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Aus: Alfons Sarrach: SIEG DER SÜHNE – Wigratzbad: Marias Botschaft an den Menschen

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Kapitel IX

Jahre gingen dahin

 

Dienst am Menschen

Aber es sollte lange dauern, bis der Frühling aus einer an­deren Welt Einzug halten konnte in Wigratzbad. Noch viele Jahre musste sich Antonie immer wieder mit Geduld wapp­nen und immer wieder auf neue Prüfungen einstellen. Die Zeit floss dahin, die charismatische Frau wurde älter, mit der Zeit kein junges Mädchen mehr, keine Frau in den besten Jah­ren, sondern eine von einem harten Leben gezeichnete Per­sönlichkeit. Es war ein Sühneleben von Anbeginn. Ihr Glau­be, Maria würde sich am Ende durchsetzen, war nicht zu er­schüttern. Sie blieb ihr treues Werkzeug.

Deshalb ließ sie keine Zeit verstreichen, im Sinne ihres Herrn und Meisters, im Sinne seiner reinsten Mutter zu han­deln. Sie suchte den Dienst am leidenden Menschen. 1948 begann sie mit dem Bau eines Heimes, obwohl vorerst keine Aussicht bestand, offiziell Pilgergruppen zu empfangen und in der Kapelle das hl. Messopfer zu feiern. Ihre Einstellung musste in den Augen uneingeweihter Beobachter absonder­lich erscheinen.

Von 1952 bis 1954 kam der zweite Teil des Heimes hinzu. Gestützt auf ihre guten Zeugnisse erreichte sie bei den Behör­den die Erlaubnis zur Eröffnung eines Privatsanatoriums. 25 Betten standen zur Verfügung.

Ein profilierter Leitender Arzt, Dr. Konrad Moser aus Bech­tersweiler bei Lindau, übernahm auch die Leitung in Wigratz­bad. Er hatte sich auf die Nachbehandlung von Krebs, Gicht und Rheumatismus spezialisiert und suchte nach Wegen der Heilung bei Kranken, die von Ärzten bereits aufgegeben wor­den waren. Es waren auch Geistliche unter ihnen. Deshalb lag ihm neben der physischen Behandlung auch viel an der seeli­schen und religiösen Betreuung der Patienten. Er war Antonie Rädler sehr dankbar, dass sie ihm ihre Pension mitsamt den Hilfskräften zur Verfügung stellte.

Aus diesem Grunde wandte er sich am 29. Juni 1953 mit der Bitte an das Generalvikariat in Augsburg, den Kranken die Kapelle neben dem Sanatorium zur Verfügung zu stellen. Aber diese war inzwischen für die bischöfliche Behörde – als solche verhielt sie sich im wahrsten Sinne des Wortes in jenen Jahren – zu einem roten Tuch geworden. Man hielt das Schrei­ben des Mediziners vorerst nicht einmal einer Antwort wert, später stellte man absurde Bedingungen. Die Türen, die nach außen führten, sollten zugemauert werden und die Kapelle nur den Insassen des Sanatoriums zugängig sein. Der Orts­pfarrer sollte es überwachen. Der beauftragte Maurer jedoch zögerte, weil für ein solches Vorhaben die Zustimmung der Baubehörde notwendig gewesen wäre. Aber die lehnte, wie es der schlichte Mann befürchtet hatte, ab.

Eigenartig wurde die ganze Angelegenheit, als protestanti­sche Seelsorger die Kapelle für ihre Gläubigen in Anspruch nahmen. Das Unverständnis über das Verhalten des General­vikariates unter den katholischen Patienten wurde immer grö­ßer. Aber in Augsburg fürchtete man – wie es hieß – pseudo­mystische und pseudoreligiöse Konventikel, mit anderen Wor­ten: verworrene Zusammenkünfte. Und das Urteil darüber überließ man einem nationalsozialistisch, auf Adolf Hitler ein­geschworenen, theologisch entgleisten Priester. Selbst nach dem Zusammenbruch des Regimes durfte er noch zehn Jahre, bis zu seiner Pensionierung, im Amt bleiben. In den Verei­nigten Staaten von Amerika – und in Irland ähnlich – hat in anderen Bereichen die zu lasche Haltung gegenüber irrenden Priestern einige Bistümer am Anfang des 21. Jahrhunderts an den Rand des Ruins gebracht.

Das große Trauma

Im Kern ging es nicht um Pseudomystik, sondern um Mystik selbst, das große Trauma der katholischen Kirche in Deutsch­land überhaupt. Wenn Spanien eine Glaubensspaltung, wie die durch die Reformation ausgelöste, erspart geblieben ist, so ist das sicherlich auch Mystikern wie Johannes vom Kreuz oder Teresa von Avila zu verdanken. Mystik wird an theologischen Hochschulen in Deutschland kaum gelehrt. Kein Wunder, dass die Haltung vieler Priester, vor allem in verantwortlichen Po­sitionen, gegenüber der Mystik verkrampft geblieben ist, ob­wohl sie zum Wesen des Christentums gehört. Dass es hier­zulande, im Gegensatz zu einigen Nachbarländern, nicht eine einzige anerkannte Marienerscheinung gibt, spricht seine ei­gene Sprache. Der Schaden, den das für unzählige Gläubige nach sich zieht, übersteigt jedes Vorstellungsvermögen.

Deshalb musste der Leitende Arzt Dr. K. Moser eines Ta­ges resignierend feststellen, dass er ähnliches in seiner 20-jäh­rigen Laufbahn noch nicht erlebt hatte. In einem Brief äußer­te er sogar die Meinung vom „fehlenden guten Willen“ (bona voluntas). Nach langem Hin und Her einigte man sich schließ­lich dahingehend, dass eines der Zimmer des Sanatoriums als Kapelle hergerichtet werden sollte, allerdings mit vielen Auf­lagen. Doch bald erwies sich dieser Raum als zu klein, die Enge wurde unerträglich.

1955 ging Ortspfarrer Rädler schließlich in den Ruhestand, ihm folgte Ludwig Dorn, ein kritischer, aber aufgeschlossener Geistlicher, der sich bald gegenüber dem Phänomen Wigratz­bad öffnete. 1960 wagte er noch einmal den Versuch, in Augs­burg um Erlaubnis zu bitten, in der großen Kapelle die hl. Messe zu feiern. Das hatte zur Folge, dass nun auch ihm eine Rüge nicht erspart blieb.

Es ist ein psychologisches Rätsel, wie eine auf sich allein gestellte Frau über mehrere Jahrzehnte so viele seelische Tor­turen unbeschadet durchstehen konnte. Und es gibt dafür nur eine Antwort: Es ist eine geheimnisvolle Dimension Gottes, die Welt der Mystik. Und es war an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Europa kein Sonderfall. Auch das macht nachdenklich.

Gegenzeichen Gottes

Als Antonie Rädler 1899 das Licht der Welt erblickte, hatte in Frankreich Thérèse von Lisieux (1873-1897) von dieser Welt Abschied genommen, im Rufe der Heiligkeit. Eine durch und durch vom Gedanken der Sühne durchdrungene junge Seele. Erst 24 Jahre war sie alt, als sie für immer die Augen schloss. Sie ist zur Lieblingsheiligen vieler modern denkender junger Menschen geworden. Papst Johannes Paul II. erhob sie in den Rang einer Kirchenlehrerin. Als er diese Absicht auf dem Welt­jugendtag in Paris bekannt gab, brach unter den jungen Men­schen aus aller Welt großer Jubel aus. Das verrät etwas von der tiefen Sehnsucht gerade junger Seelen nach der Welt des Mystischen. Sie ahnen, dass es hier nicht um Illusionen, nicht um Einbildungen, sondern um die letzte Überwindung von Illusionen geht, um das Vordringen zur eigentlichen Wirk­lichkeit, zur letzten, zur Wirklichkeit Gottes. Nicht von un­gefähr fühlte sich Antonie auf ihrer Frankreichreise nach Li­sieux hingezogen. Es war Seelenverwandtschaft, die sie dort­hin führte. Sie sollte in ihre Fußstapfen treten.

In Italien war es Gemma Galgani (1878-1903) in Lucca in der Toskana. Als sie an einem Karsamstag, am 11. April 1903 um 13.30 Uhr starb, war sie erst 25 Jahre jung. An ihrem Sterbebett zog eine große Menschenmenge vorbei. Schon zu Leb­zeiten hatte man die leidgeprüfte, stigmatisierte junge Frau als Heilige bezeichnet. Mit 7 Jahren verlor sie die Mutter, in ih­rem 16. Lebensjahr ihren geliebten Bruder Gino, erst 17 Jah­re jung. Mit 19 Jahren erlebte sie den Tod ihres Vaters. Als sie 24 war, starb ihre von ihr zärtlich geliebte Schwester Giulia, erst 18 Jahre, und ein paar Monate später ihr Bruder Antonio, 22 Jahre. Sie blieb allein zurück. Selber noch eine Blüte.

Am 8. Juni 1899, sie war im 22. Lebensjahr, empfing sie die Wundmale Jesu. Die Stigmatisierungen wiederholten sich je­de Woche. Sie begannen am Donnerstag gegen Abend und dauerten bis Freitag 15 Uhr. Die Jahre bis zu ihrem Lebens­ende waren eine Zeit bewusst durchlebter Sühne.

Antonie Rädlers Leiden bestand darin, dass sie die Un­barmherzigkeit einer gottfernen Welt und das Unverständnis der Menschen über viele Jahrzehnte auf sich nehmen musste. Aber wie bei Thérèse und wie bei Gemma war es der Wille zur Sühne für die Sünden einer sich vom Schöpfer lösenden Welt, die ihr die Kraft verlieh, alles durchzustehen.

Alle drei lebten auf einem Kontinent, der sich schrittweise auf eine Vorstellung vom Leben zubewegte, die im Genuss Erfüllung und Sinn des Daseins suchte. In Frankreich, Italien und in Deutschland setzte Gott zu dieser Entwicklung Ge­genzeichen. Sie hängen alle miteinander zusammen, ergän­zen einander, erinnern an den Kern der Botschaft, die vom Kreuze kommt. Keine Heilung ohne Wiedergutmachung, kei­ne Harmonie ohne Gleichgewicht, kein Heil ohne Sühne.

Wohlbefinden ist das große Leitmotiv geworden — auch auf Kosten anderer. Jedoch nicht der auf Wellness fixierte Mensch schenkt Geborgenheit, sondern der sich aufopfernde, der süh­nende. Das ist die Botschaft von Wigratzbad.

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Quelle: Eigener Scan aus meinem persönlichen Exemplar des im Titel genannten (neu nicht mehr erhältlichen) Buches

Siehe weiter:


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