Eleison Kommentar Nummer CCCXLVI (346), 1. März 2014
Es gibt wohl viele Einwände gegen die Argumente der letzten „Kommentar“-Ausgaben, wonach die göttliche Wahrheit vor den menschlichen Glaubenslehrern kommt, so daß selbst die Fehlbarkeit der Päpste uns nicht allzusehr zu beunruhigen braucht, weil doch der wahre Glaube jeweils hinter ihnen, über ihnen und jenseits von ihnen steht. Der klassische Einwand lautet aber wie folgt: Auch wenn die Wahrheit selber über diesen Päpsten stehe, so gelange sie zu uns menschlichen Wesen doch nur durch diese Päpste, wie die Hl. Schrift sagt: „So kommt also der Glaube aus der Botschaft“ (Römerbrief 10,17). Deshalb habe unser Herr dem Petrus (also den Päpsten) die Aufgabe anvertraut, seine Brüder im Glauben zu stärken (vergleiche Lukas 22,31-32). Somit stünden dann für uns Katholiken die Glaubenslehrer über der Wahrheit, weil wir letztgenannte ohne die Lehrer gar nicht emp fangen könnten. Weil außerdem der Hl. Geist den Glaubenslehrern beistehe (Johannes 16,13), wie sollte ich, armer Mensch, dann entscheiden können, ob oder wann er ihnen nicht beisteht?
Wiederum liegt die Antwort in der Hl. Schrift. Der Hl. Paulus schreibt einer Gemeinde, welche er im Glauben unterrichtet hat: „Doch wenn selbst wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten, als wir euch verkündet haben, so sei er verflucht!“ Dieser Punkt ist dem Hl. Paulus so wichtig, daß er ihn sogleich wiederholt: „Wie wir schon sagten, so sage ich nun noch einmal: Wenn jemand euch ein anderes Evangelium verkündet, als ihr empfangen habt, so sei er verflucht!“ (Galaterbrief 1,8-9)
Nun hätte ein Galater einwenden können: Warum sollten wir deinem Evangelium vom ersten Besuch in Galatien glauben, aber nicht einem eventuell anderen Evangelium von einem zweiten Besuch? Der Hl. Paulus liefert sofort eine erste Begründung: „Das Evangelium, das von mir verkündet wurde, ist nicht nach menschlicher Art. Denn ich empfing es weder von einem Menschen, noch erlernte ich es durch Unterweisung, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi“ (Galaterbrief 1,11-12). Dann bekräftigt der Hl. Paulus diese Tatsache, indem er berichtet, wie wenig Kontakt er vor seinem Predigtbeginn mit jenen gehabt hat, welche ihn hätten unterrichten können – den anderen Aposteln (1,15-19). Die Galater konnten diese Tatsache offensichtlich nachprüfen, und außerdem schwört der Hl. Paulus, daß er nicht lügt (1,20). Eine zweite Begründung liefert der Völkerapostel etwas später, als er auf die Wunder und Erfahrungen vom Hl. Geist hinweist (3,2-5), dessen die Galater selber Zeugen geworden waren als direkte Folge der Predigten des Hl. Paulus bei seinem ersten Besuch.
Somit beweist der Hl. Paulus, daß Gott ihm dieses Evangelium seines ersten Besuches lehrte und es den Galatern gegenüber bestätigte, auf solche Weise, daß die Galater jeglichen Widerspruch zwischen dem Evangelium und irgendeinem anderen Evangelium nicht nur selber erkennen konnten, sondern sogar mussten, so sie ihre Seele retten wollen. Selbst wenn ein Engel oder Paulus selber – oder ein Papst! – als Lehrer eines anderen Evangeliums aufträte (1,8), so hätten die Galater dennoch die oberste Pflicht, dem ersten Evangelium des Hl. Paulus treu zu bleiben. Die Wahrheit, welche vor ihnen hingezeichnet worden war (3,1), wurde von den Galatern erkannt und angenommen (3,3) – so wie auch wir erkennen können, daß 2 und 2 gleich 4 ist –, und diese Wahrheit hat Vorrang vor jedem anderen Lehrer, welcher ihr widerspricht, ungeachtet seiner Autorität (1,9).
Also konnte Erzbischof Lefebvre durchaus sagen, daß die Kirche zwischen dem Hl. Paulus und dem Zweiten Vatikanischen Konzil 19 Jahrhunderte lang exakt dasselbe Evangelium verkündet hat, welches von Gott stammt und immer wieder von ihm bestätigt wurde. Dieses Evangelium ist die Offenbarung, da von Gott geoffenbart; und die Tradition, da von Kirchenmann zu Kirchenmann weitergereicht; und das Ordentliche und Außerordentliche Lehramt, da durch die Autorität der Kirche gelehrt. Weil nun der Widerspruch zwischen diesem Evangelium und dem Zweiten Vatikanischen Konzil offensichtlich ist, müssen wir für unser Seelenheil die Tradition annehmen und glauben – ungeachtet dessen, was die scheinbaren Autoritäten der Kirche an Gegenteiligem sagen. So gnade uns Gott. Wie um alles in der Welt kann dann die eigene Bruderschaft St. Pius X. des Erzbischof Lefebvre heute offiziell sich den Behörden des Zweiten Vatikanischen Konzil unterordne n wollen?
Kyrie eleison.
Zusammenfassung –
Der Galaterbrief, Kapitel 1,8-9, ist ein klassischer Text, um den Vorrang der Wahrheit vor der Autorität zu beweisen, d.h. den Vorrang der katholischen Tradition vor dem heutigen Rom.
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Dazu die Originalversion in Englisch:
Eleison Comment Number CCCXLVI (346) 1st March 2014
TRUTH FIRST
There must be many objections to the argument of recent issues of these “Comments” that, divine truth being prior to human teachers, then the fallibility of Popes need not concern us all that much because the true Faith is behind, beyond and above them. But here is a classic objection: the Truth in itself may be above them, but to us human beings it only comes through them – “faith is by hearing” (Rom.X, 17). Thus Our Lord entrusted to Peter (i.e. the Popes) the task of confirming his brethren in the faith (Lk.XXII, 31-32). So to us Catholics the teachers are prior to the Truth which we cannot receive without them. Moreover the Holy Ghost guides them (Jn.XVI, 13), so how can I possibly tell if or when he is not doing so ?
Also in Scripture lies the answer. St. Paul writes to a flock which he has instructed in the Faith: “Though we, or an angel from heaven, preach a gospel to you besides that which we have preached to you, let him be anathema.” And the point is so important that St Paul immediately repeats it: “As we said before, so now I say again: If anyone preach to you a gospel, besides that which you have received, let him be anathema” (Gal.I, 8-9)
But, a Galatian might have objected, why should we believe your gospel on your first visit to Galatia and not an eventually different one on your second ? St. Paul immediately gives a first reason: “ The gospel which was preached by me is not according to man. For neither did I receive it of man, nor did I learn it, but by the revelation of Jesus Christ” (Gal.I, 11-12). And St Paul confirms this by narrating how little contact he had with those who might have taught him, the other Apostles, before he began preaching (I, 15-19), a fact obviously verifiable by them, and he swears to the Galatians that he is not lying (I, 20). A second reason he gives a little later, which is the miracles and experience of the Holy Spirit (III, 2-5) that the Galatians themselves had witnessed as the direct result of the preaching of Paul’s first visit.
Thus Paul proves that God both taught him, and confirmed for the Galatians, the gospel of that first visit, and the contradiction between it and any different gospel the Galatians would be not only able but also obliged to discern for themselves, if they wished to save their souls. And no matter if (I,8) the preacher of the different gospel were an angel or Paul himself – or a Pope ! – the Galatians would still have the absolute duty to stay with Paul’s first gospel. The truth that had been set before them (III,1) the Galatians had recognized and accepted it (III, 3), just as one recognizes that 2 and 2 are 4, so it would have priority over any teacher eventually contradicting it, whatever authority to teach he might appear to have (I,9).
Thus Archbishop Lefebvre used to say that for the 19 centuries between St Paul and Vatican II the Church had preached exactly the same gospel, coming from God and ever and again confirmed by him. That gospel is, as revealed by God, Revelation; as handed down by churchmen, Tradition; as taught with authority by the Church, its Ordinary and Extraordinary Magisterium. Between that gospel and Vatican II the contradiction is obvious, so we must accept and believe Tradition, if we wish to save our souls, whatever the apparent authorities of the Church may say to the contrary. So help us God. How then can the Archbishop’s own Society of St Pius X be officially seeking reconciliation with the authorities of Vatican II ?
Kyrie eleison.
Galatians I, 8-9 is a classic text to prove the priority of truth over authority, i.e. of Catholic Tradition over today’s Rome.