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Der freundliche »Schwarze Bauer« von Arizona

Tiroler Missionar wurde der Heroische Tugendgrad zuerkannt

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Das 1966 errichtete Mausoleum im mexikanischen Magdalena de Kino beherbergt die wiederaufgefundenen Gebeine von Pater Kühn.

Dem Tiroler Missionar Pater Eusebius Franz Kühn SJ, später unter dem Namen Eusebio Francisco Kino bekannt, wurde vom Vatikan der heroische Tugend­grad zuerkannt. Der am 10. Juli bekanntgegebene Schritt ist eine wichtige Stufe für eine mögliche Seligsprechung des aus dem Trentino stammenden Jesuiten. Das gesamte Gebiet der heutigen Gemeinde Taio (dt. Theyl) gehörte damals zum Hochstift Trient, war also mittelbares Herrschaftsgebiet der gefürsteten Grafschaft Tirol.

Pater Kühn stammte aus einer alteingesessenen, seit 1380 nachweisbaren Familie. Er wurde am 10. August 1645 in Segno (heute Gemeinde Taio am Nonsberg) geboren. Der Name Kühn, oder Chini, ist heute noch im Nonstal häufig. Ein Vorfahre, Dr. Simone Chini, Notar und Richter, war von Kaiser Karl V. geadelt worden. Ein Verwandter von Eusebius, der Jesuitenpater Martinus Martini (1614-1661), wirkte in Peking und gab die erste brauchbare Chinakarte (Novus Atlas Sinensis) und eine Geschichte Chinas (Sinicae Historiae decas prima) heraus. Die Verwandtschaft mit dem Jesuitenmissionar Martini und die religiöse Erziehung im katholischen Nonstal, später im Jesuitenkolleg in Trient und im Jesuitengymnasium in Hall, halfen den Weg für eine Berufung zu bahnen. Nach einer schweren Krankheit trat Eusebius 1665 in die Gesellschaft Jesu ein.

Dreimonatige Seereise

Er studierte in Innsbruck, München, Ingolstadt und Freiburg. Sein Ziel war China. Pater Kühn segelte mit 18 Mitbrüdern von Genua nach Cádiz. Dort wartete die spanische Amerikaflotte, sie sollte einige Jesuiten nach Amerika bringen und andere (mit Kühn) sollten nach dem Passieren der Landenge von Panama in Richtung Philippinen und China weiterreisen. Doch Kühns Schiff kam nicht rechtzeitig in Cádiz an und somit zu spät zur Abreise der Amerikaflotte. Die nächs­te Expedition war nicht früher als in zwei Jahren geplant. Pater Chini nützte die Zeit zum Erlernen von Sprachen und für astronomische Forschungen. Er studierte den Kometen von 1680/81. Hier erfuhr Pater Kühn auch, dass er nicht nach China, sondern nach Neu-Spanien, in das heutige Mexiko und Arizona (arida zona = trockenes Land), reisen sollte. Er landete nach einer dreimonatigen Seereise im Frühjahr 1681 in Vera Cruz an der Ostküste Mexikos. Sein Ziel war Kalifornien (calida fornax = heißer Ofen), und zwar die langgestreckte Halbinsel im Westen Mexikos, von der man damals annahm, dass sie eine Insel sei. Kühn nannte Kalifornien, Baja California, die schönste Insel der Welt. Es gab dort allerdings eine große Zahl von Gefahren: die Wüste, Schlangen, Skorpione, Hitze, Durst, feindliche Indianerstämme und Stürme. Der ersehnte »Weinberg des Herrn« zeigte sich trostlos.

Pater Kühns erste Expedition führte ihn 1683 als Missionssuperior an die Südspitze der kalifornischen Halbinsel. Nach einigen friedlichen Tagen eröffneten spanische Soldaten das Feuer auf Indianer, die sie für Lebensmitteldiebe hielten. Die Indianer vernichteten mit einer Übermacht die Siedlung der Weißen, nur einige konnten sich mit Mühe auf die Schiffe retten und auf das Festland zurückkehren. Nach mehreren erfolglosen Expeditionen fand sich für Kühn ein neues Arbeitsgebiet, und zwar im heutigen mexikanischen Sonora, in Cucurpe, dem Ort, wo »die Taube singt«. Er wurde dort Berater des Vizekönigs von Mexiko. Von hier aus erforschte und kartografierte er mit seinen Gefährten weitere Missionsgebiete und gründete die Missionsstation Dolores, die ihm fast ein Vierteljahrhundert als Stützpunkt diente. Pater Kino kannte aus seiner Heimat Ackerbau und Viehzucht. So schuf er in kurzer Zeit Bewässerungsanlagen, rodete das Land und pflanzte Weinreben. Feinde schuf er sich unter den Medizinmännern der Indianer, die ihren Einfluss schwinden sahen, und unter den spanischen Minenbesitzern, die ihre Bergarbeiter ausbeuteten. Beim Generalvisitator gingen Beschwerden ein, ein Besuch überzeugte diesen, so dass Pater Kühn sein Lebenswerk fortführen durfte.

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Statue im Geburtsort des Tiroler Missionars. In seinem Wirkungs­gebiet in Nordamerika war er häufig zu Pferd unterwegs. Die Bezeichnungen »erster Rancher« und »erster Cowboy« unterstreichen seine Bedeutung für die Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika, weswegen er auch eine Statue in der »Ruhmeshalle« im Kapitol in Washington erhielt.

Pater Kühn kam kaum aus dem Sattel. Sein Bett war die Pferdedecke, sein Kissen der Sattel. Er taufte, brachte Kranken Hilfe, tröstete Sterbende und begrub Tote. Indianer plünderten Missionen, töteten Missionare und brannten die Farmen der weißen Eindringlinge nieder. Die spanische Kavallerie wurde gerufen, man besann sich auf Pater Kühn, ihm und einem spanischen General gelang es, 1695 einen Friedensvertrag zu schließen.

Die kalifornische Halbinsel war als Ausgangspunkt für die Reise zu den Philippinen und nach China von strategischer Bedeutung. Pater Kühn wurde 1697 ausgesandt, um die Insel in Richtung Norden zu erforschen. 1701 erreichte er den Colorado River und fand heraus, dass eine Landverbindung zum Kontinent bestand, Baja California also keine Insel war. Insgesamt legte er mehr als 35.000 Kilometer zurück, fertigte von all seinen Fahrten genaues Kartenmaterial an und hinterließ geografische Werke in spanischer Sprache.

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Modernes Porträt des Missionars, nach seinen Verwandten im Nonstal gezeichnet.

Ernennung zum »Hofkosmografen«

Seine 1705 in Europa gedruckte Karte der Halbinsel blieb lange die genaueste. Zum Dank für seine Leistungen ernannte ihn König Philipp V. zum »Hofkosmografen«. Bis 1711, bis zu seinem 66. Lebensjahr, bereiste Pater Kühn unermüdlich die Wüste als Missionar und Lehrer. Trotz seiner Arthritis ritt er 1711 noch zur Einweihung einer Kapelle nach Magdalena (jetzt Magdalena de Kino, 68 km südlich der Grenze zwischen den USA und Mexiko). Am 15. März 1711 wurde Kühn – so einige Tiroler Geschichtswerke – von einem Tarahumara-Indianer erschossen. Andere berichten, er sei an einem Fieber gestorben. Er wurde in der Nähe der von ihm gegründeten Missionsstation in Magdalena begraben.

Sein Ziel, die Missionierung ganz Kaliforniens, die Befriedung der Apachen und die Verbindung zum Missionsgebiet in Französisch-Kanada erreichte er nicht. Er war freundlich, mutig, asketisch und galt als Missionar, dessen wichtigstes Anliegen das Wohlergehen der Indianer war. Nach 250 Jahren entdeckte man das Grab und seine sterblichen Überreste wieder. Heute befindet sich über dem Grab ein kleines Mausoleum. Von manchen der von Kühn gegründeten Dörfer und Kirchen bestehen heute noch Ruinen, so in Tumacacori. Diese Denkmäler der Zeit werden heute wieder restauriert und instand gesetzt. Nach Kino sind Straßen, Orte (Bahia Kino an der Küste des Golfes von Kalifornien), Flüsse und Täler benannt.

Als der »Reitende Pater« ging er in die Geschichte des Landes ein. Heute gibt es fünf große Denkmäler, die an ihn erinnern. Als Staatsgründer von Arizona wurde ihm zum 250. Todestag eine Statue im Kapitol in Wa­­shington errichtet. Das Denkmal sollte seine Gesichtszüge zeigen, diese waren aber nicht bekannt. Der Jesuit Ernest J. Burrus fuhr daher ins Nonstal und fotografierte Mitglieder der Familie Chini. Anhand der Fotos wurde ein Porträt geschaffen. Mit zwei Reiterstandbildern als »Padre on Horseback« wird Kino in Hermosillo in Sonora und vor dem Kapitol in Phoenix geehrt. Ein weiteres Denkmal ist in Nogales (an der Grenze zwischen Mexiko und den USA) und das nächstgelegene im Park vor dem Bahnhof von Trient in der Nähe des Dante-Denkmals. Es zeigt die »gefiederte Schlange«, den Quetzalcoatl, eine Gottheit des alten Mexiko.

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Die vom Kartographen Nicholas de Fer handkolorierte Karte geht auf Pater Kühn zurück. Ihr Titel: »Kalifornien oder New Carolina. Ort der apostolischen Werke der Gesellschaft Jesu in Nordamerika«. Kalifornien ist noch als Insel dargestellt.

Der Tiroler zeichnete sich durch eine freundliche Haltung gegenüber den nordamerikanischen Indigenen aus. Die Indios nannten ihn wegen seines Talares den »schwarzen Bauern«. Von vielen Mexikanern wird der Ordensmann als Heiliger verehrt. Kühn gilt nun offiziell als besonderes Glaubensvorbild. Für eine Seligsprechung ist zusätzlich die Anerkennung eines Wunders nötig, das auf seine Fürbitte hin geschehen ist.

Dr. Heinz Wieser

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Quelle: Osservatore Romano 40/2020


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