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Nichts kann uns trennen von der Liebe Christi

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Vatikan-Luft

Liebe Schwestern, liebe Brüder in der Gemeinschaft des Glaubens!

Wenn ich heute hier im Petersdom vor Sie hinträte und einfach vor Ihnen bekennen würde: „Ich bin ein Christ“, würde Sie das vermutlich nicht besonders beeindrucken. Dieses Bekenntnis brächte Ihnen keine neue Erkenntnis und es würde Sie sicher nicht überraschen. Vielleicht wären Sie eher verunsichert.

„Ich bin Christ“– Dieses kurze und knappe Bekenntnis konnte und kann bis heute Menschen ihr Leben kosten. Auch hier in Rom sprach man sich in den Anfängen des Christentums mit dem öffentlichen Bekenntnis: „Ich bin Christ“ das eigene Todesurteil aus.

I.

Hier, direkt an den Petersdom, grenzt der ‚Campo santo teutonico’, der uralte und geschichtsträchtige Friedhof der Deutschen in Rom. Während der römischen Kaiserzeit befand sich hier der Zirkus der Kaiser Caligula und Nero, der Ort, an dem die ersten Märtyrer Roms für ihr Bekenntnis „Ich bin Christ“ sterben mussten. Nero machte ihren Tod zum Schauspiel. Er ließ die einen als lebendige Fackeln verbrennen, andere in Tierhäute einnähen und wilden Tieren vorwerfen, die sie zerrissen. Das Gelände des Zirkus reichte bis weit auf den heutigen Petersplatz. Der Ort, an dem Nero sein makaberes und blutrünstiges Spiel mit dem Tode trieb, ist für uns Christen zu einem heiligen Ort, zum geistigen Zentrum geworden. Der Glaube der Märtyrer, der Glaube des Petrus, dessen Gebeine hier im Petersdom ruhen, überlebte die Tyrannen und das römische Reich. Unser christlicher Glaube hat sich als die Kraft erwiesen, die das Auf und Ab der Zeiten überdauert. Unser Glaube an den Auferstandenen ist stärker als der Tod. Er gibt uns trotz aller Anfechtungen in den vergangenen zweitausend Jahren immer wieder den Mut, zu bekennen: „Ich bin Christ“.

Der Apostel Paulus weiß um die Situation der Christen in Rom. Er weiß aus eigener Erfahrung, was es für Folgen haben kann, sich zu Christus zu bekennen. Doch das lässt ihn nicht verzagen. Er gibt nicht auf. Im Gegenteil, in all den Anfechtungen, bei aller Verleumdung und Verfolgung hat er Tieferes erfahren: Wer sich zu Christus bekennt, dem steht Christus selbst bei. Von diesem tiefen Gottvertrauen und vom Glauben daran, dass uns Nichts und niemand von der Liebe Christi trennen kann, ist sein Brief an die Christen in Rom durchgehend geprägt. In der heutigen Lesung hörten wir einige Verse daraus. Paulus macht den Christen in Rom Mut, zu ihrem Bekenntnis zu stehen, und aufrichtig zu bekennen: „Ich bin Christ“. Er bestärkt nicht nur die Christen in Rom, er ermutigt auch uns in unserem Glauben an Christus mit den Worten: „Was kann uns trennen von der Liebe Christi? Ich bin gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe oder Tiefe noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8, 35;37-39).

Der Apostel Paulus schreibt diese Sätze seines Römerbriefes gegen Ende seines Schaffens. Er hatte selbst viele Herausforderungen und Leiden durchmachen müssen: Überfälle, Schiffbrüche, sieben Gefängnisaufenthalte, Auspeitschungen (vgl. 2 Kor 11). Nichts hat ihn scheiden können von der Liebe Christi. Der Auferstandene ist ihm treu geblieben und er ist Christus treu geblieben. Treue kommt erst dann zum Blühen, wenn sie gegenseitig ist, wenn beide Seiten sich zusammengehörig wissen. Von dieser gegenseitigen Treue zeugen auch die Märtyrer in Rom: Nichts hat sie scheiden können von der Liebe Christi.

Ich bin gewiss: Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes! Paulus beschreibt die Gefahren und das mögliche Leiden sehr realistisch und konkret. Mit solchen dramatischen Problemen werden wir heute nicht zu rechnen haben. Und – Gott sei Dank – werden wir in unserem Land und in Europa nicht um unsres Glaubens willen verfolgt. Dennoch ist der christliche Glaube auch heute bedroht, bedroht durch einen lautlosen und schleichenden Abfall, durch pure Gleichgültigkeit und Desinteresse. Alarmierende Anzeichen gibt es zu genüge: Wenn das Kreuz aus Schulen und öffentlichen Gebäuden verbannt wird. Wenn das Geschenk des Lebens mit Füßen getreten und als lebensunwert bezeichnet wird. Wenn Europa meint, sich eine Verfassung ohne Gottesbezug geben zu müssen. Wenn der Sonntag in Gefahr ist, zu einem Tag wie jeder andere zu werden. Wenn ich am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft oder im Verein für meine Überzeugung: „Ich bin Christ“ als ‚von Gestern’ bezeichnet werde. Aber auch diese Schwierigkeiten – und da können wir sicher sein – können uns nicht von der Liebe des allmächtigen Gottes trennen. Er ist uns treu. Wenn überhaupt, dann stehen wir in Gefahr, uns von der Liebe Christi zu trennen.

Paulus benennt ganz konkret und ganz realistisch Probleme und Schwierigkeiten. Er erinnert er uns daran, dass wir nicht in einer heilen Welt, sondern in einer Welt leben, die auch Unglück und Leid kennt. Das menschlich Schwere wird nicht überspielt. „Ich bin Christ“ heißt „Ich bin Realist“. Christsein bedeutet weder die Dinge schön zu reden, noch alles schwarz zu sehen. Unser Gott erspart uns Sorgen und Leiden nicht, auch nicht den Tod, aber er geht mit uns und er hilft uns hindurch. Alles Leid erhält durch ihn ein neues Vorzeichen. Im Blick auf den Auferstandenen dürfen wir Christen Menschen sein, die ihre Grenzen annehmen, ohne zu resignieren; Menschen, die wissen, Gott liebt uns, er hat uns „ewigen Trost und sichere Hoffnung geschenkt“ (2 Thess 2,16), wie Paulus schreibt. Die Kirche ist die Heimat der Hoffnung.
Heute sind wir als Christen mehr denn je dazu herausgefordert, eine überzeugende Gemeinschaft im Glauben, eine Gemeinschaft der Hoffnung zu bilden.

Aber sind wir im Alltag wirklich die Mutigen, die der Resignation und dem Jammern widerstehen? Ist es nicht allmählich sogar Mode geworden, tagtäglich von Entmutigung, Ängsten und Rückschritten zu reden? Sich gegenseitig im Lamentieren anzustecken und zu lähmen? Die Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland hat dies bereits vor über dreißig Jahren erkannt, wenn sie sagt: „Die Welt braucht keine Verdoppelung ihrer Hoffnungslosigkeit […]; sie sucht das Gegengewicht, die Sprengkraft gelebter Hoffnung.“ – Christen sind Hoffnungsträger: Im Hier und heute! Unser entschiedenes Wort der Hoffnung ist jedoch nicht hart und abweisend. Vielmehr ist es aufmunternd, einladend und versteht es, „die Müden zu stärken“ (Jes 50,4). Unheil, Leid und Not erhalten ein anderes Vorzeichen durch die Zuversicht, dass Gott uns jeden Tag neu zur Seite steht! Weil wir, jede und jeder einzelne von uns, ihm am Herzen liegen. „Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur. Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu. Egal ob du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur“ so bringt es ein neues geistliches Lied eindrucksvoll zum Ausdruck. Wir sind von Gott gewollt, mit der Kraft zum Leben beschenkt. Wir sind von Gott ins Leben gerufen. Er hat jeden einzelnen von uns bei seinem Namen gerufen. Das können wir uns gar nicht oft genug bewusst machen. Das dürfen wir Christen allen Menschen im Namen des Evangeliums zusprechen. Gott ist keine abstrakte Idee, er hat sich nicht zurückgezogen und schläft nicht in ruhender Unbekümmertheit.  Nein: Er ist der lebendige, persönliche Gott. Er hat Interesse an uns. Er kommt auf uns Menschen zu und spricht uns an. Das dürfen wir uns tagtäglich, schon am Beginn eines jeden Tages zusagen lassen: „Ich der Herr habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich bei der Hand“ (Jes 42,6).

II.

„Ich bin Christ“, das bedeutet, ich bin von Gott gerufen. Er schenkt und gibt uns Menschen das Leben. Mehr noch: von ihm und durch ihn bekommen wir unsere Würde, weil wir sein Ebenbild, sein Abbild sind. Unsere menschliche Würde hängt nicht von unserer eigenen Zustimmung und Anerkennung, von unserem Wollen und erst recht nicht von unserer Leistung ab. Gott schenkt uns Würde ohne eine Vorleistung – von Anfang an: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt“ (Jer 1,5). Dieses Wort an den Propheten Jeremia gilt auch uns. Wir existieren nicht zuerst als Menschen und dann kommt noch der Ruf Gottes, die Würde hinzu. Nein wir sind von der Wurzel, von Anfang an von Gott Berufene. Gottes Ruf und unsere menschliche Existenz fallen zusammen. Wenn wir uns darauf einlassen, wenn wir uns bewusst machen, dass Gott uns das Leben geschenkt, jede und jeden einzelnen von uns ins Leben gerufen hat, dann erkennen wir auch unsere Verantwortung. Unsere wie wir mit diesem Geschenk des Lebens, mit unserem Körper, unseren Kräften und Möglichkeiten umgehen; Dass wir uns nicht gegen, sondern für das Geschenk des Lebens einsetzen. Vom Anfang, vom Schutz des ungeborenen Lebens, bis zum Ende, zum Einsatz für ein menschenwürdiges Sterben.

„Ich bin von Gott gerufen“ – dieses Wissen entlastet. Wir brauchen nicht zu fragen: was habe ich vom Leben zu erwarten? Wir dürfen vielmehr fragen: Was erwartet Gott von mir in meinem Leben? Wofür, für welche Aufgaben hat er mich berufen? Was ist meine Berufung? Wir sind auf Gott hin geschaffen, offen für seinen Ruf, ja darauf angelegt. „Jeden Morgen weckt er mein Ohr“, so sagt der Prophet Jesaja, „damit ich auf ihn höre wie ein Jünger“ (Jes 50,4). Wir werden von Gott nicht nur ins Leben gerufen. Sein Ruf begleitet und leitet uns – Tag für Tag. Wenn wir auf ihn hören, in unserem Alltag tatsächlich mit ihm rechnen.

Jeder hat seine eigene Berufungsgeschichte, jeder hat seine Gaben, sein eigenes Charisma, das es in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen gilt. „Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat“ (1 Petr 4,10), so lädt uns der Apostel Petrus ein. Wer sich von Gott rufen lässt, der wächst über sich selbst hinaus, bringt sich zum Wohl der anderen ein. Der sucht sein Glück nicht, indem er in ängstlichem Egoismus ständig um sich selbst kreist. Selbstsüchtige sind, wie alle Süchtige, unglücklich. Der große Bischof von Konstantinopel, Johannes Chrysostomos, warnt vor Egoismus und Eigensucht, wenn er sagt: „Gott hat uns Menschen derart verflochten, dass wir unseren Vorteil nicht finden, wenn wir nicht den Vorteil der Mitmenschen suchen. Du magst dich in der Tugend und Askese üben, doch wenn du dich nicht um deinen Mitmenschen kümmerst, kannst du vor Gott nicht bestehen“ (Homilien zu 1 kor 25,4).

Der Ruf Gottes ist nicht immer bequem und entspricht nicht immer meinen eigenen Vorstellungen. Wer sich auf den Ruf Gottes einlässt, für den heißt es, bereit zu sein, sich aus seiner eigenen Welt herausreißen, seine eigenen Pläne von den Plänen Gottes durchkreuzen zu lassen. Abraham wird von Gott aus seinem Alltag herausgerufen und in die Fremde geschickt. „Zieh weg“ (Gen 12,1) – das ist das erste, was Abraham hört. Gott verlangt viel. Er fordert den Menschen ganz. Ebenso ging es den Fischern am See Gennesaret, den Jüngern, die Jesus in seine Nachfolge gerufen hat. Ihr Leben änderte sich radikal. Gottes Ruf berührt die Herzen und verwandelt Biografien. Das braucht uns keine Angst zu machen. Im Gegenteil: „Gott, der euch beruft, ist treu“ (1 Thess 5,24) schreibt Paulus. Gott ist der sichere und verlässliche Grund unsers Lebens. In Zeiten der Freude und in Stunden der Trauer.

Wer diese Erfahrung gemacht hat, muss geradezu in die Worte des Petrus und des Johannes freudig einstimmen: „Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“ (Apg 4,20). Dahinter steckt die tiefe und grundlegende Erfahrung: Wer Gottes Liebe und Zuwendung erfahren hat, der kann gar nicht anders, als diese Erfahrung, seinen Glauben an Gott an andere weiter zu geben. Der will alle Menschen an der befreienden Botschaft des Evangeliums teilhaben lassen. Er kann nicht anders als davon Zeugnis abzulegen und dem Auftrag Christi zu folgen: „Ihr werdet meine Zeugen sein, in Jerusalem, in Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Christliche Berufung heißt: Hineingerufen werden in die Sendung Jesu Christi. Für ihn Zeugnis abzulegen. Mit Wort und Tat verkünden, dass die Welt nicht ihrem eigenen Schicksal überlassen und preisgegeben ist. „Ich bin Christ“ heißt somit: Ich bin von Gott gerufen, um Zeugnis abzulegen.

III.

Liebe Schwestern und Brüder!
Die wörtliche Übersetzung des griechischen Wortes µαρτυσ – Märtyrer bedeutet genau dies: Zeuge sein. Paulus kam nicht nach Korinth, „um glänzende Reden oder gelehrte Weisheit vorzutragen, sondern um das Zeugnis Gottes zu verkünden“ (1 Kor 2,1). Paulus hat erst dann sein Ziel erreicht, wenn sein Zeugnis bei den anderen Glauben findet, wenn auch sie  Glauben an Jesus Christus kommen (vgl. 2 Thess 1,10).

Authentische Zeugen der Liebe Gottes sein – Diese Herausforderung verbindet uns mit den vielen Frauen und Männern, die in den zurückliegenden zweitausend Jahren bereit waren, Zeugnis abzulegen, die sich dazu bekannt haben „ich bin Christ“. Das verbindet uns auch mit den ersten Märtyrern der Stadt Rom, deren wir heute besonders gedenken.

Einige Zeit war auf einem Plakat am Frankfurter Flughafen der Slogan zu lesen: „Damit für Sie der Himmel offen bleibt, haben wir auf Erden viel zu tun“. In der Tat – die Christenheit hat viel zu tun, damit über uns, über Deutschland und Europa der Himmel offen bleibt. Wir Christen können durch unseren Glauben zur notwendigen „Horizonterweiterung“ beitragen. Indem wir Gott immer wieder neu ins Spiel bringen, verhindern wir, dass Gott hinter dem Horizont der Politik, der Wirtschaft und der Beliebigkeit untergeht. Deutschland, Europa, ja die Welt braucht uns Christen, sie braucht Frauen und Männer, Junge und Alte, die in Wort und Tat bekennen „Ich bin Christ“. Kardinal Joseph Höffner sagte 1978 auf dem Freiburger Katholikentag: „Fehlt das Zeugnis der Christen, so dringen in das Bewusstsein der Menschen und in die geistigen Nischen der modernen Zivilisation andere Kräfte ein […]. Es gilt, nicht nur abzuwarten, Wirkungen nachzulaufen, zu bewahren, sondern offensiv und konstruktiv neue Ursachen zu setzen.“2 Offensiv und konstruktiv – dürfen wir unseren Glauben bekennen. Mitten in unserem Alltag. Denn unser Glaube läuft nicht an der Welt vorbei, sondern mitten in die Welt hinein.

Die Erfahrungen der ersten Märtyrer in Rom können uns dafür Wegweiser sein: Ihre Art und Weise wie sie als Christen lebten, hat bei anderen Aufsehen erregt und Neugierde geweckt. Wie sie miteinander umgingen und füreinander sorgten, hat andere nach dem Grund ihrer Hoffnung fragen lassen. Ihr frohes und überzeugendes Bekenntnis „Ich bin Christ“ hat andere nachdenklich gemacht: Ihr ganzes Tun war eine lebendige Auslegung des Evangeliums, ein überzeugendes Leben, in der Nachfolge Christi.

Unserem Christsein heute darf dies nicht abhanden kommen, darf nicht fehlen, was sein Markenzeichen ist: Wir haben eine Botschaft, die alle Menschen angeht. Ein Sinn und ein Ziel, das über diese Welt hinausweist. Jesus Christus selbst bezeichnet seine Jünger als Salz. Salz ist nicht das Ganze. Es hat seinen Sinn nur im Bezug zu einem größeren Ganzen, das es „salzen“, also mit seiner Kraft durchdringen soll. Das Gleiche sagt uns Jesus mit dem Bild vom Licht auf dem Leuchter, ein Bild, das auch im Zeitalter des künstlichen Lichts unmittelbar verständlich ist. Licht ist zum Leuchten, nicht zum Verstecken da. Ich brauche meinen Glauben als Christ nicht zu verstecken. Im Gegenteil: Ich darf andere anstecken. Anstecken mit der frohmachenden Botschaft des Evangeliums. Ich darf froh bekennen: „Ich bin Christ“. Es scheint mir heute wichtig, die Angst zu überwinden, sich als gläubiger, praktizierender Christ zu bekennen, zu „outen“, wie es heute heißt. Wir brauchen dazu Selbstbewusstsein. Allerdings ein demütiges Selbstbewusstsein, weil wir nicht uns selbst auf den Leuchter stellen, sondern das Licht des Glaubens, dass wir selbst als Geschenk empfangen haben. Wir wollen andere nicht überreden, sondern in Wort und Tat davon überzeugen, wovon wir selbst überzeugt sind: Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes!
Ein Barockgemälde in der Abtei Benediktbeuren führt uns zum Kern eines überzeugenden Christseins: Es zeigt Christus als Menschenfischer. Was wirft er zum Fang aus? Sein Herz! Wer Menschen für den christlichen Glauben begeistern, authentischer Zeuge der Liebe Gottes sein will, der muss sein Herz einsetzen, sich selbst einbringen, der wird durchlässig für diese Liebe Gottes, für die Zuwendung Jesu zu den Menschen. Durch ihn kann, wie das Licht durch das Fenster hier in der Apsis des Petersdomes dringt, Gottes Liebe aufscheinen und erfahrbar werden. Durch das Symbol der Taube hier im Fenster, das Zeichen des Heiligen Geistes, werden wir darauf verwiesen, dass Gott die eigentliche Quelle des Lichtes ist. Von ihm kommt das Licht, das den Glauben und die Liebe in uns Menschen weckt. Ein Glaube, der unser
ganzes Leben in ein neues Licht taucht, in ein Licht von oben. Ein Licht, das mir hilft mein Mensch-Sein, mein Leben im Beruf, Freizeit, Ehe und Familie neu vom Ruf Gottes her zu verstehen. Gott ruft uns! Gott stärkt uns! Gott bleibt uns treu! Damit wir – wie die ersten Märtyrer Roms – Zeugnis ablegen, das Zeugnis von seiner Nähe und Liebe, das kurze und doch so sprechende Bekenntnis „Ich bin Christ“.

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1 Vgl. Gerichtsakten der Blutzeugen von Scili, hg. Von Hugo Rahner.

2 Joseph Kardinal Höffner: In der Kraft des Glaubens, Bd. II, Freiburg 1986, 627.7

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Predigt von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch auf der Diözesan-Pilgerfahrt nach Rom
Gedenktag der ersten hl. Märtyrer der Stadt Rom
St. Peter, Rom, 30.06.2004,
Röm 8,31b-39; Mt 24,4-13


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