Am Montag, den 15. Februar ging sie ganz einfach wieder zur Schule. Nach dem Vormittagsunterricht, um 11:00 Uhr, verabreichte ihr eine Frau, Sophie Pailhasson, eine heftige Ohrfeige, und Schwester Anastasia, eine der Lehrerinnen, schalt sie erbarmungslos …
Die dritte Erscheinung findet am Donnerstag, den 18. Februar statt. Das zweite Mal erschien mir (die Dame), ohne etwas zu sagen; sie sprach erst das dritte Mal. Mme Milhet und Antoinette Peyret kamen schon am frühen Morgen ins Cachot, um Bernadette abzuholen … Die beiden Frauen hatten ihren Plan genauestens vorbereitet. Ich ging (zur Grotte) mit einigen Erwachsenen, die mir rieten, Papier und Tinte mitzunehmen und (die Dame) zu fragen, ob sie nicht die Güte habe, aufzuschreiben, was sie mir zu sagen habe. Und so tat es auch Bernadette, als nach einigen Ave des Rosenkranzes die Dame ihr erschien. Die Dame begann zu lächeln und meinte, was sie mir zu sagen habe, brauche nicht aufgeschrieben zu werden. (Sie bat mich), ob ich die Gnade haben wolle, 14 Tage nacheinander (zur Grotte) zu kommen. Ich sagte „Ja.“ Das Zwiegespräch zwischen der Dame und Bernadette dauerte etwas weniger als eine halbe Stunde. Dieser Tag ist es anscheinend auch gewesen, an dem die Dame zu Bernadette gesagt hat: „Ich verspreche Ihnen nicht, Sie auf dieser Welt glücklich zu machen, wohl aber in der anderen“.
Das Versprechen, vierzehn Tage hindurch nach Massabielle zu kommen, wird den Besuchern Bernadettes in der Grotte und den Erscheinungen von Aqueró („aqueró“, ein Dialektwort, das „dieses“ heißt und mit dem Bernadette die Erscheinung bis zum 25. März bezeichnet, an dem diese ihr den wahren Namen enthüllt) eine neue Wendung und einen neuen Sinn verleihen. Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse kommt Bernadette getreu 14 Tage lang zur Grotte zurück. Die Erscheinung zeigte sich alle Tage, außer an einem Montag und an einem Freitag. Im Bernadettes Erinnerungen bilden die 14 Tage eine geschlossene Einheit. In mehreren Berichten schildert sie: „Sie wiederholte mir mehrmals, ich solle den Priestern sagen, hier eine Kapelle bauen zu lassen, und ich solle zur Quelle kommen, um zu trinken und mich dort zu waschen, und ich solle für die Bekehrung der Sünder beten. Wenn sie das sagte, wurde ihr Gesicht traurig. Sie wiederholte mir mehrere Male dasselbe … Im Laufe dieser vierzehn Tage eröffnete sie mir drei Geheimnisse, aber sie verbot mir, sie jemand anderen zu sagen. Ich habe sie auch öfter gefragt, wer sie sei; sie antwortete mir aber nur durch ein Lächeln.“
Die Zeugenberichte ermöglichen uns, die verschiedenen Erscheinungen in allen Einzelheiten zu verfolgen. Es geschah nämlich so:
Die Erscheinungen vom Freitag, den 19. und Samstag, den 20. Februar sind so schlicht und einfach wie die Ekstase selbst. Es beginnt immer mit dem Beten des Rosenkranzes. Freude und Traurigkeit wechseln auf Bernadettes Antlitz ab.
Alles wäre so rein, so fromm geblieben, wenn nicht am Sonntag, den 21. Februar der Polizeikommissar Jacomet beschlossen hätte, von Bernadette durch Einschüchterung das Versprechen zu erhalten, dass sie nicht mehr zur Grotte zurückkehre: „Als ich am ersten Sonntag dieser vierzehn Tage aus der Kirche trat, fasste mich ein Stadtpolizist am Kapuzenmantel und forderte mich auf, ihm zu folgen … Ich ging mit ihm, und unterwegs sagte er mir, dass man mich schon ins Gefängnis bringen werde. Ich hörte ihn an, ohne etwas zu sagen, und so kamen wir zum Polizeikommissar. Er führte mich in ein Zimmer, wo er allein war, gab mir einen Stuhl, und ich setzte mich. Dann nahm er ein Blatt Papier und sagte mir, ich solle ihm erzählen, was in der Grotte geschehen sei. Das tat ich. Nachdem er einiges von dem, was ich ihm diktiert hatte, aufgeschrieben hatte, setzte er noch anderes hinzu, was mir unbekannt war. Dann sagte er, dass er mir alles vorlesen werde, um zu sehen, ob er sich nicht getäuscht habe. Ich hörte aufmerksam zu. Aber schon bei den ersten Zeilen bemerkte ich allerlei Irrtümer. Da rief ich sogleich: „Herr Kommissar, das habe ich Ihnen nicht gesagt“. Da wurde er zornig und behauptete, es sei doch so. Ich aber sagte immer wieder nein. Dieses Hin und Her dauerte einige Minuten, und als er einsah, dass er sich geirrt hatte, und ich ständig wiederholte, dass ich das nicht gesagt habe, las er weiter und begann wieder Dinge zu lesen, von denen ich niemals gesprochen hatte; ich versicherte wieder, dass es nicht so gewesen sei. So ging das weiter, es war immer dasselbe. Ich musste eine ganze Stunde oder sogar anderthalb Stunden dort bleiben. Von Zeit zu Zeit hörte ich, wie man mit Füßen an die Tür trat, Schläge an die Fenster und Männerstimmen, die riefen: „Wenn Sie sie nicht herauslassen, schlagen wir die Tür ein!“ Als ich endlich gehen konnte, führte mich der Kommissar bis zur Tür, öffnete sie, und da sah ich meinen Vater, der mich mit Ungeduld erwartete, und auch eine Menge anderer Leute, die mir von der Kirche her gefolgt waren.“ Jacomet erlangt das Versprechen von François Soubirous, dass er seiner Tochter verbieten werde, zur Grotte zurückzukehren.
Am Morgen des 22. Februar, einem Montag, geht also Bernadette brav zur Schule und nicht nach Massabielle. Zu Mittag drängt sie wieder darauf, das Verbot aufzuheben. Weigerung der Eltern. Um ganz sicher zu sein, begleitet die Mutter ihre Tochter bis zum Schultor. Hier aber fühlt sich Bernadette von einer „unwiderstehlichen Gewalt“ nach Massabielle getrieben … Sie eilt zur Grotte hinab. Aber die Dame erscheint nicht. Am Abend nimmt Jacomet auf Anraten des Bürgermeisters Abadie-Lacadé sein Verbot zurück.
Und Dienstag, den 23. Februar ging Bernadette noch vor Sonnenuntergang wieder zur Grotte. Etwa hundert Personen umgeben sie, als sie sich, wie gewöhnlich, niedergekniet, ihre Kerze entzündet und ihren Rosenkranz aus der Tasche zieht. Kaum hat sie einige Ave hergesagt, als die Verzückung unter den bisher vertrauten Anzeichen beginnt: Lächeln und Verbeugungen, rührende Bekreuzigungen, ein Wechselspiel von Freude und Traurigkeit. Und dies eine Stunde lang. An diesem Tag dürfte sie die Dame „Wort für Wort“ jenes „kleine Gebet“ gelehrt haben, das „nur für (ihre) Nöte bestimmt war“, und das sie von nun an „bei allen Erscheinungen“ sprechen wird, und sogar jeden Tag ihres Lebens.
Während der Verzückung vom Mittwoch, den 24. Februar, die sich vor mehr als 200 Personen abspielt, ereignet sich etwas Neues. Nach einigen Minuten wird Bernadettes Gesicht traurig und ihre Augen füllen sich mit Tränen. Auf den Knien rutschend, nähert sie sich der Höhlung in der Grotte, die mit der Außennische in Verbindung steht. Das Kind spricht mit der Dame, die jetzt ganz nahe vor ihm steht. Es lächelt. Bernadette nähert sich so dem inneren Teil der Grotte, wendet sich und kehrt zurück. Dies dauert einige Minuten. Ihr Lächeln geht in Weinen über und das Weinen in Lächeln. Von Zeit zu Zeit küsst sie den Boden.
Als sie nach der Ekstase über ihr sonderbares Benehmen befragt wird, ist Bernadette ganz erstaunt, dass niemand der Umstehenden gehört habe, was ihr die Dame im Dialekt von Lourdes gesagt habe. Und ohne sich bitten zu lassen, verkündet sie die Botschaft, die ihr anvertraut wurde: „Buße … Beten sie zu Gott für die Bekehrung der Sünder …“ Und die Dame habe sie auch gebeten, „auf den Knien zu ihr hinzurutschen und zur Buße für die Sünder die Erde zu küssen“.
Die Verzückung vom Donnerstag, den 25. Februar, verstärkt noch die Bußehandlungen. Wie am Vortag rutscht Bernadette auf den Knien und küsst die Erde. Die am nächsten Stehenden hören sie sogar mit leiser, hauchfeiner Stimme: „Buße … Buße … Buße …“ flüstern. Aber was noch seltsamer ist: Sie sagte mir, zu der Quelle zu gehen, zu trinken und mich dort zu waschen. Da ich keine Quelle erblickte, ging ich zum Gave um dort zu trinken. Sie sagte mir aber, es sei nicht dort; sie zeigte mir mit dem Finger die Quelle unter den Felsen. Als ich dort war, sah ich nur ein bisschen schmutziges Wasser. Ich berührte es mit der Hand. Ich konnte es nicht trinken. Dreimal warf ich es fort. Erst das vierte Mal konnte ich es trinken … Sie sagte mir, ich solle Gras essen, das an derselben Stelle war, wo ich trank. Dieses ständige Hin und Her, dessen Beweggründe den Anwesenden entgeht, ruft bei diesen eine Enttäuschung hervor. „Sie ist verrückt“, wird gesagt … Einige Minuten später ist die Ekstase zu Ende und Bernadette geht still und ruhig nach Hause.
An diesem Tage hat sich Kommissar Jacomet nach Tarbes begeben, um den Präfekten Massy zum Eingreifen zu veranlassen. Umsonst. Nach Lourdes zurückgekehrt, hat er mehr Erfolg beim kaiserlichen Staatsanwalt Dutour, der die Tochter von François Soubirous noch am selben Abend, um sechs Uhr, zu sich ins Büro rufen lässt.
„Ich ging mit meiner Mutter zu ihm. Und da fragte man mich, wie das in der Grotte geschehen war. Ich erzählte alles und er schrieb es auf. Dann las er es mir vor, wie es der Polizeikommissar getan hatte, das heißt, auch er hatte einige Dinge aufgeschrieben, die ich nicht gesagt hatte. Da rief ich: „Mein Herr, das habe ich Ihnen nicht gesagt!“ Er behauptete, ich habe es doch so gesagt, ich antwortete Nein. Endlich, nachdem wir genug gestritten hatten, gab er zu, dass er sich geirrt hatte, und las weiter. Aber er irrte sich immer wieder, er sagte, dass er die Schriften des Kommissars habe, und dass es nicht das gleiche sei. Ich wiederholte immer wieder, dass ich ihm dasselbe gesagt habe und dass es die Schuld des Kommissars sei, wenn er sich geirrt habe. Da sagte er zu seiner Frau, den Kommissar holen zu lassen, und auch einen Polizisten, um mich noch diese Nacht ins Gefängnis zu bringen. Meine arme Mutter weinte schon seit einer Weile; sie sah mich von Zeit zu Zeit an, und als sie hörte, dass man uns ins Gefängnis werfen wolle, da fing sie noch stärker zu weinen an. Ich tröstete sie und sagte zu ihr: „Warum weinst Du denn, dass wir ins Gefängnis kommen sollen? Wir haben doch niemandem etwas Böses getan“. Da bot er uns Stühle an, indem er weg ging, damit wir auf die Antwort warten. Meine Mutter nahm einen, denn sie zitterte am ganzen Körper, weil wir schon seit zwei Stunden stehen mussten. Ich aber dankte dem Herrn Staatsanwalt und setzte mich auf den Boden, wie die Schneider. Draußen warteten einige Männer auf uns, und als sie sahen, dass niemand herauskam, schlugen sie mit ihren Fäusten an die Tür, obwohl der Polizist da war; er konnte sie aber nicht davon abhalten. Mehrere Male steckte der Staatsanwalt den Kopf zum Fenster hinaus und bat um Ruhe; sie aber riefen, man solle uns herauslassen, sonst würden sie nicht aufhören. Da war er endlich bereit, uns fortzuschicken; er sagte, dass der Kommissar keine Zeit habe und dass die Sache auf den nächsten Tag aufgeschoben sei.“
(Fortsetzung folgt!)
Quelle: „LOURDES“, A. Ravier, s.j.