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Die ‚evanglische Botschaft‘ von LOURDES – A. RAVIER, s.j.

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Das Cachot, rue des Petits Fossés …

… Hier, in diesem „Loch“ hat es begonnen. Es war ein Raum im Ausmaß von 4.40 m x 4 m, schmutzig, ungesund, düster, eine wahre „Höhle“, wie der kaiserliche Staatsanwalt Dutour es sagte.

Diesen Raum bezeichnete man mit dem gruseligen Namen „Cachot“ (Arrestlokal), denn das Haus von A. Sajous hatte einige Zeit lang als Gefängnis gedient. Die Behörden mochten aber dann wohl der Meinung gewesen sein, es sei zu grausam, Menschen in einem solchen Lokal einzusperren, besonders in diesem grässlichen Erdgeschoß; und die Häftlinge waren in weniger gesundheitsschädliche Räume überstellt worden.

 

Eine der ersten Aufnahmen von Bernadette,
und wohl die „echteste“.

Wenn man aber abgewirtschaftet hat, arbeitslos, krank ist, und eine Frau mit vier Kindern zu versorgen hat, begnügt man sich mit dem, was einem angeboten wird. Und da Vetter Sajous darin einwilligte (angeboten hätte er es nicht), die ganze Familie in diesem Elendsquartier unentgeltlich unterzubringen, war dieser Zufluchtsort ein unverhoffter Glücksfall. So zogen François Soubirous, der ehemalige Müller von Boly, seine Frau Louise Castérot, ihre beiden Töchter, Bernadette und Toinette, und die beiden Jungen, Jean-Marie und Justin, mit ihrer armseligen Habe ins „Cachot“ ein, an einem Maitag des Jahres 1856.

Schmal und kärglich ging es im Cachot her, aber man schlug sich durch; schlecht und recht, aber oft mehr schlecht als recht. Vater François fand Gelegenheitsverdienste, Mutter Louise ging in fremde Häuser arbeiten, man sammelte Reisig zum Heizen, alte Knochen, die für einige Sous verkauft wurden; man sparte an allen Ecken und Enden, und wenn nichts da war, aß man eben nichts … Zumal im Jahre 1856 in Lourdes und in der ganzen Umgebung Hungersnot herrschte.

Zwei schwache Flämmchen, ganz im Grunde des Herzens, verklärten jedoch diese ärmliche Behausung: es war das Licht der Liebe, der Liebe zueinander und zum lieben Gott. Im September 1857 schlug Marie Lagues, Bernadette´s Nährmutter, vor, die Kleine nach Bartres mitzunehmen; sie sollte dort die Schafe hüten und die Kinder beaufsichtigen. Hier verdiente sie einige Sous und konnte sich wenigstens satt essen … soweit ihr Magen die oft schwere Kost behalten mochte … Die ehemalige Pflegemutter war trotz ihres etwas barschen Wesens Bernadette sehr zugetan … Und manchmal kam François die drei Kilomet herauf, nach Bartres, um seine Tochter zu besuchen; es war ein kurzes Wiedersehen zwischen Vater und Tochter. Doch nichts kann das Heimweh von Bernadette stillen. Gegen Ende Januar kehrt sie ins Cachot zu den Ihrigen zurück … Schliesslich hat sie doch schon längst das Alter erreicht, sich ernstlich auf die hl. Kommunion vorzubereiten …

Relief von Lourdes im Jahre 1858 (Museum)

VOM „CACHOT“ ZUR GROTTE:
WEG, DEN BERNADETTE AM 11.2.1858 EINSCHLUSS.

1: Die Burg – 2. das Tor du Baous (später abgetragen) – 3. der Weg du Baous (heute Rue de la Grotte) – 4. die Alte Brücke. – 5. Der Waldweg (heute Rue Bernadette Soubirous) – 6. Die Savy-Mühle (später niedergerissen) – 7. Ehemaliger Pfad vom Waldweg zur Chalet-Insel – 8. Die Chalet-Insel (heute etwa Domaine de la Grotte) – 9. Mit Schotter bedeckte Landzunge, wo Bernadette Schuhe und Strümpfe auszog, als Aqueró ihr erschien – 10. Die Grotte der Erscheinungen – 11. Der Espélugues-Berg – 12. Der „Ferme des Espélugues“ genannte Hof – 13. Der Gave de Pau (heute etwas nach Norden abgedrängt) – 14. Der Mühlbach (um in die Grotte zu gelangen, musste Bernadette diesen barfuß überschreiten).

 

Einige Tage vergehen …

Donnerstag, den 11. Februar 1858 (1), gegen 11 Uhr vormittags, will Louise Soubirous das magere Mittagessen für die Familie kochen. Aber leider ist kein Holz mehr im Hause; man muss etwas Reisig holen. Ich ging, so erzählt Bernadette, zum Gave hinunter, um dort mit zwei anderen Mädchen dürre Äste zu sammeln. Die beiden anderen sind ihre Schwester Toinette und Jeanne Abadie, Baloume genannt. Sie nehmen einen alten Korb mit; man kann nicht wissen? Vielleicht finden sie zugleich mit dem Holz einige alte Knochen, die sie verkaufen könnten, um dafür Brot zu bekommen. Die drei Mädchen verlassen das Cachot, gehen zuerst nach links, wenden sich dann aber bald nach rechts, schlagen die Route du Baous ein, gehen durch das Tor du Baous (heute abgetragen) hindurch und weiter den Weg du Baous hinunter (heute Rue de la Grotte) bis zur Alten Brücke: dies ist eine gute Stelle, wo sie manche „Schätze“ für ihre Zwecke zu finden hoffen.

(1) bei der Schilderung der Erscheinungen folgen wir genau den acht handschriftlichen Berichten, die uns Bernadette hinterlassen hat. Die wörtlichen Zitate sind im Text kursiv gedruckt.

Da gibt ihnen die alte Pigou den Rat, über die Brücke hinaus bis auf die große Wiese des Herrn de La Fitte zu gehen, der dort Bäume gefällt habe, und noch weiter bis zum geheimnisvollen Massabielle (= der alte Felsen), vor dem der Mühlbach in den Gave fließt … Die drei Holzsammlerinnen halten dies für eine gute Idee. Sie nehmen zuerst den Waldweg (heute Rue Bernadette-Soubirous) und biegen dann auf einem schmalen Pfad zur Savy-Mühle ab. Als wir bei der Mühle waren, habe ich die beiden anderen gefragt, ob sie nicht weitergehen wollten, um zu sehen, wo der Bach in den Gave mündet. Sie waren einverstanden, und wir gingen den Mühlbach entlang. Von der Savy-Mühle bis zur schotterbedeckten Landzunge, der Chalet-Insel, die wie eine Lanzenspitze ins Wasser ragt, ist es nicht weit. Die drei Kinder sind bald beim Zusammenfluss angelangt. Aber weiter können Sie nicht gehen.

Da erblicken sie in einer Art Grotte, die vom Wasser des Gave in den Massabielle gegraben war, auf der anderen Seite des Mühlbaches, einen Haufen Holz und Knochen … Um dorthin zu gelangen, muss aber der eiskalte Bach durchquert werden. Bernadette, die an Atembeschwerden leidet, zögert; doch Toinette und Baloume sind rasch entschlossen. Meine beiden Gefährtinnen wateten durch den Mühlbach, der an der Grotte vorbeifloss. Sie fingen zu weinen an. Ich fragte sie, warum sie weinten, und sie antworteten mir, dass das Wasser sehr kalt sei. Ich blieb allein am anderen Ufer zurück. Ich rief ihnen zu, mir zu helfen, Steine ins Wasser zu werfen, damit ich nicht barfuß durch das Wasser zu gehen brauchte. Sie sagten mir aber, so zu tun wie sie. Da ging ich etwas flussabwärts, um eine Stelle zu suchen, wo ich, ohne die Schuhe auszuziehen, durchs Wasser kommen könnte. Aber vergeblich. Ich ging wieder in der Richtung der Grotte zurück und begann, meine Schuhe auszuziehen. Kaum hatte ich den ersten Strumpf ausgezogen, als ich ein starkes Brausen wie von einem Sturmwind hörte. Ich blickte in der Richtung der Wiese und sah, dass die Bäume dort ganz still waren. Ich fuhr also fort, meine Strümpfe auszuziehen. Da hörte ich wieder dasselbe Geräusch. Ich hob den Kopf und schaute nach der Grotte. Da erblickte ich eine weiß gekleidete Dame. Sie trug ein weißes Kleid, einen blauen Gürtel und auf jedem Fuß eine gelbe Rose von derselben Farbe wie die Kette ihres Rosenkranzes. Ich glaubte, mich zu täuschen, und rieb mir die Augen. Aber vergeblich, ich sah immer die gleiche Dame. Ich holte meinen Rosenkranz aus der Tasche hervor; dann versuchte ich, das Kreuzzeichen zu machen. Aber ich konnte meine Hand nicht bis zur Stirn führen; sie fiel herab. Eine immer stärkere Ergriffenheit bemächtigte sich meiner. Die Dame nahm den Rosenkranz, den sie in ihren Händen hielt und machte das Kreuzzeichen. Da versuchte ich, es ein zweites Mal zu machen, und es gelang mir. Sobald ich das Kreuzzeichen gemacht hatte, verschwand die große Ergriffenheit, die ich empfand. Ich kniete nieder und betete den Rosenkranz im Angesicht der Dame. Sie ließ die Perlen ihres Rosenkranzes durch die Finger gleiten, doch ihre Lippen bewegten sich nicht. Als sie mit dem Rosenkranz fertig war, winkte mich die Dame zu sich heran, aber ich wagte nicht, mich zu rühren, und bin immer an derselben Stelle geblieben. Da verschwand sie.

Ich begann, den anderen Strumpf auszuziehen, um das seichte Wasser zu durchqueren, das vor der Grotte war, und meine Gefährtinnen wieder zu erreichen. Aber Toinette und Baloume haben während dieser Viertelstunde ihre Zeit nicht vergeudet. Ein Reisigbündel liegt da, zusammengebunden, und der alte Korb ist voll mit Knochen. Sie wollen jetzt heimkehren, auf dem Pfad, der über den Espélugues-Berg führt. Der Weg ist hier steiler, doch wenn man 12 oder 14 Jahre alt ist … Bernadette ist übrigens mit einem Eifer bei der Sache, der ihre Kameradinnen in Erstaunen versetzt.

Auf dem Weg fragte ich meine Gefährtinnen, ob sie nichts gesehen hätten. „Nein“, antworteten sie. „Und du, hast du etwas gesehen? – O nein, wenn ihr nichts erblickt habt, so habe ich auch nichts gesehen“. Ich glaubte, mich getäuscht zu haben. Ich wollte Ihnen nichts sagen, aber sie haben mich so sehr gebeten, dass ich mich entschlossen habe, ihnen alles zu erzählen, unter der Bedingung aber dass sie mit niemandem darüber sprechen dürften. Sie versprachen mir, das Geheimnis zu bewahren. Da sagte ich ihnen, dass ich eine weiß gekleidete Dame gesehen habe, dass ich aber nicht wusste, was es sei. Dann sagten sie mir, ich sollte nicht mehr nach Massabielle zurückkehren, sie wollten es auch nicht mehr tun, denn sie meinten, es sei jemand, der uns etwas Böses antun könnte. Ich glaubte das nicht. Wir waren aber kaum zu Hause angekommen, als sie schon erzählten, dass ich eine weiß gekleidete Dame gesehen hätte.

Das Ende dieses Abenteuers war, dass, wenigstens was Bernadette und Toinette betraf, ihnen Louise mit dem Stock, der zum Deckenausklopfen diente, recht tüchtige Prügel versetzte … Baloume erhielt ihrerseits eine ordentliche Tracht … Doch wurden die alten Knochen für ein nettes Scherflein der Lumpenfrau verkauft, was alle wieder versöhnte … Und so endete die ganze Sache nicht allzu schlecht!

Beim Abendgebet, das François und Louise stets gemeinsam mit den Kindern sprechen, bricht Bernadette plötzlich in Schluchzen aus. Doch ihre Tränen sind Freudentränen! Vielleicht haben sie das Vaterunser und das Gegrüßet seist Du Maria – das ist ungefähr alles, was sie an Gebeten weiß – allzu deutlich an den wunderbaren Rosenkranz erinnert, den sie vor der Dame in der Grotte gebetet hatte?

Am Freitag ist Bernadette wieder in der Schule, bei den Schwestern, wo sie versucht, lesen und schreiben zu lernen. Samstag abends aber, nach der Schule, geht sie zu Abbé Pomian beichten und erzählt ihm im Vertrauen, was sich in Massabielle am Donnerstag zugetragen hat … Auf dessen Wunsch gestattet sie ihm auch, diesen Vorfall dem Herrn Pfarrer zu berichten, dem so schrecklichen und dabei so gutherzigen Abbé Peyramale.

Das zweite Mal geschah es am nächsten Sonntag, d. h. am 14. Februar. Eine innere Stimme drängte mich. (Ich wollte auch sehen), ob ich mich nicht getäuscht hatte. Meine Mutter hatte mir verboten, dorthin zu gehen. Nach dem Hochamt versuchten die beiden anderen Mädchen (Toinette und wahrscheinlich Baloume) und ich nochmals, sie um Erlaubnis zu bitten. Aber sie wollte nicht. Sie sagte mir, sie habe Angst, dass ich ins Wasser fallen könne und dass ich zur Vesper nicht zurück sein werde. Ich versprach ihr, rechtzeitig da zu sein. Da gab sie mir die Erlaubnis, mit mehreren Mädchen hinzugehen. Ich holte in einem Fläschchen Weihwasser aus der Kirche, um es auf die Erscheinung zu sprengen, wenn ich sie wieder in der Grotte sehen sollte … Wir liefen zur Grotte. Als wir dort ankamen, nahm jede ihren Rosenkranz; wir knieten nieder und begannen zu beten. Kaum hatte ich das erste Gesetzlein hergesagt, als ich dieselbe Dame erblickte. Sofort sprengte ich Weihwasser ihr entgegen und sagte ihr, wenn sie von Gott komme, zu bleiben, wenn nicht, so solle sie weggehen. Aber die Dame fing zu lächeln an und nickte nur. Da wurde ich von Angst erfasst und sprengte ihr noch mehr Weihwasser entgegen, bis ich schließlich den ganzen Inhalt meines Fläschchens vergossen hatte. Dann betete ich meinen Rosenkranz weiter. Als wir zu Ende waren, verschwand die Dame und wir kehrten zurück, um zur Vesper zu gehen … Doch scheint das Ende der Ekstase bewegter gewesen zu sein, als es aus diesem Bericht hervorgeht. Denn von der Blässe und Bewegungslosigkeit Bernadettes erschreckt, riefen ihre Begleiterinnen die Mutter des Müllers von Savy zur Hilfe; diese wieder holte ihren Sohn, Antoine Nicolau, der die immer noch in Ekstase befindliche Bernadette in die Mühle brachte. Erst als sie an der Schwelle des Gebäudes angelangt waren, kam Bernadette wieder zu sich.

(Fortsetzung folgt!)

Quelle: „LOURDES“, A. Ravier, s.j.


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