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Joseph Ratzinger zur “Auferstehung des Fleisches”

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Auszug aus: “Einführung in das Christentum” online auf http://de.scribd.com

2. »Auferstehung des Fleisches«

a) Der Inhalt der neutestamentlichen Auferstehungshoffnung a

Vor dem Artikel von der Auferstehung des Fleisches befinden wir uns in einem eigentümlichen Dilemma. Wir haben die Unteilbarkeit des Menschen neu entdeckt; wir leben mit einer neuen Intensität unsere Leibhaftigkeit und erfahren sie als unerlässliche Verwirklichungsweise des einen Seins des Menschen. Wir können von da aus die biblische Botschaft neu verstehen, die nicht einer abgetrennten Seele Unsterblichkeit verheißt, sondern dem ganzen Menschen. Aus einem solchen Empfinden heraus hat sich in unserem Jahrhundert vor allem die evangelische Theologie nachdrücklich gegen die griechische Lehre von der Unsterblichkeit der Seele gewandt, die man zu Unrecht auch als christlichen Gedanken ansehe. In Wahrheit drücke sich darin ein durchaus unchristlicher Dualismus aus; der christliche Glaube wisse allein von der Auferweckung der Toten durch Gottes Macht. Aber hier stellen sich sofort die Bedenken ein: Mag die griechische Unsterblichkeitslehre problematisch sein, ist denn die biblische Aussage nicht noch viel unvollziehbarer für uns? Einheit des Menschen, schön, aber wer vermag sich schon von unserem heutigen Weltbild her eine Auferstehung des Leibes vorzustellen? Diese Auferstehung schlösse ja – so scheint es jedenfalls – einen neuen Himmel und eine neue Erde mit ein, sie verlangte unsterbliche, nahrungslose Körper, einen völlig veränderten Zustand der Materie. Aber ist dies nicht alles völlig absurd, unserem Verständnis
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a Die folgenden Ausführungen geschehen in engem Anschluss an meinen Artikel Auferstehung in: Sacramentum mundi I, herausgegeben von Rahner-Darlap, Freiburg 1967,397-402, dort auch weitere Literatur.

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der Materie und ihrer Verhaltensweisen durchaus entgegen und somit heillos mythologisch? Nun, ich denke, dass man zu einer Antwort tatsächlich nur kommen kann, wenn man sorgfältig nach den eigentlichen Intentionen der biblischen Aussage fragt und dabei auch das Verhältnis der biblischen und der griechischen Vorstellungen neu bedenkt. Denn deren Aufeinandertreffen hat beide Auffassungen umgeprägt und damit die ursprünglichen Intentionen des einen wie des anderenWeges überdeckt in einer neuen Gesamtansicht, die wir vorerst wieder abtragen müssen, wenn wir an den Anfang zurückfinden wollen. DieHoffnung auf die Auferweckung der Toten stellt zunächst einfach die Grundform der biblischen Unsterblichkeitshoffnung dar; sie erscheint im Neuen Testament nicht eigentlich als ergänzende Idee zu einer vorausgehenden und davon unabhängigen Unsterblichkeit der Seele, sondern als die wesentliche Grundaussage über das Geschick des Menschen. Freilich gab es schon vom Spätjüdischen her Ansätze zu einer Unsterblichkeitslehre griechischer Prägung, und dies wird einer der Gründe sein, weshalb man sehr bald den umfassenden Anspruch des Auferstehungsgedankens in der griechisch-römischen Welt nicht mehr begriff. Vielmehr wurden nun die griechische Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele und die biblische Botschaft von der Auferweckung der Toten als eine je halbe Antwort auf die Frage nach dem ewigen Geschick des Menschen betrachtet und beides additiv zueinander gefügt. Dem schon gegebenen griechischen Vorwissen um die Unsterblichkeit der Seele füge die Bibel noch die Offenbarung hinzu, dass am Ende der Tage auch die Körper auferweckt würden, um fortan auf immer das Geschick der Seele – Verwerfung oder Seligkeit – zu teilen. Demgegenüber werden wir festhalten müssen, dass es sich ursprünglich nicht eigentlich um zwei komplementäre Vorstellungen handelte; vielmehr stehen wir vor zwei verschiedenen Gesamtanschauungen, die man gar nicht einfach addieren kann:

Das Menschenbild, das Gottesbild und das Bild von der Zukunft sind jeweils durchaus verschieden, und so kann man im Grunde jede der beiden Ansichten nur als Versuch einer Totalantwort auf die Frage nach dem menschlichen Geschick verstehen. Der griechischen Auffassung liegt die Vorstellung zugrunde, im Menschen seien zwei an sich einander fremde Substanzen zusammengefügt, von denen die eine (der Körper) zerfällt, während die andere (die Seele) von sich aus unvergänglich ist und daher aus sich, unabhängig von irgendwelchen anderen Wesen, weiterbesteht. Ja, in der Trennung von dem ihr wesensfremder Körper käme die Seele erst zu ihrer vollen Eigentlichkeit. Der biblische Gedankengang setzt demgegenüber die ungeteilte Einheit des Menschen voraus; die Schrift kennt beispielsweise kein Wort, das nur den Körper (abgetrennt und unterschieden von der Seele) bezeichnen würde, umgekehrt bedeutet auch das Wort Seele in den allermeisten Fällen den ganzen leibhaftig existierenden Menschen; die wenigen Stellen, in denen sich eine andere Sicht abzeichnet, bleiben in einer gewissen Schwebe zwischen griechischem und hebräischem Denken und geben jedenfalls die alte Sicht keineswegs auf. Die Auferweckung der Toten (nicht der Körper!), von der die Schrift redet, handelt demgemäß vom Heil des einen, ungeteilten Menschen, nicht nur vom Schicksal einer (womöglich noch sekundären) Hälfte des Menschen. Damit ist nun auch schon klar, dass der eigentliche Kern des Auferstehungsglaubens gar nicht in der Idee der Rückgabe der Körper besteht, auf die wir ihn aber in unserem Denken reduziert haben; das gilt, obwohl diese Bildvorstellung in der Bibel durchgehend verwendet wird. Aber was ist dann der eigentliche Inhalt dessen, was die Bibel mit der Chiffre von der Auferstehung der Toten den Menschen als ihre Hoffnung ankündigen will? Ich denke, man kann dieses Eigentliche am ehesten in der Gegenüberstellung zur dualistischen Konzeption der antiken Philosophie heraus arbeiten:

1. Die Unsterblichkeitsidee, welche die Bibel mit dem Wort von der Auferstehung ansagt, meint eine Unsterblichkeit der »Person«, des einen Gebildes Mensch. Während im Griechischen das typische Wesen Mensch ein Zerfallsprodukt ist, das als solches nicht weiterlebt, sondern seiner heterogenen Artung aus Leib und Seele gemäß zwei verschiedene Wege geht, ist es nach biblischem Glauben gerade dies Wesen Mensch, das als solches, wenn auch verwandelt, fortbesteht.

2. Es handelt sich um eine »dialogische« Unsterblichkeit (= Auferweckung!); das heißt, Unsterblichkeit ergibt sich nicht einfach aus der Selbstverständlichkeit des Nicht-sterben-Könnens des Unteilbaren, sondern aus der rettenden Tat des Liebenden, der die Macht dazu hat: Der Mensch kann deshalb nicht mehr total untergehen, weil er von Gott gekannt und geliebt ist. Wenn alle Liebe Ewigkeit will – Gottes Liebe will sie nicht nur, sondern wirkt und ist sie. Tatsächlich ist der biblische Auferweckungsgedanke unmittelbar aus diesem dialogischen Motiv erwachsen: Der Beter weiß im Glauben, dass Gott das Recht herstellen wird (Job 19,25 ff; Ps 73,23ff); der Glaube ist überzeugt, dass diejenigen, die um der Sache Gottes willen gelitten haben, auch an der Einlösung der Verheißung Anteil erhalten werden (2 Makk 7,9ff). Weil biblisch vorgestellte Unsterblichkeit nicht aus der Eigenmacht des von sich aus Unzerstörbaren hervorgeht, sondern aus dem Einbezogensein in den Dialog mit dem Schöpfer, darum muss sie Auferweckung heißen. Weil der Schöpfer nicht bloß die Seele, sondern den inmitten der Leibhaftigkeit der Geschichte sich realisierenden Menschen meint und ihm Unsterblichkeit gibt, muss sie Auferweckung der Toten = der Menschen heißen. Hier ist anzumerken, dass auch bei der Formel unseres Symbolums, welches von der »Auferstehung des Fleisches«spricht, das Wort »Fleisch« soviel wie »Menschenwelt« bedeutet (im Sinn biblischer Ausdrucksweise, etwa: »Alles Fleisch wird schauen Gottes Heil« usw.); auch hier ist das Wort nicht im Sinn einer von der Seele isolierten Körperlichkeit gemeint.

3. Dass die Auferweckung am »Jüngsten Tage«, am Ende der Geschichte, und in der Gemeinschaft aller Menschen erwartet wird, zeigt den mitmenschlichen Charakter der menschlichen Unsterblichkeit an, die in Beziehung steht zur gesamten Menschheit, von der, zu der hin und mit der der Einzelne gelebt hat und daher selig oder unselig wird. Im Grunde ergibt sich dieser Zusammenhang aus dem gesamtmenschlichen Charakter der biblischen Unsterblichkeitsidee von selbst. Die griechisch gedachte Seele ist der Leib und so auch die Geschichte durchaus äußerlich, sie existiert davon losgelöst weiter und bedarf dazu keines anderen Wesens. Für den als Einheit verstandenen Menschen ist demgegenüber die Mitmenschlichkeit konstitutiv; soll er weiterleben, dann kann diese Dimension nicht ausgeschlossen sein. So erscheint vom biblischen Grundansatz her die viel verhandelte Frage, ob es nach dem Tod eine Gemeinschaft der Menschen untereinander geben kann, als gelöst; sie konnte im Grunde nur durch ein Überwiegen des griechischen Elements im gedanklichen Ansatz aufkommen: Wo die»Gemeinschaft der Heiligen« geglaubt wird, ist die Idee der Anima separata (der »losgetrennten Seele«, von der die Schultheologie spricht) im Letzten überholt. Im vollen Umfang wurden alle diese Gedanken erst möglich in der neutestamentlichen Konkretisierung der biblischen Hoffnung – das Alte Testament allein lässt die Frage nach der Zukunft des Menschen letztlich doch in der Schwebe. Erst mit Christus, dem Menschen, der »mit dem Vater eins ist«, dem Menschen, durch den das Wesen Mensch eingetreten ist in Gottes Ewigkeit, zeigt sich definitiv die Zukunft des Menschen offen. Erst in ihm, dem »Zweiten Adam«, rundet sich die Frage, die der Mensch selber ist, zur Antwort. Christus ist Mensch, ganz und gar; insofern ist in ihm die Frage anwesend, die wir Menschen sind. Aber er ist zugleich Anrede Gottes an uns, »Wort Gottes«. Das Gespräch zwischen Gott und Mensch, das seit Anfang der Geschichte hin und her geht, ist in ihm in ein neues Stadium getreten: In ihm ist das Wort Gottes »Fleisch« geworden, real eingelassen in unsere Existenz. Wenn aber der Dialog Gottes mit dem Menschen Leben bedeutet, wenn wahr ist, dass der Dialogpartner Gottes eben durch sein Angesprochensein durch den, der ewig lebt, selbst Leben hat, dann bedeutet dies, dass Christus als die Rede Gottes an uns selber »die Auferstehung und das Leben« ist (Jo 11,25). Das bedeutet dann weiterhin, dass das Eintreten in Christus, das heißt der Glaube, in qualifiziertem Sinn ein Eintreten in jenes Gekanntsein und Geliebtsein von Gott her wird, welches Unsterblichkeit ist: »Wer an den Sohn glaubt, hat ewiges Leben« (Jo 3,15 f; 3,36; 5,24). Nur von da aus ist die Gedankenwelt des vierten Evangelisten zu verstehen, der in seiner Darstellung der Lazarus-Geschichte dem Leser begreiflich machen will, dass Auferstehen nicht bloß ein fernes Geschehen am Ende der Tage ist, sondern durch den Glauben jetzt geschieht. Wer glaubt, steht in dem Gespräch mit Gott, das Leben ist und den Tod überdauert. Damit fallen nun auch die »dialogische«, unmittelbar auf Gott bezogene, und die mitmenschliche Linie des biblischen Unsterblichkeitsgedankens ineinander. Denn in Christus, dem Menschen, treffen wir Gott; in ihm treffen wir aber auch auf die Gemeinschaft der anderen, deren Weg zu Gott durch ihn und so zueinander läuft. Die Orientierung auf Gott ist in ihm zugleich die Orientierung in die Gemeinschaft der Menschheit hinein, und nur die Annahme dieser Gemeinschaft ist Zugehen auf Gott, den es nicht abseits Christi und so auch nicht abseits des Zusammenhangs der ganzen menschlichen Geschichte und ihres mitmenschlichen Auftrags gibt. Damit klärt sich auch die in der Väterzeit und wieder seit Luther viel bedachte Frage des »Zwischenzustandes« zwischen Tod und Auferstehung: Das im Glauben eröffnete Mit-Christus-Sein ist begonnenes Auferstehungsleben und daher den Tod überdauernd (Phil 1 23; 2 Kor 5,8; 1 Thess 5,10). Der Dialog des Glaubens ist jetzt schon Leben, das durch den Tod nicht mehr zerbrochen werden kann. Die von lutherischen Theologen immer wieder erwogene und neuerdings auch vom holländischen Katechismus ins Spiel gebrachte Idee des Todesschlafes ist daher vom Neuen Testament her nicht zu halten und auch nicht durch das mehrfache Vorkommen des Wortes »schlafen« im Neuen Testament zu rechtfertigen: Der geistige Duktus des Neuen Testaments steht einer solchen Auslegung grundsätzlich und in allen Schriften im Weg, die übrigens auch von dem im Spätjudentum erreichten Denken über das Leben nach dem Tode aus kaum noch zu verstehen wäre.

b) Die wesentliche Unsterblichkeit des Menschen.

Mit den bisherigen Überlegungen dürfte einigermaßen deutlich geworden sein, worum es in der biblischen Auferstehungsverkündigung eigentlich geht: Ihr wesentlicher Gehalt ist nicht die Vorstellung von einer Rückgabe der Körper an die Seelen nach einer langen Zwischenzeit, sondern ihr Sinn ist, den Menschen zu sagen, dass sie, sie selbst, weiterleben; nicht aus eigener Macht, sondern weil sie in einer Weise von Gott gekannt und geliebt sind, dass sie nicht mehr untergehen können. Gegenüber der dualistischen Unsterblichkeitskonzeption, wie sie sich in der griechischen Leib-Seele-Schematik ausspricht, will die biblische Formel von der Unsterblichkeit durch Auferweckung eine ganzmenschliche und dialogische Vorstellung von der Unsterblichkeit vermitteln: Das Wesentliche des Menschen, die Person, bleibt; das, was in dieser irdischen Existenz leibhaftiger Geistigkeit und durchgeisteter Leiblichkeit gereift ist, das besteht auf eine andere Weise fort. Es besteht fort, weil es in Gottes Gedächtnis lebt. Und weil es der Mensch selbst ist, der leben wird, nicht eine isolierte Seele, darum gehört das mitmenschliche Element mit in die Zukunft hinein; darum wird die Zukunft des einzelnen Menschen erst dann voll sein, wenn die Zukunft der Menschheit erfüllt ist.

Nun drängt sich hier eine Reihe von Fragen auf. Die erste lautet: Ist Unsterblichkeit damit nicht zu einer puren Gnade gemacht, obgleich sie doch in Wahrheit dem Wesen des Menschen als Menschen zukommen muss? Oder anders ausgedrückt: Landet man hier nicht am Ende bei einer Unsterblichkeit allein für die Frommen, also in einer Zerteilung des menschlichen Schicksals, die unannehmbar ist? Wird hier nicht, theologisch gesprochen, die natürliche Unsterblichkeit des Wesens Mensch mit dem übernatürlichen Geschenk der ewigen Liebe verwechselt, die den Menschen selig macht? Muss nicht gerade um der Menschlichkeit des Glaubens willen an der natürlichen Unsterblichkeit festgehalten werden, weil eine rein christologisch aufgefasste Fortexistenz des Menschen notwendig ins Mirakelhafte und Mythologische abgleiten würde? Diese letzte Frage kann man ohne Zweifel nur bejahend beantworten. Aber das widerspricht auch unserem Ansatz keineswegs. Auch von ihm her wird man mit Entschiedenheit sagen müssen: Die Unsterblichkeit, die wir eben ihres dialogischen Charakters wegen als »Auferweckung« benannt haben, kommt dem Menschen als Menschen, jedem Menschen, zu und ist nichts sekundär hinzugefügtes »Übernatürliches«. Aber man muss doch weiter fragen: Was macht eigentlich den Menschen zum Menschen? Und was ist das definitiv Unterscheidende des Menschen? Darauf werden wir antworten müssen: Das Unterscheidende des Menschen ist, von oben gesehen, sein Angesprochensein von Gott, dies also, dass er Dialogpartner Gottes ist, das von Gott gerufene Wesen. Von unten gesehen bedeutet das, dass der Mensch jenes Wesen ist, das Gott denken kann, das auf Transzendenz geöffnet ist. Nicht ob er Gott wirklich denkt, sich wirklich auf ihn hin öffnet, ist hier die Frage, sondern dass er grundsätzlich jenes Wesen ist, das dazu an sich befähigt ist, auch wenn es faktisch, aus welchen Gründen auch immer, diese Fähigkeit vielleicht nie zu verwirklichen vermag.

Nun könnte man sagen: Aber ist denn nicht viel einfacher das Unterscheidende des Menschen darin zu sehen, dass er eine geistige, unsterbliche Seele hat? Diese Antwort ist richtig, aber wir bemühen uns eben, ihren konkreten Sinn ans Licht zu bringen. Beides widerspricht sich gar nicht, sondern drückt nur in verschiedenen Denkformen das Gleiche aus. Denn »eine geistige Seele haben« heißt gerade: besonderes Gewolltsein, besonderes Gekanntsein und Geliebtsein von Gott; eine geistige Seele haben heißt: ein Wesen sein, das von Gott auf ewigen Dialog hin gerufen und darum seinerseitsfähig ist, Gott zu erkennen und ihm zu antworten. Was wir in einer mehr substantialistischen Sprache »Seele haben« nennen, werden wir in einer mehr geschichtlichen, aktualen Sprache bezeichnen »Dialogpartner Gottes sein«. Damit ist nicht gesagt, dass die Redeweise von der Seele falsch sei (wie ein einseitiger und unkritischer Biblizismus heute gelegentlich behauptet); sie ist in gewisser Hinsicht sogar notwendig, um das Ganze dessen zu sagen, worum es hier geht. Aber sie ist andererseits auch ergänzungsbedürftig, wenn man nicht in eine dualistische Konzeption zurückfallen will, die der dialogischen und personalistischen Sicht der Bibel nicht gerecht werden kann. Wenn wir also sagen, dass des Menschen Unsterblichkeit in seiner dialogischen Verwiesenheit auf Gott hin gründet, dessen Liebe allein Ewigkeit gibt, so ist darin nicht ein Sondergeschick der Frommen angesprochen, sondern die wesentliche Unsterblichkeit des Menschen als Menschen herausgestellt. Nach unseren letzten Überlegungen ist es durchaus möglich, den Gedanken auch von der Leib-Seele-Schematik her zu entwickeln; deren Bedeutung, ja vielleicht Unerlässlichkeit besteht darin, dass sie diesen wesenhaften Charakter der menschlichen Unsterblichkeit herausstellt. Aber sie muss doch auch immer wieder in die biblische Perspektive gerückt und von ihr her korrigiert werden, um jener Sicht dienstbar zu bleiben, die vom Glauben auf die Zukunft des Menschen hin eröffnet worden ist. Im Übrigen wird an dieser Stelle wieder einmal sichtbar, dass man im Letzten nicht reinlich zwischen »natürlich« und »übernatürlich« scheiden kann: Der Grunddialog, der den Menschen allererst als Menschen konstituiert, geht bruchlos über in den Gnadendialog, der Jesus Christus heißt. Wie könnte es auch anders sein, wenn Christus wirklich der »Zweite Adam«, die eigentliche Erfüllung jener unendlichen Sehnsucht ist, die aus dem ersten Adam – aus dem Menschen überhaupt – aufsteigt?

Die Frage des Auferstehungsleibes.

Noch sind wir mit unseren Fragen nicht am Ende. Gibt es eigentlich, wenn es so steht, einen Auferstehungsleib, oder zieht sich das Ganze auf eine bloße Chiffre für die Unsterblichkeit der Person zusammen? Das ist das Problem, das noch unser wartet. Es ist kein neues Problem; schon Paulus wurde von den Korinthern mit Fragen dieser Art bestürmt, wie uns das fünfzehnte Kapitel des ersten Korintherbriefes zeigt, in dem der Apostel versucht, darauf zu antworten, soweit das in diesem Punkt, jenseits der Grenzen unseres Vorstellens und der uns zugänglichen Welt, überhaupt geschehen kann. Viele der Bilder, die Paulus dabei verwendet, sind uns fremd geworden; seine Antwort als ganze ist noch immer das Großzügigste, Kühnste und Überzeugendste, das zu dieser Sache gesagt worden ist. Gehen wir aus von dem Vers 50, der mir eine Art Schlüssel zu dem Ganzen zu sein scheint: »Das aber sage ich, Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht erben können und dass Vergängliches nicht zu Unvergänglichkeit kommt«. Mir scheint, dass dieser Satz in unserem Text ungefähr die gleiche Stelle einnimmt, die in dem eucharistischen Kapitel 6 des Johannesevangeliums dem Vers 63 zukommt, wie denn überhaupt diese beiden scheinbar so weitauseinander liegenden Texte viel näher verwandt sind, als der erste Zublick erkennen kann. Dort, bei Johannes, heißt es, nachdem eben in aller Schärfe die reale Anwesenheit von Fleisch und Blut Jesu in der Eucharistie betont worden war: »Der Geist ist’s, der lebendig macht, das Fleisch nützt nichts«. In dem johanneischen wie in dem paulinischen Text geht es darum, den christlichen Realismus des »Fleisches« zu entwickeln. Bei Johannes wird der Realismus der Sakramente, das heißt der Realismus der Auferstehung Jesu und seines uns von daher zukommenden »Fleisches«, herausgestellt; bei Paulus geht es um den Realismus der Auferstehung des »Fleisches«, der Auferstehung der Christen und des darin für uns verwirklichten Heils. Aber in beiden Kapiteln wird auch ein scharfer Kontrapunkt gesetzt, der gegenüber einem bloß innerweltlichen, quasi-physikalischen Realismus den christlichen Realismus als Realismus jenseits der Physik, als Realismus des Heiligen Geistes herausstellt. Hier versagt unsere deutsche Sprache gegenüber der Hintergründigkeit des biblischen Griechisch. In ihm besagt das Wort Soma so viel wie Leib, aber zugleich auch so viel wie das Selbst, und dieses Soma kann »Sarx«, das heißt Leib in der irdisch-geschichtlichen, also in der chemisch-physikalischen Weise sein, es kann aber auch »Pneuma« sein – »Geist« müsste man hier nach den Lexika übersetzen; in Wirklichkeit soll das besagen: Das Selbst, das jetzt in einem chemisch-physikalisch fassbaren Leib erscheint, kann wiederum, definitiv, erscheinen in der Weise einer transphysikalischen Wirklichkeit. »Leib« und »Geist« sind in der Sprache des Paulus keine Gegensätze, sondern die Gegensätze heißen »Fleischesleib« und »Leib in der Weise des Geistes«. Wir brauchen nicht zu versuchen, hier die komplizierten historischen und philosophischen Probleme zu verfolgen, die damit gestellt sind. Eins dürfte auf jeden Fall klar sein: Sowohl Johannes (6,63) wie Paulus (1 Kor 15,50) machen mit allem Nachdruck deutlich, dass die»Auferstehung des Fleisches«, die »Auferstehung der Leiber« nicht eine »Auferstehung der Körper« ist. Der paulinische Entwurf ist so, von heutigem Denken her gesprochen, weit weniger naiv als die spätere theologische Gelehrsamkeit mit ihren subtilen Konstruktionen über die Frage, wie es ewige Körper geben könne. Paulus lehrt, um es noch einmal zusagen, nicht die Auferstehung der Körper, sondern der Personen, und dies gerade nicht in der Wiederkehr der »Fleischesleiber«, das heißt der biologischen Gebilde, die er ausdrücklich als unmöglich bezeichnet (»das Vergängliche kann nicht unvergänglich werden«), sondern in der Andersartigkeit des Lebens der Auferstehung, wie es im auferstandenen Herrn vorgebildet ist. Aber hat dann die Auferstehung überhaupt keine Beziehung zur Materie? Und wird der »Jüngste Tag« damit völlig gegenstandslos zugunsten des Lebens, das aus dem Ruf Gottes immer kommt? Auf diese letzte Frage haben wir im Grunde mit unseren Überlegungen zur Wiederkunft Christi die Antwort schon gegeben. Wenn der Kosmos Geschichte ist und wenn die Materie ein Moment an der Geschichte des Geistes darstellt, dann gibt es nicht ein ewiges neutrales Nebeneinander von Materie und Geist, sondern eine letzte »Komplexität«, in der die Welt ihr Omega und ihre Einheit findet. Dann gibt es einen letzten Zusammenhang zwischen Materie und Geist, in dem sich das Geschick des Menschen und der Welt vollendet, auch wenn wir heute unmöglich die Art dieses Zusammenhanges definieren können. Dann gibt es einen »Jüngsten Tag«, in dem das Geschick der Einzelmenschen voll wird, weil das Geschick der Menschheit erfüllt ist. Das Ziel des Christen ist nicht eine private Seligkeit, sondern das Ganze. Er glaubt an Christus, und er glaubt darum an die Zukunft der Welt, nicht bloß an seine Zukunft. Er weiß, dass diese Zukunft mehr ist, als er selbst erschaffen kann. Er weiß, dass es einen Sinn gibt, den er gar nicht zu zerstören vermag. Aber soll er darum die Hände in den Schoß legen? Im Gegenteil – weiler weiß, dass es Sinn gibt, darum kann er und muss er freudig und unverzagt das Werk der Geschichte tun, auch wenn er von seinem kleinen Ausschnitt her das Gefühl haben wird, es bleibe eine Sisyphusarbeit und der Stein des menschlichen Geschicks werde nur immer neu, Generation um Generation, nach oben gerollt, um ebenso neu immer wieder zu entgleiten und alle Bemühungen von vorher zuschanden zu machen. Wer glaubt, weiß, dass es »vorwärts«geht, nicht im Kreis. Wer glaubt, weiß, dass die Geschichte nicht dem Teppich der Penelope gleicht, der immer von neuem gewoben wird, um immer von neuem aufgetrennt zu werden. Vielleicht werden auch den Christen die Alpträume der Furcht vor der Vergeblichkeit überfallen, aus denen heraus die vorchristliche Welt solche bewegenden Bilder der Angst vor der Fruchtlosigkeit menschlichen Tuns geschaffen hat. Aber in seinen Alptraum dringt rettend und verwandelnd die Stimme der Wirklichkeit: »Habt Mut, ich habe die Welt überwunden« (Jo 16,33). Die neue Welt, mit deren Darstellung im Bild des endgültigen Jerusalem die Bibel schließt, ist keine Utopie, sondern Gewissheit, der wir im Glauben entgegengehen. Es gibt eine Erlösung der Welt – das ist die Zuversicht, die den Christen trägt und die es ihm auch heute noch lohnend macht, ein Christ zu sein.

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