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PATER PIO — durchsichtig auf Gott hin

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Kindheit und Jugendjahre in Pietrelcina

Von frühester Kindheit an hat Pater Pio mit einem Vertrauen und einer Demut, die bis zum Heldenmut gingen, sich beständig um die vollkommene Nachfolge Jesu Christi bemüht. Bevorzugt und gezeichnet vom Herrn, das war er längst! Man hatte ihn eines Tages gefragt: „Pater, Sie haben mir gesagt, dass Sie von den ersten Monaten ihres Lebens an gelitten haben. Wie kann ein Mensch an das sich erinnern, was ihm in einem so zarten Alter zugestoßen ist?“ Und Pater Pio hatte geantwortet: „Du sagst es selber, als ich ein kleines Kind in der Wiege war und als die Mutter das Licht auslöschte, da weinte ich sehr laut, weil die Ungeheuer um mich herum sich erhoben. Sie zündeten es wieder an, und ich hörte auf zu weinen!“ Und mit einer bewundernden Zuneigung, erklärte ihm dann der geistliche Sohn, der ihn befragte: „Ich denke, dass Sie als ein Heiliger geboren wurden!“ Und es kam die unerwartete Antwort: „Was weiß ich schon davon! …“

Später jedoch wird er im Vertrauen mitteilen, dass er schon im Schoße seiner Mutter gelitten hat … Ein offensichtlicher Beweis, dass er schon ein von Gott zu einer besonders intensiven Teilnahme an der Erlösung der Welt bezeichnetes Werkzeug war, denn Gott wusste sehr wohl, dass Pater Pio ihm niemals etwas verweigern würde.

*

Er hieß Francesco Forgione und war am 25. Mai 1887 in Pierelcina geboren. Das war ein armes Dorf in Süditalien gute zehn Kilometer von Benevent entfernt. Diese Provinz gehörte einst zum Kirchenstaat. Das Licht der Welt erblickte er zur Zeit der Vesper in einem sehr bescheidenen und kleinen Haus, das man immer noch sehen kann im Vico Storto Valle mit der Nummer 27. Drei Räume sind es, fest auf den Felsen des Castello gebaut, und darum haben sie fast wie durch ein Wunder das Erdbeben vom 21. August 1962, wodurch ein Großteil der Häuser des Dorfes beschädigt wurden, überstanden. Ganz nahe bei dieser Hütte erhebt sich die Pfarrkirche, die damals der heiligen Maria von den Engeln geweiht wurde. In diesem Kirchlein empfing Francesco die Taufe am Tag nach seiner Geburt. Pater Pio hat stets der göttlichen Vorsehung dafür gedankt, dass sie es so gefügt hat, dass er schon wenige Stunden, nachdem er das Tageslicht erblickt hatte, getauft worden ist.

Er war der zweite in einer Familie mit fünf Kindern. Vor ihm war Michael geboren. Dann folgten zwei Kinder, die nicht gelebt haben. Nach Francesco kamen drei kleine Schwestern: Pellegrina, Felicita und Graziella. Diese wird bei den Brigittinen in Rom eintreten. Der Vater Grazio, der auf familiäre Art Zi´Grazio genannt wurde, bebaute mit großer Mühe ein kleines Stück Land. Aber die Zeiten waren hart und so musste er, um Francesco das Studium zu ermöglichen, zweimal das Meer überqueren, um nach Amerika auszuwandern.

Was die Mama Peppa, Maria-Giuseppa di Nunzio, seine Mutter betrifft, so hat sie Grazio nur aus Liebe geheiratet, denn er besaß nicht viel, während sie ein kleines Pachtgut, die Piano Romana, besaß. Die letzten Monate ihres Lebens durfte sie ganz in der Nähe ihres mit den Wundmalen des Herrn gezeichneten Sohnes in San Giovanni Rotondo verbringen. Wer sie gekannt hat, beschreibt sie als jemand mit schönen, hellen Augen, einem gleichmäßigen Antlitz, von eher untersetzter Statur, mit ganz kleinen Füßen. Ihre Sprache war die aus der Landschaft um Neapel. Sie selber war von bewundernswerter Anmut. Pater Pio hatte viel von seiner Mutter.

Sie war eine Frau von ernsthaftem Wesen, voller Ehrfurcht und Frömmigkeit. Fleisch aß sie weder mittwochs noch freitags noch am Samstag; letzteres zu Ehren unserer Lieben Frau vom Karmel. Sie besuchte eifrig die Kirche wie alle wackeren Frauen des Landes. Sie arbeitete vom Morgen bis zum Abend, wenn die Arbeiten auf dem Felde sie nicht auswärts aufforderten, um in Würde ihre kleine Familie großzuziehen. Und dies scheint ihr recht gut gelungen zu sein, so gut sogar, dass der im fernen Amerika „verbannte“ Vater sagen konnte, seine Ehefrau vertrete die Stelle des abwesenden Vaters gut und dass er sich keine Sorgen machen müsse!

In einer stillen von Heiterkeit geprägten Atmosphäre verbrachte Francesco die ersten Jahre seines Lebens. Eine gewisse Heiligengeschichte im Stil der legenda aurea von zweifelhaftem Geschmack hatte ihn uns als ein kränkliches Kind vorgestellt, als einen unablässigen Seher, beständig vom Hunger geplagt, der infolge äußerster Armut barfuß ging, von Nervenkrankheiten belastet und von einer wilden Menschenscheu, die ihn jede menschliche Gemeinschaft meiden ließ … Das alles ist ganz offensichtlich falsch, und es war sehr wahrscheinlich Pater Piero selber gewesen, der in einem Übermaß an Demut gewissen irrtümlichen Zügen aus seiner Kindheit in etwa Glauben verschafft hat.

Was in der Tat wirklich außerordentlich gewesen ist im Leben dieses Kindes, blieb vor den Augen aller, die ihm nähergekommen sind, selbst denen in der eigenen Familie, verborgen. Niemand wusste davon, dass er mit fünf Jahren sich schon mit den Dämonen herumschlug und dass er bereits Visionen der lieben Muttergottes hatte. „Die Ekstasen und Erscheinungen begannen mit fünf Jahren, schreibt Pater Markus Agostino da San Marco in Lamis, als ihm die Eingebung und innere Anregung kam, sich für immer dem Herrn zu weihen, und diese dauerten beständig an. Als man ihn fragte, warum er das so lange verborgen gehalten habe (bis 1915), antwortete er ganz unschuldig, er habe es nicht aufgedeckt, weil er glaubte, das seien ganz gewöhnliche Ereignisse, die allen Seelen geschenkt würden. Tatsächlich sagte er eines Tages unbefangen: „Und Sie, sehen Sie denn die Muttergottes nicht?“ Auf meine verneinende Antwort hin fügte er hinzu: „Sie reden so aus heiliger Demut!“

Aber das war nicht alles! Mit fünf Jahren begannen auch die teuflischen Erscheinungen…

„In dem Maße, wie er an Alter zunahm, erklärte Mama etwa, beging er keinen Fehler, handelte nicht eigensinnig und gehorchte mir und Grazio immer. Jeden Morgen und jeden Abend ging er zur Kirche um Jesus und die Madonna zu besuchen, wie er selber sagte. Während des Tages ging er nie hinaus, um mit den anderen Kindern herumzulärmen. Manchmal sagte ich ihm: „Franzli, geh doch hinaus, um ein wenig mit deinen Kameraden zu spielen!“ Er aber weigerte sich, indem er erwiderte: „Ich möchte nicht hingehen, weil sie fluchen!“

Schweigsam, still, zurückhaltend, wenig zum Spielen geneigt … so beschrieben ihn seine Landsleute. Er zog sich gern zurück und oft, wenn er auf dem Lande in der Heimatgemeinde seiner Mutter war, ging er in die Kirche des heiligen Märtyrers Pius um sich zu sammeln. Dort machte er sich ans Beten und wenn die Kirche geschlossen war, setzte er sich auf einen Stein und betete, bis ihn seine Mutter rief.

„Im Alter von neun, zehn und elf Jahren, erzählt eine seiner Nachbarinnen, die gleichaltrig war, spielte er wenig, aber er las Andachtsbücher. Er wohnte der Messe bei. Im Einverständnis mit dem Sakristian, Onkel Michael, ließ er sich in der Kirche einschließen, indem er ihm dringend empfahl, niemandem etwas davon zu sagen und er vereinbarte die Zeit, nach der er zurückkommen sollte, um ihm zu öffnen.“ Er war unter den Chorknaben eingeschrieben …

Eines Tages hatte man Francesco zwei Schafe anvertraut. Er sollte sie auf die Weide führen, auf das etwa 3 Kilometer vom Dorf entfernte Pachtgut von Piana Romana. Er führte Luigi Orlando, einen seiner jüngeren Kameraden, mit sich, der auch Hirte war und nur ein einziges Schaf besaß. Das Überwachen dieser bescheidenen Herde fiel nicht schwer und die beiden Knaben vertrieben sich die Zeit mit Spielen und begannen sich im Wettkampf zu messen, also nicht aus Bosheit, vielmehr um zu wissen, wer von beiden der Stärkere sei. Luigi erzählte darüber folgende Anekdote: „Francesco war mir fast immer überlegen, weil er drei Jahre älter als ich war. Einmal stürzten wir beim Ringen zu Boden und er hielt mich an beiden Schultern gegen den Boden fest. Ich versuchte ihn abzuwerfen und die Lage zu vertauschen, doch alle meine Versuche waren umsonst. Da entwich mir ein grober Ausdruck. Die Reaktion Francescos erfolgte sogleich: sich entwinden, aufstehen und davonrennen war die Sache eines Augenblicks, denn er selber sagte nie, wirklich nie böse Worte und er wollte auch keine hören. Und Luigi fügte hinzu: deshalb mied er die Kameraden, die einen falschen Blick hatten, d. h. die Straßenjungen mit frechem Maul, die nicht ehrlich waren, die weder gute, noch wackere Buben waren.“

Viel später über seine eigene Kindheit befragt, sagte Pater Pio: „Ich spielte gern, noch lieber schaute ich zu, denn das unterhielt mich genauso gut!“ Er wird uns einige Anekdoten anvertrauen, die sehr wohl zeigen, dass er nicht anders war als die übrigen Kinder:

Er war zehn Jahre alt. Es spielte sich in Piano Romana ab, auf dem kleinen Pachthof seiner Eltern. Sein Onkel Pellegrino hatte ihm ein paar Batzen anvertraut und er schickte ihn ins Dorf, um ihm eine Toskaner Zigarre und eine Schachtel Streichhölzer zu kaufen. Auf dem Heimweg wollte Francesco wissen, was Rauchen heißt. Erst steckte die Zigarre an, tat den ersten Zug, und es drehte sich ihm der Magen um, der Kopf schien ihm wie eine Reitschule. Er gestand alles seinem Onkel. Der lachte laut auf … Seither aber, schloss Pater Piero, „stammt zwischen mir und dem Rauchen … eine Mauer!“

Ein anderes Mal, er hatte ungefähr das gleiche Alter, zehn Jahre, da verschlang er eine ganze Schüssel gebratener Jamaica Pfefferschoten, die er besonders liebte. Doch er wurde krank davon. Er bekam Bauchschmerzen und musste mehr als einen Monat das Bett hüten. Mama Peppa, die das Haus verlassen musste, hatte zu ihm gesagt: „Mein Franz, bleib brav. Ich gehe nach Piano Romana zu den Arbeitern, die die Gnade Gottes ernten (so nannte man das geerntete Korn voll Bewunderung) und ich komme bald wieder heim, hast du verstanden? Rühr dich nicht! … Möge die Liebe Muttergottes von der Libera dir helfen! …“ Aber Francesco erlag der Versuchung. Er stand auf, öffnete den Küchenschrank und verschlang alle Pfefferschoten … Diese waren jedoch sehr stark gewürzt! Einige Zeit glaubte er, ein Ofen sei in seiner Brust angezündet worden! Das war ein ausgezeichnetes Heilmittel … der Vorsehung. Als die Mutter zurückkam und die Nascherei feststellte, gestand ihr Francesco alles und fügte sogleich hinzu, dass er davon geheilt sei! Und das stimmte.

Kurzum, er war ein Kind wie alle andern und wenn er sich später als Maccherone senza sale (eine geschmacklose Nudel) bezeichnete, dann wird man erraten, dass er von sich ein viel zu schwarzes Bild zeichnete … aus heiliger Demut!

Ubaldo Vecchiarino, auch ein Kamerad Francescos, erzählte seinerseits, dass „unsere Mütter uns als Frühstück, bevor wir das Haus verließen, um die Schafe zu weiden, eine wackere Schnitte Brot mitgaben und etwas dazu, wenn es möglich war. Wir andern benutzten unsere Hosentaschen, um dort diese Mahlzeit zu verstauen, fuhr Ubaldo fort. Doch Francesco tat das nicht. Mamma Giuseppa schlug die bescheidene Kost ihres Sohnes in ein sauberes Tuch ein. Wenn wir dann auf dem Wege frühstückten, indem wir die Hand in die Tasche steckten und die Zähne in die Schnitte gruben, machte es Francesco auf eine andere Weise. Er befolgte ein ganzes Zeremoniell. Er setzte sich auf den Boden, entknotete den Zipfel seines Tuches, breitete es über die Knie aus, blickte um sich herum, erhob die Augen. Dann begann er bescheiden zu essen und wenn etwa eine Brosame auf den Boden fiel, hob er sie auf, küsste sie und aß sie. Das war keine außerordentliche Geste, denn früher – ob man das heute noch tut, wer weiß es – lehrte man uns das Brot mit Ehrfurcht zu behandeln, denn es ist eine Gabe Gottes …“

Und Ubaldo schloss: „Wenn wir Francesco mit einer weißen Serviette speisen sahen, nannten wir ihn den gnädigen Herrn …“

Nach der Mahlzeit begannen die Buben zu spielen. Francesco hingegen öffnete ein Buch, legte es auf die zusammengefaltete Serviette und begann zu studieren.

„Ihr müsst wissen, erläuterte Ubaldo Vecchiarino, dass wir dann abends zur Schule gingen. Und während Francesco lernte, neckten wir ihn, indem wir Erdklumpen auf sein Buch oder seine Mütze warfen, oder wir schoben ihm die Kopfbedeckung ganz sachte von hinten ins Gesicht. Er sagte nichts, er reagierte nicht und stieß auch keine beleidigenden Worte aus.“

Selbstverständlich war am Abend Francesco der einzige, der die Lektion wusste. Die anderen blieben stumm wie Karpfen und der Schulmeister erteilte allerlei Strafen. Deshalb, schloss lachend der wackere Ubaldo, „hat Pater Piero seine Studien fortgesetzt und wir haben weiterhin als Hirten gewirkt, wir sind Handarbeiter geblieben, d. h. Bauern …“

Bisweilen aber behinderten die Neckereien der Kameraden Francesco so sehr, dass er auch nicht das Geringste lesen konnte und sich darüber beim Lehrer beklagen musste. Dieser riet dem Knaben, seinen Hirten stecken einzusetzen, um sich zu verteidigen. Man erzählt, Francesco sei errötet und habe dem Lehrer mit einem Ausdruck des Anstoßnehmens geantwortet: „Oh, no!  ci penserà Gesù!“ (Ach nein, Jesus wird schon dafür sorgen!)

So verliefen die ersten Lebensjahre Francescos friedlich. Von seiner Rasse, gewohnt auf dem sonnendurchglühten, neapolitanischen Land zu leben, hat er stets die guten Eigenschaften bewahrt, nämlich Freude, Heiterkeit, Friedfertigkeit und den Humor, der sich in schlagfertigen Antworten und witzigen Einfällen kundtat, so dass er seine Herkunft nicht verleugnen konnte.

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Quelle: Pater Derobert – Pater Pio durchsichtig auf Gott hin – Geistliches Bildnis aus den Briefen Pater Pios gewonnen. Hovine Verlag, Belgien und Frankreich, 1990, 814 Seiten.


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