Die nachstehende Predigt hat Kardinal Schönborn bei den Priesterweihen am 24. Juni 2011 im Wiener Stephansdom gehalten. Es lohnt sich, sie auch heute, bald 3 1/2 Jahre später, zu lesen und sich dazu ernsthafte Gedanken zu machen:
“Ich bin es nicht!” (Joh. 1, 21). Johannes der Täufer weist immer von sich weg auf den, der kommen soll: Jesus Christus, dessen Schuhriemen zu lösen er sich nicht für würdig hält (Joh. 1, 27).
Ihr empfangt die Priesterweihe am Fest der Geburt Johannes des Täufers. So lade ich euch ein, mit mir auf Johannes zu blicken als eurem “Weihepatron”.
“Der Herr hat mich schon im Mutterleib berufen” (Jes. 49, 1). Auch ihr seid berufen. Auf höchst unterschiedlichen Wegen hat dieser Ruf des Herrn euch erreicht. Aber er war schon von Anfang an da, “als ihr noch im Schoß eurer Mutter ward, hat ER euren Namen genannt” (vgl. Jes 49, 1).
Es berührt mich immer neu, die Realität dieses Rufes zu erleben, wenn ich in die Gesichter der Weihekandidaten sehe. Der Weg eurer Berufung ist auch voller menschlicher Elemente des Suchens und Zögerns, des Prüfens und Drängens, viele haben an eurem Berufungsweg mitgewirkt, fördernd und hindernd, prüfend, klärend, ermutigend und vor allem betend. Aber durch all das hindurch ist es doch der Herr selber, der euch ruft. Und das ist immer neu ein Geschenk, über das ich staune. “Ich bin es nicht”, können wir alle mit Johannes sagen. ER ruft, ER schenkt die Berufung. Wenn ich euch sehe, ist das für mich ein handgreifliches Zeichen, dass Gott in dieser Welt wirkt.
Die Berufung des Johannes – wie sah sie aus, was war ihr Inhalt? Der Engel sagt es Zacharias im Tempel: “Viele Israeliten wird er zum Herrn, ihrem Gott, bekehren. ER wird mit dem Geist und mit der Kraft des Elija dem Herrn vorangehen, um das Herz der Väter wieder den Kindern zuzuwenden und die Ungehorsamen zur Gerechtigkeit zu führen und so das Volk für den Herrn bereit zu machen” (Lk 1, 16-17).
Menschen zu Christus zu führen, dem Herrn ein Volk zu bereiten, viele zum Herzen zu bekehren: genau das ist eure Berufung als Priester.
Zu Christus zu führen – ist das nicht Sache aller Christen? Ihr wurdet auf eurem Weg der Berufung, der Bekehrung und des Glaubens nicht nur von Priestern geführt. Aber nur durch den priesterlichen Dienst wurden euch die Eucharistie und das Bußsakrament geschenkt. Ohne den Hirtendienst der Bischöfe und Priester ist die Kirche nicht denkbar. Darum ist auch die Freude heute so groß, dass acht neue Priester der Kirche geschenkt werden.
Viel wäre hier zu sagen über das Thema gemeinsames Priestertum aller Getauften und Amtspriestertum, an das ich im Hirtenbrief erinnert habe. Ich bitte uns alle, hier sorgfältig auf die Lehre des Konzils zu achten. Für diese Stunde soll der Hinweis genügen: Das Priestertum, das ihr heute im Weihesakrament empfangen werdet, steht ganz im Dienst dessen, was auch die Berufung des Täufers war: “das Volk für den Herrn bereit zu machen”: durch die Verkündigung des Wortes Gottes – bitte predigt das Wort und nicht euch, predigt das Evangelium! –, durch die Heilung durch die Sakramente, vor allem die Eucharistie – sie sei wirklich euer tägliches Brot, möglichst durch die tägliche Feier der Eucharistie für das Volk Gottes, auch wenn nur wenige da sein sollten – und durch den Hirtendienst der Leitung. Durch die Weihe seid ihr wirklich zu Hirten bestellt, aber, wie Petrus sagt, “nicht als Beherrscher eurer Gemeinden, sondern als Vorbild für die Herde” (1Petr 5, 3)
Ich muss hier ein Thema ansprechen, das nun gleich auch bei eurem Weiheversprechen angesprochen wird: die Frage des Gehorsames. Ich werde euch fragen, ob ihr mir und meinen Nachfolgern Ehrfurcht und Gehorsam versprecht.
Gehorsam Gott gegenüber, das versteht sich von selber als Ruf an alle Christen. Wir bitten ja, dass der Wille unseres Vaters im Himmel geschehe. Aber dieser Gehorsam nimmt auch die Gestalt des kirchlichen Gehorsams an, dem eigenen Bischof und dem Papst gegenüber. Das mag manchen heute wie eine Entmündigung aussehen. Es ist aber von vitaler Bedeutung für die Gemeinschaft der Kirche.
Wer im weltlichen Beruf steht, weiß, dass es dort oft einen strikten Gehorsam gibt. Viele wundern sich manchmal, welche Freiheiten sich Kleriker erlauben können. Dann ist gelegentlich zu hören: In keiner Firma könnte sich ein Mitarbeiter solches erlauben! Nun, die Kirche ist keine Firma. Aber es schadet uns im Klerus nicht, dass uns von weltlicher Seite in Erinnerung gebracht wird, was im heutigen Berufsleben selbstverständlich an Gehorsam gegenüber der Leitung eingefordert wird.
Ihr versprecht heute mir und meinen Nachfolgern “Ehrfurcht und Gehorsam”, so wie ich, in analoger Weise, bei meiner Bischofsweihe die treue Gemeinschaft und den Gehorsam dem Papst gegenüber versprochen habe. Das heißt ja nicht, dass ihr jede praktische Entscheidung des Bischofs für absolut richtig halten müsst. Es wird Situationen der Enttäuschung und der Frustration geben, wie sie der Prophet in der 1. Lesung aussprach: “Ich habe mich vergeblich bemüht, habe meine Kraft umsonst und mutlos vertan”: Da ist die Versuchung groß, auf “die da oben” zu schimpfen, auf Rom und/oder den Bischof: Weil der Bischof zu liberal ist und nicht endlich ordentlich durchgreift – so meinen die einen! Weil der Bischof zu romhörig ist und sich nicht traut, endlich die gewissen Reformen anzugehen, so empören sich die anderen.
Darauf kann ich euch heute nur zwei Hinweise mit auf den Weg eures priesterlichen Dienstes geben:
- Der Gehorsam dem Papst gegenüber, die Treue zu Petrus und seinem Nachfolger, war immer der sichere Weg, auch im Gehorsam zu Christus treu zu sein. Ubi Petrus, ibi Ecclesia! Haltet euch an dieses Wort. Es hat mich in 40 Jahren des Priesterseins nie enttäuscht, auch wenn es mich bisweilen Opfer gekostet hat. Geht euren Weg cum Petro et sub Petro!
- Gehorsam heißt auch, den Mut zu haben, dem Bischof das Herz zu öffnen und ihm auch Unangenehmes zu sagen: aber nicht über die Medien, sondern von Angesicht zu Angesicht, persönlich.
Christlicher Gehorsam ist das Gegenteil von serviler Unterwürfigkeit: er ist eine Schule der Freiheit. Ohne das Kreuz ist diese Schule freilich nicht zu bestehen.
Und das ist der dritte und letzte Punkt: das Kreuz. Auch Johannes war Zeuge der Wahrheit mit seiner ganzen Person, zuerst und vor allem durch sein Leben. Nichts spricht eine klare Sprache als das Zeugnis des eigenen Lebens.
Zeuge war Johannes auch durch sein Wort. Es hat ihn den Kopf und das Leben gekostet, dass es Herodes Agrippa gesagt hatte; “Du hast nicht das Recht, die Frau deines Bruders zur Frau zu nehmen” (Mk 6, 18). Alle Höflinge haben dazu geschwiegen: Nur keine Schwierigkeiten bekommen!
Brüder, wie schwer werdet ihr es haben, den Weg der Wahrheit so zu gehen, dass dabei auch die Liebe nicht verletzt wird! Wahrheit ohne Liebe ist Härte; Liebe ohne Wahrheit ist lasch und nicht hilfreich. Gottes Barmherzigkeit sollt ihr allen bezeugen. Sie ist unser aller Hoffnung. Aber nur auf der Basis der Wahrheit kann uns seine Barmherzigkeit erreichen.
Johannes starb als Märtyrer. Darin war er wirklich “der Freund des Bräutigams”, wie er sich selber nannte. Eines kann ich euch versprechen: die Freundschaft mit Jesus wird euch nie enttäuschen. Er hat sie euch zugesagt. Auf sie hin könnt ihr es wagen, die Priesterweihe zu empfangen. Amen.
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Siehe dazu auch:
- Omnes cum Petro et sub Petro
- PAOLO VI BEATO – La Verità Unica…cum Petro et sub Petro, come anche Papa Francesco ha rammentato al termine dei lavori sinodali -
