[Fortsetzung zum 4. Teil]
5. Die Maske fällt (2012)
Mgr. Fellay hat das Motu Proprio Summorum pontificum als einen sehr positiven Akt präsentiert, als Frucht von mehr als einer Million Rosenkränzen; er hat Benedikt XVI. als eine integere Person beschrieben, die sich sehr sorgt um die Kirche; er hat ihm gedankt für die Vergebung einer Exkommunikation, die nicht nur ungerecht, sondern auch inexistent war, und die folglich keiner Vergebung bedurfte; er verschmähte die Kommentare und Warnungen bezüglich der anti-christlichen Taten und Worte Benedikts XVI.; er hat die Priester der FSSPX, die diese Taten und diese Worte kritisierten, etc., streng getadelt.
Aber man kann nicht auf unbestimmte Zeit den großen Abweichler machen, zwischen zwei Stühlen sitzen, und zwei unversöhnlichen Parteien wohlgefällig sein. Er musste wohl irgendwann wählen. Dieser Augenblick fand statt im März 2012, in der internen Revue der Mitglieder der Bruderschaft. Dort warf Mgr Fellay offiziell die klaren Entscheide des Kapitels von 2006 durch einen elenden Sophismus in den Abfalleimer: jenen einer angeblichen „neuen Situation“, die eine neue „Ausrichtung“ erfordere. Der Entscheid des Kapitels von 2006 sei nicht ein „Prinzip“, sondern „eine Leitlinie des Verhaltens/Vorgehens, die unsere konkrete Aktion regeln muss“. Einer verrückten Unvorsichtigkeit fügte Mgr Fellay einen schwerwiegenden Ungehorsam hinzu.
„Wir befinden uns hier im Angesichte einer Denkweise, deren Obersatz die Behauptung des Prinzips des Primats des Glaubens ist, um katholisch zu bleiben. Der Untersatz ist ein historischer Befund der gegenwärtigen Situation der Kirche, und die praktische Konklusion ist inspiriert von der Tugend der Vorsicht, die das menschliche Handeln reguliert: kein Suchen nach einem Abkommen zum Schaden des Glaubens. Im Jahr 2006 türmen sich weiter die Häresien; die Autoritäten selbst propagieren den modernen und modernistischen Geist des II. Vatikanums und auferlegen ihn allen wie eine Strassenwalze (dies ist der Untersatz). Unmöglich, ehe sie nicht bekehrt sind, zu einem praktischen Abkommen zu gelangen; wir würden zermalmt, in Stücke gehauen, zerstört oder so stark unter Druck gesetzt, dass wir nicht widerstehen könnten (das ist die Konklusion). Wenn der Untersatz ändern würde, d.h. wenn es eine Veränderung in der Situation der Kirche bezüglich der Tradition gäbe, könnte dies eine entsprechende Modifikation der Konklusion erforderlich machen, ohne dass unsere Prinzipien in irgend etwas geändert hätten! Da sich die göttliche Vorsehung durch die Realität der Tatsachen ausdrückt, müssen wir, um ihren Willen zu kennen, aufmerksam die Wirklichkeit der Kirche verfolgen, beobachten, eingehend untersuchen, was in ihr vor sich geht. Nun aber besteht keinerlei Zweifel, dass wir seit 2006 einer Entwicklung in der Kirche beiwohnen, einer wichtigen und sehr intressanten Entwicklung, wenn auch wenig sichtbar.“ (Mgr. Fellay, Cor unum, März 2012)
Das ist alles reines Hirngespinst. Im Jahr 2012 propagierten die Autoritäten immer noch den modernen und modernistischen Geist des II. Vatikanums! Für Kardinal Ratzinger „gibt es keine Tradition. Es gibt kein weiterzureichendes „Depot“ (Hinterlage). Die Tradition in der Kirche, das ist, was der Papst heute sagt. Ihr müsst euch dem unterwerfen, was der Papst und die Bischöfe heute sagen. Für sie ist das die Tradition, die berühmte lebendige Tradition, das einzige Motiv unserer Verurteilung. … Das ist die Tyrannei der Autorität.“ (Mgr Lefebvre zitiert von Mgr. de Galarreta, Albano, 7.10.2011)
Das Lehramt Benedikt’s XVI. sagt nicht nur oft Irrtümer, (hinsichtlich der Juden, der falschen Religionen, der Weltregierung, der Auffassung sogar des Glaubens, usf.), sondern ist auch ein kalkuliertes Wechselspiel zwischen dem Irrtum und der Wahrheit. Wer nicht fähig ist, sich dessen bewusst zu werden und daraus die Konsequenzen zu ziehen, ist nicht fähig, eine religiöse Gemeinschaft zu führen in Zeiten der Krise.
Der Generalobere hätte sich schlicht und einfach dem Willen des Generalkapitels von 2006 unterwerfen müssen. Denn „das Generalkapitel hat mehr Machtbefugnisse als der Generalobere, den es wählt. Er kann Gesetze erlassen oder wenigstens Maßnahmen ergreifen, die bis zum nächsten Kapitel in Kraft bleiben müssen.“ Nun ist dem doppelten Willen des Kapitels von 2006 bezüglich der Beziehungen mit Rom (die Einberufung eines außerordentlichen Generalkapitels und das unmögliche rein praktische „Abkommen“) vom Generaloberen öffentlich widersprochen worden. Ein Generaloberer, der sich offen den Willensäußerungen des Kapitels seiner Kongregation widersetzt, kann er noch die Standesgnade in Anspruch nehmen und fordern, dass man ihm gehorcht? Gemäß dem Littré (Dictionnaire de la langue française) hat die Umgangssprache für „Standesgnade“ nur die Deutung von „Illusionen verbunden mit einer Bedingung, und die sie erträglich macht“. Das Wörterbuch der Spiritualität, das einen interessanten Artikel diesem Thema widmet, bemerkt diesbezüglich: „wenn der Sinn davon karikiert wird, ist die Karikatur nicht ohne Grund geboren“. Dieses selbe Wörterbuch macht auch nützliche Bemerkungen, um den Missbrauch dieses Begriffs zu vermeiden:
„Es ist abwegig, die Standesgnaden als Hilfen aufzufassen, die automatisch die Defizite des Temperaments, der Fähigkeiten, der Vorbereitung auffüllen würden, wie wenn es genügen würde, zu einer Aufgabe gesandt zu sein, um befähigt zu werden, sie zu erfüllen. Als ob Gott verpflichtet wäre, die ausgleichenden Standesgnaden zu gewähren. Die Standesgnade ist nicht Garantie der Unfehlbarkeit für die Oberen, sie ist nicht ein Schnell-Imbiss der Wissenschaft dem Ignoranten, der Professor geworden ist, und so weiter; sie ist nicht ein Allheilmittel. […] Man muss sich bereiten auf die Standesgnaden wie auf alle Gnaden, sie bestmöglich verdienen, mit einer völligen und dauerhaften Gelehrsamkeit gegenüber den Einladungen des Heiligen Geistes. Dies wäre in der Tat eine Illusion sich einzubilden, Gott gewähre Standesgnaden sozusagen mechanisch. Wenn Gott seine Gnaden auch stetsfort darbietet, werden diese nur empfangen nach Maßgabe der Dispositionen des Empfängers.“
Überdies war Mgr Fellay am 13. Juni 2012 bereit, mit Rom ein Abkommen auf einem Fundament voller Konzessionen und doktrineller Kompromisse zu unterzeichnen. Mgr. Fellay selber hat gesagt: „Das Gespräch vom 13. Juni mit Kardinal Levada hat in der Tat bestätigt, dass der Vatikan“ uns „eine kanonische Lösung“ auf der Basis „meines Briefes vom 14. April 2012“ angeboten hat, wo „gleichzeitig gesagt werden musste, dass man einverstanden sei und dass man nicht einverstanden sei“. „Dieser äußerst delikate Brief scheint vom Papst und von den Kardinälen genehmigt worden zu sein.“ (Cor Unum Sommer 2012) Nun aber ist dieser Brief heute bekannt und er enthält eine schlicht und einfach skandalöse doktrinelle Erklärung. Und wenn Mgr Fellay de facto nichts unterzeichnet hat am 13. Juni 2012, ist es, weil „die neue Erklärung leider im neuen aktuellen Kontext der Bruderschaft nicht durchgehen wird“, wird Mgr Fellay an Bendikt XVI. schreiben.
„Zwischen Rom und Menzingen… war das Abkommen virtuell abgeschlossen. Benedikt XVI. hatte es erträumt – die Kardinäle hätten es gemacht.“ [Côme de Prévigny – Rorate Caeli, 26. Juni 2012] „Alle Zeitungen hatten ihrerseits getitelt, dass der Text von Mgr Fellay gutgeheißen worden war und dass es fortan nur eine Frage von Tagen sei.“ [Ennemond – FECIT, 21. Oktober 2012]
„Es ist wahr, dass am vergangenen 13. Juni Kardinal William Levada Mgr. Bernard Fellay, dem Superior der FSSPX, einen Text überreicht hatte, der zu ratifizieren war. Gegen alle Erwartung, während die Prognosen optimistisch waren, wurden dem Text neue und überraschende Forderungen hinzugefügt und bildeten den Stillstand nach neun Monaten der Gespräche. […] Das letzte Kommuniqué der FSSPX weist darauf hin, dass sie Rom eine Erklärung überreichen werde. Dieser Text wird zweifellos als Grundlage zu den weiteren Beziehungen dienen. Jene, die denken, dass sie der Schlusspunkt sind, dass die Verantwortlichen der Bruderschaft definitiv die Idee aufgegeben haben, den Ungerechtigkeiten, die sie niederdrücken und jene, die Tradition der Kirche in Rom voll zu restaurerieren, riskieren in den Tagen und Wochen die kommen, sich vergeblich gefreut zu haben .“ [Côme de Previgny – Rorate Caeli, 15. Juli 2012]
Er hat also nichts unterschrieben, aber er hat unterschreiben wollen, und „wer eine Frau mit Lüsternheit auch nur ansieht, hat bereits Ehebruch mit ihr begangen in seinem Herzen.“ Im „Text, den man Mgr. Felay im Monat Juni präsentierte“, hatte es vom Papst persönlich gewollte Modifikationen (die drei Bedingungen: Lehramt, II. Vatikanum, Messe Pauls VI), die in allzu schockierender Weise erklärten, was sich Mgr Felly zu verbergen bemüht hatte, um „die öffentliche Meinung der FSSPX nicht abzuschrecken“.
„Als man mir dieses Dokument übereicht hatte, habe ich gesagt: ‹Nein, ich unterschreibe nicht, die Bruderschaft unterschreibt nicht›“ (Mgr Fellay, 1.11.2012, DICI 264)
Wenn diese Änderungen Mgr Fellay zum Entschluss gebracht haben, nicht zu unterschreiben, so weil es an diesem Tag sehr wohl etwas zu unterschreiben gegeben hat. Zu sagen: „Nein, ich unterschreibe nicht“ enthält stillschweigend, dass es auch die andere Möglichkeit gegeben hat: „Ja, ich unterschreibe“.
Und in diesem Falle, was konnte er im Namen der Bruderschaft unterschreiben, wenn es nicht ein praktisches Abkommen ohne eine doktrinelle Einigung ist? Schlimmer ein praktisches Abkommen auf der Grundlage einer quasi-totalen Kapitulation mit seiner doktrinellen Erklärung vom 15. April, und dies gegen den Willen des Kapitels von 2006 und ohne Versammlung eines außerordentlichen Kapitels.
Mgr. Williamson hat das aktuelle Problem, das diese Erklärung von Mgr Fellay enthält, in einem Offenen Brief an die Priester der Bruderschaft St. Pius X. gut synthetisiert.
„Hochwürdige Patres, wer diese zehn Paragraphen im ursprünglichen Text studiert, kann nur schließen, dass ihr Autor oder die Autoren den Kampf Mgr. Lefebvre’s für die Tradition aufgegeben haben, und dass sie sich dem Geiste Vatikan II. angeschlossen haben. Wollt Ihr, dass Ihr selber und Eure Herde geformt/bearbeitet werde von diesen Oberen? Dass man auch nicht sage, dass die zwei ersten und die drei letzten der zehn Paragraphen weitgehend entnommen sind dem eigenen Protokoll von Mgr Lefevbvre vom 5. Mai 1988, derart, dass die Erklärung ihm treu sei. Es ist wohlbekannt, dass er am 6. Mai dieses Protokoll zurückgewiesen hat, weil er selber erkannt hat, dass er zu viele Konzessionen gemacht hatte, dass die Bruderschaft in der Lage sei, die Tradition weiterhin verteidigen zu können. Ein weiterer Irrtum ist zu sagen, dass die Gefahr vorbei ist, weil die Erklärung durch den Generaloberen „zurückgezogen“ worden sei . Die Erklärung ist die vergiftete Frucht dessen, was ein liberaler Geisteszustand geworden ist am Gipfel der Bruderschaft, und dieser Geisteszustand ist nicht erkannt und noch weniger widerrufen worden. […] Das Problem ist weniger das Abkommen, als der Wunsch nach irgendeinem Abkommen, das der Bruderschaft eine offizielle Anerkennung brächte, und dieser Wunsch ist immer noch da. In der Gefolgschaft zur modernen Welt und der konziliären Kirche scheinen die Oberen der Bruderschaft ihre Bindung am Primat der Wahrheit, besonders der katholischen Wahrheit, verloren zu haben.“
Das Cor Unum Nr. 104 vom März 2013 enthielt den Brief vom 17. Juni 2012 von Mgr Fellay an Benedikt XVI. Man erfährt daraus, dass Mgr Fellay seine doktrinelle Erklärung vom 15. April 2012 mit dem Ziel geschrieben hat, die Schwierigkeiten der Präambel von September 2011 zu beseitigen, um zu einem Abkommen zu gelangen. Mgr. Fellay nimmt seine skandalöse doktrinelle Erklärung voll auf sich. Diese ist am 13. Juni von den Römern abgeändert worden und nahm ausdrücklich die unannehmbaren Punkte wieder auf, die Mgr. Fellay sich „zu beseitigen“, jedoch nicht zu korrigieren “bemüht hatte”. Man erfährt daraus auch Schlimmeres. Der Gneralobere hat Benedikt XVI das Folgende erklärt:
„Leider wird im gegenwärtigen Umfeld der Bruderschaft die neue Erklärung nicht durchgehen. […] ich habe mich in dieser Perspektive engagiert [praktisches Abkommen ohne doktrinelles Abkommen] trotz der ziemlich starken Opposition in den Rängen der Bruderschaft und zum Preise von bedeutenden Unruhen/Störungen. Ich ich habe sehr wohl die Absicht, all meine Anstrengungen zu machen, um auf diesem Weg weiterzugehen, um zu den notwendigen Klärungen zu gelangen. […] Mögen Ihre Heiligkeit die Güte haben, an meine kindliche Ergebenheit zu glauben und an meinen liebsten Wunsch, der Kirche zu dienen.“
Am 30. Juni 2012 hat Benedikt XVI. Mgr. Fellay geantwortet, dass er die drei verdeutlichten Punkte annehme, jenen über das Lehramt, Vatikan II und den Novus Ordo Missae, und schloss:
„Im Moment da sich das Generalkapitel Ihrer Bruderschaft eröffnet, kann ich diese Versammlung nur ermutigen, diese Punkte anzunehmen als erforderliche für eine Wiederversöhnung im Schoße der Gemeinschaft der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche.“
Benedikt XVI. brilliert im Betrug und Mgr Fellay in der Unredlichkeit!
Wenn der „Generalobere die vom Papste formulierten Bedingungen für unsere kanonische Wiedereingliederung zurückgewiesen hat“, so war es nicht aus innerer Überzeugung, sondern aus Angst einer Reaktion des gesunden Teils der Bruderschaft. Sein angebliche Ablehnung (Weigerung, Absage), „die Zugehörigkeit des II. Vatikanischen Konzils zur Traditon der Kirche anzunehmen“ war ein rein strategisches Kalkül mit einer machiavellistischen Absicht: die Macht zu behalten, um zu günstigeren Zeiten ein praktisches Abkommen mit der Konzilskirche durchzusetzen.
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Aus dem Französischen übersetzt von mir [POS].
Quelle: “Brève chronologie d’une descente en enfer” – “L’Impossible réconciliation” – par M. l’abbé Rioult – Annexe au Combat de la Foi n° 168
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