EIN BERICHT VON EVA MARIA J., ROM, JULI 1971
Der Heiligsprechungsprozeß Johannes’ XXIII. begann eigentlich am Tage seines Todes, am 3. Juni 1963. Schon damals hegten viele Leute den Wunsch, den Papst zur Ehre der Altäre zu erheben.
Ein Priester der Diözese von Mailand war der erste, der ein Ersuchen in diesem Sinne durch die Vermittlung seines Kardinals, damals Montini, stellte, der es nach Rom überbrachte als er zum Konklave zwecks der Wahl eines neuen Papstes ging. Seither liefen mehr als 15’000 Bittstellungen bei der entsprechenden Stelle, beim Gerichtshof des Römischen Vikariats, ein. In der 3. Session des Konzils baten einige Väter darum, daß man ihn durch Akklamation heiligsprechen solle, wie es in älteren Zeiten manchmal vorgekommen ist.
Ein Jahr später, am 18. November 1965, leitete Papst Paul VI. offiziell den Seligsprechungsprozeß ein.
Der italienische Franziskaner Pater Antonio Cairoli wurde zum Generalpostulator ernannt. Es oblag ihm, Stück um Stück die Biographie von Angelo Roncalli (so hieß er bevor er Papst wurde) zusammenzutragen und mit jedem Stück die schriftliche oder mündliche Dokumentation herbeizuschaffen.
Das Resultat seiner Investigation wurde von ihm in einem Buch von 210 Seiten Umfang publiziert.
In diesem Buch beschreibt der Pater in kurzen Zügen das ganze Leben und Sterben Roncallis, seine heroischen Tugenden, seine übernatürlichen Gaben, den Ruf seiner Heiligkeit, die Gunsterweise und die Wunder, die er wirkte.
Der erste Teil des Kanonisationsprozesses (der Informativprozeß) wurde am Donnerstag, den 28. Oktober 1971 — am zwölften Jahrestag der Papstwahl Johannes’ XXIII. in Bergamo abgeschlossen. In den letzten drei Jahren sind in der Diözese Bergamo, in der sich auch der Geburtsort des Papstes Sotto il Monte befindet, insgesamt 64 Zeugen vernommen worden, darunter die Brüder Johannes’ XXIII. und der vor zwei Jahren verstorbene Kardinal Gustavo Testa. Die 1’300 Aktenseiten umfassenden Zeugenaussagen werden jetzt der römischen Kongregation für die Heiligsprechungsprozesse zur weiteren Behandlung übersandt. Mit dem Informativprozeß in der Heimatdiözese des Roncalli-Papstes sind insgesamt elf einleitende Verfahren abgeschlossen, unter anderen die in Aachen, Venedig, Athen, Istanbul und Sofia. (122/71/MK)
Bis jetzt wurden mehr als 400 Zeugen vorgeladen und angehört, beginnend mit dem Präsidenten des Italienischen Staates bis zu seinem Kammerdiener.
Weil nicht sämtliche Zeugen nach Rom geholt werden konnten, wurden ihre Erklärungen zum Teil in den entsprechenden Diözesan-Gerichten entgegengenommen: in Bergamo, Venedig, Assisi, Sofia, Istanbul, Athen, Paris, Aachen und Köln.
Alles wird mit größter Diskretion erledigt, damit die Aussagen eines Zeugen nicht die eines anderen beeinflussen. Auch veröffentlicht man nicht die Namen der Zeugen solange sie noch leben. Einzig von verstorbenen Zeugen ist es erlaubt, namentlich zu reden.
Nach Ablauf der Interventionszeit der Zeugen wird die neue Kongregation für die Heiligsprechungen, indem sie sich auf die Aussagen und Nachforschungen stützt, ihren ersten Richterspruch formulieren, indem sie Johannes XXIII. für „ehrwürdig” erklären wird.
Nach Feststellung, daß seine Tugenden heroisch waren und daß er zwei Wunder gewirkt hat, wird er „selig” gesprochen. Nachher wird es (wenigstens) zwei weiterer Wunder bedürfen, um den dritten Grad zu erreichen, das heißt: den Titel eines “Heiligen”. Es sind bereits zahlreiche Wunder geschehen. Zwei aus ihnen wurden mit allen Einzelheiten der Wissenschaft untersucht und als Wunder bestätigt. (Sie wurden von „Sol de Fatima” vor drei Jahren veröffentlicht.)
Das erste Wunder geschah im Spital Santa Maria in Neapel in Gegenwart der Ärzte und Schwestern, und deshalb ist es ein einzigartiger Fall, weil die plötzliche Heilung beobachtet und festgehalten wurde von den selben Personen, die sie behandelten.
Die Nonne Katharina Capitani, Barmherzige Schwester, hatte nach vielen Operationen eine Magenperforation erlitten, und es bildete sich eine Fistel, durch welche alle Nahrung austrat. Es gab keine Heilung für sie. Die kleine Nonne, der Verzweiflung nahe, flehte Johannes XXIII. an, nicht daß er sie heile, sondern, daß er sie von den unbeschreiblichen Schmerzen befreie, an welchen sie fast starb. Am 25. Mai 1966, als alle glaubten, daß sie sich im Todeskampf befinde, erschien ihr Johannes XXIII., legte seine Hand auf die Magengegend und sagte: „Schwester Katharina, wach auf. Du und deine Schwestern haben mein Mitleid mit euren unabläßigen Flehrufen erregt, dieses Wunder zu wirken. Fürchte dich nun nicht mehr, du bist geheilt. Steh auf!” Seither arbeitet die Schwester Katharina im Kindersanatorium von Fusano (Apulien) mehr als 12 Stunden im Tag, ohne die geringste Müdigkeit zu verspüren, aber umso mehr Hunger.
Ein Jahr später, am 13. Mai 1967, wirkte er das zweite Wunder. In der Stadt Chiaramonte, in Sizilien, befand sich Johanna Majore auf ihrem Bett hingestreckt als Gelähmte seit zweiunddreissig Jahren, mit Tuberkulose, Lungenentzündung und Muskelschwund. Sie hatte soeben die letzten Sakramente erhalten, als ihr Papst Johannes erschien, sie aus dem Bette zog und zu ihr sagte: „Steh auf vom Bette und geh; du bist geheilt”. Und seither ist Johanna fast immer in Bewegung, um das wettzumachen, was sie in so vielen Jahren versäumt hatte.
Jedoch mehr als alle diese Wunder zählt das Wunder der einstimmigen und spontanen Verehrung des Papstes, die in den Herzen von Millionen von Katholiken und Protestanten, von Gläubigen und Ungläubigen immer wieder auflebt.
Eva Maria J., Rom
_______
(Aus dem Spanischen übersetzt von mir [POS] aus „Sol de Fatima” Nr. 30, Nov.-Dez. 1971)
