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„Lazarus repräsentiert den stummen Schrei der Armen aller Zeiten“

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Generalaudienz, 18. Mai 2016 / © PHOTO.VA – OSSERVATORE ROMANO

Generalaudienz von Mittwoch, dem 18. Mai 2016 — Volltext

Wir dokumentieren im Folgenden in einer eigenen Übersetzung die vollständige Katechese von Papst Franziskus bei der Generalaudienz, die heute Morgen auf dem Petersplatz stattfand.

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19. Armut und Barmherzigkeit (vgl. Lk 16,19-31)

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute möchte ich mit euch bei dem Gleichnis über den reichen Mann und den armen Lazarus verweilen. Das Leben dieser beiden Menschen verläuft scheinbar in parallelen Bahnen; ihre Lebensbedingungen sind gegensätzlich und es besteht keinerlei Kommunikation untereinander. Die Eingangstüre des Hauses des Reichen ist für den Armen immer verschlossen. Dieser ruht außerhalb und versucht, sich von den Resten des Esstisches des Reichen zu ernähren. Letzterer trägt luxuriöse Kleider während Lazarus‘ Körper von Wunden übersät ist. Der reiche Mann hält jeden Tag ein üppiges Festmahl, während Lazarus an Hunger leidet. Nur die Hunde kümmern sich um ihn und lecken seine Wunden. Diese Szene erinnert an die scharfe Zurechtweisung des Sohnes des Mannes im jüngsten Gericht: „Denn ich war hungrig und ihr habt mir nichts zu essen gegeben; ich war durstig und ihr habt mir nichts zu trinken gegeben; ich war […] nackt und ihr habt mir keine Kleidung gegeben“ (Mt 24,42-43). Lazarus repräsentiert den stummen Schrei der Armen aller Zeiten und den Widerspruch einer Welt sehr gut, in der sich immenser Reichtum und Ressourcen in den Händen weniger befinden.

Jesus teilt uns mit, dass jener reiche Mann eines Tages starb; Arme und Reiche sterben, ihr Schicksal gleicht dem von uns allen. Niemand ist davon ausgenommen. Daher wandte sich jener Mann bittend mit der Anrede „Vater“ an Abraham (VV. 24.27). Er erhob den Anspruch, sein Sohn zu sein und dem Volk Gottes anzugehören. Im Leben hatte er Gott jedoch in keiner Weise berücksichtigt, sich selbst stattdessen in den Mittelpunkt von allem gestellt  und sich in seiner luxuriösen und verschwenderischen Welt eingeschlossen. Mit dem Ausschluss des Lazarus hat er weder dem Herrn noch dessen Gesetz Rechnung getragen. Den Armen zu ignorieren bedeutet, Gott zu verachten! Dies müssen wir gut lernen: Den Armen zu ignorieren bedeutet Gott zu verachten. Eine Einzelheit des Gleichnisses ist zu beachten: Der Reiche hat keinen Namen sondern wird nur mit dem Adjektiv: „der Reiche“ bezeichnet, während der Name des Armen fünfmal wiederholt wird: „Lazarus“ bedeutet „Gott hilft“. Der vor der Türe kauernde Lazarus ist ein lebendiger Aufruf an den Reichen, sich an Gott zu erinnern, der vom Reichen jedoch nicht angenommen wird. Daher wird er nicht wegen seiner Reichtümer verurteilt, sondern aufgrund seiner Unfähigkeit, Mitgefühl für Lazarus zu empfinden und ihm zu Hilfe zu kommen.

Im zweiten Teil des Gleichnisses begegnen uns Lazarus und der Reiche nach ihrem Tod (VV. 21-31). Im Jenseits hat sich die Situation ins Gegenteil verkehrt: Der arme Lazarus wird von den Engeln in den Himmel zu Abraham gebracht, während der Reiche Qualen erleidet. Daher „hob“ der Reiche „den Blick und sah in der Ferne Abraham und Lazarus an seiner Seite“ (eigene Übersetzung). Er scheint Lazarus zum ersten Mal zu sehen, doch seine Worte verraten ihn: „Vater Abraham, hab Erbarmen mit mir und beauftrage Lazarus, die Fingerspitze in das Wasser zu tauchen und meine Zunge zu benetzen, denn ich erleide furchtbare Qualen in diesen Flammen“ (eigene Übersetzung). Nun erkennt der Reiche Lazarus und bittet ihn um Hilfe, nachdem er im Leben vorgegeben hat, ihn nicht zu sehen. Wie oft tun viele Menschen so, als würden sie die Armen nicht sehen! Für sie existieren die Armen nicht. Zuerst verwehrte er ihm sogar die Speisereste von seinem Tisch und nun soll er ihm zu trinken geben! Er glaubt immer noch, aus seiner vorhergegangenen sozialen Stellung Rechte zu beziehen. Indem er die Erfüllung seines Wunsches für unmöglich erklärt, liefert Abraham selbst den Schlüssel zur gesamten Erzählung. Er erklärt, dass das Gute uns das Böse so verteilt ist, dass die irdische Ungerechtigkeit ausgeglichen wird und die Türe, die den Reichen im Leben vom Armen trennte verwandelte sich in „einen tiefen Abgrund“. So lange Lazarus vor seinem Haus verharrte, existierte für den Reichen die Möglichkeit gerettet zu werden, die Türe zu öffnen, Lazarus zu helfen. Nun sind beide jedoch gestorben und die Situation ist nicht wiedergutzumachen. Gott wird niemals direkt auf den Plan gerufen, doch das Gleichnis enthält eine klare Warnung: Die Barmherzigkeit Gottes uns gegenüber steht in Verbindung zu unserer Barmherzigkeit dem Nächsten gegenüber. Wenn diese fehlt, kann auch jene in unserem verschlossenen Herz keinen Platz finden; sie kann nicht eintreten. Wenn ich nicht die Türe meines Herzens für den Armen öffne, bleibt diese Türe verschlossen. Auch für Gott. Und das ist furchtbar.

An dieser Stelle denkt der Reiche an seine Brüder, die Gefahr laufen, ebenso zu enden. Er bittet darum, dass Lazarus in die Welt zurückkehrt, um sie zu ermahnen. Abraham antwortet jedoch: „Sie haben Moses und die Propheten und sollen auf sie hören“ (eigene Übersetzung). Um umzukehren dürfen wir nicht auf wundersame Ereignisse warten sondern müssen unser Herz für das Wort Gottes öffnen, das uns dazu aufruft, Gott und den Nächsten zu lieben. Das Wort Gottes kann ein ausgetrocknetes Herz wiederbeleben und es von seiner Blindheit heilen. Der Reiche kannte das Wort Gottes zwar, doch er hörte es nicht und nahm es nicht in sein Herz auf. Daher war er unfähig, die Augen zu öffnen und Mitleid mit dem Armen zu empfinden. Kein Bote und keine Botschaft werden die Armen ersetzen können, denen wir auf unserem Weg begegnen, da uns in ihnen Jesus selbst entgegenkommt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40), so Jesus. So ist in der Umkehrung der Schicksale, wie sie im Gleichnis beschrieben wird, das Geheimnis unseres Heils verborgen, in dem Christus die Armut mit der Barmherzigkeit verbindet. Liebe Brüder und Schwestern, während wir alle gemeinsam mit den Armen der Erde dieses Evangelium hören, können wir mit Maria singen: „er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen“ (Lk 52-53).

[Übersetzt aus dem Italienischen von Sarah Fleissner]

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