Wiedergabe eines Kommentars von “Agnes”:
Marcel Lefebvre – eine Biographie – 2. Ausgabe 2009, Seite 537:
“Wie kann es sein, da doch die Verheißungen des Beistandes unseres Herrn Jesus Christus für seinen Stellvertreter bestehen, daß dieser selbe Stellvertreter zur gleichen Zeit durch sich selbst oder durch andere den Galuben der Katholiken verderben kann?”
Manche sagen: Er verkündet Häresien, er hat die Religionsfreiheit promulgiert, er hat den Artikel 7 des NOM unterzeichnet. Nun kann aber ein Häretiker nicht Papst sein, folglich schuldet man ihm keinen Gehorsam. Das ist eine eingleisige und bequeme Logik, die auf einer theologischen Meinung gründt, welche erstzunehmende Verfasser theoretisch verfochten haben. Aber kann man im Konkreten die formelle Häresie des Papstes behaupten? Wer hätte dafür die notwenige Autorität? Wer würde dem Papst die notwendigen kanonischen Ermahnungen zukommen lassen, um dies festzustellen? Darüber hinaus versetzt diese Schlußfolgerung in der Praxis “die Kirche in eine unentwirrbare Lage. Wer würde uns sagen, wo der zukünftige Papst ist? Wie könnte er bestimmt werden, da es dann auch keine Kardinäle mehr gäbe”, da der Papst nicht Papst ist? “Dieser Geist ist ein schismatischer Geist”. Darüber hinaus ist “die Sichtbarkeit der Kirche für ihren Bestand viel zu notwendig, als daß Gott sie während Jahrzehnten ausfallen lassen könnte”. Der “theoretischen Logik” eines Pater Guérard des Lauriers* gegenüber zog Mgr. Lefebvre “eine höhere Weisheit vor: die Logik der Gottesliebe und der Kugheit”.
“Vielleicht wird eines Tages in dreißig oder vierzig Jahren eine Sitzung von Kardinälen – von einem zukünftigen Papst einberufen – die Regierung Pauls VI. untersuchen und ein Urteil fällen. Vielleicht werden sie sagen, daß Tatsachen vorliegen, die den Zeitgenossen hätten in die Augen springen müssen, Aussagen dieses Papstes, die der Tradition geradezu entgegengegesetzt sind.
Ich ziehe es bis jetzt vor, denjenigen als Papst anzusehen, der wenigstens auf dem Stuhl Petri sitzt. Und wenn man eines Tages auf ganz sichere Art und Weise entdeckt, daß dieser Papst nicht Papst war, dann habe ich trotz allem meine Pflicht erfüllt.
Außerhalb der Fälle, in denen er von seiner Gnadengabe der Unfehlbarkeit Gebrauch macht, kann der Papst irren. Warum sollten wir folglich Ärgernis nehmen und sagen: “Dann ist er kein Papst” – wie Arius an den Demütigungen unseres Herrn in seiner Passion Anstoß genommen hat, als dieser in seinem Leiden ausrief: ”Mein Gott, warum hast du mich verlassen?” und die Überlegung anstellte: “Folglich ist er nicht Gott!” Wir wissen nicht, bis zu welchem Punkt ein Papst – “mitgerissen von was für einem Geist auch immer, von was für einer Ausbildung, unter irgendeinem Druck stehend oder aus Nachlässigkeit” – die Kirche verleiten kann, den Glauben zu verlieren. Aber “wir stellen die Tatsachen fest. Ich ziehe es vor, von diesem Grundsatz auszugehen: Wir müssen unseren Glauben verteidigen, hier liegt unsere Pflicht ohne den geringsten Schatten eines Zweifels.”
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* Lauriers – Er war der Meinung, daß Paul VI. “in materieller, aber nicht in formeller Hinsicht Papst ist”.
