggestiver Einrede als geistliches Lebensprinzip wirksam werden zu lassen. Ob als Papst oder schon als Jugendlicher, immer schreibt er sich ins Tagebuch, »Stunde für Stunde« zu nutzen, um dem Heute gerecht zu werden und der Vorsehung ihren Weg zu ermöglichen. Als 21-jähriger notiert er: »es ist das Prinzip der geistigen Anwesenheit bei allem Tun, das ›age, quod agis – Was du tust, tue es ganz‹ im Angesicht Gottes. Um aber damit Erfolg zu haben, muss man dieses Prinzip schon vom frühen Morgen an ins Werk setzen.«²⁵⁹
Für Roncalli war sein Prinzip klar: Lebe von Stunde zu Stunde, dann ist dir die Wahrnehmung der Wirklichkeit möglich, dann kann die Vorsehung sich ihren Weg bahnen und vor der Zukunft muss dir nicht bange sein. Das ist die Grundlage für sein spirituelles Lebensprinzip.
Wie versucht nun Roncalli dies im Alltag umzusetzen? Sicher: Zuerst steht die permanente Verschriftlichung seiner Bemühungen, seines Versagens und seiner Neuanfänge. Roncalli muss sich dieser therapeutischen Form seiner Selbstbildung bewusst gewesen sein, wie sonst hätte er sein Leben lang weiter machen können, diesen Selbstratgeber zu nutzen. In diesem Selbstratgeber sind auch immer wieder seine »Werkzeuge« verzeichnet, mit denen Roncalli sich »Stunde zu Stunde« auf die richtige Spur bringt, sozusagen seine »Einübungen«: Nicht überraschen wird, dass für einen Kleriker hier das tägliche Gebet steht, für ihn ist das der Rosenkranz. Doch so einfach war das auch für ihn nicht immer. So vermerkt er als Papst 1961: »Den Rosenkranz, den ich seit Anfang 1958 vollständig zu beten mir vorgenommen habe, ist zu einer ruhigen Übung der Betrachtung und Konzentration geworden, die meinen Geist offenhält für das weite Feld meines obersten Lehr- und Hirtenamtes in der Kirche als gemeinsamer Vater aller Gläubigen.«²⁶⁰ Also erst fünf Jahre vor seinem Tod gelingt es Roncalli, sich auf das verlässliche Rosenkranzbeten zu verpflichten. Und es ist gerade eines der Gebete der Kirche, die wenig »intellektuell«, dafür umso mehr meditativ sind. Hier will und kann Roncalli zur Ruhe kommen. Also, das Gebet gibt ihm die Struktur für den Tag. Dazu gehört für Roncalli, dass er sich »jeden Morgen ein(en) Leitgedanken für den ganzen Tag«²⁶¹ gibt. Auch hier ist wieder die für Roncalli so typische positive Einrede. Psychologisch gesehen bedeutet das – und auch hier ist Roncalli ein moderner Vorreiter des Selbstmanagements –, dass Worte, die man sich immer wieder über den Tag einsagt, allmählich ihre intendierte Wirkung nach sich ziehen.
Geben Gebet und Leitgedanke das spirituelle Geländer für Roncalli, so weiß er, dass auch diese Vorgaben in einer alltäglichen Struktur geerdet werden müssen. Auf vielen Seiten seines Tagebuches mahnt er sich so zum Beispiel, zu einer verlässlichen Uhrzeit (5:30 Uhr) aufzustehen und möglichst um 23:00 Uhr ins Bett zu gehen. Er merkt – durch den kontinuierlichen Verweis auf diese Absicht –, dass ein Nachlassen in dieser alltäglichen Ordnung auch ein Nachlassen in seiner spirituellen Intention nach sich ziehen könnte. Eine andere »Veralltäglichung« seiner haltgebenden Struktur ist – man staunt, wenn man sich das Bild des rundlichen Roncalli vergegenwärtigt – das Essen und Trinken. »Ich muss also (so schreibt er in seiner Zeit als Sekretär von Bischof Radini-Tedeschi, Ko.) sehr darauf achten, langsam zu essen und nichts hinunterzuschlingen. Ganz allgemein muss ich weniger essen und am Abend nur ganz wenig. Dasselbe lässt sich über das Trinken sagen. Der Geist der Selbstüberwindung muss sich vor allem beim Essen zeigen.«²⁶²
Generell gilt für Roncalli und sein spirituelles Programm, dass er die äußere Ordnung zur Ermöglichung der inneren Ordnung braucht. Immer wieder ver- pflichtet er sich im Tagebuch, diese äußere Ordnung einhalten zu müssen – aber immer mit einem »inquantum possum«. Dieses »inquantum possum« ist ihm zentral wichtig. Wie oft mahnt er sich: »nichts im Übermaß«²⁶³ und »ganz einfache Übungen.«²⁶⁴ Er fürchtet sich fast, wenn er sich zu viel vorgenommen hat: »O mein Jesus, es ist viel, was ich mir da vornehme, und ich weiß doch, wie schwach ich bin, da ich voller Eigenliebe stecke. Aber der Wille ist da und kommt aus dem Herzen. Hilf mir, hilf mir.«²⁶⁵
Da er um sein »inquantum possum« weiß und sich vor dem Übermaß fürchtet, legt er ihm schon als Jugendlicher einen Riegel vor: »Man sollte es kaum für möglich halten, je mehr Vorsätze man fasst, um so weniger hält man sie.«²⁶⁶
Das klingt erfahrungsgesättigt, doch dies hat der 17-jährige Roncalli geschrieben und diese Intention sein Leben lang wiederholt. Roncalli weiß also um seine Schwäche, versucht seine Vorsätze auf Wesentliches zu konzentrieren und sich eine äußere Struktur zu geben, so dass er diese seine Essentials auch einhalten kann. Er will sein Ziel der Heiligung seines Lebens keinesfalls aufgeben, will der Vorsehung ihren Platz lassen, aber trotzdem seiner gestellten Aufgabe planvoll gerecht werden. Diese Dialektik zwischen planen und Platz lassen, zwischen dem Planen als Menschenwerk und dem Plan Gottes, ist Roncalli ständig als Mahnung und Auftrag präsent.
Doch wie schafft es Roncalli das tägliche Planen und Arbeiten nicht richtungslos werden zu lassen? Zuerst: Er strebt kein Amt und keine Aufgabe an. Er lässt sich rufen und weiß sich sicher, damit dem Ruf Gottes zu folgen, zumal der jeweilige Ruf ja von der Kirche erfolgt. Wurde ihm eine Aufgabe zugewiesen, so weiß er sich sicher, sich daran orientieren zu können: »Ich werde gern weitere Aufgaben über- nehmen, jedoch nur, ›inquantum possum – soweit ich es vermag‹ und soweit ich sie mit meiner Hauptaufgabe, wegen der ich nach Rom beordert worden bin (1924 im Dienst der Propaganda Fide, Ko.), vereinbaren kann und sie auch nutzen.«²⁶⁷ Wenn die Hauptaufgabe dem Ruf Gottes entspricht, so müssen die Teilaufgaben eben der Hauptaufgabe gerecht werden oder Roncalli nimmt sie nicht an – so einfach ist das für ihn und im Übrigen wieder ein Musterbeispiel für modernes (Selbst-)Management.
Wir konnten für Roncalli identifizieren, dass seinem Lebensprinzip »Von einer Stunde zur andern« die Dialektik vom Planen des Menschen und dem Plan Gottes zugrunde liegt. Roncalli fühlt sich in diesem Spannungsfeld sehr einfachen Leitsätzen verpflichtet, die von der äußeren Ordnung des Tages und der inneren Konzentration auf die Hauptaufgabe geprägt sind. Planen ja, aber planen quasi zur strukturellen Ermöglichung des Planes Gottes. Doch Roncalli bleibt beim Prospektiven nicht stehen, sondern er weiß: Die Einlösung der Leitsätze bedarf der kontinuierlichen Reflexion. So schreibt er seine Vor- und Leitsätze nicht nur ins Tagebuch, sondern er holt das Tagebuch bei jährlichen Exerzitien immer wieder hervor und liest nach, was er sich vorgenommen hatte, so schon 1910: »Ein Jahr der Gnade war auch dieses verflossene Jahr. Ich aber habe wenig Fortschritte in der Vervollkommnung gemacht, und das bedrückt und demütigt mich. Dennoch will ich den Mut nicht verlieren. Ich lese Wort für Wort wieder durch, was ich im vorigen Jahr niedergeschrieben und versprochen habe.«²⁶⁸ Auch an anderen Stellen bemerkt er, es sei »demütigend«²⁶⁹ für ihn, die Vorsätze im Tagebuch nochmals lesen zu müssen, doch er lässt nicht davon ab, weil er weiß, dass nur dieser Stachel ihn immer wieder voranbringt, nach dem Motto, das er nicht nur für seinen diplomatischen Dienst für wichtig ansah: »Gutta cavat lapidem – steter Tropfen höhlt den Stein.«²⁷⁰
Die Reflexion bezieht sich aber nicht nur auf den großen Zeitraum eines Jahres. Täglich legt er sein »Partikularexamen«²⁷¹ ab, natürlich begleitet von der Wochen- beichte. Und immer wieder rührt sich bei ihm der Wunsch, solche Examina an einem »abgelegenen Ort«²⁷² durchzuführen, weil sich hier der Geist auf das Wesentliche konzentriere. Es sind immer wieder scheinbare Äußerlichkeiten, die für Roncalli von Bedeutung sind, die er versucht einzuhalten, die er versucht immer wieder in Angriff zu nehmen. Es scheint so, als müsse das »Gefäß« seiner äußeren Ordnung stimmen, damit der göttliche Inhalt, der Plan Gottes hineinfließen kann. Nicht den Inhalt will Roncalli prädefinieren, sondern diesem Inhalt die Möglichkeit eröffnen, in ihm zur Geltung zu kommen. Daher das Lebenslernprogramm »Von einer Stunde zur andern«, weil für Roncalli das menschliche Planen nicht weiter zu gehen braucht als bis zur nächsten Stunde.
Das Lebenslernprogramm Roncallis ist somit in einer außerordentlichen Weise gekennzeichnet von einer großen Menschenfreundlichkeit. Nichts Großes wird verlangt, kleine Schritte – für jeden gehbar – sind vonnöten, um Großes zu erfahren. Roncallis Botschaft ist eine Schule der Geduld wider die Resignation. Es geht darum, Platz zu schaffen für den göttlichen Willen. Das bedarf keiner mystischen Versenkung, auch keiner asketischen Reife, sondern eines bewussten Hineinlebens und Hineinhörens in den Tag. Das ist die spirituelle Botschaft Roncallis.
V. Gott und dem Menschen dienen: Konkretionen
Welches Vermächtnis hat Johannes XXIII. den Menschen und seiner Kirche hinter- lassen? Sicherlich wäre Johannes nur als Papst des Übergangs von Pius XII. zu Paul VI. im Gedächtnis der Menschen geblieben, wenn er nicht das Zweite Vatikanische Konzil einberufen hätte. Doch mit diesem kühnen Schritt und der darin enthaltenen grundlegenden Ausrichtung kann die Zuschreibung »Papst des Übergangs« auch so verstanden werden, dass mit ihm die Kirche in ersten, tastenden Schritten den Übergang in die Moderne vollzogen hat. In welche Richtung gingen diese Schritte, die Johannes XXIII. für seine Kirche als notwendig ansah?
Die erste wichtige Botschaft Johannes’ XXIII. für seine Kirche, aber auch für alle Menschen war und ist das Vertrauen. Vertrauen, grundgelegt in seiner Spiritualität, hieß für ihn nicht, überall zuerst das Böse und das Unheil zu sehen, sondern er sah in der Welt den Willen zum Guten und die Sehnsucht der Menschen nach Heil. Vertrauen hieß für Johannes XXIII. auch, Vertrauen in Entwicklungen zu haben, ob diese persönlicher, gesellschaftlicher oder kirchlicher Natur sind. Wir erinnern uns an das Gewährenlassen, das er für sich und die Kirche sehen konnte, weil er ein tiefes Vertrauen in die Fürsorge Gottes für die Menschen und die Welt hatte.
Die zweite wichtige Botschaft: Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen, ihm also eine einzigartige Würde zukommen lassen. So konnte für Johannes XXIII., und mithin für seine Kirche gelten: Der Mensch ist der Weg hin zu Gott und damit für Kirche maßgebend.
Und schließlich: Kirche ist nicht von dieser Welt, aber in dieser Welt. Alle Menschen in dieser Welt sind der Kirche anvertraut, nicht nur die katholischen. Die Sehnsucht der Menschen nach Heil führt, nach Johannes XXIII., die Menschen zu Gott hin, aber die Wege können verschieden sein. Deshalb gab es für ihn keine Absonderung: hier die Kirche und ganz weit weg die Welt.
1. Für eine menschendienliche Kirche
Für Johannes XXIII. galt: Gottesdienst braucht Menschendienst, und Menschendienst braucht Gottesdienst. Das Bild einer dienenden Kirche stand für ihn also im Mittelpunkt seiner Auffassung von Kirche. »In den Ansprachen und Dokumenten seines Pontifikats ist von den Rechten der Kirche kaum und von den Privilegien gar nicht die Rede. Für Johannes XXIII. war die Kirche nicht eine Institution, die irdische Ansprüche zu stellen hat, sondern die heilige Gemeinschaft, der die Pflicht aufgegeben ist, in der Nachfolge ihres Herrn den Menschen zu dienen.«²⁷³
Um aber erst zu dieser Einsicht über das Wesen der Kirche kommen zu können, braucht es Voraussetzungen, die für Johannes wichtig waren: Die Menschen sind keine amorphe Masse, sondern jeder einzelne Mensch zählt. So ruft er als Bischof von Venedig seinen Priestern zu: »Wie schön ist doch das 10. Kapitel des hl. Johannes! Welch zarte, welch tief in den Geist eindringende Sprache! Der gute Hirte, so heißt es im Evangelium, kennt seine Schafe. Er ruft sie eines nach dem andern und zeigt ihnen den rechten Weg (…) All das ist ein Symbol und voller Poesie; zugleich ist es aber auch ein Hinweis und eine Belehrung für den Bischof.«²⁷⁴
Man muss also den einzelnen Menschen sehen, um mit ihm gehen zu können, um für ihn letztlich Hirte sein zu können. »Der Hirte ruft die Schafe bei ihrem eigenen Namen«²⁷⁵.
Eine weitere Voraussetzung, um Kirche als dienende Kirche sehen zu können, erschöpft sich allerdings nicht allein darin, den einzelnen Menschen zu sehen, son- dern auch zu akzeptieren, dass zur Würde dieses Menschen die Freiheit seines Gewissens gehört. Mit den Worten Johannes’ XXIII.: »Man soll immer die Würde dessen respektieren, der vor einem steht, und vor allem die Freiheit eines jeden Menschen. Gott selbst hält es so!«²⁷⁶
Diese beiden Voraussetzungen: die Würde jedes Einzelnen und die Würdigung der Freiheit seines Gewissens ermöglichen ein neues Bild von Kirche. Das »Heil- mittel der Barmherzigkeit« solle dabei an die Stelle der alten Strenge treten. Die neue Sicht der Kirche muss eine pastorale Sicht der Kirche sein. Patriarch Roncalli 1957: »Das Amt des Bischofs wird jedoch zutreffender charakterisiert, wenn man ihn nicht als Vater und Herr, sondern als Vater und Hirten bezeichnet.«²⁷⁷
Doch ein solches ist leicht gesagt. Aber es wäre nicht Johannes XXIII., sähe er nicht gleich die Umsetzung: »Er hatte es häufig erleben können, wie päpstliche Entscheidungen praktisch ohne Wirkung blieben, weil ihnen jene innere Auseinan- dersetzung nicht vorausgegangen war und weil sie deshalb nicht getroffen hatten, was die Zeiten erfordern. Deshalb sollten Meinungsverschiedenheiten offen ausgetragen werden, und er war nie im Zweifel, wie die Entscheidung fallen würde. In dieser bewundernswerten Geduld glich er – ein Bild, das er gelegentlich gebrauchte – dem Vater, der seine Söhne gewähren lässt, der sich nicht aufdrängt, wohl aber darüber wacht, dass die Freiheit für die notwendigen geistigen Auseinandersetzungen geschaffen und gewahrt wird.«²⁷⁸
Und wie sagte er dies den Menschen: »Beschäftigt euch nicht damit, die negativen Seiten des Lebens zu sehr herauszustellen. (…) Auf den geheimnisvollen, aber sicheren Eingriff der göttlichen Gnade vertrauen, das ist die erste Aufgabe dessen, der das Böse bekämpfen will. (…) Denn Gott hat uns gerufen, die Gewissen zu erleuchten, nicht zu verwirren oder zu zwingen, (…) die Brüder zu heilen, und nicht, ihnen Gewalt anzutun.«²⁷⁹
Eine menschendienliche Kirche will also eine Wegbereiterin sein, die die Menschen befähigt, ihren Weg in der Welt und ihren Weg zu Gott zu gehen. Mit »mütterlicher Sorge«²⁸⁰ muss die Kirche daher zu den Menschen gehen, um mit ihnen ihren Weg zu gehen. Das ist der Auftrag, den Johannes XXIII. für seine Kirche sieht, und sein Vermächtnis. So geht Roncalli wenige Wochen nach seiner Wahl zum Papst nahezu demonstrativ aus dem Vatikan heraus in seine Bischofsstadt Rom und besucht dort am 2. Weihnachtsfeiertag das Gefängnis und die Gefangenen. Die Geh-hin-Kirche nimmt unter Johannes XXIII. wieder ihren neuen Anfang.
2. »Die Stimme der Zeit ist die Stimme Gottes«
Diese Überschrift ist ein Zitat Johannes XXIII. aus einem seiner letzten Schreiben »Magnifici eventus« an die slawischen Bischöfe vom 11. Mai 1963 und es belegt seine Sicht der Gegenwart sowie den Stellenwert, den er der Welt, die sich im Hier und Heute zeigt, beimisst. Da ist nichts Ablehnendes oder gar Diabolisches, sondern Roncalli ist überzeugt: Die Stimme der Zeit ist die Stimme Gottes. Ein kolossaler Satz, ein großes Ja zur Welt und zu den Menschen dieser Welt, ein großes Ja, weil durch und in der Stimme der Menschen Gottes Stimme durch- klingt. Die Stimme der Zeit ist die Stimme Gottes, heißt nicht, dass alles in der Welt, so wie es ist, Gottes Stimme widerspiegelt, sondern es kann nur heißen, dass in allem eine Botschaft Gottes innewohnt, ob im Guten zur Nachahmung oder im Schlechten zur Veränderung. Wenn die Stimme der Zeit Gottes Stimme ist, dann gilt es, die »Zeichen der Zeit« zu erkennen und zu beurteilen. Dieser Auftrag, die »Zeichen der Zeit« zu erkennen, wird erstmalig wieder in der Apostolischen Kons- titution »Humanae salutis« erwähnt, mit der Papst Johannes Weihnachten 1961 das Zweite Vatikanische Konzil für Oktober 1962 einberuft. Er setzt sich ab von den »verzagten Seelen, die nichts anderes sehen als Finsternis, die auf dem Antlitz der Erde lastet (…). Im Gegenteil machen wir uns die Mahnung Jesu zu eigen, die Zeichen der Zeit beurteilen zu können (Mt 16,3), und meinen, mitten in derartiger Finsternis nicht wenige Anzeichen zu bemerken, die uns hoffen lassen für das Geschick der Kirche und der Menschheit.«
Und will jemand die Zeichen der Zeit erkennen, so muss er in einen Dialog mit den Menschen treten, denn sonst bleiben ihm die Stimme der Zeit und mithin die Stimme Gottes verborgen. Johannes XXIII. sieht dies genau in dieser Weise. Deshalb gibt er als Vorgabe für seine letzte Enzyklika »Pacem in terris« Folgendes mit auf den Weg: »Ich kann nicht der einen oder anderen Seite bösen Willen zuschreiben. Wenn ich es tue, dann wird es keinen Dialog geben, und alle Türen werden sich schließen.«²⁸¹ Für Wolfgang Seibel hat Johannes XXIII. damit die »Kirche zum Gespräch geöffnet. Er hat sie aus der Haltung der bloßen Verteidigung herausgeführt.«²⁸²
Will man es also ernst nehmen mit seinem Hirtenamt und den Menschen in ihren Nöten und Sehnsüchten wirklich beistehen, dann muss man den Menschen in ihren Lebenswirklichkeiten beistehen und sich den werteprägenden Instanzen des Lebens besonders zuwenden. Für Johannes XXIII. war die Dimension der Öffentlichkeit eine solch prägende Instanz. Werteerziehung und ganze Lebensentwürfe werden von öffentlichen Darbringungen geprägt, ja präformiert. Will man den Menschen beistehen, dann muss hier ein Hebel sein, um wahre Hilfe anzu- bieten. Diese »Kultur der Öffentlichkeit« sieht Papst Johannes als zentral für seinen Hirtendienst und er setzt wenige Wochen nach seiner Wahl zum Papst am 22. Februar 1959 mit dem Motu Proprio »Boni Pastoris« eine Kommission für Film, Rundfunk und Fernsehen ein. Und auch hier keine Verurteilungen, sondern eine »Kultur der Öffentlichkeit«: »Es ist ja bekannt, wie viel der Film, der Rundfunk oder das Fernsehen beizutragen vermögen zur Verbreitung einer höheren Kultur der Menschheit, einer echten Kunst und vor allem der Wahrheit.« Dass ein Papst so in dieser Art und Weise spricht, mag schon erstaunen, doch wird man bald erkennen müssen, dass Johannes XXIII. so hat sprechen müssen, ist seine Spiritualität doch so in der Sicherheit Gottes grundgelegt, dass er die Welt erst einmal als Ermög- lichung für die Menschen hin zu Gott sehen muss. Damit vollzieht er einen be- wussten Schritt heraus aus dem Wärmeherd der Kirche hin in die Vielschichtigkeit der Welt, weil er nur so die Menschen findet, die auf der Suche nach Gott sind.
Und diese Menschen will er mit der Sprache der Zeit ansprechen, will sie dadurch ernstnehmen und einen wirklichen Dialog ermöglichen. »Zu seinem Testament, wichtiger als alle privaten Äußerungen, wird seine letzte Enzyklika mit dem Titel ›Pacem in Terris‹ vom 11. April 1963; nicht wie üblich in kurialer, sondern in moderner Sprache; nicht wie bisher nur an die Bischöfe, den Klerus und die katholischen Laien gerichtet, sondern ausdrücklich ›an alle Menschen guten Willens‹.«²⁸³
Das ist das Vermächtnis von Johannes XXIII.: Wenn ihr Hirten sein wollt, dann müsst ihr raus in die Welt und zu den Menschen, geht nicht mit Ängsten und schlechten Erwartungen, sondern nehmt die gute und befreiende Botschaft Jesu Christi und bringt sie den Menschen – und zwar allen Menschen –, denn sie brau- chen sie. Wenige Tage vor seinem Tod notiert sein Sekretär Loris Capovilla diese Worte Johannes’ XXIII.: »In Gegenwart meiner Mitarbeiter kommt es mir (Johannes XXIII., Ko.) spontan in den Sinn, den Akt des Glaubens zu erneuern. So ziemt es sich für uns Priester, denn zum Wohl der ganzen Welt haben wir es mit den höchs- ten Dingen zu tun, und deshalb müssen wir uns vom Willen Gottes leiten lassen. Mehr denn je, bestimmt mehr als in den letzten Jahrhunderten, sind wir heute darauf ausgerichtet, dem Menschen als solchem zu dienen, nicht bloß den Katholiken, darauf, in erster Linie und überall die Rechte der menschlichen Person und nicht nur diejenigen der katholischen Kirche zu verteidigen. Die heutige Situation, die Herausforderung der letzten 50 Jahre und ein tieferes Glaubensverständnis haben uns mit neuen Realitäten konfrontiert, wie ich es in meiner Rede zur Konzilseröffnung sagte. Nicht das Evangelium ist es, das sich verändert; nein, wir sind es, die gerade anfangen, es besser zu verstehen. Wer ein recht langes Leben gehabt hat, wer sich am Anfang dieses Jahrhunderts den neuen Aufgaben einer sozialen Tätigkeit gegenübersah, die den ganzen Menschen beansprucht, wer wie ich zwanzig Jahre im Orient und acht in Frankreich verbracht hat und auf diese Weise ver- schiedene Kulturen miteinander vergleichen konnte, der weiß, dass der Augenblick gekommen ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen, die von ihnen gebotenen Möglichkeiten zu ergreifen und in die Zukunft zu blicken.«²⁸⁴
Dieses »nicht bloß den Katholiken« ist entscheidend für Johannes XXIII. Die Kir- che ist für alle Menschen da, denn alle Menschen sind Geschöpfe Gottes. Und sind Menschen auf Abwegen, so gilt die Einladung zum dialogischen Gespräch. Insofern hat die Kirche kein Eigeninteresse, sondern Kirche ist gestiftet durch die Beauftragung Jesu Christi, um, von diesem Grund der Hoffnung inspiriert, diese Hoffnung allen Menschen zuteilwerden zu lassen. Das ist ein pastoraler Dienst um des Heils der Menschen willen, und das ist ein Dienst für die Einheit, eine Einheit, gesellschaftlich gesprochen, für die Integration als Voraussetzung für das Gemein- wohl, und eine Einheit, kirchlich gesprochen, für die Ökumene.
Für Hans Küng ist Johannes XXIII. »der erste ökumenische Papst. Ja, er wurde eine Hoffnungsgestalt für die ganze Menschheit. Gleichsam über Nacht hatte er die Kirche aus ihrer vom Vorgänger geübten Reserve gegenüber den ökumenischen Bestrebungen herausgerissen und sie ökumenisch orientiert.«²⁸⁵
Und wie schaffte dies Johannes XXIII.? Nun, nicht durch theologische oder diplomatische Einbringungen, sondern durch Einbringung seiner selbst. Dazu der evangelische Theologe Karl Barth: »Jetzt kann ich vom Stuhle Petri – anders als zu Zeiten des herrscherlichen Pius – die ›Stimme des guten Hirten‹ hören.«²⁸⁶ Der »gute Hirte« ist für alle da, nicht »bloß für die Katholiken«.
»So gut wie niemals sprach Johannes XXIII. von den Protestanten als ›Protestanten‹, sondern immer von den getrennten christlichen Brüdern, wobei der Ton auf dem Begriff ›Brüder‹ lag. Auch mied er es, von der kirchlichen Wiedervereinigung zu reden. Er umschrieb das Ziel als die Wiederherstellung der Einheit der Kirche Christi.«²⁸⁷
Und er sprach nicht nur davon, sondern auch hier traf er erste Festlegungen. So schuf er am 5. Juni 1960 ein »Sekretariat zur Förderung der Einheit der Christen« als eine vorbereitende Konzilskommission und ernannte Kardinal Bea zu dessen Präsidenten. Dies war das erste Mal, dass der Heilige Stuhl ein Amt errichtete, das ausschließlich ökumenische Fragen behandeln sollte. Ist das als solches schon ein starkes Zeichen, so verfügte Johannes XXIII. auch noch, dass zu seinem Toten- requiem auch Vertreter der orthodoxen Kirchen eingeladen wurden, die dann auch tatsächlich teilnahmen. Ein Vorgang, der seit dem Bruch Roms mit der Orthodoxie im Jahre 1054 einmalig war.
3. Sich in Gott fallen lassen
Worin lag nun das »Charisma des Glaubens«, das Karl Barth bei Johannes XXIII. sah?²⁸⁸
Im Zentrum seiner Spiritualität stand das Vertrauen, das Vertrauen in Gott, das bedingungslose Vertrauen in Gott, von dem er wusste, dass er ihn in allen Situationen des Lebens trägt. Dieses Vertrauen in Gott schuf ein Sich-trauen, um sich selbst zu trauen und den Menschen zu vertrauen. Durch dieses Vertrauen in die Führung Gottes brauchte er keine Ängste mehr zu haben, sich zu blamieren oder Falsches zu tun. Er wusste sich an der Hand Gottes. Von dort her war für ihn alles möglich. Und diese Spiritualität ließ dieses Charisma entstehen, weil Johannes XXIII. über alle Widrigkeiten hinweg – und in der Wahrnehmung seiner öffentlichen Verantwortung – seinen eigenen Weg mit Gott und den Menschen gehen konnte – gelegen oder ungelegen. Es war keine Spiritualität des Außergewöhnlichen, einer Spiritualität, die einer Genialität bedurfte, einer asketischen oder theologischen, sondern die Spiritualität Johannes’ XXIII. war eine Spiritualität für jeden. Und dafür brauchte es nur eine einzige Entscheidung. Mit Hermann Hesse könnte man sagen: »sich fallen lassen«²⁸⁹, sich in Gott fallen zu lassen, auf nichts zu hoffen, außer auf ihn; zu wissen und zu hoffen, Gott fängt mich auf, egal was passiert. Das macht frei, das macht frei von Angst, das macht frei, sich selbst zu vertrauen und das macht frei, auch den Menschen zu vertrauen. Wie sagt es Johannes XXIII.: »Das Geheimnis von all dem liegt darin, sich von Gott tragen zu lassen und seiner- seits Gott zu tragen.«²⁹⁰
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ÜBER DEN AUTOR
PROF. DR. KLAUS KOZIOL ist Autor zahlreicher Publikationen zu gesellschaftlichen und ethischen Themen. Zuletzt erschien im Patmos Verlag sein Buch »Lebe einfach«.
ÜBER DAS BUCH
1958 als Übergangspapst gewählt, 1963 als einer der größten Päpste des 20. Jahrhunderts gestorben: Angelo Giuseppe Roncalli – Johannes XXIII. Weniger als 90 Tage nach seiner Wahl kündigte er überraschend ein Ökumenisches Konzil an und initiierte damit einen nie erwarteten Aufbruch in der katholischen Kirche. Woher nahm Johannes XXIII. den Mut und die Zuversicht? Was prägte sein Denken und Handeln, seine Spiritualität, sein tiefes Interesse an den Menschen? Im Jahr des Konzilsjubiläums zeichnet Klaus Koziol ein faszinierendes Portrait dieses Papstes, der noch heute zahllosen Menschen als »der gute Papst« in Erinnerung ist und ihnen Orientierung für ihr Leben geben kann.
