1946
Doch nach sieben Monaten reinsten tiefsten Glückes kommt schon die erste Trennung des Kindes von mir. Es ist die Zeit der Entwöhnung, der ich bei jedem Kinde mit Bangen entgegensah. Denn wie mehr können Mutter und Kind so eng vereinigt sein als in der Zeit, da sie dem Kind die Brust zur Nahrung reicht. O wenn doch jede Mutter mit der rechten Liebe zum Kinde ihren Pflichten nachkäme und die nährende Liebe so lange als möglich schenken würde! Es müsste mehr glückliche Kinder und dann mehr glückliche Eltern geben. Die durch Gott geheiligte Liebe würde wachsen und ein glückliches, zufriedenes Geschlecht heranbilden.
Es ist Mai 1946. Wieder soll ich mein Mesmeramt in der Kapelle versehen. Doch wie kann ich denn jeden Abend vom kleinen Kind weg, das ich noch stille, und selber die Maiandacht halten? Es geht nicht und ich bin willens, die Maiandacht nur am Sonntag zu halten. Zuerst kommen doch die Pflichten als Mutter. Ich will das Amt in andere Hände übergeben. Doch die Verwaltung sagt, lieber nur am Sonntag Mai-Andacht halten, sie wisse niemand, dem sie das Mesmer-Amt übergeben könne. Ich betete zur himmlischen Mutter um Rat. Ich will nur, was Gott will. Ich sagte zum Gatten, er solle in die Kapelle. Aber er sagte ich solle es abgeben, es sei einfach der Arbeit zu viel.
In dieser Nacht träumte ich, wie ich den Altar schmücke mit Blumen. Nun zuletzt wollte ich eine Vase mit so großen schneeweißen Blumen wie Lilien zur Muttergottesstatue empor heben. Weil ich es nicht erlangen konnte, gab ich die Vase meinem Gatten, der neben mir stand. Und in dem Momente, als er die Vase mit den Blumen erhob, hatte die Gottesmutter nicht mehr den toten Heiland, sondern das holdeste Gotteskind auf dem Schoß. Es neigte sich zu uns, um die Vase in Empfang zu nehmen. Plötzlich erwachte ich und wusste: Meine himmlische Mutter will, dass ich weiter ihr im Heiligtum diene. Ich erzählte dies dem Gatten. Und von diesem Tage an nahm er mir willig diese Arbeit ab und ging fast jeden Morgen in die Kapelle, Ave Maria zu läuten.
Aber immer wenn ich in der Kapelle zu tun hatte, am Morgen und Abend, hat unsere liebe Maria geschlafen. Es war, als habe die Gottesmutter und ihre Engel sie in den Schlaf gewiegt.
Es kam der Herbst 1946.
Von den größten Freuden, die Gott mir schenkte, habe ich schreiben können. Doch nie kann ich in Worte kleiden, was meine Seele in tiefster Bedrängnis erlebt hatte. Diese Stunden und Zeiten sind nur Gott bekannt. Auch als glückliche Mutter habe ich jeden Tag vor dem Bilde des Gekreuzigten das Gebet verrichtet, welches Jesus mir im blendenden Lichte am Herz-Jesu-Freitag zu beten gab. Die Zeit meiner Mutterschaft war seelisch eine Zeit tiefsten Friedens und ich hoffte, es werde so bleiben. Doch es kamen mir tiefste Zweifel, ob das alles, was ich in diesen 6 Jahren erfahren musste, echt oder Täuschung sei. Warum hatte ich während meiner Mutterschaft so tiefe Ruhe? Und wenn ich versucht wurde, dieses Beten zu unterlassen, wusste ich ganz sicher: Jesus will, dass ich betete; Er hat es mir befohlen.
Und jetzt diese Bedrängnis, diesen Ringen und Kämpfen: beten hat keinen Erfolg? Und wenn ich’s bleiben lasse, kann ich doch nicht vergessen, was in tiefster Seele erlebt ist. Dazu kommen noch äußere Schwierigkeiten, Schaden und Unglück im Stall, dass mein Gatte in Schulden geraten muss. Und doch würde ich lieber selber hungern, als dem Nebenmenschen nicht geben können, was ihm gehört. Doch lieber würde ich äußeres Unglück und Widerwertigkeiten ertragen als all das Geheimnisvolle, von dem ich mit keinem Menschen sprechen kann, weil ich annehmen muss, ich sei allein, dass ich solches erfahre. Könnte ich doch wie andere Frauen und Mütter fühlen und erleben. Lieber wieder Mutterwürde und -bürde ertragen. Doch, mein Gott, verzeih mir! Ich habe ja Dir versprochen, allzeit Deinen heiligen Willen zu erfüllen. Denen, die Gott lieben, gereicht alles zum Besten, auch das Schwere und Schwerste.
Aber von meinen seelischen Erlebnissen kann ich nie sprechen. Mein Herz verschließt sich wie mit sieben Siegeln. Ich betete und flehte zu meiner himmlischen Mutter und zu Jesus, dass Er alles zum Besten wende und meinen Beichtvater erleuchte. Trotzdem meine himmlische Mutter mir dreimal zu erkennen gab, welchen Priester ich zu meinem Seelenführer wählen soll, kamen mir in Zeiten der seelischen Bedrängnis Zweifel, ob denn dieser Priester mich führen und leiten soll und könne, wenn ich mich doch nicht aussprechen könne.
1947
April 1947. In meiner Bedrängnis flehte ich zur himmlischen Mutter, die mir noch in jeder Lebenslage beigestanden ist, sie soll mir doch meinem Beichtvater und Seelenführer zu erkennen geben, dass ich ihm gehorche und mich von ihm leiten lassen kann. Ich bat sie, sie soll mich in der Nacht wecken. Und ich erwachte und betete, die Geheimnisse des schmerzhaften Rosenkranzes betrachtend, mit Tränen der Reue über meine Sünden. In tiefem Verlangen nach der hl. Kommunion fühlte ich mich ganz mit Jesus vereinigt und hörte die Worte: „Sag deinem Beichtvater: er steht zwischen Mir und dir. Er soll seine Beichtkinder fragen, ob es ihr Ernst sei, ihr Leben zu bessern. Und wenn ja, soll er ihnen Nacharbeit geben. Sie sollen jeden Tag ein Ave Maria beten mit der Bitte: Maria, führe mich zu Jesus. Solange sie beten, werden sie die Sünden meiden. Sie werden wieder kommen. Die Sünder werden sich bekehren. Sein Beichtstuhl aber wird belagert werden.“ Eine unbeschreibliche Liebe zum göttlichen Heiland durchdrang mir Herz und Seele. Ich kannte keine größere Sehnsucht, als Ihm durch Gebet und Opfer viele Seelen zu gewinnen. O unermessliche Gottesliebe, wie kann ich es ertragen? Ich hab so unzählige Male in meinem Leben Dich erzürnt und beleidigt. O könnte ich doch alles wieder gut machen!
Dabei erkannte ich, dass dies besonders dort soll verbreitet und angewandt werden, wo der Kommunismus herrscht; denn es werden falsche Propheten predigen und falsche Priester in den Beichtstühlen sitzen und dann die Gläubigen dem Verräter übergeben. Dies muss bekannt gemacht werden.
Doch nach diesen Freuden kamen die schwersten Bedrängnisse über meine Seele. Wie ein innerer Zwang wurde ich gedrängt, dieses Erlebnis niederzuschreiben und meinem Beichtvater zu übergeben. Ich weiß ja jetzt: dieser Priester steht zwischen Gott und meiner Seele. Doch ich war so voll Angst, er werde mich nicht verstehen, werde mir nicht glauben, es sei alles Täuschung, oder er halte es dafür. Unter den furchtbarsten Kämpfen (ich litt, soviel ich ertragen konnte) schrieb ich und übergab es dem Beichtvater. Aber noch nie habe ich solches ausstehen müssen. Ich fühlte, dass der Teufel an meiner Seite ging und mir einflüsterte: „Gehe nicht zu ihm, er hält dich für verrückt, verbrenne den Brief!“ Als ich bei der Kirche vorbeiging, sagte er an meiner Seite: „Schau nach der Uhr, es ist zu spät, gehe nicht!“ Und eine andere Stimme: „Tue, was jetzt getan werden muss! Er steht zwischen dir und mir.“ Unter der Anrufung der heiligsten Namen Jesus und Maria kam ich ans Ziel.
Juni 1947. Es wird mir so schwer, daheim meine Pflichten zu tun, wenn meine Seele so sehr nach ihrem Herrn und Gott verlangt, und ach, ich bin ja Seiner so unwürdig. So groß ist meine Schuld und Nachlässigkeit! O wie oft schon habe ich Sein heiligstes Herz beleidigt! Wie die Büßerin Magdalena umfange ich das Kreuz meines Erlösers, bitte Ihn um Gnade und Erbarmen.
Herz-Jesu-Fest. Ich ging zur hl. Beichte und vernahm von meinem Beichtvater die Warnung, ich soll aufpassen, dass nicht am Ende alles Täuschung sei. Mir wurde so bange und ich musste denken, wäre es möglich, sollte ich dies alles, was zwischen Gott und meiner Seele ist, vergessen können. In innigster Vereinigung mit Jesus in der hl. Kommunion bat ich Jesus unter Tränen, Er soll sich meiner erbarmen und mir zu erkennen geben, ob alles Wahrheit oder Täuschung sei, wenn Er gesagt habe, durch Seine hl. Wunden könne ich alles erlangen.
Sieh, mein Jesus, hier bin ich und übergebe mich Dir ganz mit Leib und Seele und allem, was ich bin und habe. Nimm mich an, so wie ich bin, als Dein Werkzeug für jene Sünder, an denen Dein heiliges Blut sonst verloren geht! Und all die Meinen gebe ich Dir, stelle sie dorthin, wo sie Dir am liebsten sind, nur gib mir Deinen heiligen Willen zu erkennen!
Da vernahm ich so deutlich: „Wie einst Judith, so opfere und bete für Dein Volk!“ Ich fühlte, wie eine Schwere mich drückte, und sagte: „Ich sehe jedoch keinen Erfolg.“ So unendlich lieb vernahm ich die Worte: „Dann komm zu meinen hl. Wunden!“ Mir war, als stehe ich zwischen Ihm und den unglücklichen Seelen, die aus Sünde und Not den Weg zu Ihm nicht finden.
O mein Gott, mein Erlöser, Dir übergebe ich mich ganz, wie Du willst, so geschehe alles zu Deiner Ehre! Ich hab Dich, mein Gott, so oft verlassen durch meine Gleichgültigkeit und hab durch meine Sünden Dein hl. Erlöserherz betrübt. Verzeihe mir meine Sünden! Lieber Heiland, ich kehre zu Dir zurück und will Dir treu bleiben, mag kommen, was will. Ich bin hineingestellt in Dein hl. Walten. Jesus, Dein heiligstes Blut geht an so vielen Seelen verloren. O mein bester, liebster Heiland, Deine grenzenlose Liebe zu uns, Deinen Erlösten, bewog Dich, Dein verwundetes Herz mir zu zeigen. Ich sah Deine neuaufgerissene Herzenswunde, Dein heiligstes Blut spritzte daraus bei jedem Schlag in unzähligen Tropfen. Und Du, mein Gott, sagst, an so vielen Seelen geht es verloren. Zutiefst in meine Seele drang Dein Blick, so abgrundtief, so voll Leid, und doch so unendlich lieb, so voll Erbarmen. Mein Gott, mein Alles!
(Fortsetzung folgt!)