Zitat aus dem Mitteilungsblatt der Priesterbruderschaft St. Pius X., Juni 2013, Nr. 413:
Liebe Freunde und Wohltäter, liebe Gläubige,
in den letzten Wochen erleben wir eine organisierte Verwirrung unter unseren Gläubigen, welche die Urheber Widerstand nennen. In Rundschreiben und Internetportalen sprechen sie von einer angeblichen Richtungsänderung in der Bruderschaft; der liberale Geist habe im Generalhaus Einzug gehalten. Ihr Ziel ist, die Bruderschaft zu destabilisieren und vor allem, den jetzigen Generaloberen, Mgr. Fellay, und seine beiden Assistenten zum Rücktritt zu zwingen. Dabei ist diesen Leuten jedes Mittel recht: anonyme Briefe, falsche Behauptungen, umstürzlerische Aktionen. Wir haben im Vorwort des Mitteilungsblattes Nr. 412 vom Mai 2013 dazu Stellung genommen. Wir wollen versuchen, an dieser Stelle den philosophischen und theologischen Irrtum solcher Eiferer aufzudecken.
Sie sprechen von Konzilskirche und meinen damit eine andere Kirche. Es gibt aber keine andere Kirche als die konkrete römisch-katholische Kirche, die freilich vom liberalen Geist durchdrungen, entstellt und fast unkenntlich geworden ist. Nach der klassischen Philosophie ist das malum privatio boni, das Übel bzw. das Böse eine Beraubung an Gutem, keine selbststehende Substanz. Mit anderen Worten: Das Gute und das Böse, Gott und der Teufel sind nicht zwei auf gleicher Höhe sich gegenseitig bekämpfende Prinzipien. Vielmehr ist Gott der Absolute und selbst der Teufel vollkommen von ihm abhängig. Dieser ist nicht eine eigenständige böse Substanz, sondern vielmehr als Engel des Lichtes geschaffen, der durch seinen eigenen bösen Willen zum Teufel geworden ist. Sieht man das Böse als selbststehende Substanz, so gelangt man unweigerlich zum Dualismus der Perser und zur Irrlehre der Manichäer. Man kann den Ausdruck Konzilskirche in verkürzter Redeweise benützen. Er stammt übrigens von Erzbischof Benelli und fand sich in der Folge oft im Munde von Erzbischof Lefebvre. Wir müssen uns bei einer solchen Redeweise aber immer bewusst sein, dass wir nicht von einer real existierenden anderen Kirche sprechen, sondern von der Entstellung und dem Niedergang der wahren römischkatholischen Kirche. Mit anderen Worten: Die Konzilskirche ist nicht eine Institution, sondern eine Denkweise, die Darstellung des liberalen, modernistischen, unkatholischen Denkens. Das Unkraut hat den Weizen weitgehend überwuchert; auf manchem Acker der Kirche sieht man ihn überhaupt nicht mehr. Um noch ein anderes Bild zu verwenden: Ein menschlicher Leib, vom Krebs befallen, ist immer noch gut; man muss den Krebs, nicht den kranken Leib bekämpfen. So verhält es sich auch bei der Kirche, dem mystischen Leib Christi. Es geht nicht an, gegen die kranke, aber von Gott gesetzte Autorität der Kirche anzukämpfen, sondern gegen die schlimme Krankheit, welche die Autorität befallen hat.
Aber hat die Bruderschaft ihren Kurs nicht geändert? Wurde nicht beim Generalkapitel des Jahres 2006 beschlossen, jedem praktischen Abkommen mit Rom müsse eine lehrmäßige Übereinstimmung vorausgehen?
In der Tat wurde solches bei besagter Zusammenkunft der Oberen beschlossen. Dann aber änderte sich der Rahmen: Papst Benedikt XVI. gab der heiligen Messe in ihrer altüberlieferten ehrwürdigen Form wieder Heimatrecht – wenigstens in gewissem Umfang, nahm das Exkommunikationsdekret des Jahres 1988 gegen unsere Bischöfe zurück und ordnete Lehrgespräche an, die auch tatsächlich vom Oktober 2009 bis zum April 2011 stattfanden. Diese förderten die Nichtübereinstimmung in einer ganzen Reihe von Punkten klar zutage. Folglich musste auf diese neue Herausforderung eine neue Antwort gegeben werden – und diese gab eben das Generalkapitel des vorigen Jahres.
Also will Bischof Fellay doch ein Abkommen mit Rom um jeden Preis? Zunächst einmal ist der Ausdruck „Abkommen“ sehr schlecht gewählt: Rom und die Piusbruderschaft sind nicht auf gleicher Höhe angesiedelte Partner. Vielmehr geht es um eine Anerkennung unseres Werkes durch die römische Autorität. Eine solche anzustreben ist ehrenhaft und auch vom kirchlichen Denken gefordert – allerdings nicht um jeden Preis, sondern selbstredend unter der Bewahrung des gesamten katholischen Glaubens und auch seiner aktiven Verteidigung. Wo aber hat der Generalobere dies aufgegeben? Wann hat er z.B. den heutigen Ökumenismus, die Kollegialität oder die moderne Religionsfreiheit gutgeheißen oder auch nur versprochen, zu diesen Irrtümern zu schweigen? Solches zu behaupten, sind schlicht und einfach Verleumdungen. Hinter solcher Propaganda steht der Vater der Lüge, der sich oft der Sedisvakantisten bedient, um das Werk Gottes – um ein solches handelt es sich bei der Piusbruderschaft – anzugreifen, zu schwächen und wenn möglich zu vernichten. Natürlich ist das Böse in der Kirche, nämlich Glaubensschwäche, Glaubensabfall und Glaubensverrat ein großes Geheimnis. Aber man darf nicht unter dem Vorwand der Verteidigung des Glaubens und der Treue zum Glauben einen Glaubenssatz einfach zur Seite stellen, im konkreten Fall die göttliche Einsetzung des römischen Papstes. Das I. Vatikanische Konzil promulgierte am 18. Juli 1870 folgenden unfehlbaren und unverrückbaren Glaubenssatz: „Wer also sagt, es sei nicht aus der Einsetzung Christi, des Herrn, selbst bzw. göttlichem Recht, dass der selige Petrus im Primat über die ganze Kirche fortdauernd Nachfolger hat (perpetuos successores); oder der Römische Bischof sei nicht der Nachfolger des seligen Petrus in ebendiesem Primat: der sei mit dem Anathema belegt“ (DH 3058).
Daneben gibt es auch einen praktischen Sedisvakantismus, der wohl den Papst theoretisch anerkennt, ihm aber gewohnheitsmäßig den Gehorsam verweigert. Dies war nie die Haltung von Erzbischof Lefebvre. Er hat immer für die Bruderschaft nach 1975 nach einer kirchenrechtlichen Anerkennung Ausschau gehalten. Wenn dies nach den Bischofskonsekrationen in den Hintergrund trat, dann eben aus den Umständen heraus, nie als Prinzip. Er hat mir gegenüber ausdrücklich nach der Bischofskonsekration die Möglichkeit von Gesprächen mit den römischen Autoritäten erwähnt. Seine Worte gegen Ausführungen von Bischof Fellay auszuspielen, ist schlechter Stil, schädliche Dialektik, spaltet die Familie der Tradition und führt die Seelen ins Verderben. Subversive Elemente, die solche Spaltungen bewusst oder unbewusst betreiben, haben in unseren Kapellen kein Heimatrecht, auch nicht, wenn sie sich auf Bischof Williamson berufen. Auf den Sturz der gottgesetzten Autorität hinzuarbeiten, ist nichts anderes als Revolution. Solche Leute bekämpfen den angeblichen Liberalismus in der Bruderschaft und merken nicht, in welchem Maß sie selber Liberale sind. Wir müssen als Priester und als Obere die Herde gegen den Wolf verteidigen. Lesen Sie den überaus aufschlussreichen Vortrag von Erzbischof Lefebvre vom 15. Januar 1979 an die Seminaristen in Ecône, oder auch seine Predigt in Zaitzkofen vom 26. Februar 1983. Am Donnerstag, dem 27. Juni, feiern wir in Ecône das silberne Bischofsjubiläum der drei Weihbischöfe der Bruderschaft, die in den vergangenen 25 Jahren soviel Segen über die heilige Kirche ausgegossen haben. Dass der vierte nicht mehr in unseren Reihen ist, schmerzt uns. Aber so ist es eben mit der menschlichen Freiheit: Selbst Männer, die Gott erwählt hat, können im Laufe ihres irdischen Daseins vom rechten Weg abirren. So war es zum Beispiel bei König Salomon. Was gut beginnt, endet also nicht notwendigerweise auch gut. Eine Sache ist nur dann gut, wenn sie gut ist an ihrem Anfang, in ihrer Mitte und an ihrem Ende (Unterscheidung der Geister nach dem hl. Ignatius von Loyola, 2. Woche, 5. Regel). Noch ein weiteres Wort zu Bischof Williamson: Im Brief an die Anwärter für das Bischofsamt vom 28. [29.] August 1987 beschwört Erzbischof Lefebvre diese, „der Priesterbruderschaft St. Pius X. fest verbunden zu bleiben, unter einander tief vereint, ihrem Generaloberen unterworfen“. Aus dieser Verpflichtung ist Bischof Williamson offen ausgeschert. Folglich wurde er aus der Bruderschaft ausgeschlossen. Da hilft auch kein Sich-Berufen auf das Kirchenrecht, wonach ein zum Bischof geweihter Ordensmann nicht mehr seinem bisherigen Oberen im Gehorsam verpflichtet ist, sondern direkt dem Papst untersteht. Also möge sich unser ehemaliger Mitbruder an den Papst wenden, sein Bischofsamt in dessen Hände legen oder auf dessen Ausübung verzichten. Einen Freibischof in der Kirche gibt es jedenfalls nicht. Greifen wir nochmals auf die Philosophie zurück: Akzidenzien gibt es nur in einer Substanz, niemals freischwebend. Sieht man die Kirche als eine Substanz und ihre Amtsträger als ihre akzidentiellen Vertreter, dann wird sofort klar, wie unhaltbar und unkirchlich die jetzige Lage von Bischof Williamson ist. Mit einer solch unkatholischen Haltung dient man angeblich der katholischen Kirche. Es tut mir aufrichtig leid, diese Dinge so offen aussprechen zu müssen; allein die Hirtensorge drängt mich dazu.
Möge das göttliche Herz Jesu sein reiches Erbarmen und seine Segensfülle über Sie und Ihre Familie ausgießen, Sie vor Verwirrung und Verführung bewahren und Sie im Glauben und in der Liebe Christi festgewurzelt und gegründet sein,
Ihr
Pater Franz Schmidberger, Distriktoberer
Dazu vorerst folgende Bemerkungen von mir:
Die Reaktion inner- und außerhalb der Bruderschaft auf die seit dem Jahr 2000 von der Leitung der FSSPX, mehr oder weniger im Geheimen, über die Köpfe der Mitglieder und Sympathisanten hinweg, zunehmend kompromiss-, konzessionsbereite, versuchte „(Wieder-)Eingliederung der Piusbruderschaft in die offizielle Kirchenstruktur war und ist keinesfalls eine „organisierte Verwirrung“, sondern eine spontane, durch das Bekanntwerden einzelner Oppositions-Bekenntnisse von mutigen Bruderschaftsmitgliedern, vornehmlich bester Priester, natürlich gewachsene Bewegung und lose Vernetzung, die nur bei jenen Verwirrung auslöst(e), die wegen ihrer Eigenmächtigkeit, Selbstgerechtigkeit, Eingebildetheit und Unbelehrbarkeit zurecht befürchten müssen, sie könnten die Kontrolle über den von Ihnen diktatorisch diktierten Kurs nach und nach verlieren. Nicht diesen besorgten Mitgliedern war und ist „jedes Mittel recht“, sondern dem Generalhaus, namentlich Bischof Fellay, war/ist „jedes Mittel recht“, den aufkommenden Widerstand zu unterdrücken, mit Briefen der Einschüchterung, Versetzungen, falschen Anschuldigungen und Verurteilungen, rechtsumstürzlerischen Aktionen wie Ausschlüssen.
In einem „falschen Eifer“ will P. Schmidberger dann den „philosophischen und theologischen Irrtum“ der Widerständler aufdecken, indem er ihnen einen in seiner eigenen „Schmiede“ ad hoc zu einem „Berg“ geschmiedeten Irrtum andichtet. Wenn die Vernunftbegabten, Wissenden und Einsichtigen von „Konzilskirche“ reden und schreiben, dann meinen sie nicht eine „eigenständige“, für sich bestehende (pseudo-katholische) Kirche, sondern die auf das jüngste Konzil zurückzuführende Überwucherung, Krankmachung, Verdunkelung bis Ausblendung der wahren Kirche. Sie meinen damit all das, was nachweislich im Bruch, im Widerspruch zu dem steht, was die Kirche Christi wesentlich ausmacht. Und vor allem meinen sie damit all jene einflussreichen Amtspersonen in der Kirche, die ihre Stellung dazu missbrauch(t)en, diese Verfälschungen und Vergiftungen als Gottgewolltes, vom Heiligen Geist Gewirktes, zu verbreiten. Und zu diesen Amtspersonen gehören nun einmal vornehmlich die Päpste seit Johannes XXIII. inklusive. Jeder einzelne von ihnen ist in dem Maße wie er das „Neukatholische“ des II. Vatikanische Konzil vertritt/vertrat, schuld am „Konzilskirche-Werden“ der Kirche. Ein treuer katholischer Christ wird niemals gegen die „von Gott gesetzte Autorität der Kirche ankämpfen“, aber er hat die Pflicht, gegen die missbrauchte Autorität, gegen den Missbrauch der Autorität anzukämpfen.
„Aber hat die Bruderschaft ihren Kurs nicht geändert?“, fragt P. Schmidberger.
Dazu werde ich in einem Folgeartikel Stellung nehmen. Aber soviel schon jetzt:
Die Bruderschaft hat ihren Kurs natürlich nicht geändert, sondern der Generalobere der Bruderschaft, Bischof Fellay, mit seinen „Einträchtigen“ hat den Kurs der Bruderschaft geändert, bzw. ändern wollen. Dieser Versuch hat jetzt aber in einem Fiasko geendet, – zum Glück.