Im Verlaufe der Versammlung der Generalkongregation der Kardinäle, am Donnerstag 10. August, ist der Text des Letzten Willens Pauls VI. verlesen worden, ein Text, der vor der Veröffentlichung den Familienangehörigen zur Kenntnis gebracht worden war. Das Testament besteht aus einem schriftlichen Dokument, verfasst am 30. Juni 1965, einschließlich zweier Hinzufügungen, eine von 1972 und eine weitere von 1973. Es sind insgesamt 14 handgeschriebene Seiten. Der erste der drei Texte ist auf drei große Folienblätter, in Letter-Format, geschrieben, ein jedes 4 Seiten umfassend. Paul VI hat die erste Seite der drei Blätter eigenhändig numeriert und hat seine Unterschrift auch am Rand der vierten Seite des Folienblattes I angebracht. Insgesamt sind es 11 beschriebene Seiten. Die erste Hinzufügung wurde in Castel Gandolfo gemacht, außer dem Datum trägt sie auch die Angabe der Tageszeit: 16. September 1972, 7:30h. Es handelt sich um zwei handgeschriebene Zettel. Der erste trägt in Klammern, oben, neben dem päpstlichen Wappen, den Hinweis “Zusatzbemerkungen zum Testament”. Der zweite, betitelt mit “Zusatz zu meinen testamentarischen Verfügungen” besteht aus wenigen Zeilen auf einem einzigen Folienblatt geschrieben am 14. Juli 1973.
Einige Notizen
für mein Testament
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.
1. Ich hefte meinen Blick fest auf das Geheimnis des Todes, und auf das, was auf ihn folgt, im Lichte Christi, welches allein es aufhellt, und darum mit demütigem und gelassenem Vertrauen. Ich empfinde die Wahrheit, die sich stets aus diesem Geheimnis auf mich ausgewirkt hat auf das gegenwärtige Leben, und ich lobpreise den Besieger des Todes, der dessen Dunkelheiten vertrieben und das Licht enthüllt hat.
Vor dem Tod nun, bei der totalen Loslösung vom gegenwärtigen Leben, empfinde ich die Pflicht, das Geschenk, das Glück, die Schönheit, die Bestimmung eben dieser flüchtigen Existenz zu feiern: Herr, ich danke Dir, dass Du mich ins Leben gerufen hast, und noch mehr, dass Du mich zu einem Christen gemacht hast, mich regeneriert und bestimmt hast für die Fülle des Lebens.
Gleichfalls fühle ich die Pflicht, zu danken und Segen zu spenden all jenen, die für mich durch die Gaben des Lebens, von Dir, o Herr, gespendet wurden (oh! es mögen gesegnet sein meine würdigsten Eltern!), wer mich erzogen, geschätzt, mir wohltätig war, mir geholfen, mich umgeben hat mit guten Beispielen, mit Umsorgung, mit Zuneigung, mit Vertrauen, mit Güte, mit Höflichkeit, mit Freundschaft, mit Treue, mit Achtung. Ich blicke mit Dankbarkeit auf die natürlichen und geistlichen Beziehungen, welche meiner bescheidenen Existenz Ursprung, Beistand, Trost, Sinn gegeben haben: wie viele Gaben, wie viel schöne und hohe Dinge, wie viel Hoffnung habe ich empfangen in dieser Welt! Jetzt, da der Tag zur Neige geht und alles endet und sich auflöst von dieser wundervollen und dramatischen zeitlichen und irdischen Szene, wie kann ich Dir gebührend danken, o Herr, nebst dem natürlichen Leben, für das Geschenk, des höheren, des Glaubens und der Gnade, in das sich am Ende mein einzig überlebendes Sein flüchtet? Wie würdig Deine Güte lobpreisen, o Herr, dafür dass ich, kaum eingetreten in diese Welt, eingefügt wurde in die unaussprechliche Welt der katholischen Kirche? Wie dafür, gerufen und eingeführt worden zu sein in das Priestertum Christi? Wie dafür, die Wonne gehabt zu haben und die Mission, den Seelen, den Brüdern, den Jugendlichen, den Armen, dem Volke Gottes zu dienen, und die unverdiente Ehre gehabt zu haben, Geistlicher der heiligen Kirche, in Rom insbesondere, zu sein, an der Seite des Papstes, dann in Mailand als Erzbischof, auf dem für mich zu hohen und höchst ehrwürdigen Lehrstuhl der heiligen Ambrosius und Karl, und schließlich auf diesem höchsten und ausgezeichneten und heiligsten des Heiligen Petrus? In aeternum Domini misericordias cantabo.
Gegrüßt und gepriesen seien alle jene, welchen ich auf meinem irdischen Pilgerweg begegnet bin; jene, die mir Mitarbeiter, Berater und Freunde waren – und so viele, und so gütige und großherzige und liebe waren es! Gesegnet jene, die meinen geistlichen Dienst empfangen haben und die mir Söhne und Brüder in unserem Herrn waren!
Lodovico und Francesco (Ludwig und Franziskus), Brüder im Blut und Geist, und euch allen Geliebteste meines Hauses, die ihr nichts von mir verlangt, noch von mir irdische Gunst empfangen habt, und die ihr mir stets ein Beispiel menschlicher und christlicher Tugend gegeben habt, die ihr mich verstanden habt, mit soviel Diskretion und Herzlichkeit, und die ihr mir vor allem geholfen habt, im gegenwärtigen Leben den Weg in das zukünftige zu finden, sei mein Friede und mein Segen.
Die Gedanken wenden sich rückwärts und weiten sich aus in die Runde; und ich weiß wohl, dass diese Verabschiedung nicht glücklich wäre, wenn sie nicht der Vergebung gedächte, die zu erbitten ist von allen, die ich verletzt hätte, denen ich nicht gedient, die ich nicht genug geliebt hätte; und der Verzeihung auch jener, die sie von mir verlangen mögen. Dass der Friede des Herrn mit uns sei.
Und ich fühle, dass die Kirche mich umgibt: o heilige Kirche, eine und katholische und apostolische, empfange meinen segnenden Gruß und meine höchsten Akt der Liebe.
Dir, Rom, Diözese des Heiligen Petrus und des Stellvertreters Christi, geliebtest diesem letzten Diener der Diener Gottes, meine väterlichste und umfassendste Segnung, damit Du, Stadt des Erdballs, stets eingedenk seist Deiner geheimnisvollen Berufung, und mit menschlicher Tugend und mit christlichem Glauben zu antworten wissen mögest auf deine geistliche und universale Mission, wie lange auch die Geschichte der Welt noch dauern mag.
Und Euch allen, verehrte Brüder im Bischofsamt, meinen herzlichen und ehrerbietigen Gruß; ich bin mit euch in dem einzigen Glauben, in derselben Nächstenliebe, im gemeinsamen apostolischen Einsatz, im solidarischen Dienst am Evangelium, für die Erbauung der Kirche Christi und für das Heil der ganzen Menschheit. Allen Priestern, allen Ordensmännern und Ordensfrauen, allen Schülern unserer Seminare, den treuen und streitenden katholischen Gläubigen, den Jugendlichen, den leidenden, den Armen, den Suchern der Wahrheit und der Gerechtigkeit, allen die Segnung des Papstes, der stirbt.
Und so, mit besonderer Ehrerbietung und Dankbarkeit gegenüber den Herren Kardinälen und der ganzen römischen Kurie: vor euch, die ihr mich näher umgebt, bekenne ich feierlich unseren Glauben, erkläre ich unsere Hoffnung, lobpreise ich die Liebe/Caritas, die nicht stirbt, indem ich demütig den Tod vom göttlichen Willen entgegennehme, der mir bestimmt ist, indem ich das große Erbarmen des Herrn anrufe, erflehend die gütige Fürbitte der heiligsten Jungfrau Maria, der Engel und der Anten, und empfehle meine Seele der Fürbitte der Guten.
2. Ich ernenne den Heiligen Stuhl als meinen universellen Erben: es verpflichten mich dazu die Schuldigkeit, die Dankbarkeit, die Liebe. Ausgenommen die nachstehend genannten Verfügungen.
3. Testaments-Vollstrecker sei mein Privatsekretär. Er möge sich beraten mit dem Staatssekretariat und sich in Übereinstimmung bringen mit den geltenden juridischen Normen und den guten kirchlichen Bräuchen.
4. Was die Dinge dieser Welt betreffen: ich nehme mir vor, arm zu sterben, und so jede diesbezügliche Frage zu vereinfachen.
Was die beweglichen und unbeweglichen Dinge meines persönlichen Eigentums betrifft, die noch von familären Herkunft übrigbleiben, mögen meine Brüder Ludwig und Franziskus frei darüber verfügen; ich bitte sie um etwa Fürbitte für meine Seele und jene unserer Verstrobenen. Sie mögen einige Almosen verteilen an bedürftige Personen oder an gute Werke. Sie mögen für sich behalten und weitergeben an wer immer es verdient oder wünscht irgend ein Andenken an die Dinge, oder von den religiösen Gegenständen oder von den Büchern, die mir gehören. Sie mögen vernichten Notizen, Hefte, Korrespondenz, persönliche Schriften von mir.
Über die anderen Dingen, von welchen man sagen kann, dass sie mein eigen sind: möge als Testamentsvollstrecker mein Privatsekretär disponieren, wobei er einige Andenken für sich behalten und den befreundeteren Personen irgend einen kleinen Gegenstand zur Erinnerung geben mag. Ich möchte, dass Manuskripte und von mir handgeschriebene Notizen vernichtet werden; und dass von der erhaltenen geistlichen und vertraulichen Korrespondenz, alles verbrannt werde, was nicht bestimmt gewesen ist für die Kenntnis Dritter.
Falls der Testamentsvollstrecker dafür nicht sorgen kann, möge das Staatssekretariat den Auftrag übernehmen.
5. Ich empfehle nachdrücklich, für angemessene Fürbitten und für freigebige Almosen zu sorgen für wen immer es möglich ist.
Betreffend das Begräbnis: es möge fromm und schlicht sein (man lasse den Katafalk weg, der jetzt (noch) in Gebrauch ist für die Bestattungsfeier der Päpste, um diesen zu ersetzen mit demütigem und schicklichem Gerät).
Das Grab: ich hätte gerne, dass es in der echten Erde wäre, mit demütiger Kennzeichnung, die den Ort anzeigt und die christliche Frömmigkeit einlädt. Kein Monument für mich.
6. Und was das betrifft, was am wichtigsten ist, bei der Entlassung aus der Szene dieser Welt und beim Zugang auf das Gericht und die Barmherzigkeit Gottes: müsste ich so vieles, so vieles sagen. Zum Zustand der Kirche; möge sie Gehör schenken einigen unserer Worte, die Wir mit Ernst und Liebe ausgesprochen haben. Zum Konzil: man möge es zu einem guten Ende führen, und man sorge dafür, dass dessen Vorschriften getreu ausgeführt werden. Zum Ökumenismus: man führe das Werk der Annäherung mit den getrennten Brüdern fort, mit viel Verständnis, mit viel Geduld, mit großer Liebe; aber ohne abzuweichen von der wahren katholischen Lehre. Zur Welt: man glaube nicht, ihr zu nützen, indem man ihr Denken, ihre Sitten, ihren Geschmack übernimmt, sondern sie studiert, sie liebt, ihr dient.
Ich schließe die Augen vor dieser leidvollen, dramatischen und wunderschönen Erde, indem ich noch einmal die göttliche Güte auf sie herabrufe. Noch einmal segne ich alle. Rom insbesondere, Mailand und Brescia. Dem Heiligen Land, dem Land Jesu, wo ich Pilger im Glauben und im Frieden war, ein besonderer Segensgruß.
Und der Kirche, der geliebtesten katholischen Kirche, der ganzen Menschheit, meinen apostolischen Segen.
Und nun: in manus Tuas, Domine, commendo spiritum meum.
Ego: Paulus PP. VI.
Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 30. Juni 1965, im Jahre III unseres Pontifikats.
Zusätzliche Anmerkungen
für mein Testament
In manus tuas, Domine, commendo spiritum meum.
Magnificat anima mea Dominum. Maria!
Credo. Spero. Amo. (Ich glaube, ich hoffe, ich liebe)
Ich danke allen, die mir Gutes getan haben.
Ich bitte alle um Vergebung, welchen ich möglicherweise nicht Gutes getan habe. Allen schenke ich im Herrn den Frieden.
Ich grüße den geliebtesten Bruder Ludwig und alle meine Angehören und Verwandten und Freunde, und alle, die meinen geistlichen Dienst empfangen haben. Allen Mitarbeitern, danke. Dem Staatssekretariat insbesondere.
Ich segne mit besonderer Liebe Brescia, Mailand, Rom, die ganze Kirche. Quam diletta tabernacula tua, Domine!
Alles Meinige sei dem Heiligen Stuhl.
Mein Sondersekretär, der liebe Don Pasquale Macchi, möge für einige Fürbitte und einige Wohltätigkeit sorgen und einige Andenken unter Büchern und Gegenständen, die mir gehören, sich selber und geliebten Personen zuteilen.
Ich wünsche kein besonderes Grabmal.
Einige Gebete, auf dass Gott mir Barmherzigkeit schenke.
In Te, Domine, speravi. Amen, alleluia.
Allen meinen Segen, in nomine Domini.
PAULUS PP. VI
Castel Gandolfo, 16. September 1972, 7:30 Uhr.
Zusatz
zu meinen testamentarischen Verfügungen
Ich wünsche, dass mein Begräbnis höchst schlicht sei und ich wünsche kein besonderes Grabmal, noch irgendein Monument. Einige Fürbitten (Mildtätigkeit und Gebete).
PAULUS PP. VI
14. Juli 1973
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Ins Deutsche übersetzt von mir [POS]
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Siehe auch: “Meditation Pauls VI. angesichts des Todes“
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