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PATER PIO — Der Ordensmann

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Noviziat in Morcone

Am 6. Januar 1903 trat er ins Noviziat der Kapuziner im Kloster zu Morcone ein. Es war am Fest der Erscheinung des Herrn. Bei der Rückkehr von der Frühmesse fand Francesco das Elternhaus voll von Leuten wie bei einem Trauerfall, wie er sagen wird; und Pater Pio fügt hinzu: „Als die Mutter mich begrüßte, fasste sie mich an den Händen und sagte zu mir: „Mein Sohn, Du zermalmst mir das Herz! … Doch in diesem Augenblick sollst Du nicht an den Schmerz Deiner Mutter denken; der heilige Franz hat Dich gerufen und Du gehst fort!“

Die arme Mamma Peppa konnte kein Wort mehr hinzufügen, sie verlor die Besinnung. Als sie wieder zu sich gekommen war, wiederholte sie: „Mein Sohn, in diesem Augenblick sollst Du nicht an den Schmerz Deiner Mutter denken; fortziehen musst Du, so gehe!“ Sie gab ihm ihren Segen, drückte ihm einen Rosenkranz in die Hand, den Pater Pio immer aufbewahrt hat, und Francesco trat über die Schwelle seines Elternhauses hinweg. Er selber wird erzählen, wie sein eigener Abschiedsschmerz war, er fühlte sich bis in seine Knochen hinein zermalmt.

In der letzten Nacht, die er im Elternhaus verbracht hatte, kam der Herr mit seiner heiligen Mutter ihn besuchen. Mit ihrer ganzen Herrlichkeit ermutigten sie ihn und verhießen ihm ihre besondere Liebe der Erwählung. Jesus legte ihm zum Schluss die Hand aufs Haupt und diese Geste stärkte den oberen Teil seiner Seele und ermöglichte es ihm im Augenblick des Abschieds keine einzige Träne zu vergießen, obwohl dieses sich Losreißen für ihn ein echtes Martyrium der Seele und des Leibes war.

Er bestieg den Zug in Pietrelcina in Begleitung seines Lehrers Càvacco und zweier Schulkameraden, die wie er ums Ordensleben sich bewarben, nämlich des Vincenzo Masone und des Antonio Bonavita. Als sie nach einer guten Stunde Eisenbahnfahrt in Morcone ankamen, läuteten sie an der Klosterpforte. Der Bruder Pförtner war kein anderer als der gütige Camillo da Sant´Elia a Pianisi, der Bettler mit dem großen schwarzen Bart! Er umarmte Francesco und rief aus: „Ei, der Franzl, ausgezeichnet, bravo! Du bist Deinem Versprechen treu geblieben und dem Ruf des heiligen Franz!“

Nach der Aufnahmeprüfung schließt sich die Klosterpforte wieder hinter Francesco. Das Blatt ist gewendet, aber mit welchem Schmerz! … Später wird Pater Pio sagen „Ich ging nach Morcone, wo mich diese Lebensweise erwartete. Man muss wahrhaftig berufen sein, um sie zu überstehen. Um die Wahrheit zu sagen, nie habe ich eine Versuchung gegen meine Berufung gehabt, aber manchmal, wenn der Teufel sich zeigte, kam mir jener Abschied von der Mutter in den Sinn und ich fasste wieder Mut …“.

Das musste nun mal so sein! … Am Eingang des Klosters zum Morcone drängt eine große Inschrift zur Entscheidung: „Entweder die Buße, oder die Hölle“ … Von einer Wand des Ganges hebt eine wichtige Weisung sich ab: „Stillschweigen“. Man wird ihm die Zelle Nummer 28 zuweisen. Über dem Eingang noch ein Wahlspruch: „Ihr seid gestorben, und Euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott“. Damit wäre also der Reiseweg klar gewiesen. Francesco muss sich selbst sterben, sich zermahlen lassen wie das Korn, im Stillschweigen und in der Beschauung verharren, um dem Herrn zu begegnen.

Francescos Zelle – wie übrigens alle anderen auch – war sehr klein. Im Sommer drang keine Kühle ein, im Winter biss die Kälte an den bloßen Füßen. Ein Strohsack mit Maisblättern lag auf vier Brettern, die von zwei Querbalken als Fußgestell unterstützt wurden. Ein kleines Tischchen, auf dem ein paar Andachtsbücher lagen. Ein Stuhl, ein großes Holzkreuz, das auf dem Bett lag und das man während den allzu kurzen Stunden der Nachtruhe in den Händen hielt. Das war die ganze Ausstattung. Fast möchte man von einer Gefängniszelle sprechen, aber es war genau das Gegenteil; denn wenn man im Gefängnis seiner Freiheit beraubt ist, so fand Francesco in seiner Klosterzelle Christus.

Er musste zwei Wochen zuwarten, um sich wirklich davon Rechenschaft zu geben, was für ein Leben das sein wird, dem er sich widmen wollte: vierzehn Tage Exerzitien unter vollständigem Schweigen, doch reich befrachtet mit Gesprächen innigster Freundschaft mit dem Herrn. Viel Gebet sogar nachts, viel Arbeit …

Francesco hatte neben sich im Postulat einen Gefährten. Er hieß Giovanni Di Carlo und wurde später Pater Anastasio. Dieser berichtet: „… Eines Tages, als sie allein im Chor waren, in der Kirche war niemand, weil sie geschlossen war, sahen sie, dass in den Fächern der Patres und der Laienbrüder Bußgeißeln lagen, einige sogar mit Metallstückchen besetzt. Da sagte Di Carlo (Anastasio), der Neugierigere der beiden, zu seinem eher zurückhaltenden Gefährten: „Franzl, damit schlägt sich der einzelne abends, wenn sie uns den Chor verlassen heißen und mit lauter Stimme beten, wir wollen es auch versuchen!“ Francesco ließ sich das nicht zweimal sagen und beide, nachdem sie ihre Jacke niedergelegt hatten, begannen sich auf die Schultern zu schlagen und sie taten es von Herzen, besonders Francesco. Als sich dann der Schmerz bemerkbar machte, sagte Di Carlo: „Franz, das genügt jetzt!“ Sie hörten also auf, legten die Geißeln wieder an ihren Platz und nahmen wieder ohne weiteren Kommentar ihre Arbeit auf.“

Es war also Giovanni Di Carlo, der zukünftige Pater Anastasio, der dies erzählt hat. Er gab zu, dass er weniger zur Buße neigte als Francesco, der „sich jedes Mal, wenn er etwas erdulden musste, darüber freute, denn er hatte immer vor den Augen seines Herzens das Bild Jesu, des Gekreuzigten“.

Aber ohne Fragen war dieses harte Leben Giovanni zuwider die freiwillige Geisselung vom Vortag, die Strenge des Kapuzinerlebens, barfuß gehen zu müssen bei der Winterkälte – man befand sich mitten im Monat Januar – das nächtliche Aufstehen zum Chorgebet, immer Jahr sagen zu müssen, wenn man so gern nein gesagt hätte, und vor allem das dauernde Schweigen, das für einen hitzigen Neapolitaner so mühsam ist …, wenig fehlte, und Giovanni hätte aufgegeben!

„Franz, sagte er zu seinem Gefährten, das ist ein zu hartes Leben, das ist nicht für uns gemacht. Hier tut man nur Buße, Tag und Nacht. Können wir nicht weggehen? Ich, ich habe mich entschlossen morgen schon vorzugehen; und du auch? …“ Francesco war überrascht, es fehlte wenig, dass er dachte Giovanni sei sozusagen vom Teufel besessen! Er erwiderte ihm sogleich: „Giuvanniell´, was sagst du da? Wieso denn, wir haben so viel getan, um hierher zu kommen und jetzt sollten wir weggehen? Was werden unsere Eltern und Verwandten dazu sagen und all jene, die uns zu diesem Haus hingeleitet haben? Ach Schluss damit! Allmählich mithilfe der Madonna und des heiligen Franz werden auch wir uns daran gewöhnen, wie die anderen sich daran gewöhnt haben. Meinst Du vielleicht, dass alle, die in diesem Kloster sind, und noch alle anderen dazu, nicht wie wir waren? Niemals ist einer als ein fertiger Mönch auf die Welt gekommen …“

Die Erwiderung war gut und für den künftigen Pater Anastasio war dieses Argument bestimmend. Entschlossen wird er der Welt den Rücken kehren …

Am Ende dieser Einkleidungsexerzitien empfingen sie das Kleid des heiligen Franz. Francesco bekam den Namen Pio. Von nun an – und für immer – wird er der Bruder Pio da Pietrelcino sein.

Einer der Biographen Pater Pios erzählt, die Liebe, die er zum Gebet hegte, sei es persönlich oder gemeinschaftlich, war wirklich bewundernswert:

„Nach dem Vorlesen des Betrachtungspunktes, der immer auf das Leiden unseres Herrn Jesus Christus abzielte, blieb er während der dafür vorgesehenen Zeit knien und auch noch danach, wenn dies ihm möglich war. Er vergoss reichlich Tränen, indem er Stoßgebete verrichtete, er fuhr damit fort auf den Gängen, den Gartenwegen und überall anderswo.

Um seine Gebete noch zu verlängern, bat er häufig um die Erlaubnis von der Erholung, vom Spaziergang, und manchmal vom Abendessen befreit zu werden, um im Chor oder in der Zelle bleiben zu dürfen.“

Er war der Erste, wo es geboten war, Akte der Anbetung und der Verehrung durch Kniebeugen vor dem Allerheiligsten, vor dem Bild der lieben Muttergottes und der Heiligen zu vollziehen und der Erste, um seine Mitbrüder durch Gesten und Zeichen der Ehrerbietung dazu anzueifern, diese unerlässlichen Pflichten treu zu erfüllen.

Seine Betrachtung war immer auf die Leiden des Gekreuzigten ausgerichtet. Während der Betrachtung im Chor vergoss er dicke Tränen, so dass ein großer Fleck auf dem Steinboden zurückblieb …“

Man begreift, dass gewisse Mitbrüder sich über ihn lustig machten. Um ihnen so ihre Spöttereien zu ersparen, pflegte er von da an gewöhnlich sein Taschentuch auf dem Boden auszubreiten, um die Tränen aufzufangen. Wenn dann der Obere das Zeichen zum Verlassen des Chores gab, packte er sein Taschentuch zusammen und so war auf dem Steinboden nichts mehr zu finden!

Schon daheim konnte er so weinen. Seine Mutter kannte zwar sehr wohl die Frömmigkeit ihres Sohnes, aber sie wusste nicht, dass es sich hier um die berühmte Gabe der Tränen handelte und sie dachte nicht ohne innere Beängstigung, er sei krank.

Was die Ernährung im Novizitat betrifft so war sie gewiss einfach, aber hinreichend für jugendliche Bedürfnisse. Für Francesco jedoch war der Speisesaal eine Buße. Es gelang ihm sogar heimlich seinen vollen Teller mit dem schon leeren seines Nachbarn zu vertauschen!

Damals noch stellte das Noviziat fürwahr eine harte Probe dar. In mancher Hinsicht hätte man meinen können, man sei ins Mittelalter zurückversetzt, aber wer diese Prüfung überstand, ging daraus mit einem gediegenen Charakter, einer widerstandsfähigen Spiritualität und einem heldenhaften Mut hervor.

*

Pater Pio wird es später eingestehen, dass er von seinem Noviziat keine gute Erinnerung bewahrt hatte … Jahre danach erzählte er in einem engeren Kreis von Vertrauten, die sich in seiner Zelle von San Giovanni Rotondo um ihn versammelt hatten, einige Brocken aus seinem vergangenen Leben, was jeder sich bemühte, schriftlich festzuhalten.

 

„Nach dem Noviziat, sagte er, musste ich alles von neuem anfangen. Ich hatte alles, ja alles vergessen. Und es konnte nicht anders sein, wenn man die Erziehungsmethode bedenkt, die zu dieser Zeit herrschte; es gab kein Buch, weder ein religiöses, noch ein weltliches. Den Novizen erlaubte man nur – und das war zwingende Norm – 15 Seiten zu lesen, und wenn man damit fertig war, fing man wieder von vorn an. Stellt Euch vor, was das ein ganzes Jahr lang bedeutet!

Sobald wir unser Frühstück, fuhr Pater Pio fort, das in drei oder vier kleinen Stücken gebackenen Brotes bestand, beendet hatten, ging man zum Obern hin, um ihm für das Frühstück zu danken, das die Vorsehung uns geschenkt hatte und man blieb so lange auf den Knien, bis er sagte, wir sollten auf unsere Zelle zurückkehren, wo man nur seine 15 Seiten zum Lesen und Nochmallesen fand! …“

Und er fügte hinzu: „Wenn wir unsere Kleider anzogen, wie viele haben wir dabei nicht beschädigt! Alles war gemeinsam. Wenn der Magister uns die Hemden gab, um sie anzuprobieren, ging es zu wie bei der Armee: lange oder kurze, enge oder weite. Und oft wurden die zu engen zerrissen und man legte sie einfach wieder an ihren Platz zurück!“

Es gab da im Noviziat auch die Bußübung des Augenniederschlagens … Man sollte niemals die Augen erheben ohne die ausdrückliche Erlaubnis des Oberen, um so die innere Sammlung zu bewahren und den Willen in Zucht zu halten … Man behauptet sogar, dass Pater Pio es nie gewagt habe, das Gewölbe der Kirche von Morcone anzuschauen. Die Straßen und Gässchen des Dorfes, die hat er nie gesehen!

„Wie groß war nicht der Schrecken meiner Mutter, fuhr Pater Pio vertraulich fort, als sie mich mit meinem Bruder und meinem Vater besuchen kam und als ich mit dem Pater Magister hinunterstieg, um sie zu begrüßen. Es war verboten, ohne die Erlaubnis des Magisters zu reden und die Augen zu erheben. Die Meinen waren tief beeindruckt und ihre Besorgnis wurde noch größer, als sie sahen, dass ich nicht zu ihnen redete und sie nicht anschaute … Ich hatte ja noch nicht die Erlaubnis dazu bekommen. Sie meinten, ich sei verblödet, während ich mich an ihren Hals hätte werfen mögen, um sie zu umarmen!“

Ja, dieses Leben der Buße und der Abtötung wird Pater Piero begierig auf sich nehmen. Er wusste, dass man die Leiden nicht um ihrer selbst willen lieben sollte, sondern weil sie ein Mittel zur Sühne für die Sünden sind und um sich mit dem Herrn in seinem Leiden zu vereinigen. Außerdem findet der Geist dabei Befreiung von der Knechtschaft des Leibes und so kann er sich froh auf die Wege der Beschauung emporschwingen.

Mit all seinen Kräften will der junge Ordensmann sich bis ins Leiden hinein Jesus angleichen und so wird er teilhaben an seiner Erlösersendung.

Aber man bedenke wohl! Frater Pio war erst fünfzehn Jahre alt! Und Gott hatte ihn wirklich vor den Augen aller verborgen …

Bereit für die große Sendung, die der Herr ihn hatte erahnen lassen, beendete er sein Noviziatsjahr am 22. Januar 1904, indem er seine zeitlichen Gelübde für drei Jahre ablegte.

Die ganze Nacht davor hatte erwachend und betend verbracht. Am Tage selber kamen zu sehr früher Stunde Mamma Peppa, sein Bruder Michael und Onkel Angelantonio im Kloster an. Um 11 Uhr 45 weite er sich Gott, indem er in die Hände des Vaters Francesco-Maria da Sant´Elia a Pianisi gelobte, im Gehorsam, Armut und Keuschheit zu leben. Mamma Peppa umarmte ganz gerührt den neu dem Herrn Geweihten: „Mein Sohn, sagte sie zu ihm, ja jetzt bist Du ganz ein Sohn des heiligen Franz. Möge er Dich segnen!“

Mamma Peppa, eine heilige Mutter!

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Quelle: Pater Derobert – Pater Pio durchsichtig auf Gott hin – Geistliches Bildnis aus den Briefen Pater Pios gewonnen. Hovine Verlag, Belgien und Frankreich, 1990, 814 Seiten.


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