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Wolfgang Schüler: Folgen der Elemente-Ekklesiologie des II. Vatikanums

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Die Auswirkung der Elemente-Ekklesiologie auf die Erklärung des Konzils über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, Nostra aetate

Im vorigen Abschnitt haben wir Passagen des Pastoralkonzils sowie eine Passa­ge aus einem in der Verantwortung von Kardinal Ratzinger herausgegebenen römischen Dokument untersucht, das von einer Internationale(n) Theologenkommission, unter dem Titel Das Christentum und die Religionen, erarbeitet wurde. Diese Passagen stehen im Zeichen der Ausdehnung der Gemeinsamkeits­ideologie auf nichtchristliche Religionen. Hier wollen wir den Zusammenhang der subsistit-in-Lehre mit der Konzilserklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Nostra aetate, unter strukturellem Ge­sichtspunkt erörtern.324

Dabei gilt es, sich daran zu erinnern, dass die Elemente-Ekklesiologie ein we­sentlicher Bestandteil der subsistit-in-Lehre ist und dass das Prinzip dieser Ele­mente-Ekklesiologie darin besteht, den Glauben, ihn verfälschend, in Teile zu zerlegen. Auf diese Weise gelangt die Elemente-Ekklesiologie zu angeblichen Gemeinsamkeiten mit den anderen christlichen Gemeinschaften.

Die weitere Anwendung des Zerlegungsprinzips schlägt nun die Brücke zu den nichtchristlichen Religionen. Auf diese Weise vollzieht sich ein Übergang von der Elemente-Ekklesiologie zu einer Elemente-Theologie. Die Fortsetzung des Zerlegungsprinzips findet ihren Ausdruck vor allem in einer schrittweisen Ver­kürzung der Dialogbasis.

War für den Dialog mit den anderen christlichen Denominationen die Lehre vom dreifaltigen Gott und von Christus als dem Urheber des Heils und dem Ur­sprung der Einheit und des Friedens (Lumen gentium, Art. 9) die Basis des Dia­logs, so muss diese im interreligiösen Dialog „verkürzt” werden.

Im Dialog mit dem Judentum besteht die verkürzte Dialogbasis in der Einzigkeit und Allmächtigkeit Gottes, des Schöpfers des Himmels und der Erde sowie dem „gemeinsamen geistigen Erbe”, dem AT.

Im Dialog mit dem Islam muss die Dialogbasis im Sinne des Pastoralkonzils erneut verkürzt werden, denn jenes angeblich gemeinsame Erbe entfällt hier, so dass die hier gewählte Dialogbasis in der Einzigkeit und Allmächtigkeit Gottes, des Schöpfers des Himmels und der Erde besteht, wobei irrigerweise behauptet wird, dass das Christentum und der Islam den einzigen Gott anbeten.

Im Dialog mit dem Buddhismus und Hinduismus fällt auch diese Dialogbasis weg. Was bleibt schließlich als Basis für den Dialog mit jedweder Religion im Sinne des Pastoralkonzils noch übrig? Nostra aetate erklärt dazu in Art.2, nach­dem diese Konzilserklärung existentielle Fragen des Menschen beschrieben hat:

„Schon von alters her bis zur heutigen Zeit findet sich bei den verschiede­nen Völkern eine gewisse Erfassung jener verborgenen Kraft, die dem Lauf der Dinge und den Ereignissen des menschlichen Lebens gegenwär­tig ist, …

Die Religionen aber, die mit dem Fortschritt der Kultur verknüpft sind, bemühen sich, mit genaueren Begriffen und in einer mehr ausgebildeten Sprache auf ebendiese Fragen zu antworten.”325

Eine Gemeinsamkeit aller Religionen besteht demnach im Bezug auf „eine ge­wisse Erfassung jener verborgenen Kraft, die dem Lauf der Dinge und den Er­eignissen des menschlichen Lebens gegenwärtig ist.” Darüber hinaus besteht dem Zitat zufolge eine Gemeinsamkeit aller Religionen darin, dass sie sich be­mühen, „mit genaueren Begriffen und in einer mehr ausgebildeten Sprache auf ebendiese Fragen zu antworten”. Mit diesen angeblichen Gemeinsamkeiten wird die Zerlegungsstrategie auf die Spitze getrieben. Auf dieser Basis läßt sich selbst noch mit den Freimaurern dialogisieren.

Das gekennzeichnete Produkt der Gemeinsamkeitsideologie geht an der Wahr­heit vorbei, denn es wird der Eindruck erweckt, als würden die Religionen die genannte Aufgabe mehr oder weniger gut bewältigen. Hingegen müsste doch klar gesagt werden, dass jene „verborgene Kraft” nichts anderes ist als der drei­faltige Gott, der Sich in Christus geoffenbart hat und insofern eben nicht „ver­borgen” ist.

Vor allem müsste herausgestellt werden, dass die nichtchristlichen Religionen mit ihren falschen Gottesvorstellungen den Menschen diese Erkenntnis nicht nur nicht näher bringen, sondern ihnen diese Erkenntnis versperren.

Auch Johannes Paul II. zog sich auf jenes als Gemeinsamkeit insinuierte Abs­traktum zurück, als er am Gebetstag der Religionen für den Weltfrieden, am 27. Oktober 1986 in Assisi, über „die religiöse Dimension der Friedensförde­rung” sagte:

„Sie ist das Ergebnis von Gebet, das in der Verschiedenheit der Religio­nen eine Beziehung mit der höchsten Macht ausdrückt, welche unsere menschlichen Fähigkeiten allein übersteigt.”326

Die positive Sicht der nichtchristlichen Religionen beschränkt sich nicht auf die angebliche Gemeinsamkeit in Bezug auf „eine(r) gewisse(n) Erfassung jener verborgenen Kraft” und dem Bemühen, „in einer mehr ausgebildeten Spra­che” auf die beschriebenen existentiellen Fragen zu antworten, sondern sie fin­det ihren Ausdruck auch in der Hochschätzung der nichtchristlichen Religionen, die Nostra aetate wie folgt zum Ausdruck bringt:

„Die katholische Kirche verwirft nichts von dem, was in diesen Religio­nen wahr und heilig ist. Mit aufrichtiger Hochachtung betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Gebote und Lehren, die, auch wenn sie von dem, was sie selber festhält und vorlegt, in vielem abweichen, nicht selten dennoch einen Strahl jener Wahrheit wiedergeben, die alle Menschen erleuchtet” (Art. 2).327

Hier fehlt, wie bei den angeblichen Gemeinsamkeiten im „binnenchristli­chen” Ökumenismus, die entscheidende Differenzierung, die ein Ja zu den be­treffenden, für sich betrachtet wahren Aussagen spricht, aber ein Nein zu ihrer Kopplung an die falschen Aussagen der anderen Religionen.

Deren Widerspruch zur christlichen Lehre bleibt völlig unterbelichtet. Dieser schwerwiegende Defekt hat eine wesentliche Ursache in der Preisgabe des ka­tholischen Absolutheitsanspruchs durch die subsistit-in-Lehre. Diese Preisgabe ermöglicht zunächst die Anerkennung der anderen christlichen Gemeinschaften, was die Grundlage des pastoralkonziliaren Ökumenismus bildet. Die Anerken­nung der anderen christlichen Gemeinschaften schließt aber die Anerkennung der Widersprüche gegen die katholische Lehre ein, die sich in deren Lehren fin­den.

Dadurch wird auch der Hochschätzung der nichtchristlichen Religionen der Weg geebnet. Denn wenn erst einmal der Widerspruch gegen die katholische Lehre in gewissen Hinsichten akzeptiert worden ist, nämlich in Bezug auf die Lehren der anderen christlichen Gemeinschaften, dann ist das Prinzip durchbrochen, das den Widerspruch zur katholischen Lehre grundsätzlich ablehnt.

Darüber hinaus ist es doch eine arge Verharmlosung des wahren Sachverhalts, wenn hier gesagt wird, dass die nichtchristlichen Religionslehren „in vielem abweichen” von dem, was die Kirche Gottes lehrt, als ginge es hier um eine An­gelegenheit quantitativer Art, wo doch alle antichristlichen Lehren von der Leh­re der Kirche durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt sind, so dass die Rede von „vielen Abweichungen” als irreführende Verharmlosung des wahren Sach­verhalts zurückgewiesen werden muß.

Wie man sieht, führt das Bestreben von Nostra aetate, den nichtchristlichen Re­ligionen Hochachtung entgegen zu bringen zu gravierenden Fehlbeurteilungen. Die Unvereinbarkeiten mit der christlichen Lehre bleiben entweder unerwähnt, oder sie werden heruntergespielt.

Strukturell gesehen, läuft die Aufwertung der nichtchristlichen Religionen durch die Declaratio auf zwei Ebenen. Einerseits werden dubiose Gemeinsamkeiten konstruiert und dort, wo offensichtlich keine Übereinstimmungen mehr konstru­iert werden können, wird, – in angreifbarer Weise – auf gewisse Elemente dieser Religionen verwiesen, die ebenfalls zur Hochschätzung der nichtchristlichen Religionen durch Nostra aetate beitragen.

Worin die Hochschätzung der nichtchristlichen Religionen in Nostra aetate konkret zum Ausdruck gebracht wird, haben wir in Bezug auf das Judentum und den Islam bereits im vorigen Abschnitt erörtert.

Die Hochschätzung erstreckt sich aber auch auf Religionen, die keinen Ein­Gott-Glauben besitzen. So liest man in Art. 2: durch scharfsinnige Versuche der Philosophie aus, und sie suchen Befrei­ung aus der Beschränktheit unserer Bedingung durch aszetische Lebens­formen, durch tiefe Meditation oder durch die Zuflucht zu Gott mit Liebe und Vertrauen.”328

Über den Buddhismus sagt die Declaratio:

„Im Buddhismus in seinen vielfältigen Formen wird das radikale Ungenü­gen dieser veränderlichen Welt anerkannt und ein Weg gelehrt, auf dem die Menschen mit andächtigem und vertrauendem Herzen einen Zustand vollkommener Befreiung zu erreichen oder — sowohl durch eigene Versu­che als auch gestützt auf höhere Hilfe – zu höchster Erleuchtung zu ge­langen vermögen.”329

Die Declaratio versteigt sich also zu der Behauptung, der Buddhismus lehre ei­nen Weg, auf dem die Menschen zu höchster Erleuchtung zu gelangen vermö­gen.

Was ist denn die höchste Erleuchtung? Die höchste Erleuchtung ist Gotteser­kenntnis, Erkenntnis des wahren Gottes, des einen Gottes in drei Personen und die vermittelt der Buddhismus natürlich nicht, im Gegenteil. Das Christentum und der Buddhismus sind, wie Pfarrer Milch sagte, auf völlig verschiedenen Po­sitionen. Man betrachte nur wieder die für den Menschen schicksalhafte Heils­lehre. Das Christentum lehrt, dass sich der Mensch nicht selbst erlösen kann, sondern dass er absolut erlösungsbedürftig ist, und der menschgewordene Gott die Erlösung — von der objektiven Seite her — für ihn vollzogen hat.

Demgegenüber ist der Buddhismus eine Selbsterlösungslehre. Er vermittelt also keineswegs die höchste Erleuchtung, sondern er verhindert sie!

Ebenso abwegig ist die positive Sichtweise des Hinduismus, die das obige Zitat aus Nostra aetate zum Ausdruck bringt. Keineswegs „erforschen die Menschen im Hinduismus das göttliche Mysterium”. Denn das göttliche Mysterium ist durch Christus geoffenbart worden und diese Seine Offenbarung, welche die Kirche verkündet, kennt der Hinduismus nicht, bzw. er lehnt sie ab. Er besitzt nicht einmal den Glauben an einen einzigen Gott, sondern es handelt sich beim Hinduismus um einen Vielgötterglauben.

Alle nichtchristlichen Religionen, denen Nostra aetate Hochachtung entgegen bringt, sind in Wahrheit Irrwege, vor denen die Menschen um ihres Heiles wil­len gewarnt werden müssen. Das Pastoralkonzil hätte die Pflicht gehabt, sie als Irrwege zu kennzeichnen und diese Warnung auszusprechen.

Stattdessen konstruiert die Declaratio in dem Bestreben, die nichtchristlichen Religionen aufzuwerten, mit seiner Elemente-Theologie, welche die Fortsetzung der Elemente Ekklesiologie des Pastoralkonzils im Rahmen der christlichen Re­ligionen darstellt, Übereinstimmungen bzw. Positiva, die mit dem wahren Sach­verhalt nicht zu vereinbaren sind.

Führt die pastoralkonziliare Elemente-Ekklesiologie zur Aufwertung der ande­ren christlichen Denominationen, so führt nun die nach ihrem Vorbild konstru­ierte Elemente-Theologie zur Aufwertung der nichtchristlichen Religionen.

Entsprechend sind die Auswirkungen auf die Mission. Wie wir sahen, hat die Elemente-Ekklesiologie die Missionsbestrebungen der katholischen Kirche in Bezug auf die Anhänger der anderen christlichen Denominationen weithin zum Erliegen gebracht, da diese Missionsbestrebungen dem Geist der Koexistenz-Ökumene widersprechen.

In analoger Weise wirkt sich die Hochschätzung der nichtchristlichen Religio­nen durch das Pastoralkonzil und die entsprechenden nachkonziliaren römischen Dokumente lähmend auf die Missionsbestrebungen der Kirche in Bezug auf die Angehörigen dieser Religionen aus. Ja, es ist inzwischen schon dahin gekom­men, dass hochrangige Vertreter der katholischen Kirche die Judenmission als beendet erklären. Ein Beispiel dafür liefert die folgende Erklärung, die Kardinal Lehmann, bezeichnenderweise zum 40. Jahrestag der Verabschiedung von Nostra aetate, gegeben hat. Der ehemalige Vorsitzende der deutschen Bischofs­konferenz bemerkt, die Kirche habe:

„über ihre lange vertretene Überzeugung selbstkritisch nachgedacht, Ju­den müssten, um das Heil erlangen zu können, getauft werden. Es wurde zunehmend bewusst, dass Mission als Ruf zur Umkehr vom Götzendienst zum lebendigen und wahren Gott (I Thess 1,9) nicht auf Juden angewandt werden kann. Hierin gründet das Faktum, dass es heute keine ,judenmissionarischen’ Aktivitäten der katholischen Kirche mehr gibt. Zwischen der Kirche und dem jüdischen Volk geht es um die Begegnung ‘auf der Ebene ihrer je eigenen religiösen Identität’ (Papst Johannes Paul II, 12. März 1979).”330

Ginge es im heutigen Innenraum der Kirche mit rechten Dingen zu, dann hätte Rom Kardinal Lehmann umgehend zum Widerruf dieser Aussagen auffordern und ihn im Falle der Weigerung seines Amtes entheben müssen. Denn der Wi­derspruch des Kardinals gegen die Hl. Schrift ist evident, bezieht sich doch der Missionsbefehl, den Christus Seinen Aposteln erteilte, auf alle Menschen, also auch auf die Juden:

„Gehet hin in alle Welt und verkündet die Heilsbotschaft allen Geschöp­fen. Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden. Wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden” (Mk 16,15-16).

Man fragt sich, ob nicht bald auch die Mission in Bezug auf die Anhänger des Islam von Vertretern der katholischen Kirche aufgegeben wird. Repräsentanten der sogenannten Pluralistischen Religionstheologie haben das bereits angemahnt und darin eine fällige Konsequenz aus der Preisgabe der Judenmission gesehen, die Kardinal Lehmann in obigem Zitat als ein Faktum feststellt.

Der wohl prominenteste deutsche Vertreter der Pluralistischen Religionstheolo­gie, P. Schmidt Leukel, hat diese Konsequenz mit folgenden Worten angemahnt:

„Aufmerksamen und im Dialog mit Christen engagierten Muslimen bleibt … nicht verborgen, dass bei vielen Christen die Neigung besteht, gegenüber dem Judentum missionarische Bestrebungen aufzugeben, nicht jedoch gegenüber dem Islam. Aber mit welchen Grund? — So lautet ihre berechtigte Frage. Ist es theologisch legitim, vom Islam in christologi­scher Hinsicht quasi mehr einzufordern als vom Judentum? Oder anders gefragt: Wenn eingeräumt wird, dass dem jüdischen Verständnis der Barmherzigkeit Gottes gegenüber dem christlichen — trotz der Ablehnung Jesu als des Messias — nichts fehlt, warum sollte dies dann für das islamische Verständnis der Barmherzigkeit Gottes — trotz der Ablehnung Jesu als des Gottsohnes — nicht ebenfalls zutreffen?”331

Es stellt sich die Frage, ob dieser Entwicklung Einhalt geboten werden kann, angesichts der Tatsache, dass Benedikt XVI. Maßnahmen zur Neuevangelisie­rung ergriffen hat, insbesondere mit seinem Apostolischen Schreiben Ubicum­que et semper, das er am 13. Oktober 2010 promulgierte und mit dem der „Päpstliche Rat zur Förderung der Evangelisierung” errichtet wurde.

Unseres Erachtens werden diese Maßnahmen wenig verändern, denn Nostra ae­tate und die entsprechenden nachkonziliaren römischen Dokumente, die eine die Mission der katholischen Kirche unterminierende Wirkung ausüben, bleiben ja weiter in Geltung.

Ein Umschwung ist erst dann zu erwarten, wenn Rom die diesbezüglichen fal­schen Lehren des Pastoralkonzils und der entsprechenden nachkonziliaren, rö­mischen Dokumente widerruft. Davon kann aber bis heute keine Rede sein.

Bis zu dieser Wende in der Kirche, deren Prinzipien Pfarrer Milch so grandios beschrieben hat, wird der theoretische und praktische Relativismus im Innen­raum der katholischen Kirche voranschreiten. Ein Indiz für seine Ausdehnung über den christlichen Bereich hinaus, ist die Erweiterung, die der Begriff Öku­mene in zunehmendem Maße erfährt. Zu dieser Begriffserweiterung bemerken H. Döring und P. Schmidt-Leukel zutreffend:

„Hinsichtlich des Sprachgebrauchs von ‘Ökumene’, ‘ökumenischer Dia­log’, ‘ökumenischer Theologie’ usw. läßt sich nun auch in Deutschland immer häufiger eine Ausweitung über den Rahmen der christlichen Kon­fessionen hinaus auf den interreligiösen Dialog feststellen.”332

Schlagen wir abschließend noch einmal den Bogen zur subsistit-in-Problematik. Die Tilgung des subsistit-in und seine Ersetzung durch das est, werden mit der sicher zu erwartenden Wende in der Kirche erfolgen. Dadurch wird die Rück­kehr Roms zum katholischen Absolutheitsanspruch signalisiert werden, der so­wohl dem pastoralkonziliaren Ökumenismus als auch dem Dialogismus mit den nichtchristlichen Religionen den Boden entzieht.

Praktischer Relativismus

Zwar wendet sich der heutige Papst einerseits gegen den Relativismus, vor allem auf gesellschaftlichem Gebiet, andererseits aber praktiziert er ihn, und zwar nicht nur in Bezug auf die anderen christlichen Gemeinschaften, sondern auch in Bezug auf die nichtchristlichen Religionen. Wir beschränken uns zum Beleg auf Äußerungen von ihm, die er anlässlich seiner Englandreise im September 2010 bei einem Treffen mit Vertretern derselben gemacht hat. Die Priesterbruder­schaft St. Pius X. berichtet:

„Der Heilige Vater, Papst Benedikt XVI., der bei zahlreichen Gelegenhei­ten und so auch wieder bei seinem derzeitigen Englandbesuch klare Kritik an Relativismus und Atheismus geäußert hat, setzt den praktischen Rela­tivismus gegenüber anderen Religionen wie sein Vorgänger, Johannes Paul II., fort.

Die Religionen müssen sich nach Worten des Papstes ,Seite an Seite’ für das Wohl der gesamten Gesellschaft einsetzen.

Bei einer Begegnung mit Vertretern anderer Religionen am Freitag in London würdigte Benedikt XVI. im Namen der katholischen Kirche das ,wichtige Zeugnis, das Sie alle als gläubige Menschen in einer Zeit able­gen, in der religiöse Überzeugungen nicht immer verstanden und ge­schätzt werden.’

An dem Treffen nahmen Vertreter von Judentum, Islam, Hinduismus, Sikhismus und anderen Traditionen teil. Der Papst bekannte sich aus­drücklich zum Gespräch der Glaubensgemeinschaften. Besonders seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) habe die katholische Kirche die Wichtigkeit des Dialogs und der Zusammenarbeit betont.

,Ich darf Ihnen versichern, dass die katholische Kirche den Weg der Be­gegnung und des Dialogs aus wahrem Respekt für Sie und Ihr religiöses Bekenntnis verfolgt’, so Benedikt XVI. Zugleich mahnte er die Religio­nen zum Verzicht auf Hass und Gewalt.”333

Mit den folgenden klaren Worten hat R. Hüntelmann zu diesen Äußerungen Stellung genommen:

„Wir können diesen Aussagen des Papstes in keinem Fall zustimmen, da sie der überlieferten Lehre der Kirche diametral entgegengesetzt sind.

  1. Die anderen Religionen, insbesondere der Islam, sind unserem Herrn Jesus Christus, dem einzigen Weg zum Heil und dem einzigen wahren Gott, wesensmäßig feindlich gesinnt. Deshalb sind sie nicht in der Lage, einen Beitrag ,zum Wohl der gesamten Gesellschaft’ zu leisten. Im Ge­genteil schaden sie dem Gemeinwohl.
  2. Das ,wichtige Zeugnis’, das die anderen Religionen nach Auffassung Benedikt XVI. angeblich abgeben, ist ein falsches Zeugnis, das Zeugnis einer Irrlehre, das die Menschen nicht zu ihrem wahren Heil, sondern – im Gegenteil – von diesem wegführt. Ein solches Zeugnis zu lobpreisen ist eine schwerwiegende Verfehlung gegen den katholischen Glauben. Es geht nicht um irgendwelche ,religiösen Überzeugungen’, die schon des­halb, weil sie ,religiös’ sind, auch schon lobenswert sind, sondern es geht einzig und allein um den wahren Glauben und die wahre Religion, denn nur diese führt zum Heil.
  3. Insbesondere das II. Vatikanum hat dem religiösen Pluralismus und Relativismus Vorschub geleistet und den Glauben an den einen wahren Gott, der allein das Heil bringen kann, der allein Gesellschaft und Kultur in ihre rechte Ordnung führen kann, geschwächt. Jeder Katholik kann dies heute deutlich erkennen. Lobhudeleien über diese Aussagen des Konzils sind deshalb nichts anderes als ein gegen die Erfahrung stehendes starr­köpfiges Festhalten am Niedergang der Kirche.
  4. Über was soll denn dieser „Dialog” geführt werden, von dem der Papst spricht? Über die Wahrheit? Die Wahrheit kann man nur verkünden, man kann sie unter Umständen erläutern, aber gewiss nicht den offiziellen Ver­tretern falscher Religionen, sondern vielleicht den einfachen Angehörigen derselben. Doch dies ist dann nicht „Dialog”, sondern Mission und Apos­tolat.
  5. Wie kann man einer falschen Religion „wahren Respekt” entgegen­bringen, wie es der Papst tut? Man kann und muss Menschen, individuel­len Personen, die in einer falschen Religion gefangen gehalten werden, mit Respekt begegnen. Doch dies gilt auf keinem Fall für die Religion selbst, die den Menschen in die Irre führt und ihn vom wahren Heil gerade fern hält.

Diese Aussagen des Papstes sind nicht katholisch, sondern fördern den Indifferentismus, den Relativismus und den Glaubensabfall. Kein Katho­lik, der von der Wahrheit Jesu Christi und seiner heiligen Kirche über­zeugt ist, kann ihnen zustimmen.”334

Mit den folgenden Worten hat der große Missionsbischof, Erzbischof Marcel Lefebvre, dem Dialoggeist eine Absage erteilt, den Benedikt XVI. in obigem Zitat befürwortet:

„Unser Herr hat Seine Apostel nicht ausgesandt, um Dialog zu führen, sondern um zu predigen!

Da nun aber dieser liberale Dialoggeist seit dem Konzil den Priestern und Missionären eingeschärft wird, versteht man, warum die Konzilskirche den missionarischen Eifer den eigentlichen Geist der Kirche, vollständig verloren hat!”335

Vermutlich werden auch einige Priester, die sich in den Ecclesia-Dei­Gemeinschaften befinden, die Behauptungen des Papstes hinter vorgehaltener Hand zurückweisen, dass sich die Religionen „Seite an Seite für das Wohl der gesamten Gesellschaft einsetzen” müssen und „dass die katholische Kirche den Weg der Begegnung und des Dialogs aus „wahrem Respekt” für das „religiöse Bekenntnis” der Vertreter der genannten nichtchristlichen Religionen „verfolgt”.

Durch das Abkommen, das ihre Gemeinschaften mit dem modernen Rom ge­schlossen haben, können sie diese Ablehnung aber in der Öffentlichkeit nicht kundtun. De facto haben sie ein Schweigeabkommen geschlossen, und über die­ses Elend kann auch beschönigende Selbstdarstellung nicht hinweg täuschen.”‘ Ein großes Verdienst der Priesterbruderschaft St. Pius X., das sie weit über alle Ecclesia-Dei-Gemeinschaften erhebt, besteht darin, dass sie nicht nur für die Glaubenswahrheit Zeugnis ablegt, dass sie nicht nur wie diese Ge­meinschaften Richtiges sagt und Richtiges macht, sondern dass sie darüber hinaus dem vom Pastoralkonzil geprägten Rom seine Abweichungen von der traditionellen Lehre der Kirche in aller Öffentlichkeit vor Augen hält und beständig an das moderne Rom appelliert, auf den Boden der traditio­nellen Lehre zurückzukehren.

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324 Dieses Konzilsdokument haben wir an anderer Stelle einer ausführlichen Kritik unterzo­gen. Vgl. dazu in W. Schüler: „Pfarrer Hans Milch — eine große Stimme des katholischen Glaubens – Mit einer Kritik am Zweiten Vatikanischen Konzil”, Hattersheim 2005, Kapitel VII: Zur Ausdehnung des konziliaren Ökumenismus auf die nichtchristlichen Religionen, S. 819-874.

325 „Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils”, Hrsg. P. Hünermann, Freiburg 2004, S. 356.

326 Ansprache des Papstes, abgedruckt im OR (deutsch) am 7.11.1986 (Dokumente), S. 9,1. Zitiert nach J. Dörmann: „Die eine Wahrheit und die vielen Religionen”, Abensberg 1988, S. 145 bzw. S. 157.

327  a.a.O., S. 357.

328 a.a.O., S. 356f.

329 Ebenda, S. 357.

330 Zitiert nach http://dbk.de, „Nostra Aetate — ein folgenreicher Konzilstext’, 28. Okt. 2005.

331 P. Schmidt-Leukel: „Gott ohne Grenzen — Eine christliche und pluralistische Theologie der Religionen”, Gütersloh 2005, S. 375.

332 H. Döring und P. Schmidt-Leukel: „Interreligiöser Dialog als ökumenisches Problem”, Catholica, Vierteljahresschrift für ökumenische Theologie, 44. Jahrgang, Münster 1989, S. 221.

333 Zitiert nach dem Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X., Oktober 2010, S. 36. In seinem Buch: “Licht der Welt” geht der Papst noch weiter, indem er bekundet, Ehrfurcht vor dem Islam zu haben: „Bei meinem Besuch in der Türkei konnte ich zeigen, dass ich Ehr­furcht habe vor dem Islam, dass ich ihn als eine große religiöse Wirklichkeit anerkenne, mit der wir im Gespräch stehen müssen.” Benedikt XVI.: „Licht der Welt”, Freiburg 2010, S. 123.

334 R. Hüntelmann: „Papst Benedikt trifft sich auf seiner Englandreise mit Vertretern der ande­ren Religionen”, ebenda, S. 36f.

335 M. Lefebvre: „Sie haben Ihn entthront”, Stuttgart 1988, S. 181.

336 Vgl. dazu W. Schüler: „Glaubenswahrheit und Abkommensfrage — Rom und die Priester­bruderschaft St. Pius X. in theologischen Gesprächen”, Hattersheim 2009, S. 19ff.

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Quelle: (Auszug aus) Wolfgang Schüler: Benedikt XVI. und das Selbstverständnis der katholischen Kirche – Eine Analyse seiner Verlautbarungen zur subsistit-in-Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils, Zweite, überarbeitete und erweitere Ausgabe, Actio Spes Unica, D-65795 Hattersheim/Main. (Seiten 304-316)



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