Freudige Erwartung in San Giovanni Rotondo
Große Erwartung an den Gedenkstätten für den heiligen Kapuzinerpater Padre Pio: am Samstagmorgen wird Papst Franziskus aus Anlass seines 50. Todestages zunächst den Geburts- und danach den Wirkungsort des Heiligen besuchen, der wie kaum ein anderer in Italien verehrt wird.
Christine Seuss – Vatikanstadt und Debora Donnini – San Giovanni Rotondo
Bereits zu Lebzeiten zog Pater Pio Scharen von Hilfssuchenden an, die sich von ihm wundersame Heilungen und Gnaden versprachen. Doch der Pater blieb stets zurückhaltend und scheu, trotz der enormen Aufmerksamkeit und der großen Erwartungen, die an ihn gerichtet wurden. Das bestätigt im Gespräch mit Vatican News der Erzbischof von Manfredonia-Vieste-San Giovanni Rotondo, Michele Castoro, in dessen Zuständigkeit der Wallfahrtsort fällt.
„Pater Pio war ein Mann des Wesentlichen. Das ist auch der Grund, warum sich Papst Franziskus auf gewisse Weise in ihn ,verliebt´ hat: auch wenn er von bekannten Schauspielern, Sportlern und Politikern umgeben war, die nach San Giovanni Rotondo kamen, um ihn zu treffen, blieb er immer sehr scheu und fern von den weltlichen Verlockungen. Wer ihn um eine Gnade bat, dem sagte er: ,Nein, nein, ich erteile keine Gnaden. Die erteilt nur der Herr. Ich bin nur ein niedriger Pater, der betet. Ich werde ein Gebet für dich sprechen.´“
Es seien zwei Aspekte, auf die sich diese Konzentration auf das Wesentliche bei Pater Pio festzurren lasse, so der Erzbischof: denjenigen der Nächstenliebe und den des Gebets.
„Er war ein jenseitsgewandter Mensch: er betete von morgens bis abends. Er nahm zu allen Stunden die Beichte ab. Und dann hatte er diese große Eingebung, das ,Casa Sollievo della Soffernza´, also das ,Haus der Linderung der Leiden´ zu gründen, ein Werk, das ihm sein Herz eingegeben hat, das Haus, in dem er die Kranken aufnahm. Heute ist dieses ein großes Krankenhaus geworden, ein exzellentes Krankenhaus nicht nur im italienischen, sondern auch im europäischen Vergleich.“
Das Krankenhaus, das auch eine Kinderkrebsstation besitzt, gehört zu den Zielen, die Papst Franziskus während seines nur wenige Stunden dauernden Aufenthaltes in Pietrelcina und San Giovanni Rotondo ansteuern wird. Dort ist ein Besuch der Station vorgesehen, auf der die kleinen Patienten von ihrer schweren Krankheit geheilt werden sollen. Auch Papst Benedikt XVI. hatte im Jahr 2009 die Einrichtung besucht.
Die Leiterin der Kinderkrebsstation, Lucia Miglionico, hat eine besondere Beziehung zu Papst Franziskus: im Jahr 2014 hatte sie gemeinsam mit ihrem Mann als Auditorin an der Bischofssynode zu Ehe und Familie teilgenommen und den Papst bei dieser Gelegenheit persönlich treffen können. Im Gespräch mit Vatican News erzählt sie, wie sie Papst Franziskus in ihr Krankenhaus eingeladen hatte:
„Während der Arbeiten der Synode gab es viele Momente, in denen der Papst sich sowohl mit den Synodenvätern als auch mit den Familien getroffen hat. Und es war bei einer dieser Gelegenheiten, dass ich ihm nicht nur den Gruß und die Briefe unserer kleinen Patienten überbringen konnte, sondern auch eine Einladung, sie besuchen zu kommen. Und der Papst hat gesagt: ,Bete dafür, und vielleicht wird das dann eines Tages Wirklichkeit.´“
Die gesamte Station, die einzige, die Franziskus in dem Krankenhaus gesondert besuchen wird, sei in Aufruhr, seit die kleinen Patienten vom Besuch des Papstes erfahren hätten, berichtet die Ärztin – ein „freudiges Getümmel, wie es nur Kinder schaffen können.“ Der Papst werde sehnlichst erwartet, und die Vorfreude breche sich im Basteln vieler kleiner Geschenke Bahn.
„Die kleinen Arbeiten, die die Kinder vorbereiten, abgesehen von Schildern, Briefen und Bildern, sind ihre speziellen Gedanken für den Papst, ihre spontanen Eingebungen. Ich habe einen der Briefe gesehen, in dem stand beispielsweise: ,Heiliger Vater, ich bete für dich, aber du bete bitte für meine Oma, denn in diesem Augenblick kümmert sie sich daheim um meinen kleinen Bruder, denn Mama ist mit mir im Krankenhaus.´ Ich glaube, ein schöneres Gebet könnte der Heilige Vater nicht in seinen Händen und in seinem Herzen empfangen.“
22 Kinder sind es, die derzeit stationär behandelt werden, dazu gibt es zwischen 15 und 20 Tagespatienten, erzählt Miglionico. Gut 40 Kinder, alle aktuell in Behandlung, werden es also sein, die den Papst erwarten, neben den ehemaligen Patienten, die es sich sicherlich nicht nehmen lassen werden, den Papst außerhalb der Station grüßen zu wollen, so die Einschätzung der Ärztin. Pater Pio sei in seiner Einrichtung auch 50 Jahre nach seinem Tod noch sehr präsent, täglich werde in seinem Sinne gebetet und den Kindern seine Figur in Erzählungen nahe gebracht. Was bedeute es aber nun für die Einrichtung, dass der Papst bei seinem Besuch auf den Spuren des Kapuzinerpaters ein so spezielles Augenmerk auf die Kinderkrebsstation lege, wollten wir noch wissen:
„Von dem Beispiel, das der Papst uns in seinem Pontifikat gegeben hat, haben wir gelernt, dass er besonders die Familien und die Armen bevorzugt. Unter den Armen finden sich die Kranken, und unter ihnen die Kinder. Und insbesondere krebskranke Kinder sind meiner Meinung nach die Ärmsten von allen.“
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Papst über Pater Pio: Er liebte die Kirche
Erste Station des kurzen, aber intensiven Pastoralbesuchs des Papstes nach Süditalien war an diesem Samstagmorgen die kleine Ortschaft Pietrelcina, Geburtsort des heiligen Pater Pios, Kapuziner und Mystiker.
Mario Galgano – Vatikanstadt
Die eintägige Reise nach Süditalien begann früh am Samstagmorgen: bereits um 7 Uhr ging es los. Per Hubschrauber flog Franziskus nach Pietrelcina in der Region Kampanien, wo am 25. Mai 1887 Pater Pio zur Welt kam. Der Papst traf dort kurz nach 8 Uhr Gläubige und die Kapuziner-Gemeinde, den Orden, dem auch der heilige Pater Pio angehörte. In seiner Ansprache ging der Papst auf die Bedeutung des Mystikers ein.
„Er liebte die Kirche mit all ihren Problemen und Schwierigkeiten und all unseren Sünden. Wir schämen uns darüber, aber der Heilige Geist Gottes hat uns in diese Kirche berufen, die ja heilig ist. Und Pater Pio liebte diese heilige Kirche und ihre sündigen Kinder und zwar alle. Das war der heilige Pio.“
Danach ging er auf die „Liebe Gottes“ ein, die darin besteht, dass der Herr soweit ging, dass er sein Leben für uns hingab, erinnerte der Papst. Der Geburtsort Pater Pios ist selbst bei vielen Bewunderern des heiligen Mystikers nicht so bekannt wie die eigentliche Wirkungsstätte San Giovanni Rotondo in der Region Apulien, in die der Papst im Anschluss weiter fuhr. 1911 war Pater Pio für kurze Zeit wieder in Pietrelcina.
„In jener Zeit gab es keine Antibiotika und man versuchte die Krankheiten so zu kurieren, indem man zurück zum Heimatdorf, also zur Mamma, ging. Dort aß man gute Speisen, atmete frische Luft und betete. Das tat auch der damals erkrankte Pater Pio, so wie es jeder zu jener Zeit tat, so wie es die Bauer in dieser Gegend taten. Das war seine Vornehmheit. Er verleugnete nie seine Heimat und seine Wurzeln und auch nicht seine Familie.“
Kampf gegen den Teufel
Pater Pio war auch für seinen „Kampf gegen den Teufel“ bekannt. Auch darauf ging Franziskus ein.
„Der Teufel gibt nie Ruhe, er ist immer in Bewegung. Glaubt ihr überhaupt an den Teufel? Seid ihr nicht so sehr davon überzeugt? Nun, sonst sage ich dem Bischof, er soll darüber Katechesenreihen durchführen“, scherzte der Papst. Auch Pater Pio war für seine ironischen Bemerkungen berühmt. Man müsse das Böse mit der christlichen Fröhlichkeit bekämpfen, so ein Leitspruch. Und ein weiterer Spruch Pater Pios über den Teufel, auf den der Papst einging, lautete: Wer sich Jesus hingibt, der wird vom Teufel befreit.
„Darin finden wir die gesamte Theologie! Wenn du ein Problem hast, traurig bist oder krank, dann lass dich in die Hände Jesu fallen. Das tat Pater Pio. Er liebte Jesus und traute ihm.“
Es sei wichtig, als Gemeinschaft immer zusammenzuhalten, so der Papst.
„Ein Dorf, in dem es jeden Tag Streit gibt, kann nicht wachsen. Das erschrickt die Leute. Ein Dorf, in dem Frieden herrscht und sich alle mögen – mehr oder weniger – in dem man dem anderen nichts Böses wünscht, da gibt es Wachstum. Selbst in einem kleinen Dorf kann das passieren, größer zu werden und stark. Bitte, verschwendet nicht eure Kräfte dabei, miteinander zu streiten.“
Weiter ging Franziskus auf die Landflucht vieler jungen Menschen, gerade in Süditalien, ein. Gleichzeitig erinnerte der Papst an die Bedeutung der älteren Menschen. Sie seien eine Stütze. „Es würde mir gefallen, wenn man einmal den Nobelpreis den älteren Menschen als solche geben würde, weil sie die Erinnerung der Menschheit sind“, so der Papst.
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Papst bei Pater Pio: Ein „Gefällt mir“ reicht nicht
Zum Abschluss des eintägigen Pastoralbesuchs in Süditalien feierte Franziskus im Wallfahrtsort San Giovanni Rotondo eine Messe. Beim Grab des heiligen Pater Pios rief der Papst die Gläubigen auf, für den Lebensschutz und die Benachteiligten einzustehen.
Mario Galgano – Vatikanstadt
Tausende Gläubige nahmen an der Messe mit dem Papst auf dem Vorplatz der modernen Wallfahrtskirche teil. Der Bau des italienischen Architekten Renzo Piano ist auch für seine Mosaiken des slowenischen Jesuitenpaters Marko Ivan Rupnik berühmt. In seiner Predigt ging der Papst auf die Bedeutung des Volksheiligen ein. Pater Pio, der zwischen 1887 und 1968 lebte, hat den größten Teil seines Lebens in dem kleinen Ort San Giovanni Rotondo auf der süditalienischen Halbinsel Gargano verbracht. Dort war der Kapuzinerpater als Beichtvater und Begründer eines Krankenhauses ein beliebter Seelsorger gewesen. Anlass des halbtägigen Besuchs des Papstes in Pater Pios Geburtsort Pietrelcina und in San Giovanni Rotondo war das 50. Todesjahr des Heiligen.
Vorbild Pater Pio konkret umsetzen
Der Papst mahnte in seiner Predigt die Gläubigen, das Vorbild des Heiligen im eigenen Leben konkret umzusetzen. Ein bloßes „Gefällt mir“ reiche nicht, so Franziskus. Es sei wichtig, die Bedeutung des Gebets wiederzuentdecken, fuhr Franziskus fort. Gott könne man nicht kennen, wenn man ihm nicht Zeit widme. Beten heiße demnach, in einem „freien und vertrauensvollen Dialog“ das ganze Leben vor Gott zu tragen. Beistand verlangte der Papst vor allem für Kranke, Schwache und Benachteiligte. Wer ihnen Vorrang einräume, proklamiere eine „Prophetie des Lebens gegen die Propheten des Todes jeder Epoche“, so Franziskus. Erneut verurteilte er eine „Wegwerfkultur“ gegen vermeintlich Nutzlose. So seien Kinder in der Gesellschaft nicht erwünscht, beklagte er.
Die mittlerweile zur Kleinstadt gewachsene San Giovanni Rotondo, Wirkungsstätte des 2002 heiliggesprochenen Kapuzinerpaters Pio, ist einer der größten katholischen Wallfahrtsorte Italiens. Ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist auch die Klinik „Casa Sollievo della Sofferenza“. Das 1956 eröffnete Krankenhaus geht auf eine Initiative Pater Pios zurück. Es verfügt über rund 900 Betten. Dort war der Papst vor der Messe zu Besuch und traf einige Patienten, vor allem Kinder. Er sprach kurz mit den Familienangehörigen der Patienten sowie mit den Ärzten und dann sprach er auch direkt mit den Kranken.
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