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Pfarrer Robert Mäder: DER WUCHER, DER VATER DER SOZIALEN NOT

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Die Wurzel aller Übel ist nach Paulus die Habsucht. Die kapitalistische Habsucht und die proletarische Habsucht, die Habsucht der Besitzenden wie der Armen! Die Judaskrankheit, die Krankheit fast aller Ungläubigen und Abgefallenen und derer, die auf dem Wege sind, es zu werden! Das goldene Kalb, der Gott der Mehrheit! Selig der Mann, der dem Geld nicht nachläuft. Wer rein ist von allem Geiz, der ist ein Heiliger. Kampf gegen die Habsucht ist eine Erstforde­rung des Christentums. Eine der heiligsten und bren­nendsten Pflichten des Tages! Alle Reformvorschläge Flickwerk, wenn nicht der Feind des menschlichen Geschlechtes, der Vater des Krieges und der sozialen Not, die Habsucht von oben und unten, überwunden wird!

Die Kinder der Habsucht — der Dieb, der Räuber, der Betrüger, der Wucherer. Der Schlimmste aber von allen Vieren ist der Wucherer — Dieb, Betrüger und Räuber zugleich! Wer ist der Wucherer, der Erstgebo­rene der modernen Habsucht? Es ist derjenige, der die Notlage des Mitmenschen ausbeutet, der im Darle­hens-, Kauf- und Arbeitsvertrag als der Stärkere den Schwächeren vergewaltigt, um ihn auszuplündern.

Wer ist der Wucherer? Es ist derjenige, der die hei­ligsten Werte und Worte, Gott, Seele, Eigentum, Gerechtigkeit, Liebe, Menschlichkeit mit dem harten Gelde zudeckt. Wer ist der Wucherer? Es ist in der Regel der Räuber mit Zylinder und Glacéhandschuhen, der mit seiner geistigen und materiellen Überlegenheit denjenigen, der ihn notwendig hat, aus Gewinnsucht ausnützt.

Wer ist der Wucherer? Der häufigste und grausam­ste, der schändlichste und gefährlichste Verbrecher gegen das Eigentum. Wer ist der Wucherer? Nach mittelalterlicher und christlicher Auffassung ein Feind des Menschengeschlechtes, ein Ehrloser, einer, der nicht zu den Sakramenten zugelassen und kirch­lich beerdigt werden darf. Nun gut, der Wucherer ist heute System und beherrscht die Produktion!

Wo sind die Wucherer? Zuerst im Darlehensver­kehr. Man beutet diejenigen aus, die, ob arm oder ver­mögend, aus irgend einem Grunde gerade Geld nötig haben. Im Alten Bunde war es Gesetz: Du sollst dei­nem Bruder weder Geld noch Früchte noch irgend ein Ding auf Zinsen leihen (5. Mos 23,19). Wenn du Geld leihest meinem armen Volke, das bei dir wohnt, so sollst du es nicht drängen, wie ein Bedrängter und nicht mit Wucher drücken (2. Mos 22,35). Wer auf Wucher gibt und darüber nimmt, soll der leben? Nein! Er soll nicht leben! Da er all diese Greuel getan, soll er des Todes sterben (Ez 18,13). Für den Neuen Bund betont Christus, der Vollender des Gesetzes: Leihet, ohne etwas dafür zu hoffen, so wird euer Lohn groß sein im Himmel (Luk 6,35).

So ist es also ausdrückliche Lehre der hl. Schrift, daß für das Darlehen als solches d.h. sowohl für den dargeliehenen Gegenstand als auch für den Akt des Darlehens bloß um des Leihens willen kein Zusatz gefordert werden dürfe. Weiß (Soziale Frage und soziale Ordnung, S. 756) glaubt mit aller Sicherheit betonen zu dürfen, daß die ganze Vergangenheit diese Lehre vom Zins als einen Glaubenssatz sowohl der Offenbarung wie des Naturrechtes betrachtet habe.

Benedikt XIV. sagt unumwunden, daß nach jedem Recht, nach dem Naturrecht, dem göttlichen und kirchlichen, nach der beharrlichen, einstimmigen und entschiedenen Lehre aller Kirchenversammlungen, Väter und Theologen darüber jeder Zweifel ausge­schlossen sei und daß jeder, der hierin widerspreche, nicht bloß der göttlichen Offenbarung, sondern auch dem gemeinsamen Glauben der Menschheit und der natürlichen Vernunft widerspreche. Die kirchliche Gesetzgebung ist in dieser Frage immer gleich geblie­ben und hat sich durch keine Unbeliebtheit und durch keinerlei Scheingründe je irre machen lassen (Weiß a.a.O. S, 757). Die Zinslehre der Kirche fand erst im 16. Jahrhundert konsequenten Widerspruch. Der Vater des modernen Wuchertums ist Calvin. Auch hier ist der Protestantismus der Anfang vom Elend.

Was die Kirche beim Gelddarlehen immer zugelas­sen hat, ist nicht die Berechtigung eines eigentlichen, aus dem Darlehen selbst sich ergebenden Zinses, son­dern die Berechtigung, für den aus der Bewilligung des Darlehens entstandenen Schaden eine entspre­chende Vergütung zu verlangen.

Im Jahre 1838 erklärt Pius VIII., man brauche Beichtkindern, die allein gestützt auf die gesetzliche Erlaubnis einen mäßigen Gewinn für das dargeliehe­ne Geld verlangen, absolvieren, ohne ihnen die Pflicht der Rückerstattung aufzuerlegen. Immerhin sei vorausgesetzt, daß die Betreffenden allfälligen späteren Entscheidungen der Kirche sich zu unter­werfen versprechen.

Daraus ergibt sich, daß heutzutage in der Regel der Darlehensgeber für Risiko und entstandenen Schaden eine gewisse Entschädigung fordern darf. Dieselbe ist aber nicht Zins, nicht Frucht aus dem geliehenen Geld, sondern nur sog. Interesse, Schadloshaltung.

Das geliehene Geld selber ist auch heute noch unfruchtbar, weil es Geld ist und weil es geliehen wurde. Man kann nicht die Kuh weggeben und sie noch melken. Wer seinen Garten ausleiht, darf nicht mehr grasen.

Geld ist weder Kuh noch Garten. Es ist nicht leben­dig, sondern tot. Es ist ein Tauschmittel und Wertmes­ser. Sodann ist geliehenes Geld im Besitz und Genuß des Leihenden. Die Mißachtung dieses innersten Wesens von Geld und Darlehen ist Wucher. Wucher ist jeder Zins, der um des geliehenen Geldes willen gefordert wird und nicht für erlittenen Schaden und Risiko.

Wucher ist jeder Zins, der nicht als mäßig bezeich­net werden kann. Wucher ist jeder Zins, der aus der persönlichen oder wirtschaftlichen Notlage des Mit­menschen herausgepreßt wird. Wucher ist jeder Zins, durch welchen die meisten modernen Riesenvermö­gen entstehen. Der Sozialist Proudhon hat alle Gerechtigkeit und Vernunft über Bord geworfen, als er das Eigentum als Diebstahl erklärte. Auch große Vermögen können gerecht und berechtigt sein. Aber das ist wohl richtig: Die meisten modernen Großver­mögen sind Wuchervermögen und darum Raub und Diebstahl. Ihr Vater ist der unerlaubte Zins. Das ist kein sozialdemokratischer Gedanke. Das ist katho­lisch.

Wo sind die Wucherer? Zweitens im Handelsver­kehr, unter Kaufleuten. Der Preis einer Ware muß gerecht sein. Der Preis ist nicht eine rein kaufmänni­sche, sondern auch eine Gewissensfrage, eine Frage des Hauptgebotes und des 7. Gebotes. Der Preis muß sich richten nach dem wirklichen inneren und äußeren Wert einer Sache. Der Preis kann gewissen Schwan­kungen unterliegen. Er wird bestimmt durch Angebot und Nachfrage. Er mag auch etwas über die mittlere Marktlage hinauf- oder hinuntergehen. Sobald aber der Preis aus Gewinnsucht künstlich hinaufgetrieben wird, wird er zur öffentlichen Ausbeutung, zum Warenwucher. Die Monopolisierung der Waren, die sogenanten Trustbildungen, das Aufkaufen und Zusammenstappeln der Lebensbedürfnisse, um dann die Preise willkürlich zu diktieren, sind Wucherunter­nehmungen.

Eine der bedenklichsten Erscheinungen während des Weltkriegs ist das unheimliche Anwachsen der Neumillionäre. Es ist begreiflich, daß, wenn die Waren selten werden, die Preise steigen. Es ist begreiflich, daß ein tüchtiger Kaufmann rascher zu Vermögen kommt. Aber es ist himmelschreiend, die Notlage eines Volkes oder Landes, der Menschheit überhaupt, auszunützen, um übermäßige Preis zu ver­langen.

Die meisten Neumillionäre haben allen Grund, ihr Gewissen zu erforschen. An den meisten Millionen kleben Blut und Tränen des armen ausgebeuteten Vol­kes. Die meisten Neumillionäre sind Verbrecher. Sie gehören ins Zuchthaus. Ihr übermäßiger Gewinn gehört in Form von höchstgesteigerten Kriegssteuern zurück an die Gesellschaft. Es ist nicht recht, wenn man zur Zeit der allgemeinen Not und Teuerung reich wird. Das ist nicht sozialdemokratisch gedacht. Da ist katholisch.

Wo sind die Wucherer? Die dritte Klasse von Wucherern sind die Lohnwucherer. Die meisten Wer­te im modernen Arbeitsleben werden erzeugt durch das Zusammenwirken von Kapital und Arbeit. Das Kapital bedarf der Arbeit. Ohne das kein Gewinn. Der Arbeiter bedarf des Kapitals. Ohne das kein Lohn.

Daraus ergibt sich, daß der Geschäftsgewinn je nach dem Maße ihrer Beteiligung dem Produktionsprozeß zwischen Kapital und Arbeit in angemessener Weise geteilt werden muß.

Steht der Lohn in gar keinem Verhältnis zum Ertrag des Geschäftes, so ist der übertriebene Gewinn des Unternehmens als Wucher zu brandmarken. Ein Betrieb, wo die Dividenden hoch und die Löhne tief stehen, ist ein Wucherbetrieb. Bereicherung aus sol­chen Aktiengesellschaften ist Bereicherung durch Raub. Der Verwaltungsrat gehört ins Zuchthaus. Das ist nicht sozialdemokratisch gedacht und gesprochen. Das ist katholisch! Wir stehen nicht auf dem Stand­punkt, daß alle Arbeitgeber Ausbeuter sind und darum morgen an den Galgen müssen. Aber wir anerkennen, daß Lohnwucher ein weitverbreitetes wirtschaftliches Laster ist und mit den schwersten Kerkerstrafen geahndet zu werden verdient.

Auch hier rettet uns allein der Katechismus! Der durch den wirtschaftlichen Liberalismus verschuldete öffentliche Abfall von der Moral des 7. Gebotes hat die Menschheit an den Abgrund geführt. Der Libera­lismus, die Wirtschaftspolitik des Räubers mit Zylin­der und Glacéhandschuhen! Der Sozialismus hat die beiden Abzeichen des liberalen Herrentums abgelegt, aber dessen Natur beibehalten. Auch er ist in seinen letzten Zielen Sozialpolitik des Raubes. Wir besitzen den Mut, die Wahrheit nach oben und nach unten zu sagen und kümmern uns weder um Volksgunst noch Herrengunst. Die Wahrheit über alles und vor allem!

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Quelle: Robert Mäder: Gedanken eines Reaktionärs (Olten, 1922 !)

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In diesem Zusammenhang sehr interessant: diese kanadische Vereinigung!



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