Interview mit P. Nicola Bux vom 28. November 2011
Von Jan Bentz
ROM, 24. November 2011 (ZENIT.org). – Als Fachmann für liturgische Aspekte der Vorbereitung des 2. Vatikanischen Konzils durch Papst Pius XII. war im Rahmen einer Vortragsreihe P. Nicola Bux, Berater der Kongregation für die Glaubenslehre und Mitglied des Amts für liturgische Feiern des Papstes, als Referent eingeladen worden. Die Veranstaltung in der letzten Woche mit dem Titel: „Auf dem Weg zum 2. Vatikanischen Konzil: Vorbereitungen unter Pius XII.“ (ZENIT berichtete) fand im „Istituto Maria Ss.ma Bambina“ gleich neben dem Augustinianum in Rom statt. Der Kongress wurde vom „Comitato Papa Pacelli“ („Komitee Papst Pacelli“) organisiert. P. Bux sprach in diesem Zusammenhang über das Thema: „Liturgische Reformen unter Papst Pius XII.“.
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ZENIT: Manche nennen die Reform der Liturgie der Karwoche, die unter dem Pontifikat von Pius XII. vorgenommen wurde, die bedeutendste Reform dieses Pontifikats. Würden Sie das bestätigen?
P. Nicola Bux: Ja. Es ist sicherlich so, würde ich sagen, dass er sich nicht persönlich mit den Details dieser Reform auseinandergesetzt hat; trotzdem hat er selbst die grundlegenden Hinweise gegeben. Vor allem ging es ihm darum, dass die Riten der Karwoche zu dem Zeitpunkt stattfinden sollten, zu dem sie sich ereignet hatten. Die liturgische Erinnerung an den Kreuzestod Jesu sollte am Nachmittag gefeiert werden, die Auferstehung in der Nacht. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde nämlich alles morgens gefeiert. Dies war ein durchaus nicht sekundärer Aspekt. Darüber hinaus sollte es eine Vereinfachung der Riten geben, um sie verständlicher zu machen. Denn im Laufe der Zeit hatte sich, wie soll man sagen, vieles angesammelt, was das Verständnis des Wesentlichen erschwerte. Dies war das große Anliegen, auch von „Sacrosanctum Concilium“ des 2. Vatikanischen Konzils: das Verständnis. Es ging nicht darum, Dinge zu banalisieren. Nein, die Rubriken, auch die der Heiligen Woche, sollten vereinfacht werden, sowohl für die Zelebration des Priesters als auch für das Verständnis der Gläubigen. Dies führte auch zu einer Vereinheitlichung des Ostertriduums, an dem die Geheimnisse des Leidens, des Todes und der Auferstehung Jesu gefeiert werden.
ZENIT: Viele sprechen von einem Bruch der Kontinuität seit der liturgischen Reform von Papst Pius XII. Gab es damals schon solche Befürchtungen? Existiert denn überhaupt ein Bruch?
P. Nicola Bux: Wie sie wissen, gibt es viele Kritiker dieser Reform, ich persönlich kenne einige. Aber persönlich würde ich behaupten, dass man zwar über einige Details sprechen kann, wie es immer ist, wenn man eine Restaurierung vornimmt. Kritiker gibt es immer; sie diskutieren darüber, ob die Restauration perfekt vorgenommen wurde, ob alles hundertprozentig erhalten geblieben ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Reform der Heiligen Woche im Wesentlichen gut geleistet wurde, auch wenn im Nachhinein nach dem 2. Vatikanischen Konzil einige Vereinfachungen vorgenommen wurden, die hätten vermieden werden können. Wir können aber sagen, dass auch in der nachkonziliaren Karwoche eine große Einheit bewahrt wurde.
ZENIT: Was war das größte Problem, das Pius XII. zu seiner Zeit angehen wollte?
P. Nicola Bux: Ich denke, dass er auf der einen Seite dem „Archäologismus“ Einhalt gebieten wollte, dies sagt er auch. Auf der anderen Seite wollte eine hastige Erneuerung vermeiden. Er beabsichtigte, meine ich, den Problemen dieser beiden Tendenzen, die im Übrigen immer präsent sind, mit einem „Codex Iuris liturigici“, einem Regelwerk vorzubeugen und dadurch die Ausgewogenheit zu bewahren. Ich stelle einmal die These auf, dass, wäre ein solcher Codex erschienen, auch die Liturgiereform des 2. Vatikanischen Konzils organisierter vonstatten gegangen wäre, da es eine verbindliche Grundlage für eine Reform gegeben hätte. Die liturgische Reform nutzte zwar als Grundlage wichtige Prinzipien, aber vor allem der 2. Teil, in dem über die Entwicklung der Messe gesprochen wird, wurde zu einem Aspekt, der ad libitum interpretiert wurde. Jeder interpretiert sie individuell. Es wird zum Beispiel von „objektiver Frömmigkeit“ und „subjektiver Frömmigkeit“ gesprochen, denn es gab Theorien, die die „objektive Frömmigkeit“ hervorhoben. Heutzutage ist die Messe aber fast schon zu einer „privaten Devotion“ geworden – jeder macht, was er will.
ZENIT: Sie sind Mitglied im Amt für päpstliche liturgische Feiern. Könnte man sagen, dass die päpstliche Liturgie diejenige ist, die man als „vollkommen“ bezeichnen könnte? Denn es gab schon bei den Entwicklungen, die dem Konzil von Trient folgten, die Tendenz, die „private“ Messe als „zentrale“ Messe zu sehen. Damit wirkten dann aber alle anderen Riten (beispielsweise in einem Pontifikalamt) als „hinzugefügt“. Kann man das so sagen?
P. Nicola Bux: Der „Ritus Servandus“ des Tridentinums erschien als Norm, um die private Messe zu verstehen. Dies sollte aber nicht so sein, denn nur die Pontifikale Messe ist die „eigentliche“ Messe, alle anderen Arten sind als „Abzüge“ zu verstehen. Dies ist der theologische Gesichtspunkt. Vom rituellen Gesichtspunkt schien es nur so, als ob die private Messe die normative wäre, denn die vollkommene Messe ist diejenige des Bischofs, die „Messa Prelatizia“, als deren höchste Form natürlich die des Papstes. In der privaten Messe des Priesters kommt die Kirche nicht vollständig zum Ausdruck, in der des Bischofs sehr wohl.
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Quelle: ZENIT.ORG
