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JOHANNES PAUL II.: Sein HOFFNUNGSVOLLER Blick auf die JUGEND

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Jugendliche in Brasilien

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IST DIE JUGEND TATSÄCHLICH EINE HOFFNUNG?

Der Heilige Vater schenkt der Jugend viel liebevolle Zuwendung. Er wiederholt häufig, daß die Kirche hin­sichtlich der Erneuerung der Evangelisierung mit ganz besonderer Hoffnung auf sie blickt.

Heiligkeit, ist diese Hoffnung begründet? Oder stehen wir nicht der immer wieder aufkommenden und für uns Erwachsene bezeichnenden Illusion gegenüber, daß die neue Generation besser sein wird als die unsere und als alle anderen, die ihr vorausgegangen sind?

Hier sprechen Sie einen unermeßlichen, zu Analysen und Meditationen einladenden Bereich an. Wie ist die Jugend von heute? Was sucht sie? Man könnte sagen, daß sie so ist wie immer. Es gibt etwas im Menschen, das keinen Änderungen unterworfen ist, wie das Konzil in »Gaudium et spes« (Nr. 10) feststellt. Gerade in der Jugend findet das seine Bestätigung, vielleicht sogar mehr als in jedem anderen Lebensalter. Das hindert aber nicht, daß die jungen Leute von heute auch anders sein können als die von früher. In der Vergangenheit wurden die jungen Menschen durch schmerzliche Erfahrungen geformt wie Krieg, Konzentrationslager und ständige Gefahren. Solche Erfahrungen setzten in den Jugendlichen — ich denke auf der ganzen Welt, wenn­gleich mir in diesem Moment die polnische Jugend in den Sinn kommt — Züge großen Heldenmuts frei.

Dabei braucht man nur an den Warschauer Aufstand von 1944 zu erinnern: den verzweifelten Einsatz meiner Altersgenossen, die alle Gefahren in Kauf nahmen. Sie warfen ihr junges Leben in den brennenden Scheiter­haufen. Sie wollten beweisen, daß sie an der Auseinan­dersetzung mit dem großen und schwierigen Erbe, wel­ches sie empfangen hatten, reifen konnten. Auch ich gehöre dieser Generation an und meine, daß die Hel­denhaftigkeit meiner Altersgenossen mir bei der näheren Bestimmung meiner persönlichen Berufung geholfen hat.

Pater Konstantin Michalski, einer der großen Professo­ren der Jagiellonischen Universität von Krakau, hat nach seiner Rückkehr aus dem Konzentrationslager von Sachsenhausen das Buch »Zwischen Heldentum und Unmenschlichkeit« geschrieben. Dieser Titel gibt das Klima dieser Zeit sehr gut wieder. Michalski erinnerte in bezug auf Bruder Alberto Chmielowski an den Satz aus dem Evangelium, nach dem man »sein Leben hingeben« soll (vgl. Joh 15,13). Gerade in jener Zeit der schreck­lichen Menschenverachtung, als der Preis für ein Men­schenleben so geringgeschätzt wurde wie vielleicht nie zuvor, gerade damals wurde das Leben eines jeden kost­bar; es bekam den Wert einer unentgeltlichen Gabe.

Heute wachsen die Jugendlichen zweifellos in einem an­deren Umfeld auf: Sie haben nicht die Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges in sich aufgenommen. Viele von ihnen haben außerdem die Kämpfe gegen das kommu­nistische System, gegen den totalitären Staat nicht ken­nengelernt — oder erinnern sich nicht daran. Sie leben in einer von anderen für sie erkämpften Freiheit und haben sich in hohem Maße der Konsumgesellschaft verschrie­ben. Dies sind die Maßstäbe, mit denen man es heute zu tun hat — natürlich nur andeutungsweise umrissen.

Trotzdem kann man nicht behaupten, daß die Jugend die traditionellen Werte zurückweist und daß sie den Kir­chen fernbleibt. Die Erfahrungen der Erzieher und Seel­sorger bestätigen — gegenwärtig nicht minder als gestern ­den für dieses Alter charakteristischen Idealismus, auch wenn er vielleicht hauptsächlich als Kritik zum Aus­druck kommt, während er sich früher einfacher in täti­gen Einsatz umsetzen ließ.

Allgemein kann festgestellt werden, daß die neuen Generationen vorwiegend in einer Art neopositivisti­schem Klima aufwachsen, während zu meiner Jugendzeit in Polen beispielsweise romantische Traditionen vor­herrschten. Die jungen Leute, mit denen ich unmittelbar nach meiner Priesterweihe in Kontakt kam, waren eben­falls in genau diesem Klima aufgewachsen. In der Kirche und im Evangelium sahen sie einen Bezugspunkt, an dem sie ihre inneren Bemühungen ausrichten konnten, um ihr Leben sinnvoll zu gestalten. Ich erinnere mich noch an die Gespräche mit den Jugendlichen, die auf genau diese Weise ihre Beziehung zum Glauben zum Ausdruck brachten.

Die wichtigste Erfahrung dieser Zeit, als meine Seel­sorgetätigkeit vor allem den jungen Leuten galt, war die Entdeckung der wesentlichen Bedeutung der Jugendzeit. Was ist die Jugendzeit? Sie ist nicht nur ein Lebensab­schnitt, der eine bestimmte Anzahl von Jahren umfaßt, sondern zugleich eine dem jungen Menschen von der Vorsehung als Aufgabe übertragene Zeit, während der er, wie der junge Mann im Evangelium, die Antwort auf die grundlegenden Fragen sucht. Er forscht nicht nur nach dem Sinn des Lebens, sondern auch nach einem konkre­ten Plan, mit dem er beginnen kann, sein Leben einzu­richten. Dies ist das wesentlichste Kennzeichen der Jugend. Angefangen von den Eltern muß jeder Erzieher und auch jeder Seelsorger dieses Kennzeichen sehr gut kennen und es in jedem einzelnen Jugendlichen heraus­finden. Darüber hinaus muß er das lieben, was für die Jugendzeit wesentlich ist.

Wenn der Mensch auch in jedem Abschnitt seines Lebens Selbstbestätigung und Liebe sucht, so ist diese Suche hier am stärksten ausgeprägt. Das Streben nach Bestätigung darf jedoch nicht so verstanden werden, daß die jungen Leute uneingeschränkt zu allem berechtigt sind. Dies wollen sie auch unter keinen Umständen: Sie sind durchaus bereit, ermahnt zu werden; sie wollen, daß man ihnen ja oder nein sagt. Sie brauchen Führungsper­sonen und möchten diese in ihrer Nähe wissen. Wenn sie bei Autoritätspersonen Beistand suchen, so tun sie es deshalb, weil sie in ihnen warmherzige Menschen ver­muten, die in der Lage sind, gemeinsam mit ihnen die Wege zu gehen, denen sie folgen.

Es ist eindeutig erkennbar, daß das wesentliche Problem der Jugend zutiefst personalistisch ist. Die Jugend ist nämlich die Zeit, in der sich die Persönlichkeit formt. Sie ist auch die Zeit der Gemeinschaft. Die jungen Men­schen, sowohl junge Männer als auch junge Frauen, wis­sen, daß sie für die anderen und mit den anderen leben müssen; sie wissen, daß ihr Leben insofern einen Sinn hat, als es zu einer unentgeltlichen Gabe an den Nächsten wird. Hieraus entspringen alle Berufungen: sowohl die priesterlichen oder zum Ordensleben wie auch die zur Ehe und Familie. Auch die Ehe ist eine Berufung, ein Geschenk Gottes.

Niemals werde ich einen jungen Mann vergessen, der am Polytechnikum in Krakau studierte und von dem alle wußten, daß er heilig werden wollte. Das Streben nach Heiligkeit war sein Lebensplan. Er wußte, daß er, um mit den Worten des hl. Stanislas Kostka zu sprechen, zu »Größerem geschaffen war«. Gleichzeitig war er jedoch überzeugt, weder zum Priesteramt noch zum Ordens­leben berufen zu sein. Er wußte, daß er Laie bleiben sollte. Er war begeistert von seiner Arbeit, vom Studium der Ingenieurwissenschaften. Er suchte eine Lebensge­fährtin, er suchte sie auf Knien im Gebet. Niemals werde ich das Gespräch vergessen, in dem er mir nach einem ganz besonderen Tag der Zurückgezogenheit sagte: »Ich denke, daß dieses Mädchen meine Frau werden sollte und daß Gott sie mir gibt.« Gerade so, als folgte er nicht nur seinem eigenen Geschmack, sondern zuallererst der Stimme Gottes. Er wußte, daß alles Gute von ihm kommt, und er traf eine gute Wahl. Ich spreche von Jerzy Ciesielski, der bei einem tragischen Unfall im Sudan ums Leben gekommen ist, wohin er der Einladung der Universität zu Gastvorlesungen gefolgt war. Sein Selig­sprechungsprozeß ist bereits eingeleitet worden.

Eine solche Berufung zur Liebe ist natürlich ein wesent­licher Teil des sehr engen Kontakts zu jungen Leuten. Als Priester bin ich mir dessen sehr schnell bewußt geworden. Ich spürte geradezu eine Art inneren Antrieb in diese Richtung. Die jungen Menschen müssen auf die Ehe vorbereitet, sie müssen in der Liebe unterwiesen werden. Die Liebe läßt sich nicht erlernen, und doch wäre nichts so wichtig, als sie zu erlernen!

Als junger Priester lernte ich, die menschliche Liebe zu lieben. Das ist eines der grundlegenden Themen, auf das ich mein Priesteramt, meine Aufgabe auf der Kanzel, im Beichtstuhl und auch im geschriebenen Wort konzen­triert habe. Wenn man die menschliche Liebe liebt, so entsteht auch das lebendige Bedürfnis, alle Kräfte zugunsten der »schönen Liebe« einzusetzen. Denn die Liebe ist schön. Die jungen Menschen suchen stets das Schöne in der Liebe; sie wollen, daß ihre Liebe schön ist. Auch wenn sie schwach werden und Verhaltensmustern folgen, die sehr wohl als »Skandal der heutigen Welt« bezeichnet werden können (und leider sehr verbreitet sind), so wünschen sie sich im Grunde ihres Herzens dennoch eine schöne und reine Liebe. Dies gilt für junge Männer und junge Frauen gleichermaßen. Letzten Endes wissen sie, daß ihnen außer Gott niemand eine solche Liebe geben kann. Und deshalb sind sie bereit, Christus zu folgen und keine Rücksicht zu nehmen auf die Opfer, die hierfür gebracht werden müssen.

In den Jahren, da ich selber ein junger Priester und Seel­sorger war, habe ich mir dieses Bild von den Jugend­lichen und von der Jugendzeit gemacht, das mich in all den nachfolgenden Jahren begleitet hat. Ein Bild, das es mir möglich macht, wohin ich auch gehe, junge Men­schen zu treffen. Jeder römische Pfarrer weiß, daß sich der Bischof von Rom zum Abschluß seines Besuchs einer Pfarrgemeinde mit der Jugend trifft. Und nicht nur in Rom, sondern überall; wohin sich der Papst begibt, sucht er die Jugendlichen, und überall suchen die Jugend­lichen den Papst. Das heißt, in Wahrheit ist es nicht er, der gesucht wird. Wer gesucht wird, ist Christus, der weiß, »was im Menschen ist« (Joh 2,25), vor allem im jungen Menschen ist, und er kann ihm die wahren Antworten auf seine Fragen geben! Obschon es anspruchsvolle Ant­worten sind, fliehen die Jugendlichen nicht vor ihnen; vielmehr könnte man sagen, daß sie sie erwarten.

So läßt sich auch die Entstehungsgeschichte des Welt­jugendtages erklären. Die Jugendlichen wurden zu­nächst anläßlich des Jubiläumsjahres der Erlösung und dann aufgrund des von der Organisation der Vereinten Nationen einberufenen Internationalen Jahres der Ju­gend (1985) nach Rom eingeladen. Und dies war der Anfang. Niemand hat die Weltjugendtage erfunden. Die Jugendlichen selber haben sie geschaffen. Diese Tage, diese Begegnungen sind seit damals überall auf der Welt ein Bedürfnis der Jugend. In den meisten Fällen haben sie die Priester und sogar die Bischöfe in hohem Maße überrascht. Sie haben auch ihre eigenen Erwartungen übertroffen.

Diese Welttage sind ein großes und faszinierendes Zeug­nis geworden, das die jungen Leute für sich selbst able­gen, und sie sind zu einem mächtigen Mittel der Evange­lisierung geworden. Die Jugendlichen besitzen nämlich ein unermeßliches Potential an Gutem und an kreativen Möglichkeiten. Wo immer auf der Welt ich junge Men­schen treffe, warte ich zunächst auf das, was sie mir von sich selbst, von ihrer Gesellschaft, von ihrer Kirche sagen. Und immer mache ich ihnen folgendes bewußt: »Das, was ich euch sage, ist wirklich nicht wichtig; wich­tiger ist das, was ihr mir sagen werdet. Ihr werdet es mir mit euren Worten sagen, doch auch mit eurer Gegen­wart, eurem Gesang, vielleicht auch mit eurem Tanz, euren Aufführungen und nicht zuletzt mit eurer Begei­sterung.«

Wir brauchen die Begeisterung der Jugend. Wir brauchen die Lebensfreude der Jugend. In ihr spiegelt sich etwas von der ursprünglichen Freude wider, die Gott hatte, als er den Menschen erschuf. Gerade diese Freude erfahren die Jugendlichen in sich selbst. Sie ist überall gleich, doch sie ist auch stets neu und einmalig. Die Jugend hat ihre eigene Ausdrucksweise.

Es stimmt nicht, daß der Papst die jungen Leute von einem Ende der Erdkugel zum anderen führt. Sie sind es, die ihn führen. Und obschon er selber älter wird, fordern sie ihn auf, jung zu sein, und erlauben ihm nicht, seine Erfahrung zu vergessen, seine Entdeckung der Jugend­zeit und der großen Bedeutung, die sie für das Leben eines jeden Menschen hat. Ich denke, daß sich hieraus vieles erklären läßt.

Am Tage meiner Amtseinführung als Papst, am 22. Ok­tober 1978, sagte ich nach Beendigung der Liturgie auf dem Petersplatz zu den Jugendlichen: »Ihr seid die Hoff­nung der Kirche und der Welt. Ihr seid meine Hoff­nung.« Diese Worte werden stets in Erinnerung bleiben.

Jugend und Kirche. Zusammenfassend möchte ich unterstreichen, daß die Jugend Gott sucht, daß sie end­gültige Antworten sucht: »Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?« (Lk 10,25) Bei dieser Suche begegnen wir unweigerlich der Kirche. Und auch die Kirche begegnet unweigerlich der Jugend. Die Kirche muß nur ein tiefes Verständnis dafür haben, worin die Jugendzeit besteht, sowie für die Bedeutung, die sie für jeden Menschen hat. Die Jugendlichen müssen auch die Kirche kennenlernen, sie müssen Christus in ihr er­blicken, der mit jeder Generation, mit jedem Menschen durch die Jahrhunderte geht. Mit einem jeden geht er wie ein Freund. Wichtig im Leben eines jungen Men­schen ist der Tag, da er zur Überzeugung gelangt, daß Christus der einzige Freund ist, der einen nie täuscht und auf den man immer zählen kann.

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Quelle: Johannes Paul II – Die Schwelle der Hoffnung überschreiten – herausgegeben von Vittorio Messori – Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg



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