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(Priester) Prof. Dr. Winfried Haunerland: Gottesdienst in katholischer Weite – Perspektiven der Vielfalt in der Einheit

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Sacrosanctum Concilium – Gottesdienst in katholischer Weite
50 Jahre Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils

Festakt der Deutschen Bischofskonferenz
im Rahmen des Nationalen Eucharistischen Kongresses

am Samstag, 8. Juni 2013, 13.00 Uhr, Maternus-Haus, Köln

Gottesdienst in katholischer Weite — Perspektiven der Vielfalt in der Einheit
Prof Dr. Winfried Haunerland, München

„In den Dingen, die den Glauben und das Allgemeinwohl nicht betreffen, wünscht die Kirche nicht eine starre Einheitlichkeit der Form zur Pflicht zu machen, nicht einmal in ihrem Gottes­dienst” (SC 37). So erklärten die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren in Artikel 37 der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium. Was heute geradezu selbstver­ständlich klingt, musste alle überraschen, die wie der Bonner Kirchenhistoriker Theodor Klau-ser die Zeit seit dem Konzil von Trient als eine „Periode der ehernen Einheitsliturgie”1 emp­funden hatten. Wie vielleicht zuvor nur 1960 beim Eucharistischen Weltkongress in München2 erfuhr sich die katholische Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil als wirkliche Welt-kirche.3 So kamen die Väter zu der Erkenntnis, dass nicht nur „allen rechtlich anerkannten Riten gleiches Recht und gleiche Ehre” (SC 4) zukommen, sondern dass unter „Wahrung der Einheit des römischen Ritus im wesentlichen … berechtigter Vielfalt und Anpassung an die verschie­denen Gemeinschaften, Gegenden und Völker … Raum zu belassen [sei], auch bei der Revision der liturgischen Bücher.” (SC 38)

  1. Vielfalt und Weite als Bedingung der tätigen Teilnahme aller

So steht im Hintergrund der Liturgiekonstitution und der liturgischen Erneuerung zuerst ein erneuertes Bewusstsein der Kirche von sich selbst. Dabei geht es aber nicht nur um die Erkennt­nis, dass die katholische Einheit mit dem Papst keine starre Einheitlichkeit in der Liturgie zur Folge haben muss. Dazu tritt ein gewachsenes Bewusstsein, dass nicht allein der Klerus für die Kirche handelt, sondern dass alle Glieder der Kirche kirchlich und als Kirche handeln können. Für die Liturgie als Gottesdienst der Kirche folgt daraus, dass alle Gläubigen Träger des Got­tesdienstes sind und deshalb auch „zu der vollen, bewußten und tätigen Teilnahme an den litur­gischen Feiern geführt werden [sollen], wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt und zu der das christliche Volk … kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist.” (SC 14)

In der bewussten, tätigen und leicht zu vollziehenden Teilnahme der Gläubigen sieht die Litur-giekonstitution — wie es im Blick auf die Sakramentalien ausdrücklich heißt — den obersten Grundsatz — die norma primaria — der Überarbeitung der liturgischen Ordnungen und Bücher (vgl. SC 79).4 Diese vorrangige Norm hat deshalb zu Recht eine Dynamik entfaltet, mit der die Konzilsväter kaum gerechnet haben. Das markanteste Beispiel dafür ist die Frage der Liturgie-sprache. Während das Konzil grundsätzlich den Gebrauch der lateinischen Sprache erhalten sehen und nur zögerlich den Volkssprachen „einen weiteren Raum” (SC 36) zubilligen wollte, konnte keine vier Jahre später bereits die gesamte Messe in der Volkssprache gefeiert werden und Papst Paul VI. (1963-1978) im Jahr 1969 nicht mehr im Latein, sondern in den Volksspra­chen die kommende Hauptsprache der Messe sehen.5 Bewusste, tätige und leicht vollziehbare Teilnahme an der Liturgie verlangte offensichtlich eine Gottesdienstkultur, die nicht nur von der großen gemeinsamen Tradition bestimmt war, sondern zugleich auch nach den Partizipati­onsmöglichkeiten der Menschen in unterschiedlichen Regionen, Mentalitäten und Lebenswel­ten fragen musste.

Weitgehend unbewusst stand dahinter die Erkenntnis, dass die Einheit im Wesentlichen nicht nur Verschiedenheit in den Ausdrucksformen erlaubt, sondern diese Verschiedenheit geradezu verlangt. Der Ritenstreit in den asiatischen Missionen des 17. und 18. Jahrhunderts ist ja ein Lehrstück dafür, dass die Verweigerung der Verschiedenheit die Einheit verhinderte.6 Die da­mals verteidigte Einheitlichkeit ging auf Kosten der Einheit. Wäre seinerzeit schon jene katho­lische Weite möglich gewesen, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zumindest grund­sätzlich in der Kirche Anerkennung gefunden hat, die Geschichte des Katholizismus in Asien wäre anders verlaufen.

Es wäre nun ein Leichtes die Geschichte der liturgischen Erneuerung als eine Geschichte der Förderung und Umsetzung der participatio actuosa, der tätigen Teilnahme aller Gläubigen an den liturgischen Feiern zu schreiben. Und ausdrücklich sei auch angefügt: Diese Geschichte darf nicht zu Ende sein.7 Nach dem Willen des Konzils dient „Tätige Teilnahme” ja nicht nur als Motto einer kürzeren oder längeren Episode der Liturgiegeschichte, sondern ist vom Wesen der Liturgie her verlangt und insofern die vorrangige Norm, der oberste Grundsatz der liturgi­schen Erneuerung auch in der Zukunft.

  1. Die Sorge um Beliebigkeit

Allerdings: Was im Grundsätzlichen nicht bestritten werden darf, ist in seinen Konkretionen der Kritik nicht entzogen. Die Vielfalt, die sich im Laufe des letzten halben Jahrhunderts ent­wickelt hat, wurde von manchen auch mit Sorge beobachtet. Legitim ist es zu fragen: Woran kann eine gesunde Vielfalt erkannt werden und wie ist diese zu unterscheiden von einer unge­ordneten Beliebigkeit? Anders formuliert: Welche Gestalten des Gottesdienstes sind Ausdruck des authentischen Glaubens der Kirche, welche Gestalten werden zu einer unkatholischen, sek­tenhaften oder auch oberflächlichen Inszenierung einzelner Gruppen?

Schon das Konzil hat an die alleinige Autorität des Papstes, der Ortsbischöfe und der sich da­mals gerade formierenden Bischofskonferenzen zur Ordnung der Liturgie erinnert und aus­drücklich darauf hingewiesen, das „niemand sonst… nach eigenem Gutdünken in der Liturgie etwas hinzufügen, wegnehmen oder ändern” (SC 22) dürfe. Die seinerzeit relative Gleichför­migkeit der römischen Liturgie brachte es aber mit sich, dass die Sorge um die Authentizität der Liturgie auf dem Konzil und in den Konzilstexten kaum eine Rolle spielte. Doch schon bald nach den ersten Reformschritten wuchs die Kritik an Experimenten, Willkür und Banalitäten. Zunehmend ging es jedoch nicht mehr nur um die Normabweichungen einzelner Priester und Gruppen. Die Vorgeschichte des Römischen Messbuches für die Diözesen des Zaires von 1988 zeigt bereits, dass in der konziliaren Offenheit für liturgische Inkulturation zwanzig Jahre nach dem II. Vatikanum eine Gefahr für die Einheit der Kirche und vor allem des römischen Ritus gesehen wurde.8 Darüber hinaus empfanden manche die stark zielsprachenorientierten volks­sprachigen Übersetzungen und Bearbeitungen der liturgischen Bücher als eine Schwächung der Authentizität des katholischen Gottesdienstes. Um diese Entwicklungen zu korrigieren, wurden die Instruktionen Varietates legitimae 1994 und Liturgiam authenticam 2001 veröffentlicht.9 Durch die Instruktion Redemptionis sacramentum wurden im Jahr 2004 Verbesserungen der liturgischen Praxis eingefordert.10

Auch wer über die genannten Instruktionen nicht glücklich ist, muss die hinter diesen Doku­menten stehende Sorge ernst nehmen, dass die Würde des Gottesdienstes der Kirche Schaden genommen habe und die vom Konzil geforderte „Wahrung der Einheit des römischen Ritus im wesentlichen” (SC 38) gefährdet sei. In der Tat darf katholische Weite nicht dazu führen, dass die Liturgie nicht mehr als Einheitsband erfahren wird. Noch weniger darf die katholische Weite des Gottesdienstes als Beliebigkeit verstanden werden, bei der jeder machen kann, was er will, und subjektivistische gottesdienstliche Inszenierungen die Gemeinschaft der Pfarrge­meinden, der Ortskirchen und schließlich der Kirche insgesamt beschädigen.

Freilich zeigt die Entwicklung der vergangenen Jahre, dass die Bemühungen um eine authenti­sche Feier des Gottesdienstes allein durch strengere formale Regeln kaum gefördert werden. An vielen Stellen werden die hier eingeforderten Wege der Neubesinnung auf das Wesentliche des katholischen Gottesdienstes als formalistisch empfunden und führen so gegen die Intention aller Verantwortlichen zu neuen Spannungen und Verwerfungen.11

Damit ergibt sich umso dringlicher die Frage, wie die Kirchlichkeit einer gottesdienstlichen Vielfalt und Weite gefördert und gesichert werden kann, so dass dies weder zu neoklerikalisti-scher Beliebigkeit noch zu einem unkatholischen Uniformismus führt.

  1. Pascha-Mysterium

Es war niemand geringeres als Joseph Kardinal Ratzinger, der anlässlich des 40-jährigen Jubi­läums der Liturgiekonstitution die Vermutung äußerte, „dass die meisten Probleme in der kon­kreten Ausführung der Liturgiereform damit zusammenhängen, dass der Ansatz des Konzils beim Pascha nicht genügend gegenwärtig gehalten wurde”12. Mit dieser Vermutung macht der nachmalige Papst auf ein Problem aufmerksam, das zehn Jahre später und 50 Jahre nach Ver­abschiedung der Liturgiekonstitution nichts von seiner Aktualität verloren hat. Kardinal Ratzinger meinte seinerzeit, man habe sich bei der konkreten Ausführung der Liturgiereform „allzu sehr ans bloß Praktische gehalten und geriet damit in Gefahr, die Mitte aus dem Blick zu ver-lieren.”13 Aber vielleicht liegt der Kern der Problematik noch etwas tiefer.

Nachdem die Liturgiekonstitution die tätige Teilnahme der Gläubigen als die oberste Norm herausgestellt hatte, die „bei der Erneuerung und Förderung der heiligen Liturgie aufs stärkste zu beachten” (SC 14) sei, orientierte sich die Liturgiereform maßgeblich an der ekklesiologi-schen Wende und der Subjekthaftigkeit aller in der Liturgie. Insofern sollte die tätige Teilnahme aller aus theologischen Gründen gefördert werden. Die Liturgiekonstitution enthält allerdings neben dem elddesiologischen Formalprinzip der Reform noch ein eher christologisches Mate­rialprinzip der liturgischen Erneuerung, und dieses christologische Prinzip hat in der Vergan­genheit weit weniger Aufmerksamkeit gefunden.

In der theologischen Grundlegung, die in der Liturgiekonstitution sehr bewusst den eher prak­tischen Reformanweisungen vorangestellt ist, wird die Liturgie als Feier des Pascha- Mysteri­ums Christi herausgestellt (vgl. SC 6 u. ö.). So sehr Liturgie immer Selbstvollzug der Kirche ist, so geht es doch in der Liturgie nicht primär um die Kirche, sondern um die Feier des Chris­tusereignisses mit seinem Höhepunkt in Tod und Auferstehung des Herrn. Dabei ist zu beach­ten, dass nach der Überzeugung des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht nur die Eucharistie, sondern alle liturgischen Feiern Vollzug des Pascha-Mysteriums sind.14 Ohne das, was mit die­sem Begriff gemeint ist, verfehlt man das tiefere Reformanliegen des Konzils.

Denn von der christologischen Sinnspitze der Liturgie her ist offensichtlich, dass die Liturgie-reform kein Selbstzweck ist, der sich mit formalen Verbesserungen zufrieden geben könnte. Die Liturgiereform kommt erst dort an ihr Ziel, wo sie zu einer liturgischen Erneuerung beiträgt, die — wie das gesamte Bemühen des Zweiten Vatikanischen Konzils — darauf ausgerichtet ist, „das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen” (SC 1).

Treffend hat schon die erste Instruktion zur Ausführung der Liturgiekonstitution im Jahr 1964 herausgestellt, dass es nicht darum gehe, „bloß liturgische Formen und Formeln zu ändern.”15 Die Liturgiekonstitution wolle „vielmehr jene Erziehung der Gläubigen und jene Seelsorge för­dern, für welche die heilige Liturgie , Gipfel und Quelle’ ist”. Dann aber ergänzt die Instruktion einen Satz, der bleibend gültig ist: „Der eigentliche Sinn dieser Seelsorge, welche die Liturgie zur Mitte hat, besteht darin, daß das Leben geprägt wird vom Pascha-Mysterium”16.

Wer sich auf das Zweite Vatikanische Konzil und seine Liturgiekonstitution als einen bleiben­den Maßstab für das gottesdienstliche Leben der Kirche auch am Anfang des 21. Jahrhunderts berufen will, darf tatsächlich nicht nur von der tätigen Teilnahme aller Gläubigen sprechen, sondern findet im Pascha-Mysterium ein inneres Kriterium für den angemessenen Gottesdienst heute. Katholische Liturgie muss sich daran messen lassen, wie sehr sie durchsichtig auf Chris­tus und sein Erlösungsmysterium ist. Lebendige Feier des Gottesdienstes zeigt ihre wahre Fruchtbarkeit weder in einer oberflächlich guten Stimmung, noch in einer formalistischen Ob­jektivität, sondern darin, dass sie zur Prägung des christlichen Lebens durch das Pascha-Mys­terium beiträgt.

Es ist evident, dass damit alle Formen von Gottesdienst problematisch werden, in denen man den Eindruck hat, eine Gemeinde oder eine Gruppe, ein Kleriker oder auch die kirchliche Hie­rarchie feiere sich selbst. Liturgie wird hier für sekundäre Zwecke instrumentalisiert und theo­logisch flach und banal. Problematisch aber sind auch Gottesdienste, in denen alles korrekt vollzogen wird, aber über die Sorge um die richtige Form und die Demonstration der eigenen Rechtgläubigkeit die Christozentrik des Gottesdienstes aus dem Blick verloren wird.

  1. Pascha-Mysterium als Kriterium katholischer Weite der Liturgie

Gottesdienstliche Vielfalt in grundlegender Einheit und erfahrbare Einheit in lebendiger Viel­falt müssen in der kommenden Phase der Erneuerung ein Anliegen aller sein, denen der Glaube und das Glaubensleben der Menschen unserer Zeit wichtig sind. Dazu werden auch weiterhin kirchliche Regelwerke und die Pflege und Weiterentwicklung liturgischer Normen, Ordnungen und Bücher notwendig und hoffentlich hilfreich sein. Ängstliche Enge wird aber genauso wenig weiterhelfen wie oberflächliche Grenzenlosigkeit. Wir müssen spirituell und liturgisch tiefer gründen in dem, was im Gottesdienst gefeiert wird, im Pascha-Mysterium Christi.

Nun gehört es zu den Grenzen unseres menschlichen Handelns, dass wir das Entscheidende oftmals schlecht messen können. Wir können Rechenschaft geben, ob rubrikengemäß gefeiert wird, und haben einen gewissen Eindruck, ob die versammelte Gemeinde aufmerksam und le­bendig teilnimmt. Diese Kriterien beziehen sich allerdings allein auf das Äußere und können deshalb auch äußerlich bleiben. Das entscheidende Kriterium für die Authentizität katholischer Liturgie ist aber nicht die formale Gestalt, sondern ob in dem, was hier sinnenfällig erfahrbar gefeiert wird, das Christusereignis selbst und vor allem sein Tod und seine Auferstehung die Mitte sind. Anders gesagt: Die katholische Weite der Liturgie lebt von ihrer geistlichen Tiefe. Der Grund jeder liturgischen Feier im Pascha-Mysterium muss prägend sein. Das ist eine Her­ausforderung für jeden Einzelnen und jede Feiergemeinschaft. Pascha-Mysterium darf also nicht zum Kampfbegriff werden, um andere zu beurteilen oder gar ihr Tun zu verurteilen. Viel­mehr ist für jede christliche Gruppe und Feiergemeinschaft die entscheidende Frage: Wie müs­sen wir selbst feiern, damit unser Gottesdienst und unser Leben vom Pascha-Mysterium Christi geprägt werden? Wo diese gemeinsame Ausrichtung auf das Pascha-Mysterium bewusst bleibt, da können wir gelassen und dankbar sein, wenn dies in einer großen Gestalt- und Formenvielfalt geschieht. Wo die Ausrichtung auf das Pascha-Mysterium Christi unstrittig ist, kann man sich auch freuen, dass andere Mitchristen andere Ausdrucksformen gefunden haben, auch wenn diese nicht die eigenen Ausdrucksformen sind und vielleicht auch niemals werden.

Solche Variationen in der Feier desselben Pascha-Mysteriums hat es schon immer zwischen den großen katholischen Riten gegeben. Legitime Variationen gibt es heute zwischen der or­dentlichen und außerordentlichen Form des römischen Ritus. Kulturell bedingte Variationen darf es also weiterhin zwischen den liturgischen Ordnungen in den verschiedenen Sprachen geben. Auch Variationen zwischen der Werktagsmesse im kleinen Kreis und dem zentralen Sonntagsgottesdienst einer Pfarrgemeinde, zwischen monastischem Stundengebet und jugend­gemäßer Tagzeitenliturgie, zwischen klassischer Polyphonie und dem deutschen Kirchenlied zerstören nicht die Einheit im Glauben. Alle diese Variationen sind auf ihre Weise ein Beitrag dazu, dass möglichst viele in der Gemeinschaft der Kirche das feiern und erfahren können, was die eigentliche Mitte der Liturgie ist und bleiben muss: die Gegenwart des Herrn mit seiner Hingabe am Kreuz und seinem Sieg in der Auferstehung. Alle diese Variationen ermöglichen eine Einheit, die gerade nicht durch uniforme Einheitlichkeit vorschnell ausgrenzt, sondern die Vielfalt der Mentalitäten und legitimen Glaubensbiographien zusammenhalten kann.

Die inhaltliche Ausrichtung auf das Pascha-Mysterium verleiht der Liturgie auch selbst eine umfassende Weite. Weil Liturgie Feier des Pascha-Mysteriums ist, blendet sie nicht die dunklen Seiten des Lebens aus, sondern kann das Mitleid mit den Leidenden und die Angst vor dem Scheitern, dem Unrecht und dem Tod integrieren. Weil Liturgie Feier des Pascha-Mysteriums ist, verdoppelt sie im Gegenzug aber auch nicht die Trostlosigkeit dieser Welt, sondern schenkt den Ohnmächtigen Hoffnung und eröffnet den Verzweifelnden eine neue Perspektive. Weil Liturgie Feier des Pascha-Mysteriums ist, reduziert sie das Heil nicht auf die Stunde des Got­tesdienstes, sondern umgreift sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wo Liturgie gefeiert wird, geht es deshalb nie nur um etwas, sondern immer um alles. Wo Liturgie gefeiert wird, weitet sich deshalb die kleine Welt unseres Lebens in die Unendlichkeit Gottes. Wo Liturgie gefeiert wird, ist deshalb ein Horizont eröffnet, in dem alles in neuem Licht erscheint.

Nimmt man das ernst, dann meint katholische Weite die beständige Ausrichtung auf das Pa­scha-Mysterium Christi als die Mitte, der sich alles unterzuordnen hat. Darauf hat die Liturgie-konstitution Sacrosanctum Concilium aufmerksam gemacht. Dieser Impuls ist längst nicht aus­geschöpft. Er bleibt aktuell und muss lebendig bleiben, auch in den nächsten 50 Jahren.

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1 Theodor Klauser, Kleine Abendländische Liturgiegeschichte. Bericht und Besinnung, Bonn 1965, 117.

2 Vgl. dazu Peter Pfister (Hg.), Für das Leben der Welt. Der Eucharistische Weltkongress 1960 in München. Redaktion: Guido Tref fler (Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising 14), Regensburg 2010; Franz Xaver Bischof München als Treffpunkt der Kirche. Der 37. Eucharistische Weltkongress 1960, in: MThZ 62 (2011) 101-118.

3 Vgl. Karl Rahner, Über eine theologische Grundinterpretation des II. Vatikanischen Konzils, in: ZkTh 101 (1979) 290-299, hier zit. nach ders., Schriften zur Theologie. Bd. 14. In Sorge um die Kirche, bearb. von Paul Imhof, Zürich — Einsiedeln — Köln 1980, 287-302.

4 Vgl. mit weiterführender Literatur Winfried Haunerland, Participatio actuosa. Programmwort liturgischer Erneue­rung, in: IKaZ 38 (2009) 585-595.

5 Vgl. Winfried Haunerland, Lingua vernacula. Zur Sprache der Liturgie nach dem II. Vatikanum, in: LJ 42 (1992) 219-238, hier 220.

6 Vgl. Klaus Schatz, Art. „Ritenstreit”, in: LThK3 8 (1999) 1202 f.

7 Vgl. Winfried Haunerland, Tätige Teilnahme aller. Liturgiereform und kirchliche Subjektwerdung, in: StdZ 231 (2013) 381-392.

8 Vgl. Der neue Meßritus im Zaire. Ein Beispiel kontextueller Liturgie (Theologie der Dritten Welt 18), Freiburg — Basel — Wien 1993.

9 Vgl. Instruktion Varietates legitimae vom 25.01.1994 (VApS 114); Instruktion Liturgiam authenticam vom 28.03.2001 (VApS 154).

10 Vgl. Instruktion Redemptionis sacramentum vom 25.03.2004 (VApS 164).

11 Vgl. dazu die Auseinandersetzungen um eine angemessene Liturgiesprache, die sich an der zweiten authenti­schen Ausgabe des Buches „Die kirchliche Begräbnisfeier” von 2009 entzündete; dazu etwa „… Ohren der Barm­herzigkeit”. Über angemessene Gebetssprache, hg. v. Benedikt Kranemann / Stephan Wahle, Freiburg — Basel —Wien 2011.

12 Joseph Kardinal Ratzinger, 40 Jahre Konstitution über die Heilige Liturgie. Rückblick und Vorblick, in: LJ 53 (2003) 209-221, hier 213.

13 Ebd.

14 Es dürfte signifikant sein, dass erst jetzt — fast 50 Jahren nach Verabschiedung der Liturgiekonstitution — zumin­dest im deutschen Sprachgebiet erstmals monografisch über das Pascha-Mysterium gehandelt wird. Vgl. zur Sache etwa Winfried Haunerland, Mysterium paschale. Schlüsselbegriff liturgietheologischer Erneuerung, in: George Augustin / Kurt Koch (Hg.), Liturgie als Mitte des christlichen Lebens (Theologie im Dialog 7), Freiburg — Basel —Wien 2012, 189-209; ders., Erneuerung aus dem Paschamysterium. Zur heilsgeschichtlichen Leitidee der Liturgie-konstitution, in: IKaZ 41 (2012) 616-625.

15 Instruktion Inter oecumenici vom 26.09.1964, Nr. 5 (EDIL/DEL 203).

16 Instruktion Inter oecumenici, Nr. 6 (EDIL/DEL 204).

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