KONGREGATION FÜR DEN KLERUS
DIREKTORIUM
FÜR DIENST UND LEBEN DER PRIESTER
Auszug:
DER PRIESTERLICHE ZÖLIBAT
57. Fester Wille der Kirche
Überzeugt von tiefen theologischen und pastoralen Gründen, welche die Beziehung zwischen Priestertum und Zölibat unterstützen, und erleuchtet vom Zeugnis, das auch heute trotz schmerzlicher negativer Fälle den spirituellen und evangelischen Wert in so vielen priesterlichen Existenzen bestätigt, hat die Kirche beim II. Vatikanischen Konzil und wiederholt bei späteren päpstlichen Lehraussagen den »festen Willen bekräftigt, das Gesetz beizubehalten, das von den Priesterkandidaten im lateinischen Ritus den frei gewählten und dauernden Zölibat verlangt«.(176)
Der Zölibat ist nämlich eine Gabe, welche die Kirche erhalten hat und bewahren will, davon überzeugt, daß er für sie selbst und für die Welt ein hohes Gut ist.
58. Theologisch-spirituelle Begründung des Zölibats
Wie jeder evangelische Wert muß der Zölibat als das befreiend Neue gelebt werden, als besonderes Zeugnis der Radikalität in der Nachfolge Christi und als Zeichen eschatologischer Realität. »Nicht alle können es verstehen, sondern nur jene, denen es zugestanden wurde. Es gibt nämlich Eunuchen, die schon als solche von ihrer Mutter geboren wurden; manche wurden von Menschen zu Eunuchen gemacht und es gibt noch andere, die sich um des Himmelreiches willen zu Eunuchen gemacht haben. Wer es fassen kann, der fasse es« (Mt. 19, 10-12).(177)
Um mit Liebe und Großmut die erhaltene Gabe zu leben, ist es besonders wichtig, daß der Priester schon von der Seminarausbildung an die theologische und spirituelle Begründung der kirchlichen Disziplin des Zölibats versteht(178) Dieser verlangt als Gabe Gottes und als besonderes Charisma die Einhaltung der Keuschheit, also der vollkommenen und dauernden Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen, damit die geweihten Diener Christus mit ungeteiltem Herzen leichter anhangen und sich freier dem Dienst für Gott und für die Menschen widmen können(179) Bevor noch jemand seinen Willen bekundet, dazu bereit zu sein, manifestiert die kirchliche Disziplin den Willen der Kirche, der seinen tiefsten Grund im engen Band zwischen Zölibat und heiliger Weihe findet, die den Priester mit Jesus Christus, dem Haupt und Bräutigam der Kirche, konfiguriert.(180)
Der Brief an die Epheser (cf 5, 25-27) stellt die priesterliche Gabe Christi (cf. 5, 25) in einen engen Zusammenhang mit der Heiligung der Kirche (cf 5, 26), welche mit bräutlicher Liebe geliebt wird. Sakramental eingefügt in dieses Priestertum der exklusiven Liebe Christi zur Kirche, seiner treuen Braut, bringt der Priester mit seinem zölibatären Einsatz solche Liebe zum Ausdruck, die auch fruchtbare Quelle pastoraler Wirksamkeit wird.
Der Zölibat ist also weder ein Einfluß, der von außen auf den priesterlichen Dienst einwirkt, noch kann er einfach als eine vom Gesetz auferlegte Institution betrachtet werden. Denn wer das Weihesakrament empfängt, hat es voll bewußt und frei angestrebt,(181) nach mehrjähriger Vorbereitung, gründlicher Reflexion und eifrigem Gebet. Zur festen Überzeugung gelangt, daß ihm Christus diese Gabe gibt für das Wohl der Kirche und für den Dienst an den anderen, übernimmt der Priester den Zölibat für das ganze Leben und bekräftigt diesen seinen Willen gemäß dem schon während der Diakonatsweihe gegebenen Versprechen.(182)
Aus diesen Gründen bestätigt das kirchliche Gesetz einerseits das Charisma des Zölibats und zeigt auf, wie innig es mit dem heiligen Dienst verbunden ist in jener doppelten Dimension der Beziehung zwischen Christus und der Kirche, andererseits schützt sie die Freiheit dessen, der ihn übernimmt.(183) Der demnach unter einem neuen und hehren Titel(184) Christus geweihte Priester muß sich voll bewußt sein, daß er eine rechtsverbindlich genau festgelegte Gabe erhalten hat, aus der sich eine moralische Verpflichtung zur Einhaltung ergibt. Diese freiwillig übernommene rechtsverbindliche Verpflichtung hat theologischen Charakter. Sie ist Zeichen jener bräutlichen Wirklichkeit, die in der sakramentalen Weihe zum Tragen kommt. Der Priester übernimmt auch jene geistliche und doch reale Vaterschaft, die eine universale Dimension hat und dann besonders gegenüber der ihm anvertrauten Gemeinde konkretisiert wird.(185)
59. Das Beispiel Jesu
Der Zölibat ist also Sich-selbst-Hingeben »in« und »mit« Christus an seine Kirche und Ausdruck des Priesterdienstes an der Kirche »in« und »mit« dem Herrn.(186)
Man würde in einer permanenten Unreife bleiben, wenn man den Zölibat leben wollte als »einen Tribut, der dem Herrn zu entrichten ist«, um zu den heiligen Weihen zugelassen zu werden und nicht vielmehr als »Gabe, die man von seiner Barmherzigkeit empfängt«,(187) als freie Wahl und dankbare Annahme einer besonderen Berufung der Liebe zu Gott und zu den Menschen.
Das Vorbild ist der Herr selbst, indem er, entgegen der zu seiner Zeit dominierenden Kultur, sich freiwillig entschieden hat, zölibatär zu leben. In seiner Nachfolge verließen die Jünger »alles«, um die ihnen anvertraute Mission auszuführen (Lk. 18, 28-30).
Aus diesem Grund wollte die Kirche seit den Zeiten der Aposteln die Gabe der dauernden Enthaltsamkeit der Kleriker bewahren und sie ist dazu übergegangen, die Kandidaten für heilige Weihen unter den Zölibatären auszuwählen (cf 2 Thess. 2, 15; 1 Kor. 7, 5; 9, 5; 1 Tim. 3, 2. 12; 5, 9; Tit. 1, 6. 8).(188)
60. Schwierigkeiten und Einwände
Im aktuellen kulturellen Klima, häufig konditioniert von einer Sicht des Menschen ohne Werte und vor allem unfähig, der menschlichen Sexualität einen vollen, positiven und befreienden Sinn zu geben, stellt man immer wieder die Frage nach dem Wert und der Bedeutung des priesterlichen Zölibats oder manchmal danach, wie sehr die Angemessenheit seiner engen Verbindung und seines tiefen Einklangs mit dem Amtspriestertum zu bejahen ist.
Schwierigkeiten und Einwände haben im Lauf der Jahrhunderte immer die Entscheidung der lateinischen und mancher orientalischen Kirche begleitet, das Amtspriestertum nur solchen Männern zu übertragen, die von Gott die Gabe der Keuschheit im Zölibat erhalten haben. Die Disziplin der anderen orientalischen Kirchen, die verheiratete Priester zulassen, steht in keinem Widerspruch zur lateinischen Kirche. Immerhin verlangen dieselben orientalischen Kirchen nämlich den Zölibat der Bischöfe. Außerdem gestatten sie nicht die Heirat von Priestern und sie erlauben nicht die Wiederverheiratung von Witwern. Es handelt sich immer und nur um die Weihe bereits verheirateter Männer.
Die Schwierigkeiten, die manche auch heute vorbringen,(189) werden oft mit einem Vorwand als Argument begründet, wie zum Beispiel der Vorwurf eines fleischlosen Spiritualismus oder daß Enthaltsamkeit Mißtrauen und Verachtung der Sexualität mit sich brächten oder man geht von der Betrachtung von schwierigen und schmerzlichen Fällen aus oder man generalisiert Einzelfälle. Man vergißt allerdings das Zeugnis, das von der überwiegenden Mehrheit der Priester angeboten wird, die den eigenen Zölibat mit innerer Freiheit leben, mit reichhaltiger evangelischer Motivation, mit spiritueller Fruchtbarkeit, in einem Horizont überzeugter Treue und voll Freude über die eigene Berufung und Sendung.
Um dieser Gabe ein Klima froher Ausgeglichenheit und spirituellen Fortschritts zu sichern und zu bewahren, müssen alle jene Maßnahmen ergriffen werden, die den Priester von möglichen Gefahren fernhalten.(190)
Es ist daher notwendig, daß sich Priester mit entsprechender Klugheit im Umgang mit Personen verhalten, mit denen vertraut zu sein die Treue zur Gabe gefährden oder die Gläubigen skandalisieren könnte.(191) In Einzelfällen muß man sich dem Urteil des Bischofs unterwerfen, der verpflichtet ist, in der Materie genaue Normen zu erlassen.(192)
Überdies sollen die Priester jene asketischen Regeln befolgen, die von der Erfahrung der Kirche garantiert sind und die von den heutigen Umständen erst recht eingefordert werden. Daher sollen sie klugerweise vermeiden, gewisse Orte zu frequentieren und Spektakeln beizuwohnen oder sich schlechter Lektüre zu widmen, was immer die Einhaltung der zölibatären Keuschheit gefährden könnte.(193) Beim Gebrauch von sozialen Kommunikationsmitteln, als Mitarbeiter oder als Nutznießer derselben, sollen sie die nötige Diskretion wahren und alles vermeiden, was der Berufung schaden könnte.
Um die empfangene Gabe mit Liebe zu bewahren, müssen sie in der Gemeinschaft mit Christus und mit der Kirche und in der Verehrung der seligen Jungfrau Maria, ebenso wie in der Betrachtung der Beispiele heiliger Priester aller Zeiten, die nötige Kraft zur Überwindung der Schwierigkeiten finden, die ihnen in einem Klima ausgeprägter sexueller Permissivität auf ihrem Weg begegnen und außerdem mit jener Reife agieren, die sie vor der Welt glaubwürdig macht.(194)
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Direkter Anlass dieser vorstehenden Veröffentlichung ist dieser aktuelle Artikel auf Radio Vatikan!
