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„Warum ich mich geweigert habe, mich ihren Händen auszuliefern”

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„Controverses” Nr. 0 – Ausgabe vom September 1988
(Gespräch aufgezeichnet von Eric Bertinat)

Mgr. Lefebvre: „Kardinal Ratzinger hat mehrere Male wiederholt: „Monseigneur, es gibt nur eine Kirche, es kann keine Parallelkirche geben.” Ich habe ihm gesagt: „Eminenz, nicht wir sind es, die eine Parallelkirche schaffen, da wir die Kirche von immer fortsetzen. Ihr seid es, die eine Parallelkirche gründen, indem ihr die Konzilskirche erfunden habt, diese (Kirche), die Kardinal Benelli die konziliare Kirche genannt hat. Ihr seid es, die eine neue Kirche erfunden habt, nicht wir.

„Controverses”: Monseigneur, die Bischofsweihen, die Sie am vergangenen 30. Juni vorgenommen haben, haben viel Wirbel hervorgerufen. Sonderbarerweise sind es nicht die „schweigsamen” Gläubigen, sondern die Hauptsprecher von verschiedenen traditionellen Vereinigungen, die ihre Missbilligung zu Ihrer Ent­scheidung geoffenbart haben, die Zukunft der Tradition zu sichern. Wie begrün­den Sie Ihre Erklärungen, unaufhörlich am Stuhl Petri festzuhalten?

Mgr. Lefebvre: Um die Wahrheit zu sagen, ich kann nicht sehen, welches diese tradi­tionellen Vereinigungen sind, die ihre Ablehnung der Bischofsweihen zum Ausdruck gebracht haben. Im allgemeinen waren die Personen, die ihre Missbilligung geoffen­bart haben, nicht mit uns und sie besuchten nicht unsere Einrichtungen, aber sie hat­ten eine gewisse Sympathie für die Tradition, gleichzeitig bekennen sie eine uneinge­schränkte Unterwürfigkeit unter Rom. Man muss unbedingt wissen, dass heute Rom im Dienste der Revolution (steht) und folglich schrecklich antitraditionell (eingestellt) ist.

Deshalb habe ich es zurückgewiesen, mich ihren Händen auszuliefern. Sie woll­ten nicht mehr und nicht weniger, als dass ich — indem ich meine Irrtümer eingestehe, ihnen helfe, ihre Revolution in der Kirche fortzusetzen. Alle jene, die uns verlassen ha­ben, sind sich über diese Situation nicht im Klaren und sie glauben an den guten Will­len und an die Rechtschaffenheit der römischen Bischöfe und Kardinäle. Nichts ist ver­kehrter! „Es ist nicht möglich, dass sie uns in die Revolution hineinziehen,” sagen jene,

die zum Papst und den Bischöfen zurückkehren. Aber das ist genau das, was sich ereignen wird!

Controverses: In den Zeitungen wie „30 Jours dans I’Eglise” und in „Le Monde”, „Vie actuelle” und auch in anderen, haben die Kardinäle Ratzinger und Oddi Interviews gegeben, wo sie zugeben - um nicht nur den Kardinal Oddi zu zitieren - dass „Sie nicht auf der ganzen Linie unrecht gehabt hätten”. Für manche be­deutet dies, dass es eine gewisse Änderung im Schoß der römischen Kurie gibt. Was denken Sie darüber?

Mgr. Lefebvre: Wenn man das Interview von Kardinal Ratzinger genau liest, wird man künftig acht geben müssen, das Konzil gut anzuwenden, sich nicht in seiner Anwen­dung zu täuschen und aufzupassen, die Irrtümer nicht zu wiederholen, die man be­gehen konnte. Er spricht nicht davon, die Grundsätze zu ändern.

Selbst wenn er zugesteht, dass die Früchte des letzten Konzils nicht jene sind, die er erwartete, ist er entschlossen, die Grundprinzipien wieder aufzunehmen und es so zu veranlassen, dass er in der Zukunft keine Schwierigkeiten mehr hat. Sie haben also nicht verstanden, was die Rückkehr zur Tradition bedeutet, die wir erbitten und (sie) wollen infolgedessen nicht zur Tradition der Vorgänger von Johannes XXIII. zu­rückkommen.

Controverses: Man hört in letzter Zeit oft von einer „lebendigen Tradition” spre­chen. Was ist Ihrer Meinung nach der Sinn dieses Ausdruckes?

Mgr. Lefebvre: Gut, nehmen wir die Verurteilung, die uns der Papst im „Motu proprio” (vom 2.7.1988) macht. Diese Verurteilung beruht auf einem schlechten Traditions­begriff. In der Tat verurteilt uns der Papst im „Motu proprio”, weil wir die „lebendige Tradition” nicht zulassen. Aber die Art, wie diese „lebendige Tradition” verstanden wird, ist durch Papst Pius X. in seiner Enzyklika „Pascendi” verurteilt worden. Die Kir­che trägt ihre Tradition mit sich. Man kann nicht etwas sagen, was dem widerspricht, was die Päpste früher behauptet haben. Man kann so etwas nicht zulassen. Das ist unmöglich.

Controverses: Ist das Ihrer Meinung nach der Grund dafür, warum es seit zwan­zig Jahren keine unfehlbaren Entscheidungen mehr gegeben hat?

Mgr. Lefebvre: Für das II. Vatikanische Konzil hat Papst Paul VI. das Prinzip der dog­matischen Unfehlbarkeit nicht benutzt. Er hat sich damit begnügt, es als pastoral zu erklären.

Die konziliaren Päpste sind unfähig, ihre doktrinelle Unfehlbarkeit zu benutzen, weil die Grundlage der Unfehlbarkeit selbst voraussetzt, dass man überzeugt ist, dass eine Wahrheit für immer festgelegt werden muss und sich nicht ändern kann: sie muss bleiben, was sie ist.

Johannes Paul II., noch mehr als Paul VI., glaubt nicht an die Unveränderlichkeit der Wahrheit.

Die Aufnahme Mariens in den Himmel ist durch Papst Pius XII. im Jahre 1950 definiert worden. Das ist künftig ein unveränderliches Dogma. Für sie (jedoch), nein! Mit der Zeit gibt es neue wissenschaftliche Erklärungen, eine Entwicklung des

menschlichen Geistes, der Forschritt, der die Wahrheit ändert. Folglich könnte man möglicherweise etwas anderes behaupten, was die Päpste gesagt haben.

Anlässlich einer Unterredung mit Papst Johannes Paul II. habe ich ihn gefragt, ob er die Enzyklika „Quas primas” von Pius Xl. über das soziale Königtum unseres Herrn Jesus Christus anerkenne, (und) er hat mir geantwortet: „Ich denke, dass der Papst es nicht (mehr) auf die gleiche Weise schreiben würde.”

Das sind also unsere gegenwärtigen Führungskräfte. Man kann sich also wirk­lich nicht ihren Händen ausliefern.

Controverses: Unter jenen, die die Vorschläge des Papstes angenommen haben, ist (auch) Dom Gérard. Was denken Sie persönlich über seine Entscheidung?

Mgr. Lefebvre: Anlässlich unseres letzten Treffens hat er mich gefragt, ob er das Pro­tokoll, das ich selbst zurückgewiesen habe, annehmen könnte. Ich habe ihm geant­wortet, dass seine Situation nicht die gleiche ist wie die meinige, dass sich die Bruder­schaft auf der ganzen Welt ausgebreitet hat, er hingegen nur für sein Kloster verant­wortlich sei.

„Sie können sich vielleicht leichter verteidigen. Aber ich bin nicht für ein Abkom­men, ich bin der Überzeugung, dass ein Abkommen gegenwärtig schlecht ist.” Und ich habe ihm das auch geschrieben. Man darf mit den römischen Autoritäten nicht dialogi­sieren. Sie wollen uns nur zum Konzil zurückführen, man darf mit ihnen keine Bezie­hungen haben. Dom Gerard hat mir geantwortet, dass sein Fall verschieden wäre und dass er es trotzdem versuchen werde. Ich habe das nicht gebilligt.

Das letzte Mal, als wir uns gesehen haben, habe ich ihm gesagt: „Dom Gérard, Sie können machen, was Sie wollen, und ich, ich werde sagen, was ich will. Für die Menschen bedeutet Ihr Wechsel unter die Autorität von Rom die Trennung von Ecöne und von Mgr. Lefebvre. Von nun an werden Sie Ihre Unterstützung bei anderen Bi­schöfen suchen. Bis jetzt haben Sie sich an mich gewandt, gut, nun ist es vorbei. Ich betrachte Sie wie die Priester, die uns verlassen haben. Wir werden keine Beziehun­gen mehr haben, da Sie mit jenen Beziehungen haben, die uns verfolgen. Sie haben sich anderen Händen anvertraut.”

Schon vor fünf Jahren hat Dom Gérard eine Erklärung in seinem Brief an die Wohltäter abgegeben, in dem er sagte, dass er sich mehr jenen öffnen wolle, die nicht mit uns sind, nicht mehr in einer unfruchtbaren Kritik verbleiben wolle, alle in der Hoff­nung empfangen wolle, um sie an der Tradition teilnehmen zu lassen. Das ist es, was er macht, und jetzt ist er ein Gefangener dieser Menschen, von den Schriftstellern, der Presse, den Professoren, wie Bruckberger, Raspail; er hat sie uns vorgezogen. Nun ist er in den Händen der Modernisten.

Controverses: Wie beurteilen Sie die Vorschläge, die man dem Pater Prior von Le Barroux gemacht hat?

Mgr. Lefebvre: Ihnen geht es darum, die Tradition zu spalten. Sie haben schon Dom Augustin, sie haben de Blignères und jetzt haben sie Dom Gérard. Das schwächt auch unsere Position. Es ist ihr Ziel, uns zu spalten, damit wir verschwinden.

Kardinal Ratzinger hat in einem Interview, das er einer Frankfurter Zeitung ge­geben hat, erklärt, dass er es unstatthaft findet, dass es katholische Gruppen gibt, die sich an die Tradition anschließen in einer solchen Weise, dass sie nicht mehr in der

vollkommenen Übereinstimmung mit dem sind, was alle Bischöfe der Welt denken. Sie wollen nicht zulassen, dass wir existieren. Sie können uns in der Kirche nicht dulden. Dom Gérard will das alles nicht glauben.

Controverses: Marc Dem hat soeben ein sehr schönes Buch veröffentlicht, das er Dom Gérard und seinem Werk gewidmet hat. Der Ausgang passt schlecht für den Pater Prior, der dort als eine Säule für den Wiederaufbau der Christenheit ­treu der Tradition und Ihnen gegenüber – beschrieben wird.

Mgr. Lefebvre: Ich habe Dom Gérard zu diesem Buch gratuliert und er hat mir geant­wortet: „Sprechen Sie mir nicht darüber, ich will mich nicht damit einverstanden erklä­ren; nicht ich bin es, der dies geschrieben hat, es ist Marc Dem.” Das alles, weil Marc Dem in seiner ersten Fassung Dom Gérard als Streiter und Kämpfer des Glaubens vorgestellt hat.

Controverses: Die Kontakte mit Rom sind nicht unterbrochen. Es scheint sogar, dass die Diskussionen diesen Herbst wieder aufgenommen werden könnten. Können Sie uns etwas darüber sagen?

Mgr. Lefebvre: Das sind Erdichtungen. Wenn es jemals von Seiten Roms einen Willen gibt, die Gespräche wieder aufzunehmen, dann bin ich es, der die Bedingungen stellt.

Wie Kardinal Oddi es gesagt hat: „Mgr Lefebvre ist in einer starken Position.” ­Deshalb werde ich fordern, dass die Diskussion die lehrmäßigen Punkte betrifft. Dass sie mit ihrem Ökumenismus aufhören, dass sie der Messe ihre wahren Bedeutung zu­rückgeben, dass sie wieder die wahre Definition des Glaubens, die wahre Begriffs­bestimmung der Kirche, den katholischen Sinn von der Kollegialität geben usw.

Ich erwarte von ihnen eine katholische und nicht eine liberale Definition von der religiösen Freiheit. Sie müssen die Enzyklika „Quas primas” über das Christkönigtum und den „Syllabus” von Pius IX. akzeptieren. All das müssen sie annehmen, denn das ist künftig die Bedingung jeder neuen Diskussion zwischen ihnen und uns.

Controverses: Welche Ratschläge geben Sie schließlich unseren Gläubigen ­nach all den Ereignissen dieses Sommers?

Mgr. Lefebvre: Der einzige Gegenstand, den der Gläubige vor Augen haben muss, ist das universale Reich unseres Herrn Jesus Christus über die Einzelnen, über die Fami­lien, über die Städte; es gibt keine andere Religion, die vor diesem Reich Bestand hat.

Wenn ich käme, um etwas anderes zu lehren als das, dürfte man mir nicht mehr folgen. Wie es auch der hl. Paulus sagt: „Wenn ein Engel vom Himmel oder wenn ich selbst euch eine andere Lehre vortrüge als das, was ich euch damals gelehrt habe, folgt mir nicht, schließt mich aus.”

Der gute katholische Sinn unserer Gläubigen hat es bewirkt, dass 90% – und meiner Meinung nach sind es noch mehr – uns weiterhin folgen werden.

(erschienen in: „Le Rocher” Nr. 84, August – September 2013)

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Original in Französisch: “Pourquoi j’ai refusé de me mettre entre leurs mains, Mgr Lefebvre – Controverses n° 0 de septembre 1988
Siehe auch: TradiNews 21-9-2013



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