Manche sagen: ,Ja, aber der Erzbischof hätte doch ein Abkommen mit Rom annehmen sollen, denn wenn einmal die Bruderschaft anerkannt und die Suspendierungen aufgehoben gewesen wären, hätte er im Innern der Kirche wirksamer tätig werden können, während er sich jetzt außerhalb der Kirche gestellt hat.’
Das sind Dinge, die man leicht so beiläufig sagen kann. Sich ins Innere der Kirche stellen, was soll das heißen? Und vor allem: Von welcher Kirche spricht man? Wenn es die konziliare Kirche ist, so müßten also wir, die wir zwanzig Jahre lang mit ihr gerungen haben, weil wir die katholische Kirche wollen, jetzt in diese konziliare Kirche eintreten, um sie sozusagen wieder katholisch zu machen. Das ist eine vollkommene Illusion. Nicht die Untergebenen formen die Oberen, sondern die Oberen die Untergebenen.
In der gesamten heutigen römischen Kurie, inmitten aller Bischöfe der Welt, die progressistisch sind, wäre ich vollkommen untergegangen. Ich hätte nichts erreicht und auch weder die Gläubigen noch die Seminaristen schützen können.
Es ist unfaßbar, daß man bezüglich der konziliaren Kirche von einer sichtbaren Kirche sprechen kann als Gegensatz zur katholischen Kirche, die wir zu repräsentieren und fortzusetzen versuchen. Ich sage ja nicht, daß wir die katholische Kirche sind. Ich habe das nie gesagt. Niemand kann mir vorwerfen, ich hätte mich jemals als einen Papst betrachten wollen. Aber wir repräsentieren die katholische Kirche wirklich so, wie sie früher war, weil wir das fortsetzen, was sie allezeit getan hat. Wir sind es, die die Kennzeichen der sichtbaren Kirche haben: die Einheit, die Katholizität, die Apostolizität, die Heiligkeit. Das macht die sichtbare Kirche aus.
Das ist der Grund, warum man wollte, daß das Zweite Vatikanische Konzil ein pastorales Konzil sei und nicht ein dogmatisches Konzil, weil man nicht an die Unfehlbarkeit glauben wollte. Man wollte keine endgültige Wahrheit. Die Wahrheit müsse leben und sich entwickeln. Sie könne sich eventuell ändern mit der Zeit, mit der Geschichte, mit der Wissenschaft usw. Die Unfehlbarkeit aber fixiert einen Satz, eine Wahrheit für immer, so daß sie sich nicht mehr ändern. Und daran wollen die Modernisten nicht glauben. Wir stehen auf der Seite der Unfehlbarkeit, nicht die konziliare Kirche. Die ist gegen die Unfehlbarkeit, das ist absolut sicher. Kardinal Ratzinger ist gegen die Unfehlbarkeit, der Papst ist infolge seiner philosophischen Ausbildung gegen die Unfehlbarkeit. Man verstehe uns richtig, wir sind nicht gegen den Papst, insofern er alle unveränderlichen Gewalten des apostolischen Stuhles, des Stuhles Petri, repräsentiert, aber wir sind gegen den Papst, insofern er ein Modernist ist, der nicht an seine eigene Unfehlbarkeit glaubt, der den Ökumenismus einführt. Und wir sind natürlich gegen die konziliare Kirche, die praktisch schismatisch ist, selbst wenn sie es nicht wahrhaben will. Praktisch ist sie eine dem Wesen nach exkommunizierte Kirche, weil sie eine modernistische Kirche ist. Aber sie exkommunizieren uns, weil wir katholisch bleiben wollen. Wir wollen aber mit dem katholischen Papst und mit der katholischen Kirche verbunden bleiben. Das ist der Unterschied.
Man könnte vielleicht Bischöfe erhalten wie Bischof de Milleville, der in Zivil nach Fontgombauld gekommen ist, um dort Priester zu weihen. Hätte er eine Predigt gehalten, so frage ich mich wirklich, was er diesen Seminaristen gesagt und welches Beispiel er ihnen gegeben hätte. – Das ist nicht mehr die katholische Kirche, das ist die konziliare Kirche mit allen ihren verderblichen Folgen. Sie tragen zur Zerstörung der Kirche bei.
Wir sind weder schismatisch noch exkommuniziert. Wir sind nicht gegen den Papst. Wir sind nicht gegen die katholische Kirche. Wir machen keine Parallelkirche. Das ist alles absurd. Wir sind das, was wir immer waren, Katholiken, die es weiterhin bleiben. Das ist alles. Man soll nicht Schwierigkeiten sehen, wo keine sind. Wir bilden keine „kleine Kirche”, wie Paupert in seinem Buch schreibt. Kommt man an den Schluß seines Werkes, so kann einen das, was er da schreibt, das Fürchten lehren: „Ich weiß nicht mehr, was ich bin!”
Dieser Paupert, der Seminarist war, wenn nicht Priester, hat den Glauben verloren, dann mehr oder weniger wiedergefunden und ist seinem Geist nach eher traditionstreu, aber er hat Angst davor, die konziliare Kirche zu verlassen. Und so weiß er nicht mehr, ob er katholisch ist oder nicht, ob er praktizierend ist oder nicht. „Wenn ich heute in einer Kirche bin, habe ich den Eindruck, nicht bei mir zu Hause zu sein. Darum kommuniziere ich nicht.”
Er ist ein intelligenter Mensch, der sich aber in einer Art Sackgasse befindet, aus der er keinen Ausweg weiß. Es ist erschreckend. Und genau das ist das Problem aller jener Katholiken, die absolut nicht den Schritt zur Tradition tun wollen. Sie möchten bei denen bleiben, die den Bischofsstuhl innehaben, bei den Bischöfen, aber sie haben nichts mehr mit dem katholischen Glauben zu tun, den sie praktiziert haben, als sie jünger waren, und zu dem zurückzukehren ihnen der Wille fehlt. Das ist wirklich schrecklich, wenn man bedenkt, daß Millionen Katholiken sich in dieser Lage befinden. Deshalb gehen viele von ihnen am Sonntag nicht mehr in die Kirche, andere treten in die Sekten ein oder praktizieren überhaupt nicht mehr und verlieren den Glauben.
Frage: „Pater de Margerie ratet Ihnen in seinem Buch „Ecône, comment dénouer la tragédie?” („Wie läßt sich die Tragödie von Ecône lösen?”) sich mit Rom zu versöhnen, indem Sie praktisch das akzeptieren, was Sie immer verworfen haben. Wie denken Sie darüber?”
Ich kenne Pater de Margerie nicht persönlich. Er ist voll von Widersprüchen. Man sieht genau, daß er mit dem Verteidigen der Religionsfreiheit und mit der Behauptung, daß sie mit der Tradition im Einklang ist, daß kein Bruch vorliegt, sehr in Verlegenheit kommt. Es ist eine unhaltbare Position. Denn manche Verfechter der konziliaren Kirche … haben im Mai letzten Jahres auf dem Kongreß in Venedig bezüglich der Religionsfreiheit ganz offen erklärt: „Ja, da ist etwas geändert worden.” Die anderen hingegen wie Kardinal Ratzinger und die Theologen, die viele Bücher über diese Frage geschrieben haben, bemühen sich zu beweisen, daß das die Fortsetzung der Tradition ist.
Bisher stand die Freiheit wesentlich in Beziehung zur Wahrheit. Jetzt steht die Freiheit in Beziehung zum menschlichen Gewissen. Das heißt also, dem Menschen mit der Gewissensfreiheit die Wahl der Wahrheit zu überlassen. Das ist der Tod der Kirche. Es ist das Einführen des Giftes der Revolution, der von der Kirche anerkannten Menschenrechte. Der Rektor der Lateranuniversität und Kardinal Pavan geben das wenigstens zu. Die andern werden sagen, was sie wollen, um uns damit zum Schweigen zu bringen. Aber es steht schwarz auf weiß geschrieben: „Der Staat, die bürgerliche Gesellschaft sind ihrem Wesen nach unfähig zu erkennen, welches die wahre Religion ist.” Man fragt sich, wie es möglich ist, daß jemand solche Abstrusitäten schreibt.
Die Antworten auf unsere Einwendungen gegen das Konzil, die wir von Rom erhalten haben, trachten alle zu beweisen, daß keine Änderung vorliegt, sondern eine Fortsetzung der Tradition. Diese Behauptungen sind ärger als die der Erklärung über die Religionsfreiheit. Sie sind echte offizielle Lügen.
Solange man in Rom bei den konziliaren Ideen Religionsfreiheit, Ökumenismus, Kollegialität bleibt, geht man auf falschem Weg. Das ist verhängnisvoll, weil es bis in die praktische Verwirklichung reicht. Es liefert die Rechtfertigung für den Besuch des Papstes in Kuba. Der Papst besucht und empfängt die kommunistischen Staatschefs, Folterer, Mörder, an deren Händen Blut von Christen klebt, als wären sie dessen ebenso würdig wie ehrbare Leute.
…genau wie sie es in Ungarn nach Kardinal Mindszenty mit der Ernennung von Lekai, dem skandalösen Lekai, gemacht haben. Früher wurden alle Kardinäle und Bischöfe ins Gefängnis geworfen, weil sie die katholische Religion verteidigt haben, jetzt sind sie es, die die Priester, die wahrhaft katholisch sind, ins Gefängnis werfen lassen. Wir sind genau in derselben Lage: Die Bischöfe verfolgen uns, weil wir katholisch sind. Nicht die atheistische Regierung, die Sozialisten, die Freimaurer verfolgen uns, sondern die sogenannten katholischen Bischöfe, die konziliaren Bischöfe.
Das gleiche geschieht in den kommunistischen Ländern; sie haben konziliare Bischöfe, Bischöfe, die zu den ,Friedenspriestern’ gehören, die mit der kommunistischen Regierung einig sind. Nicht mehr die Regierungen sind die Verfolger, sondern die Bischöfe.
Papst Johannes Paul II. hat in Österreich und anderwärts Ernennungen von Bischöfen vorgenommen, die als eher traditionstreu betrachtet werden… Kürzlich hat auch Kardinal Ratzinger diese Instruktion über den Treueid mit dem vorausgehenden Glaubensbekenntnis erlassen.
Ich glaube nicht, daß das eine wirkliche Rückkehr ist. Es ist wie in einer Schlacht: Wenn man den Eindruck hat, daß die Truppen etwas zu weit vorgehen, hält man sie zurück. Ebenso zügelt man den Elan des Zweiten Vätikanischen Konzils etwas, weil die Verfechter des Konzils zu weit vorgehen. Übrigens sind diese Bischöfe ganz für das Konzil und für die nachkonziliaren Reformen gewonnen, für den Ökumenismus und den Charismatismus. Sie verhalten sich scheinbar etwas gemäßigter. Sie erzeugen ein etwas traditionelles religiöses Gefühl, aber das geht nicht tief. Sie nehmen die entscheidenden Grundprinzipien des Konzils, die Irrtümer des Konzils willig an und setzen sie ins Werk. Das ergibt kein Problem. Im Gegenteil, ich möchte sogar sagen, gerade diese sind mit uns am härtesten. Gerade sie würden am heftigsten fordern, daß wir uns den Prinzipien des Konzils unterwerfen.
Übrigens hat der Papst gerade in Deutschland Bischof Kasper ernannt. Dieser war Sekretär der Synode von 1985, bei der Kardinal Danneels von Brüssel den Vorsitz führte. Kasper war der Chef, der Vordenker der Synode. Er ist sehr intelligent und einer der Gefährlichsten. Der Papst hat ihn gerade zum Bischof ernannt. Kasper gleicht in etwa Bischof Lehmann von Mainz, der der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz ist und auch sehr gefährlich. Das sind durchaus Leute der Linken, die im Grund an einen Karl Rahner, einen Hans Küng herankommen, sich aber sehr hüten, das zu sagen. Sie wählen Formen, mit denen sie vermeiden wollen, daß man sie zu diesen zählt, aber sie haben dieselbe geistige Einstellung.
Was ist schließlich von der Haltung Roms zu denken, die durch die Kardinäle Ratzinger und Mayer charakterisiert werden kann, welche immerhin bis jetzt eine gewisse Toleranz gegenüber Le Barroux, der Bruderschaft Saint-Vincent-Ferrier und der Bruderschaft St. Petrus an den Tag legen?
…Es scheint, daß Kardinal Lustiger daran denkt, Priestern, die uns verlassen haben, eine Kirche zu geben, doch würde er verlangen, daß dort auch Neue Messen zelebriert werden. Bei unseren Diskussionen mit Kardinal Ratzinger in Rom sagte er mir, daß, wenn im Fall einer Übereinkunft die Erlaubnis gegeben würde, in Saint-Nicolas-du-Chardonnet in Paris die alte Liturgie zu verwenden, dort auch Neue Messen gelesen werden müßten.
Das war vollkommen klar und offenbart ihre Geisteshaltung. Es kommt für sie nicht in Frage, die Neue Messe aufzugeben. Im Gegenteil, das ist ganz klar. Deshalb ist das, was wie eine Konzession erscheinen konnte, in Wirklichkeit nur ein Manöver, um uns soviel Gläubige wie möglich abspenstig zu machen. Aus dieser Perspektive heraus scheinen sie immer noch ein wenig mehr zu gewähren und darin sehr weit zu gehen. Wir müssen unbedingt unsere Gläubigen überzeugen, daß es sich durchaus nur um ein Manöver handelt und daß es gefährlich ist, sich den Händen der konziliaren Bischöfe und des modernistischen Rom auszuliefern. Es ist die größte Gefahr, die sie bedroht. Wenn wir zwanzig Jahre lang gekämpft haben, um den konziliaren Irrtümern zu entgehen, so nicht, um uns jetzt den Händen derer auszuliefern, die sich zu diesen Irrtümern bekennen.
Übrigens sind es natürlich die Distriktoberen, die für ein bestimmtes Gebiet eingesetzt sind und den Seelen, die sie rufen, soweit sie können, zu Hilfe kommen, weil diese Seelen ein Recht darauf haben, die Sakramente und die Wahrheit zu empfangen, ein Recht, gerettet zu werden. Also kommen wir ihnen zu Hilfe, und der Hilferuf dieser Seelen ist das, was uns die vom Kirchenrecht vorgesehene Berechtigung verleiht, sie aufzusuchen.
Ohne Zweifel hat uns der Weggang einiger Priester und Seminaristen geschmerzt. Aber das ist etwa so wie bei der Wallfahrt nach Chartres: Man kann dem lieben Gott nur dafür danken, daß jene, die nicht vollkommen mit uns einverstanden sind, die unseren Kampf nicht verstehen, weggehen. Wir sind so stärker und sicherer in unserem Vorgehen. Andernfalls wären wir ständig mit Leuten beisammen, die uns kritisieren, die innerhalb unseres Werkes nicht mit uns einverstanden sind, und das würde Spaltung und Unordnung nach sich ziehen.
Ich denke wie immer, daß die Taten überzeugender sind als die Worte. Es gibt Leute, die sagen: „Sie könnten doch einen eindrucksvollen Brief an den Papst schreiben!” Aber es sind jetzt zwanzig Jahre, daß wir Briefe verfassen, die zu nichts geführt haben! Ich sage noch einmal: Es sind die Taten, die sprechen…
…Ich glaube also nicht, daß es noch sinnvoll ist, etwas in Rom zu suchen. Ich glaube, man muß warten, leider auch darauf, daß sich die Lage auch für sie verschlimmert…
Frage: „Wenn Rom darauf eingegangen wäre, Ihnen auch nur einen Bischof zu geben, hätte das Protokoll über das Einverständnis zu einem Abkommen führen können: Man kann sich wundern, daß Ihnen diese Konzession, die nicht viel bedeutet hätte (ein Bischof auf fast dreitausend auf der Welt), verweigert worden ist.”
Es ist erstaunlich, ja, und das erklärt sich nur aus der Angst vor der Tradition. Es ist unglaublich, aber sie haben auch Angst vor einem einzigen traditionstreuen Bischof, der gegen die konziliaren Irrtümer arbeitet, denn das können sie nicht ertragen.
Frage: „Sie haben also keinerlei Zweifel und bedauern nichts’?”
Nein, durchaus nicht. Ich glaube, daß das alles auf wahrhaft providentielle und fast wunderbare Weise gelenkt worden ist.
…Was man erhoffen kann, ist, daß die Gläubigen immer zahlreicher werden, daß sie die Augen öffnen und endlich sehen, wo sich die Wahrheit befindet, und feststellen, daß das Heil in der Tradition liegt und nicht bei der konziliaren Kirche, die immer mehr schismatisch ist.
Frage: „Natürlich wissen Sie, daß Ihr Name aus der letzten Ausgabe des Päpstlichen Jahrbuches verschwunden ist.”
Ich glaube, daß er nicht aus dem Jahrbuch des lieben Gottes verschwunden ist, wenigstens hoffe ich es, und das ist die Hauptsache.
(30.6.1989 in Ecône)
