Schweizer Fatima-Bote Nr. 77 3/2018
Nachstehend bringen wir aus dem Buch „Jacinta und Francisco – selige Kinder von Fatima“ einen Auszug über die spezielle Beziehung vom inzwischen heilig gesprochenen Francisco zum sogenannten „verborgenen Jesus“, den er bei jeder sich bietenden Gelegenheit im Tabernakel der Kirche aufsuchte. Das Buch ist von JeanFrancois Louvencourt, Trappist der Abtei Notre-Dame de St. Rémy in Rochefort, Belgien. Es umfasst fast 600 Seiten und ist noch vor der Heiligsprechung der Kinder erschienen. Wir bringen hier die Seiten 384 bis 389.
Francisco liebt es, sich in die Natur zurückzuziehen, denn sie ist ihm Freundin, weil sie ihn vor eventuellen Indiskretionen schützt und für die Intimität seines Gebetes förderlich ist. Genauso gerne aber mag er die Einsamkeit seines Zimmers, dessen Tür er abschliesst, wie es das Evangelium empfiehlt (vgl. Mt 6,6), und Gott im Geheimen anbetet; das war seine Gewohnheit während der langen Monate seiner Krankheit. Am liebsten aber geht er zum verborgenen Jesus. Bei ihm merkt er nicht, wie die Zeit vergeht. Stunde um Stunde bleibt er bei ihm, allein mit ihm, in der Stille. Ja, ganze Stunden, zum Beispiel ebenso lange, wie die Schule dauert: Früh am Morgen verlässt ihn Lucia auf der Schwelle der Kirche und nach dem Unterricht, am späten Vormittag, holt sie ihn dort ab, wo sie weiss, dass sie ihn wiederfinden wird, das heisst tief im Gebet vor dem Allerheiligsten versunken.
Francisco und der verborgene Jesus: Niemand wird jemals den Inhalt ihrer Unterhaltungen erfahren, nichts von den liebevollen Blicken, die sie austauschen oder von dem gegenseitigen Vertrauen, das sie sich entgegenbringen. Und doch besitzen wir gewisse Indizien, wie jenen Tag, an dem eine Dame Theresia, eine der Schwestern Lucias bittet, diese solle für sie bei der Jungfrau Maria Fürbitte einlegen zugunsten ihres Sohnes, der fälschlicherweise eines Verbrechens angeklagt worden war, das er nicht begangen hatte. Da Lucia diese Bitte erhalten hatte, als sie gerade zur Schule aufbrach, erzählt sie Francisco auf dem Schulweg davon, und er antwortet ihr:
„Hör mal! Während du zur Schule gehst, bleibe ich beim verborgenen Jesus und bete darum.“ Als ich aus der Schule kam, ging ich ihn rufen und fragte ihn: „Hast du Unseren Herrn um jene Gnade gebeten?“ — „Ja! Sage Theresia durch deine Schwester, dass er in wenigen Tagen nach Hause kommt.“
In der Tat, einige Tage darauf war der arme Junge schon zu Hause und am Dreizehnten kam er mit der ganzen Familie, um Unserer Lieben Frau für die erlangte Gnade zu danken (Schwester Lucia spricht über Fatima, S. 172).
Der verborgene JesusBigschofancisco: Wattie einander an jenem Tag gesagt haben? Sicher ist: Zwischen beiden hat sich mit der Zeit eine so enge und vertraute Verbindung entwickelt, dass Francisco seine Bitte mit einer Überzeugung vorbringen kann, die Jesus anrührt. Besser noch: Francisco gelangt zu der ruhigen und absoluten Sicherheit, dass sein Gebet schon erhört ist. Und noch besser: Er scheint so sehr an diese enge Beziehung zu Gott gewöhnt zu sein, dass er von einer erlangten Gnade wie von der natürlichsten Sache der Welt spricht.
Francisco, das Kind, das von Gott fasziniert ist. Nicht von einem pantheistischen Gott, zurückgezogen oder anonym, sondern von einem persönlichen Gott. Und weil die Person Beziehung ist, bis hin zur Vereinigung, zur Kommunion, ist Gott in sich selbst drei-persönlich. Deshalb lehrt der Engel die drei Hirtenkinder dieses Gebet, das hier nun unbedingt vollständig wiedergegeben werden soll:
„Heiligste Dreifaltigkeit, Vater, Sohn und Heiliger Geist, in tiefster Ehrfurcht bete ich Dich an und opfere Dir auf den kostbaren Leib und das Blut, die Seele und die Gottheit Jesu Christi, gegenwärtig in allen Tabernakeln der Erde, zur Wiedergutmachung für alle Schmähungen, Sakrilegien und Gleichgültigkeiten, durch die Er selbst beleidigt wird. Durch die unendlichen Verdienste seines Heiligsten Herzens und des Unbefleckten Herzens Mariens bitte ich Dich um die Bekehrung der armen Sünder.“
(Schwester Lucia spricht über Fatima, Seite 183).
Mit der kontemplativen Sichtweise, die ihm eigen ist, ist Francisco derjenige von den Dreien, der sich am stärksten von diesem Gebet angezogen fühlt. Ein komplexeres Gebet als die anderen, dessen Tragweite ihm anfangs nicht klar ist, die sich aber immer mehr erhellt, als er die drei Teile entdeckt, die es gliedern, gekennzeichnet durch drei Verben, die den Betenden mit der Heiligen Dreifaltigkeit verbinden: „Ich bete Dich an – ich opfere Dir auf – ich bitte Dich.“ Die Anbetung ist jene Haltung des Leibes und der Seele, die so gut seiner Demut entspricht und der er sich so gerne hingibt. Das Opfer, das auf jenes Opfer des verborgenen Jesus hinweist, zu dem dieser sich selbst in der Eucharistie macht, ist das Opfer, das auch Francisco aus sich selbst macht, um die gegen seinen Herrn begangenen Sünden zu sühnen, den er um jeden Preis trösten will. Was die Bitte anbetrifft, so zielt sie auf die Bekehrung der Sünder, für die er unablässig betet. So dringt Francisco immer mehr in dieses Gebet ein, das er gerne vertieft und meditiert. Er bemerkt, dass es sogar die Besonderheit hat, alle grossen Aspekte des Geheimnisses von Fatima zu umfassen, allerdings indem es sie in das Licht des Geheimnisses der Heiligen Dreifaltigkeit stellt und in diesem Licht vereint. Dieses Geheimnis, das er mit der Kirche für das grundlegendste und höchste aller Geheimnisse ansieht, macht er zur Mitte seines Lebens.
Wenn die Erscheinungen des Engels mit einem wesentlich trinitarischen Gebet enden, so schliessen die Erscheinungen Unserer Lieben Frau von Anfang an eine Vision ein, deren Gehalt ebenfalls trinitarisch ist.
Als Unsere Liebe Frau am 13. Mai 1917 zum ersten Mal die Hände öffnet, wirft sie den Glanz eines übernatürlichen Lichtes auf die Kinder. Das wichtigste Ziel dieses Lichtes ist, wie Lucia schreibt, sie „zu Gott und den Geheimnissen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit“ zu führen (Schwester Lucia spricht über Fatima, S. 136).
So wie Jacinta für immer von der Vision vom 13. Juni 1917 gefangen ist, die ihr „die Erkenntnis und die besondere Liebe zum Unbefleckten Herzen Mariens“ eingegossen hat, (Schwester Lucia spricht über Fatima, S. 136), so ist Francisco für sein Leben von dem ersten Schein des Lichtes geprägt, das von den Händen Unserer Lieben Frau ausgeht:
„Was ihn am meisten beeindruckte und fesselte war Gott, die Heiligste Dreifaltigkeit in jenem unermesslichen Licht, das uns bis in die Tiefe der Seele durchdrang“ (Schwester Lucia spricht über Fatima, S. 157).
Übrigens fällt er bald nach der unvergesslichen Vision vom 13. Mai auf die Knie, ebenso wie Jacinta und Lucia. Und unter dem Eindruck einer und derselben Eingebung spüren alle drei in ihrem Inneren eine Anrufung aufsteigen, die sie so gerne und oft wiederholt haben:
„O Heiligste Dreifaltigkeit, ich bete Dich an!“
Wie könnten wir, von Francisco geführt, einen anderen Schluss daraus ziehen als die erneute Betonung der trinitarischen Dimension der Botschaft von Fatima? Die Heilige Dreifaltigkeit ist nicht nur von der ersten Erscheinung des Engels und der ersten Erscheinung Unserer Lieben Frau all gegenwärtig – so wird wunderbarerweise ein Band zwischen den beiden Erscheinungszyklen geknüpft – sondern sie taucht auch im dritten Erscheinungszyklus wieder auf, den Lucia nach ihrer Abreise aus Aljustrel erfuhr, mit der grandiosen Theophanie vom 13. Juni 1929, also zehn Jahre nach dem Tod Franciscos. Jeder dieser drei Erscheinungszyklen beinhaltet also eine trinitarische Phase von ganz besonderer Intensität, und das ergibt aussergewöhnliche trinitarische Manifestationen: ein Gebet von englischer Herkunft (des Engels von Portugal), eine ebenso sublime wie unauslöschliche Vision und eine weitere Vision, die ebenso sublim, obwohl „beschreibender“ ist. Es handelt sich also um ein absolut einzigartiges Triptychon in der Geschichte der Erscheinungen.
Die besondere Stellung, welche die Dreifaltigkeit in der Botschaft von Fatima einnimmt, wird durch ein Zeichen bestätigt, das nicht täuschen kann: durch die Häufigkeit der Zahl „drei“. Diese Zahl taucht in der Tat zu oft auf, als dass es sich um einen einfachen Zufall handeln könnte und nicht eine offenbare Erinnerung an die Allgegenwart des allmächtigen Gottes wäre. Um die Häufigkeit dieser Zahl aufzuzeigen, wollen wir die unterschiedlichen, in Fatima handelnden Personen betrachten, welche übrigens auch drei sind.
Die Kinder
Es sind drei Kinder, und alle drei sind bei jeder der Erscheinungen immer zusammen. Insgesamt werden ihnen neun Erscheinungen gewährt, das heisst also drei mal drei Erscheinungen. Als sie vom göttlichen Licht umflossen werden, sind sie, wie wir gesehen haben, zehn, neun und sieben Jahre alt, ins‑
gesamt also sechsundzwanzig. Wie wir gesehen haben (weiter vorne in diesem Buch, die Red.), ist sechsundzwanzig die Zahl Gottes, diese Zahl ist das Doppelte von dreizehn, und dreizehn ist, wie der hl. Isidor von Sevilla uns sagte, die Summe aus zehn, der Zahl der Gebote, und drei, welches den Autor der Gebote bezeichnet, also die Heilige Dreifaltigkeit.
Der Engel
Dreimal erscheint er den Kindern, zu drei verschiedenen Jahreszeiten. Jedes der Gebete, die er sie lehrt, wiederholt er drei Mal. Und das Gebet, das er ihnen beim dritten Mal beibringt, enthält drei Teile. Dreimal auch spricht er zu ihnen über die Herzen Jesu und Mariä.
Unsere Liebe Frau
Sie besteht selbst auf dieser Zahl. Dreimal zeigt sie ihr Herz: ein einziges Mal im Jahr 1917, zwei weitere Male jedoch im folgenden Jahrzehnt, am 10. Dezember 1925 und am 13. Juni 1929. Jedes der beiden Gebete, welche sie die Kinder am 13. Juli 1917 lehrt, enthält drei Teile. Das Geheimnis, das sie ihnen am selben Tag anvertraut, hat ebenfalls drei Teile, und der Mittelteil spricht drei Mal von ihrem unbefleckten Herzen. In genau diesem Jahr 1917 spricht sie drei Mal von „Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz“. Nun beinhaltet der Rosenkranz insbesondere das Ave Maria, dessen Beginn auf jede der drei göttlichen Personen hinweist und aus dem »Ehre sei dem Vater..«, dessen „trinitarische Doxologie“, die der „Gipfel der Betrachtung“ ist, der „Zielpunkt der christlichen Kontemplation“, woran Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben zum Rosenkranz passend erinnert hat.
Wir wollen noch erwähnen, dass am 13. September und auch im folgenden Monat drei Mal Rauchwolken vor Unserer Lieben Frau aufstiegen, als die Engel sie mit ihren goldenen Weihrauchfässern verehrten. Die Erscheinung vom 13. Oktober, die den Zyklus in der Cova da Iria abschloss, verläuft ebenfalls in drei Abschnitten: der Besuch Unserer Lieben Frau, die vielfältige Vision und das Sonnenwunder. Dieses Wunder wurde drei Monate früher angekündigt und enthält drei Momente, denn die Sonne „tanzt“ drei Mal hintereinander.
Es spricht also alles von der Dreifaltigkeit: nicht nur die Natur, wie uns Lucia weiter oben sagte, sondern auch der Engel, sodann Unsere Liebe Frau, und selbst die Zahlen. Ohne unseren Leib und unser Herz auszulassen, denn Papst Benedikt versichert, dass „das Sein des Menschen in seinem <Erbgut> die tiefe Spur der Dreifaltigkeit trägt, des Gottes, der die Liebe ist“ (Angelus vom 7. Juni 2009), und auch Schwester Lucia schreibt übrigens: „Wir sind lebendige Tabernakel, in denen die Heiligste Dreifaltigkeit wohnt“ (Aufrufe, S. 135).
Trotz der Vielfalt und des Reichtums dieser Zeichen und der Manifestationen bleibt immer ein Abgrund zwischen der immanenten Trinität und alledem, was wir jemals über sie wissen können. Dieser Apophatismus, (siehe Erklärung am Schluss) der in jedem Versuch inhärent vorhanden ist, dieses Geheimnis zu erfassen, ist ein integraler Bestandteil des Annäherns an das Wesen der Dreifaltigkeit durch Francisco. Natürlich hat er nie eine theologische Ausbildung genossen, noch hat er je über die Unmöglichkeit jeglichen Vorhabens gehört, Gott zu beschreiben oder für das menschliche Verständnis erfassbar zu machen, wenn nicht eben als unerfasslich. Aber er betet, er betet viel, und im Gebet bekommt er jene Eingebung, welche die bekanntesten kontemplativen Menschen weit entwickelt haben, ohne sie jemals übertreffen zu können: „Wie Gott doch ist! Das kann man nicht aussprechen! Ja, das kann keiner jemals sagen!“
So viele Negationen in so wenigen Worten! die gesamte „negative“ Theologie der grössten Mystiker seit Dionysos Areopagita ist darin enthalten, ist bei Francisco virtuell präsent.
So also ist Francisco, das kontemplative Kind, das Kind der apophatischen Stille, das Kind, das von der Heiligsten Dreifaltigkeit fasziniert ist sowohl in ihrer absoluten Transzendenz als auch von ihrem Einwohnen im Innersten eines jeden von uns. So ist Francisco das Kind, dessen Kontemplation seinem Sinn für das praktische Leben und für die Hingabe keineswegs schadet, sondern beides sogar, ganz im Gegenteil, noch anregt und verfeinert. (…)
Bezüglich dem Wort „Apophatismus“ hat Pfr. Gerald Hauser wie folgt geantwortet:
Im Zusammenhang mit den Kindern von Fatima kann „apophatische Stille“ einfach nur heissen, dass Francisco die Unsagbarkeit, Unnennbarkeit, Unerkennbarkeit Gottes erfahren hat. Wie der hl. Thomas von Aquin, immerhin der grösste Theologe unserer Kirche, der, nachdem er eine Vision Gottes gehabt hatte, nichts mehr geschrieben hat, weil ihm alles, was er je über Gott gesagt und geschrieben hatte, wie Stroh vorkam gegenüber der Herrlichkeit Gottes, die er schauen durfte.
Und damit wurde aus diesem Mann, der so viel und so viel Gutes geschrieben hatte, ein Heiliger der „apophatischen Stille“.
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Quelle: Schweizer Fatima-Bote Nr. 77 3/2018
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