Einleitung
Die ewige Jugend der Kirche — Grund zu Trost und Hoffnung
Zur Mahnung und zum Trost gereicht Uns, die Wir ohne eigenes Verdienst auf den Stuhl Petri erhoben wurden, immer wieder, was Wir sehen und hören durften, als beim Tode Unseres Vorgängers fast die ganze Welt ohne Unterschied der Nationen und der Weltanschauungen ihre Trauer bezeigte. Und als Wir dann Selbst zur Würde des Papsttums berufen wurden, wandten sich erneut die Massen voll Hoffnung und Erwartung Uns zu, obwohl doch andere Ereignisse und Schwierigkeiten sie beunruhigten und in Spannung hielten. Das beweist offensichtlich die ewige Jugendfrische der Kirche. Sie ist «errichtet als ein Zeichen unter den Völkern» (siehe Isaias 11, 12). Ein alle Völker erreichendes, durchdringendes Licht und eine sanfte Liebe geht ohne Zweifel von ihr aus.
Wir freuen Uns auch über das zustimmende Echo, das die von Uns geäußerte Absicht, ein Ökumenisches Konzil und eine Römische Synode einzuberufen, das Rechtsbuch der Kirche den heutigen Erfordernissen anzupassen sowie ein neues Gesetzbuch ähnlicher Art für die Kirche des orientalischen Ritus herauszugeben, in breiten Kreisen gefunden hat. Überall belebte sich die Hoffnung, daß alle dadurch angespornt würden, die Wahrheit besser und tiefer zu erkennen, die christlichen Sitten heilsam zu erneuern und die Einheit, die Eintracht und den Frieden aufs glücklichste wiederherzustellen.
Dieses dreifache Anliegen: die Wahrheit, die Einheit und den Frieden in christlicher Liebe zu erstreben und zu fördern, soll das Thema dieses Unseres ersten Weltrundschreibens bilden. Denn darin scheint Uns die Hauptaufgabe Unseres apostolischen Amtes zu bestehen. Uns beim Schreiben, euch beim Lesen erleuchte der Heilige Geist! Und was wir gemeinsam ersehnen, möge Gottes herzrührende Gnade auch alle erreichen lassen trotz der Vorurteile, der vielen Schwierigkeiten und all der Schranken, die dem entgegenstehen.
I. Teil — Die Wahrheit
Vom Kennenlernen der Wahrheit, vor allem der geoffenbarten
Das Übel, das wie ein schleichendes Gift die Einzelnen, die Völker und die Nationen heute befällt und viele verwirrt, ist letztlich und gleichsam wurzelhaft das Nichtkennen der Wahrheit, das manchmal nicht nur eine einfache Unwissenheit, sondern auch eine Verachtung der Wahrheit und eine fahrlässige Abkehr von ihr miteinschließt. Irrtümer aller Art dringen so in das Denken und Fühlen der Menschen und sogar in die Lebensadern der Gesellschaft ein und bringen zum großen Schaden der Einzelnen wie der Gesellschaft alles in Unordnung.
Nun hat uns aber Gott mit einer Vernunft begabt, die imstande ist, die natürliche Wahrheit zu erkennen. Folgen wir dieser Vernunft, dann folgen wir Gott selbst; denn er ist der Urheber, Lenker und Gesetzgeber unseres Lebens. Folgen wir ihr aber nicht aus Unverstand, Gleichgültigkeit oder gar aus Bosheit, dann wenden wir uns zugleich vom höchsten Gut selbst und von der Norm einer rechten Lebensführung ab.
Freilich, wenn wir auch, wie gesagt, die natürlichen Wahrheiten mit unserem Verstand erfassen können, so ist dies doch — zumal in Fragen der Religion und des Sittengesetzes — kein leichtes Bemühen für alle Menschen und oft mischen sich Irrtümer bei. Außerdem können wir Wahrheiten, die über das Vermögen der Natur und die Fassungskraft der Vernunft hinausgehen, ohne göttliche Erleuchtung und Hilfe überhaupt nicht erfassen. Darum hat sich Gottes Wort, das «in unzugänglichem Licht wohnt» (1. Tim. 6, 16), in seiner unendlichen Liebe des Schicksals der Menschen erbarmt, ist «Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt» ( Joh. 1, 14), damit «jeder Mensch, der in diese Welt kommt» ( Joh. 1, 9) erleuchtet werde, damit alle zur vollen und ganzen Wahrheit und darüber hinaus zur Tugend und zur ewigen Glückseligkeit geführt werden. Das aber verpflichtet nun alle Menschen, die Lehre des Evangeliums freudig aufzunehmen, und wer sie verwirft, stellt damit auch die Grundlagen der Wahrheit, der Rechtschaffenheit und der Kultur in Frage.
Die ewigen Zweifler
Wie man sieht, handelt es sich um eine sehr ernste Frage, mit der unser ewiges Heil eng verknüpft ist.
Leute, die «immerzu lernen wollen», wie der Völkerapostel sagt, «ohne fähig zu sein, zur Erkenntnis der Wahrheit zu kommen» (2. Tim. 3, 7), die ernstlich behaupten, eine bestimmte und sichere Wahrheit könne es für die Erkenntnis des Menschen nicht geben, die die von Gott geoffenbarten und für unser ewiges Heil notwendigen Wahrheiten verschmähen, weichen ohne Zweifel von der Lehre Christi und der Ansicht des Völkerapostels bedenklich ab. Dieser sagt nämlich: « . . . laßt uns alle zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen … Denn wir sollen nicht mehr Unmündige sein, ein Spiel der Wellen und hin und her getrieben von jedem Windhauch der Lehre, die mit menschlicher Laune und List auf täuschende Verführung ausgeht. Nein, die Wahrheit sollen wir leben durch Liebe, um in jeder Hinsicht in ihn, Christus, der das Haupt ist, hineinzuwachsen. Von ihm her wird ja der ganze Leib zusammengefügt und zu fester Einigkeit verbunden durch jedes Gelenk, das dem Ganzen dient, gemäß der Kraft, die jedem einzelnen Teil zugemessen ist; und so wirkt er das Wachstum des Leibes zu seinem Aufbau in der Liebe» (Eph. 4, 13-16).
Lüge und Wahrheit in der Presse
Leute aber, die planmäßig oder aufs Geratewohl die erkannte Wahrheit bekämpfen, Leute, die im Reden, Schreiben und Handeln sich der Lüge als Waffe bedienen, um die Gunst der ungebildeten Masse zu gewinnen und die unerfahrene, noch wachsweiche Jugend nach ihrem Sinn zu bilden und zu formen, diese Leute mißbrauchen offensichtlich die Unkenntnis und die Unschuld ihrer Mitmenschen und üben ein ganz schändliches Gewerbe aus!
Hier müssen wir mit besonderem Nachdruck eine Aufmunterung an alle jene richten, die durch die Fülle der heute so zahlreichen Bücher, Zeitschriften und Zeitungen auf das Wissen und die Erziehung des Volkes und zumal der Jugend, auf ihre Meinungsbildung und ihr sittliches Verhalten einen entscheidenden Einfluß ausüben: Achten Sie darauf, die Wahrheit mit Sorgfalt, Umsicht und Klugheit darzulegen. Ihr Beruf verpflichtet Sie im Gewissen, keine Lügen, keine halben Wahrheiten, keinen Schund und Schmutz zu verbreiten, sondern nur das Wahre, und zwar vor allem das, was zum rechten Tun und zur Tugend eine Hilfe bedeutet.
Zu Unserem größten Bedauern müssen Wir mit Unserem Vorgänger seligen Angedenkens Leo XIII. feststellen: «Frech geht die Lüge um . . . in mühevollen Wälzern und schmächtigen Bändchen, in keck umherfliegenden Zeitungen und im aufreizenden Zauber des Theaters» (Brief: Saepenumero considerantes; A. L. vol. III, 1883, p. 262). Auch Wir müssen feststellen, «daß es Bücher und Zeitschriften gibt, die nur dazu gedruckt werden, um die Tugend lächerlich und das Laster angängig zu machen» (Brief: Exeunte iam anno; A. L. vol. III, 1888, p. 396).
. . . im Radio, Film und Fernsehen
Dazu kommen heute, ehrwürdige Brüder und liebe Söhne, die Darbietungen des Rundfunks, des Kinos und der Television. Die letzten kann sogar jeder mühelos bei sich zu Hause empfangen. Von allen können Anregungen und Antriebe zum Guten und Ehrbaren, ja zur christlichen Tugend ausgehen. Nicht selten aber werden sie leider auch zur Quelle und zum Anreiz verdorbener Sitten, eines ehrlosen Lebens, trügerischer Irrtümer und schlüpfriger Laster, zumal für die Jugend. Um den Einfluß dieses täglich weiter um sich greifenden Übels einzudämmen, müssen den verderblichen Waffen die Waffen der Wahrheit und des Guten nach Kräften und mit Umsicht entgegengesetzt werden: der schlechten und trügerischen Presse muß man mit einer guten und aufrichtigen begegnen; Hörsendungen des Rundfunks und Vorführungen des, Kinos und Fernsehens, die zu Irrtum und Laster verführen, sind andere Darbietungen entgegenzustellen, die der Wahrheit dienen und die Reinheit der Sitten verteidigen. Auf diese Weise sollen die neuen Techniken, die sich so schädlich auswirken können, umgestaltet werden zu Mitteln, die neben ehrbarer Unterhaltung dem Menschen zum Heil und zur Wohltat gereichen. Von dort sollen die Heilmittel erfließen, von wo auch oft das schädliche Gift ausging.
Die religiös Gleichgültigen
Endlich gibt es Leute, die zwar nicht planmäßig die Wahrheit ausdrücklich bekämpfen, sich ihr gegenüber aber so nachlässig und unbekümmert verhalten, als hätte uns Gott den Verstand nicht zum Suchen und Finden der Wahrheit gegeben. Diese verkehrte Lebenshaltung führt auf abschüssiger Bahn zu der ganz sinnlosen Behauptung: alle Religionen seien — ohne daß man wahr und falsch unterscheiden müsse — gleichviel wert. «Diese Ansicht bereitet», um die Worte Leos XIII. zu gebrauchen, «allen Religionen den Untergang, besonders aber der katholischen, die unter allen die einzig wahre ist und die man sehr zu Unrecht mit anderen gleichsetzen würde» (Rundschreiben: Humanum genus; A. L. vol. IV, 1884, p. 53). Hält man Gegensätze und Widersprüche für belanglos, so führt das außerdem zu dem tragischen Resultat, daß man überhaupt keine Religion billigt, überhaupt keine ausübt. Wie könnte Gott, der die Wahrheit ist, die Sorglosigkeit, Nachlässigkeit und geistige Trägheit jener Menschen billigen und hinnehmen, die über Fragen, von denen unser ewiges Heil abhängt, sich kein Gewissen machen, die nichts wissen wollen vom Suchen und Erringen der heilsnotwendigen Wahrheiten, nichts von der Verehrung, die sie Gott allein schulden?
Auf das Erlernen und die Förderung der menschlichen Wissenschaften verwendet man heute viel Mühe und Fleiß, und unser Jahrhundert ist mit Recht stolz auf den bewundernswerten Fortschritt, den wir auf dem Gebiete der Forschung gemacht haben. Warum eigentlich verwenden wir nicht einen gleichen, ja noch größeren rastlosen, rührigen Eifer und Fleiß auf die Erwerbung zuverlässiger und sicherer Erkenntnisse, die nicht diesem irdischen und hinfälligen, sondern dem himmlischen Leben dienen, das nicht vergeht? Erst wenn wir zu jener Wahrheit, die aus dem Evangelium kommt und die praktisch gelebt werden muß, vorgedrungen sind, erst dann und dann allein werden wir zur Ruhe kommen in Frieden und Freude; in einer Freude, die alle Freuden unendlich übersteigt, die man über Ergebnisse der Forschung und über die großartigen, heute tagtäglich bis in den Himmel gepriesenen Erfindungen, die uns jetzt zur Verfügung stehen, empfinden kann.
II. Teil — Einheit, Eintracht, Friede
Der Friede setzt die Liebe zur Wahrheit voraus
Aus dem Besitz dieser Wahrheit — die umfassend, lauter und unparteiisch sein soll — quillt notwendigerweise die Einheit hervor und tritt in unserem Denken, Fühlen und Handeln zutage. Disharmonien, Mißstimmungen, Meinungsverschiedenheiten kommen alle letzten Endes daher, daß die Wahrheit entweder nicht erkannt oder, was noch schlimmer ist, obwohl man sie ganz genau kennt, dennoch abgelehnt wird. Oft erhofft man sich dabei Vorteile aus falschen Behauptungen, oder man verfällt jener verderblichen Blindheit, in der die Menschen nur allzu leicht und zu nachsichtig ihre Fehler und bösen Taten zu entschuldigen suchen. Darum müssen alle, die Privatleute wie die Männer, in deren Händen das Schicksal der Völker liegt, die Wahrheit aufrichtig lieben, wenn sie jene Eintracht und jenen Frieden haben wollen, von denen das wahre Gedeihen des privaten wie des öffentlichen Lebens abhängt. Ganz besonders legen Wir aber den Staatsoberhäuptern diese Eintracht und diesen Frieden ans Herz. Unser Amt hat Uns über die Streitigkeiten der Völker gestellt, alle Völker sind Uns gleich lieb, keine irdischen Vorteile, keine politischen Machtansprüche, keinerlei Ambitionen dieses irdischen Lebens bestimmen Unser Handeln; deshalb dürfen Wir wohl damit rechnen, daß die Angehörigen aller Völker es mit Ruhe und Unvoreingenommenheit prüfen und anhören werden, was Wir zu dieser überaus wichtigen Frage zu sagen haben.
Als Brüder schuf Gott alle Menschen
Nach dem Schöpferplan Gottes sollen die Menschen nicht Feinde, sondern Brüder sein. Er übergab ihnen die Erde zur Bearbeitung und zur Veredlung. Jeder und alle sollten ihrer Früchte und alles dessen, was man zur Ernährung und zum Leben braucht, teilhaftig werden. Die verschiedenen Völker sind weiter nichts als Gemeinschaften von Menschen, das heißt Brüdern, von denen jede nicht für sich allein, sondern auch für das Gedeihen der ganzen menschlichen Teilhaberschaft im Bund der Brüder verantwortlich ist.
Außerdem darf man dieses hinfällige Leben nicht für sich allein betrachten, als wäre es uns nur zur Unterhaltung geschenkt. Es bedeutet einen Weg und der führt nicht allein zum Sterben unserer Leiber, er führt auch zum ewigen Leben, zur Heimat, die immer bleibt. Reißt man das Wissen um diese trostvolle Hoffnung den Menschen aus den Herzen, dann gerät die Grundlage des ganzen Lebens ins Schwanken. Leidenschaften, Streit, Feindschaften brechen dann unvermeidlich aus unserem Innern hervor und es gibt keinen wirksamen Zügel, der sie bändigen könnte. Dann schimmert nicht der Ölzweig des Friedens, sondern die Fackeln der Zwietracht flammen auf. Unser Los gleicht dann dem der unvernünftigen Tiere, ja es ist minder als dieses, denn wir haben Verstand und können ihn mißbrauchen, um noch Schlechteres anzustreben und noch tiefer hinabzusinken. Leider geschieht das auch nur zu oft — wie schon bei Kain — und die Erde wird besudelt mit verbrecherisch vergossenem Bruderblut.
Deshalb müssen wir zunächst Kopf und Herz zu diesen rechten Grundsätzen wieder zurückführen, wenn, wie es nottut, auch unser Handeln auf den Weg der Gerechtigkeit zurückgebracht werden soll. Wir nennen uns Brüder und sind es auch; wir haben dieselbe Bestimmung in diesem und im anderen Leben. Warum also, so fragen Wir, behandeln wir andere als Gegner und Feinde? Warum sind wir aufeinander neidisch, warum säen wir Haß, warum beschaffen wir uns tödliche Waffen gegen unsere Brüder? Genug des Kampfes der Menschen untereinander! Genug des vergossenen Blutes wachsender Scharen junger Männer in der Blüte der Jahre! Genug der Kriegerfriedhöfe, die unsere Erde bedecken! Streng mahnt ihre Stimme: Laßt euch endlich alle zur Eintracht, zur Einheit, zu einem gerechten Frieden bekehren! Darum mögen alle, statt auf das zu sehen, was die Menschen trennt und entzweit, ihr Augenmerk darauf richten, wie sich — gerecht gegeneinander abgewogen — die eigenen Interessen mit den Interessen der anderen verbinden lassen.
Einheit und Eintracht unter den Völkern
Nur dann können öffentliche Probleme und Interessen richtig gesehen und befriedigend geregelt werden, wenn alle, so wie es sein sollte, den Frieden und nicht den Krieg suchen und wenn alle ein brüderliches Einvernehmen erstreben. Allein unter dieser Voraussetzung können dann in gemeinsamen Beratungen die Wege gesucht und die Vereinbarungen getroffen werden, die der Menschheitsfamilie die so ersehnte Einheit bringen, in der die einzelnen Nationen ihre Freiheitsrechte von anderen nicht mehr bedroht, sondern geschützt wissen. Nationen, die andere unterdrücken und der ihnen geschuldeten Freiheit berauben, können sich selbstverständlich um diese Einheit nicht bemühen. Dazu paßt trefflich das weise Wort Leos XIII., Unseres Vorgängers unsterblichen Angedenkens: «Das beste Mittel, um das begehrliche Streben nach fremdem Gut und die Eifersucht, diese gefährlichsten Brandstifter des Krieges, in Zaum zu halten, ist die christliche Tugend und vor allem die Gerechtigkeit» (Brief: Praeclara gratulationis; A. L. vol. XIV, 1894, p. 210).
Wenn die Völker aber diese auf die Forderungen der Gerechtigkeit gegründete und von der Liebe beschwingte brüderliche Einheit nicht erreichen, bleibt die Lage äußerst bedrohlich. Deshalb klagen ja alle Einsichtigen, man könne nicht wissen, ob die Welt wirklich der Sicherung eines echten und ehrlichen Friedens entgegengehe oder nicht vielmehr in äußerster Blindheit in einen neuen, schrecklichen Krieg schlittere. Wir wiederholen: in äußerster Blindheit; denn wenn ein neuer Krieg ausbrechen sollte (was Gott verhüten möge), dann würden die schauerlichen Waffen, die man heute eingeführt hat, über Sieger und Besiegte unermeßliche Vernichtung und unermeßliches Unglück bringen.
Darum bitten Wir alle und insbesondere die Staatslenker, sich das vor Gott, ihrem Richter, bedächtig und aufmerksam zu überlegen und mit freudiger Bereitschaft alle Wege einzuschlagen, die der notwendigen Einheit dienen können. Die einmütige Einheit, die, wie gesagt, zweifellos auch dem Wohlergehen der einzelnen Völker zugute kommen wird, läßt sich nur dann wiederherstellen, wenn sich alle im Frieden und ihre Rechte gesichert wissen, wodurch die der Kirche, den Völkern und jedem Einzelnen geschuldete Freiheit in hellem Licht erstrahlt.
Einheit und Eintracht der gesellschaftlichen Schichten
Auch im sozialen Leben muß die in der Politik erstrebte Einheit und Eintracht immer stärker gefördert werden. Andernfalls können — wie es ja tatsächlich schon geschieht — Haß und anhaltende Spannungen entstehen. Der nächste Schritt sind dann Unruhen, unheilvolle politische Veränderungen und zuweilen auch Zerstörungen, während der private und öffentliche Wohlstand sich immer mehr verringert und in eine Krise gerät. Mit Recht bemerkte dazu Leo XIII: « (Gott) wollte, daß es in der Gemeinschaft des Menschengeschlechtes eine Ungleichheit der Klassen und einen gewissen Ausgleich durch freundschaftliches Einvernehmen gebe» (Brief: Permoti Nos; A. L. vol. XV, 1895, p. 259).
«Wie im Körper des Menschen voneinander verschiedene Glieder zusammenpassen und ein Beziehungssystem bilden, das wir zu Recht Symmetrie nennen, so wollte die Natur, daß . . . auch die Klassen sich harmonisch zusammenfinden und nach dem Gesetz des Gleichgewichts einander entsprechen. Die eine ist auf die andere angewiesen: Das Kapital kann sich nicht ohne die Arbeit und die Arbeit nicht ohne das Kapital behaupten. Schönheit und Ordnung sind Früchte der Eintracht» (Rerum novarum; A. L. vol. XI, 1891, p.109).
Die Ungleichheit der Klassen zu leugnen hieße also den Gesetzen der Natur selbst widersprechen. Anderseits bedeutet die Ablehnung dieses freundschaftlichen und notwendigen Zusammengehens der gesellschaftlichen Schichten einen für das Privat- und Gemeinwohl äußerst gefährlichen und schädlichen Versuch, die Gesellschaft in Unordnung zu bringen und zu spalten. übrigens hat auch ein anderer Unserer Vorgänger, Pius XII. unsterblichen Angedenkens, betont: «Bei einem Volk, das dieses Namens würdig ist, stehen Ungleichheiten gesellschaftlicher Schichten, die nicht menschlicher Willkür, sondern der Natur der Dinge entstammen — Ungleichheiten der Kultur und Bildung, der Wirtschaftsverhältnisse, der sozialen Stellung, solange nur die Gerechtigkeit und Liebe gewahrt bleiben —, den Banden brüderlicher Verbundenheit in keiner Weise entgegen» (Weihnachtsbotschaft 1944; Discorsi Radiomessaggi di S. S. Pio XII, vol. VI, p. 239). Gewiß dürfen die einzelnen Klassen und gesellschaftlichen Schichten ihre Rechte verteidigen, aber nur im Rahmen des Gesetzes und nicht mit Gewalt und ohne unberechtigten Eingriff in die Rechte anderer, die genau so unverletzlich sind. Alle sind Brüder und darum soll auch alles im Geiste der Freundschaft und brüderlichen Liebe geregelt werden.
Ansätze zur Besserung
Als ein hoffnungsvolles Anzeichen darf man es wohl ansehen, wenn in neuester Zeit mancherorts die Spannungen zwischen den sozialen Klassen sich vermindert und ihre Beziehungen sich besser angelassen haben. Unser unmittelbarer Vorgänger bemerkte dazu in einer Ansprache an die deutschen Katholiken: «Die furchtbare Niederlage des letzten Krieges, die euch so viel Leid eintrug, brachte doch wenigstens das Gute, daß in manchen Kreisen unter Hintansetzung alter Vorurteile und eines allzu eigensüchtigen Gruppendenkens die Klassengegensätze weithin ausgeglichen und die Menschen einander näher gebracht wurden. Gemeinsames Unglück ist für alle ein zwar harter, aber heilsamer Zuchtmeister» (Radiobotschaft an den 73. deutschen Katholikentag: ibid. vol. XI, p. 189). Tatsächlich hat sich der Abstand der sozialen Klassen verringert: Da Kapital und Arbeit nicht mehr die einzigen (Klassen) darstellen, ist die Gesellschaft eine pluralistische geworden und der Zugang zu den verschiedenen Schichten in ihr steht jedem leichter offen, so daß die Strebsamen und Tüchtigen Aufstiegsmöglichkeiten zu höheren sozialen Stufen haben. Aber auch bei denen, die von ihrer Hände Arbeit leben müssen, stellen wir mit Genugtuung fest, daß die neuesten Versuche, ihre Lage in den Fabriken und auf anderen Arbeitsgebieten menschlicher zu gestalten (human relations) dahin führen, daß die Arbeiter nicht nur als Wirtschaftskapital veranschlagt, sondern entsprechend einer höheren und würdigeren Lebensführung behandelt werden.
Wichtige Fragen aus der Welt der Arbeit
Trotzdem liegt noch ein langer Weg vor uns. Noch sind vielfach die Vermögensunterschiede und die Spannungsmomente zwischen den verschiedenen sozialen Schichten zu groß. Eine bisweilen schiefe oder doch nicht ganz richtige Eigentumsauffassung zeigt sich bei allzu gierigem Streben nach eigenem Vorteil und Gewinn. Dazu kommt noch die furchtbare Geißel der Arbeitslosigkeit, die viele so unbarmherzig trifft, und die — wenigstens für den Augenblick — im Zug der Mechanisierung, die den Arbeiter zugunsten der zweckmäßigeren Maschine verdrängt, noch größer zu werden droht. Schon Unseren Vorgänger seligen Angedenkens Pius XI. beunruhigte das Problem der Arbeitslosigkeit. Er schreibt dazu: «Fast unzählbare Scharen ehrlicher Arbeiter sehen sich zur Untätigkeit und dadurch mit ihren Kindern zum bittersten Elend verurteilt. Sie wollen weiter nichts, als sich redlich das Brot verdienen, um das den himmlischen Vater täglich zu bitten ein göttliches Gebot sie anweist. Ihre Klagen rühren Uns ans Herz. Sie lassen Uns, vom gleichen Mitleid getroffen, das des göttlichen Meisters Herz angesichts der vor Hunger erschöpften Menge ergriff, erneut mit ihm ausrufen: ‚Mich erbarmt des Volkes!’» (Mark. 8, 2) (A. A. S. vol. XXIII, 1931, pp. 393-394).
Wenn wir also die Eintracht der gesellschaftlichen Schichten ernstlich wollen — und das müssen wir alle —, dann müssen alle öffentlichen und privaten Dienste und alle mutigen Initiativen zusammengefaßt werden, und zwar mit dem Ziel, das menschenmögliche zu tun, damit alle, auch die untersten Schichten, sich im Schweiß ihres Angesichts durch Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen wie auch ihre und ihrer Familie Zukunft auf anständige Weise sicherstellen können. Darüber hinaus darf man auch die weniger Begüterten von dem allgemein verbesserten Lebensstandard der modernen Zeit nicht ausschließen. Die Unternehmer und Direktoren, die für die Verhältnisse in den verschiedenen Betrieben und manchmal auch für das Leben der Arbeiter verantwortlich sind, ermahnen Wir mit Nachdruck, nicht nur auf den Gewinn, den die Arbeit ihnen einbringt, bedacht zu sein und sich auf die Erfüllung gerechter Lohnansprüche zu beschränken, sondern die Arbeiter auch als Menschen, ja als Brüder zu betrachten! Sie sollen auch dafür sorgen, daß die Arbeiter auf angemessene und tragbare Weise mehr und mehr am Arbeitsertrag beteiligt werden und sich gleichsam als Teile des ganzen Unternehmens fühlen. Die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers sollen so mit den Rechten und Pflichten des Arbeitnehmers immer besser ausgeglichen und in Einklang gebracht werden. Die verschiedenen Verbände «sollen keine Kampfinstrumente darstellen, mit denen man Unrecht tut oder abwehrt, was den anderen zum Widerstand reizt, so daß er Gewalt gegen Gewalt setzt; sie sollen nicht einem Strom gleichen, der über die Ufer tritt und Dämme bricht, sondern vielmehr einer Brücke, die beide Ufer verbindet» (Für eine haltbare Sozialordnung: Discorsi e Radiomessaggi di S. S. Pio XII., vol. VII, p. 350). Vor allem aber soll — wie es unserer Würde als Christen und schon als Menschen entspricht — dem wirtschaftlichen ein nicht geringerer sittlicher Fortschritt entsprechen. Denn was werden dem Arbeiter gesteigerte Kaufkraft und erhöhter Lebensstandard nützen, wenn er die wichtigeren Güter, die dem ewigen Leben dienen, verliert oder vernachlässigt? Damit das gelinge, muß die Soziallehre der katholischen Kirche in die Tat umgesetzt werden, und die Liebe, die Herrin und Königin aller Tugenden, seien alle bestrebt, in sich selbst zu pflegen und in den anderen, den Großen wie den Kleinen, anzufachen. Die ersehnte Rettung erwarten Wir in erster Linie von einer weltweiten Ausgießung des Geistes der Liebe: Wir meinen die christliche Liebe, die das Gesetz des ganzen Evangeliums verkürzt enthält, die immer hingabebereite, wo es gilt anderen zu helfen, das unfehlbare Gegengift gegen die Überheblichkeit und maßlose Eigenliebe der Welt. Der Apostel Paulus beschreibt ihre Rolle und ihre göttlichen Züge mit den Worten: «Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist freundlich . . . sie sucht nicht den Vorteil .. . alles umhüllt sie milde . . . alles duldet sie» (1. Kor. 13, 4-7); (Brief: Inter graves; A. L. vol. XV, p. 143-144).
Eintracht in den Familien
Schließlich ermahnen Wir mit väterlicher Liebe auch alle Familien, sich um die Einheit und Eintracht zu bemühen, zu der Wir die Völker, Staatsmänner und alle Sozialschichten aufgerufen haben. Denn wie könnten Friede, Einheit und Eintracht in der Gesellschaft bestehen, wenn sie im Leben der Familie keinen Platz hätten? Nie und nimmer darf die Harmonie einer geordneten Einheit im Familienheim fehlen, denn diese Einheit entspringt dem unauflöslichen Band und der Heiligkeit der christlichen Ehe und von ihr erhält zum großen Teil die Ordnung, der Fortschritt und die Wohlfahrt der ganzen bürgerlichen Gesellschaft ihre Kraft.
Der Familienvater soll unter den Seinen gewissermaßen Gottes Stelle vertreten. Nicht allein durch seine Autorität, auch durch das Beispiel seines rechtschaffenen Lebenswandels sei er den anderen Leuchte und Vorstand. Die Mutter gebiete in Güte und Tugend im häuslichen Kreis fest und sanft zugleich ihren Kindern, dem Gatten gegenüber sei sie nachgiebig und liebevoll; beide zusammen aber sollen ihre Kinder, das kostbarste Geschenk, das Gott ihnen anvertraut hat, sorgfältig zu einem rechten und frommen Lebenswandel erziehen und anhalten. Die Kinder sollen, wie es recht ist, ihren Eltern gehorchen, sie sollen sie lieben und ihnen nicht nur ein Trost, sondern, wenn nötig, auch eine Stütze sein. Die Liebe der Heiligen Familie von Nazareth durchwalte auch das christliche Heim, in dem alle christlichen Tugenden blühen, die Einheit stark sein und das Beispiel eines rechtschaffenen Lebens hell aufleuchten soll. Nie möge, darum bitten Wir Gott inständig, diese so schöne, so traute, so notwendige Einheit zerrissen werden. Wenn die heiligen Institutionen der christlichen Familie abzubröckeln beginnen, wenn die Worte Christi, des Erlösers, über die Ehe nicht mehr beachtet und abgelehnt werden, dann schwinden auch die Grundlagen des öffentlichen Lebens und die Gesellschaft wird zum Schaden aller Bürger innerlich hohl.
III. Teil — Die Einheit der Kirche
Hoffnungsvolle Zeichen
Und nun wollen Wir von jener Einheit handeln, die Uns besonders am Herzen liegt und die mit dem Uns von Gott anvertrauten Hirtenamt aufs innigste verknüpft ist: von der Einheit der Kirche.
Unser göttlicher Erlöser hat — das wissen wir alle — eine Gesellschaft gestiftet, die ihre Einheit bis an das Weltende bewahren sollte: «Siehe ich bin bei euch bis zur Vollendung der Zeiten» (Mt. 28, 20). Um diese Einheit bat er seinen Vater inständig und sein Gebet wurde ohne Zweifel erhört «um seiner Ehrfurcht willen» (Hebr. 5, 7). «Daß alle eins seien, wie Du, Vater, in mir und ich in Dir; daß auch sie in uns eins seien» ( Joh. 17, 21). Dieses Gebet weckt und stärkt in Uns die Hoffnung, daß doch einmal in allen, «die nicht von diesem Schafstall sind», der Wunsch erwacht, zu ihm zurückzukehren, so daß nach des Erlösers eigenen Worten «eine Herde und ein Hirt werde» ( Joh. 10, 16).
Von dieser tröstlichen Hoffnung geleitet, ja heftig gedrängt, gaben Wir öffentlich Unsere Absicht bekannt, ein Ökumenisches Konzil einzuberufen, bei dem die geistlichen Vorsteher des ganzen Erdkreises zur Beratung ernster Fragen der Religion sich einfinden sollen. Hauptzweck dieses Konzils wird es sein, das Wachstum des katholischen Glaubens zu fördern, die Sitten des christlichen Volkes zu erneuern und die kirchlichen Rechtsnormen den Bedürfnissen unserer Zeit anzupassen. Ein erhebendes Schauspiel der Wahrheit, der Einheit und der Liebe! Ein Schauspiel, dessen Anblick, wie Wir hoffen, auch für die vom Apostolischen Stuhl Getrennten eine sanfte Einladung darstellen wird, jene Einheit, um die Jesus Christus seinen himmlischen Vater so inständig gebeten hatte, zu suchen und zu erlangen.
Zu Unserer Freude stellen Wir in jüngster Zeit bei mehreren vom Heiligen Stuhl getrennten Gemeinschaften eine zunehmend wohlwollende Haltung gegenüber dem Glauben und den Einrichtungen der katholischen Kirche fest. Auch wächst die Achtung vor dem Apostolischen Stuhl mehr und mehr, weil das Streben nach Wahrheit vorgefaßte Meinungen aus dem Weg räumt. Überdies wissen Wir, daß fast alle, die (obwohl von uns und untereinander getrennt) sich Christen nennen, zum Zweck engerer Verbindungen mehr als einen Kongreß abgehalten und dazu auch ständige Räte eingesetzt haben. Das zeigt ihr lebhaftes Verlangen, wenigstens eine gewisse Einheit herzustellen.
Die vom Gründer der Kirche gestiftete Einheit
Ohne Zweifel hat unser göttlicher Erlöser seiner Kirche eine unerschütterliche Einheit beigegeben und eingestiftet. Gesetzt den unwirklichen Fall, er hätte das nicht getan, wäre seine Gründung hinfällig und dem Wechsel der Zeit unterworfen gewesen, ähnlich den meisten philosophischen Systemen, die dem Gutdünken menschlicher Vermutungen und Ansichten preisgegeben sind. Eines nach dem andern entsteht im Laufe der Zeiten, verändert sich und verschwindet wieder.
Niemand kann leugnen, daß das der göttlichen Lehre Jesu Christi, der «der Weg, die Wahrheit und das Leben» (Joh. 14, 6) ist, gar nicht entsprechen würde.
Diese Einheit, von der Wir sagten, sie könne nicht hinfällig, unsicher und schwankend, sondern sie müsse etwas Dauerndes, Festes und Sicheres sein (siehe das Rundschreiben Pius’ XI. «Mortalium animos» über die Pflege der wahren Einheit der Religion, A. A. S. vol. XX, 1928, p. 5s), diese Einheit, geehrte Brüder und liebe Söhne, fehlt der katholischen Kirche — im Unterschied zu den andern christlichen Gemeinschaften — sicherlich nicht. Niemandem kann das entgehen, der sie aufmerksam studiert. Folgende drei Kennzeichen unterscheiden und zieren sie nämlich: die Einheit der Lehre, der Leitung und der Liturgie. Sie liegt vor aller Augen offen zutage, damit alle sie anerkennen und ihr folgen können. Nach dem Willen des göttlichen Stifters sollten sich in dieser Einheit alle Schafe zu einer Hürde unter der Leitung eines Hirten versammeln. Zu dem einen auf Petrus gegründeten Vaterhaus sind alle Söhne, in ihm, dem einen Reich Gottes, alle Völker in brüderlicher Eintracht sich zu vereinen gerufen. Ein Herz und eine Seele sollen die Bürger dieses Reiches sein auf Erden, damit sie dereinst der ewigen Seligkeit teilhaft würden im Himmel.
Einheit der Lehre
Die katholische Kirche befiehlt, die ganze Offenbarung Gottes treu und fest zu glauben, wie sie sich findet in der Heiligen Schrift oder der mündlichen oder schriftlichen Überlieferung und wie sie von der Zeit der Apostel an im Lauf der Jahrhunderte von den Päpsten und den rechtmäßigen Ökumenischen Konzilien bekräftigt und definiert wurde. Wo einer von diesem Weg abirrte, hat die Kirche es nie versäumt, ihn immer wieder mit ihrer mütterlichen Autorität auf den rechten Weg zurückzurufen. Sie weiß gar wohl und hält daran fest, daß es nur eine Wahrheit gibt und man eben darum verschiedene, einander widersprechende «Wahrheiten» nicht annehmen kann. Sie macht sich den Ausspruch des Völkerapostels zu eigen: «Gegen die Wahrheit vermögen wir nichts, nur für die Wahrheit» (2. Kor. 13, 8).
Trotzdem überläßt auch die katholische Kirche viele Fragen den Theologen zur freien Auseinandersetzung, da es sich hier um nicht ganz sichere Punkte handelt und da in solchen Dingen — wie der berühmte englische Kardinal John Henri Newman bemerkt — derartige Kontroversen die Einheit der Kirche nicht zerreißen. Sie dienen vielmehr einer tieferen und besseren Erkenntnis der Dogmen; denn durch die Gegenüberstellung verschiedener Ansichten fällt neues Licht auf die Erkenntnis und das trägt viel dazu bei, ihr den Weg zu bereiten und sie sicherzustellen (siehe J. H. Newman, Difficulties of Anglicans, vol. I, lect. X., p. 261). Jedenfalls ist der allbekannte Satz, der, verschieden formuliert, verschiedenen Autoren zugeschrieben wird, immer gültig und lobenswert: «Im Notwendigen Einheit, im Zweifelsfall Freiheit, in allem Liebe.»
Einheit der Leitung
Die Einheit der Leitung in der katholischen Kirche ist jedermann sichtbar. Die Gläubigen sind den Priestern, die Priester den Bischöfen, «die der Heilige Geist bestellt hat, die Kirche des Herrn zu leiten» (Apg. 20, 28), untergeordnet. Die Bischöfe hinwieder, alle zusammen und als einzelne, sind dem Römischen Pontifex unterstellt, insofern dieser als der Nachfolger Petri anzusehen ist, den Christus, der Herr, der Kirche zum Fels und zur Grundlage gesetzt hat (Mt. 16, 18). Ihm hat er im besonderen die Vollmacht verliehen, «auf Erden zu binden und zu lösen (ebd. 16, 19), seine Brüder zu stärken (Luk. 22, 32) und die ganze Herde zu weiden» (Joh. 21, 15-17).
Einheit der Liturgie
Ebenso weiß jeder, daß die katholische Kirche von der Zeit der Apostel an eine erstaunliche Einheit des Kultes bewahrt hat, indem sie im ganzen katholischen Erdkreis die sieben Sakramente, die sie von Jesus Christus als heiliges Erbe empfangen, den Gläubigen zur Nahrung des geistlichen Lebens reichte (Italienische Fassung). Und wer wüßte nicht, daß nur ein Opfer, das eucharistische, in der Kirche gefeiert wird. Christus, unser Heil und Erlöser, opfert sich darin unblutig aber wirklich, wie einst auf Kaivaria, jeden Tag für uns alle und gießt die unendlichen Schätze seiner Gnade über uns aus. Mit Recht sagt darum der heilige Cyprian: «Neben dem einen Altar und dem einen Priestertum kann kein anderer Altar errichtet werden und kein neues Priestertum entstehen» (Epist. XLIII, 5; Corp. Vind. III, 2, 594; cf. Epist. XL, cepud Migne, PL., IV, 345). Trotzdem gibt es bekanntlich in der katholischen Kirche verschiedene Riten und ihrer Billigung steht nichts im Wege, denn sie, die Kirche, erstrahlt dadurch um so schöner, gleichsam als die Tochter des höchsten Königs in farbenstolzem Gewand (cf. Ps. 44, 15).
Auf daß alle diese wahre und harmonische Einheit erlangen, bringt der katholische Priester bei der eucharistischen Opferfeier die unbefleckte Hostie dem gütigen Gott dar «vor allem für Deine heilige katholische Kirche. Schenke ihr den Frieden auf dem ganzen Erdkreis, behüte, einige und leite sie huldvoll, wie Deinen Diener, unseren Papst, alle Rechtgläubigen und alle, die den katholischen und apostolischen Glauben fördern» (Kanon der Messe).
Väterliche Einladung zur Einheit
Möge dieses bewundernswerte Schauspiel der Einheit, das allein die katholische Kirche auszeichnet, mögen ihre Bitten und Gebete, durch die sie von Gott die gleiche Einheit für alle erfleht, euch, die ihr von diesem Apostolischen Stuhl getrennt seid, bewegen und heilsam anregen.
Laßt Uns euch mit innigem Verlangen Brüder und Söhne nennen. Laßt Unserem väterlich liebenden Herzen die Hoffnung auf eure Rückkehr. Mit der gleichen Hirtensorge, mit der Theophilus, der Bischof von Alexandrien, sich an seine Brüder und Söhne wandte, als ein unheilvolles Schisma das nahtlose Gewand der Kirche zerriß, wenden Wir uns an euch mit seinen Worten: «Geliebteste, die wir der himmlischen Berufung teilhaftig sind, ahmen wir Jesus nach, den Führer und Vollender unseres Heils, jeder nach seinen eigenen Möglichkeiten. Umfangen wir jene Herzensdemut, die nach oben führt, jene Liebe, die uns mit Gott verbindet und den lauteren Glauben an die Geheimnisse Gottes. Flieht alle Spaltung, meidet die Zwietracht — stützt euch in gegenseitiger Liebe. Hört Christi Worte: «Daran wird man euch als meine Jünger erkennen, daß ihr einander liebet» (cf. Homilia in mysticum caenam; P. G. LXXVII, 1027).
Bedenkt, daß Unser von der Liebe diktierter Ruf zur Einheit der Kirche euch nicht in ein fremdes, sondern in euer eigenes, in das gemeinsame Vaterhaus einladet. Erlaubt Uns «in der Liebe Jesu» (Phil. 1, 8) die Mahnung: Gedenket eurer Väter, «die euch das Wort Gottes verkündet haben! Betrachtet den Ausgang ihres Wandels und folget ihrem Glauben!» (Hebr. 13, 7). Die glorreiche Schar, die jedes eurer Völker bereits zum Himmel entsandt hat, vor allem jene, die durch ihre Schriften die Lehre Jesu richtig und eindringlich euch übermittelt und erklärt haben, laden euch gleichsam durch das Beispiel ihres Lebens zur Einheit mit dem Apostolischen Stuhl ein, mit dem auch eure christliche Gemeinschaft durch so viele Jahrhunderte zu eurem Heil verbunden war.
Mit den Worten des heiligen Augustinus wenden Wir Uns deshalb an alle von Uns Getrennten, als an Unsere Brüder: «Ob sie nun wollen oder nicht, sie sind doch Unsere, Brüder. Nur dann wären sie Unsere Brüder nicht mehr, wenn sie nicht mehr sprechen würden: Vater unser» (s. Aug. In Ps. 32, Enarr. II, 29; Migne, PL. XXXVI, 299). «Lieben wir Gott, unseren Herrn, lieben wir seine Kirche. Ihn als Vater, sie als Mutter. Ihn als Herrn, sie als seine Magd, weil wir die Söhne seiner Magd sind. Diese Ehe ist in großer Liebe geschlossen. Niemand kann den einen beleidigen und beim andern sich verdient machen … Den Vater nicht beleidigt zu haben, was wird es nützen, wenn er die Kränkung der Mutter rächt? . . . Haltet darum fest, Geliebte — alle und eines Sinnes —, an Gott dem Vater und an der Mutter Kirche» (id. In Ps. 82, Enarr. II, 14; Migne, PL. XXXVII, 1140).
Von der Dringlichkeit besonderer Gebete
Darum richten Wir inständige Bitten an den gütigen Gott, den Spender himmlischer Erleuchtung und aller Güter, um Bewahrung der Einheit der Kirche und um Vermehrung der Hürde Christi und seines Reiches. Und Wir ermahnen alle Unsere Brüder und Söhne in Christus, ein Gleiches zu tun. Der Ausgang des künftigen Ökumenischen Konzils hängt gewiß mehr als von menschlichem Mühen und sorgfältigem Fleiß von einem heiligen Wettstreit eifrigen und gemeinsamen Betens ab. Zu diesem Beten laden Wir von Herzen auch jene ein, die, wenn sie auch nicht von dieser Hürde sind, doch Gott verehren und anbeten und seine Gebote ehrlichen Herzens zu halten bestrebt sind.
Möge das hohepriesterliche Gebet Christi diese Unsere Hoffnung und diese Unsere Wünsche mehren und vollenden: «Heiliger Vater, bewahre sie in Deinem Namen, die Du mir gegeben hast, damit sie eins seien wie wir .. . Heilige sie in der Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit .. . Nicht für sie allein bitte ich, sondern auch für jene, die durch ihr Wort an mich glauben . . . damit sie vollendet seien zur Einheit» ( Joh.17, 11.17.20.21.23).
Aus der Einheit entspringen Friede und Freude
Mit dem ganzen katholischen Erdkreis erneuern Wir diese Bitte, und zwar nicht nur aus heißer Liebe zu allen Völkern, sondern auch aus evangelischer Bescheidenheit. Denn Wir kennen die Geringheit Unserer Person, die Gott nicht auf Grund Unserer Verdienste, sondern nach seinem heiligen Ratschluß zur Würde des Papsttums gnädig erhoben hat. Und so möchten Wir die Worte des ägyptischen Josef an alle Unsere vom Stuhl Petri getrennten Brüder und Söhne wiederholen: «Ich bin . . . Josef, euer Bruder» (Gen. 45, 2). Kommt! «Gebt uns Raum!» (2. Kor. 7, 2). Wir verlangen nichts anderes, Wir wollen nichts anderes, Wir erflehen nichts anderes von Gott als euer Heil, als eure ewige Seligkeit. Kommt! Aus dieser ersehnten Einheit und Eintracht, die genährt und behütet sein muß von brüderlicher Liebe, wird ein großer Friede erblühen; jener Friede, «der alles Begreifen übersteigt» (Phil. 4, 7), denn er steigt vom Himmel herab; jener Friede, den Christus durch den Gesang der Engel, die seine Krippe umschwebten, den Menschen verkündete, die guten Willens sind (cf. Luk. 2, 14), jener Friede, den er nach Einsetzung der Eucharistie als Sakrament und als Opfer mit den Worten verlieh: «Meinen Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch — nicht so wie die Welt gibt, gebe ich euch» (Joh. 14, 27).
Friede und Freude. Auch Freude! Denn alle, die wirklich und wirksam zu dem mystischen Leibe Christi — und der ist die katholische Kirche — miteinander verbunden sind, haben teil an dem vom göttlichen Haupt in alle Glieder strömenden Leben und das erlaubt allen, die den Weisungen und Geboten unseres Erlösers treu folgen, schon in diesem irdischen Leben jene Freude zu verkosten, die ein Unterpfand und ein Vorbote der himmlischen, immer-währenden Seligkeit ist.
Der Friede der Seele muß tätig sein
Solange wir freilich in der Fremde dieser Erde noch auf dem Weg uns mühen, bleibt dieser Friede, diese Seligkeit unvollendet. Keine unbeschwerte Ruhe ist ihm vergönnt, keine ungetrübte Heiterkeit beschert. Der Friede ist tätig, nicht träge, nicht müßig. Vor allem kämpft der Friede an gegen alle Irrtümer, auch wenn sie unter dem falschen und trügerischen Schein des Wahren sich verbergen; er kämpft an gegen die Lockungen und Schmeicheleien des Lasters, gegen alle Feinde des Menschen, die seine Unschuld oder die unsern katholischen Glauben zu schwächen, zu beflecken, zu verderben vermögen. Er kämpft gegen den Haß, die Eifersucht, die Zerwürfnisse, die ihn zerbrechen und zerreißen können. Darum hat unser göttlicher Erlöser selbst uns seinen Frieden gegeben und anvertraut.
So darf denn der Friede, den wir suchen und mit allen Kräften erstreben sollen, niemals Irrtümern zustimmen oder mit deren Förderern irgendwie zusammenspielen; er darf sich dem Laster nicht ergeben und muß alle Zwietracht vermeiden. Die dem Frieden anhangen müssen bereit sein, für die Wahrheit und die Gerechtigkeit auf den eigenen Vorteil und die eigene Bequemlichkeit zu verzichten. Denn so steht geschrieben: «Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit . . . » (Matth. 6, 33).
Diese einmütige Einheit, diesen wahren, tätigen und streitbaren Frieden erflehe uns von Gott die selige Jungfrau Maria, die Königin des Friedens, deren unbeflecktem Herzen Unser Vorgänger seligen Angedenkens, Pius XII., das ganze Menschengeschlecht geweiht hat. Sie erflehe diesen Frieden Unseren Söhnen in Christus und allen, die — wenn auch von Uns getrennt — nicht anders können, als die Wahrheit, die Einheit und Eintracht zu lieben.
IV. Teil — Väterliche Ermahnungen
An die Bischöfe
Und nun wollen Wir uns väterlich an die einzelnen Stände der Kirche wenden. An erster Stelle «richten wir uns an euch» (2. Kor. 6, 11), ehrwürdige Brüder im Bischofsamt der orientalischen und der westlichen Kirche. Ihr hütet das christliche Volk und tragt mit Uns die Last und Hitze des Tages (siehe Matth. 20, 12). Wir kennen euren Eifer. Wir wissen, wie sich jeder von euch in seinem Sprengel darum bemüht, das Reich Gottes zu fördern, zu festigen und auf alle auszubreiten. Aber auch um euren Kummer wissen Wir: der Abfall so vieler vom gleißenden Irrtum getäuschter Söhne betrübt euch, ihr leidet Mangel an irdischen Mitteln, wodurch die katholische Sache bisweilen in ihrem Aufschwung gehemmt wird, und vor allem fehlt euch vielerorts angesichts der wachsenden Bedürfnisse die erforderliche Zahl an Priestern. Aber habt Vertrauen auf ihn, von dem «jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk kommt» (Jak. 1, 17); vertraut nach inständigem Gebet auf Jesus Christus. Ohne ihn «könnt ihr nichts tun» (Joh. 15, 5), mit seiner Gnade aber kann auch jeder von euch wie der Völkerapostel sagen: «Alles vermag ich in dem, der mich stark macht» (Phil. 4, 13). «Gott wird euch in seinem Reichtum jedes Bedürfen herzlich erfüllen: in Christus Jesus» (ebd. 4, 19). So könnt ihr aus dem Acker, den ihr mit Mühe und Schweiß bebaut habt, reiche Ernte und viele Frucht einbringen.
An den Klerus
Väterlich wenden Wir Uns auch an die Glieder des Welt- und Ordensklerus. Sie helfen euch zum Teil in eurer unmittelbaren Umgebung, ehrwürdige Brüder, an der Kurie, zum Teil obliegt ihnen in den Seminarien die so wichtige Aufgabe des Unterrichts und der Erziehung ausgewählter junger Männer, die zum Dienst des Herrn berufen sind. Andere üben endlich als Pfarrer in Großstädten und Dörfern oder in abgelegenen einsamen Flecken ihr heute oft so schwieriges und wichtiges Amt aus. Sie mögen es Uns nicht übel nehmen, wenn Wir eine Mahnung an sie richten, die, wie Wir gern glauben wollen, an sich nicht notwendig wäre: Sie sollen ihrem Bischof immer mit Ehrfurcht begegnen und ihm gehorchen, gemäß der Mahnung des heiligen Ignatius von Antiochien: «Da ihr dem Bischof wie Jesus Christus unterstellt seid . . . sollt ihr, wie ihr es ja schon tut, nichts ohne den Bischof tun» (Funk, Patres Apostolici I, 243-245; vgl. Migne, P. G. V, 675); «Wer nämlich Gott und Jesus Christus angehört, der hält es mit dem Bischof» (ebd. I, 267; vgl. Migne, P. G. V, 699).
Sie seien sich auch dessen bewußt, daß sie nicht nur öffentliche Beamte, sondern vor allem Diener der heiligen Geheimnisse sind. Deshalb sollen sie bei ihren Arbeiten, bei allem Aufwand an Zeit und Geld, bei allen Mühen, die sie auf sich nehmen, nie sagen: Mehr kann man da nicht tun! Denn es geht ja darum, daß Gottes Licht den Menschen gebracht, mit Gottes Hilfe und in brüderlicher Liebe ihr böser Wille umgestimmt, Christi Friedensreich gefördert und ausgebreitet werde. Sie müssen mehr als auf die eigene Mühe und Arbeit, auf die Gnade Gottes vertrauen, die sie in inständigem und beharrlichem Gebet täglich erflehen sollen.
An die Ordensleute
Auch die Ordensleute, die in den verschiedenen Ständen der christlichen Vollkommenheit je nach den Regeln ihres Instituts im Gehorsam gegen ihre Obern leben, grüßen Wir väterlich. Unverdrossen und mit Einsatz all ihrer Kräfte mögen sie zu verwirklichen suchen, was ihre Ordensstifter durch eigene Regeln sich jeweils zum besonderen Ziel gesetzt haben; Wir nennen die wichtigsten: Gebetseifer, Bußgesinnung, Jugenderziehung, Betreuung der Verwahrlosten oder der sonst in irgendeiner Hinsicht besonders Bedürftigen (und was es sonst noch an besonderen Ordenszielen geben mag).
Wir wissen auch, daß den heutigen Verhältnissen entsprechend viele dieser Uns lieben Söhne zum großen Vorteil des christlichen Namens und Lebens in der Seelsorge eingesetzt werden. Auch wenn sie eine Ermunterung gar nicht benötigen werden, möchten Wir sie doch sehr herzlich dazu einladen, den großen Verdiensten ihrer Orden und Genossenschaften in der Vergangenheit nun noch diese neue hinzuzufügen: den heutigen Nöten des Volkes stellt euch bereitwillig und vereint euer Wissen und euren Eifer mit dem des übrigen Klerus.
An die Missionare
Unser Herz eilt nun in ferne Lande denen zu, die das Vaterhaus und die teure Heimat verlassen, die viel Ungemach und Strapazen überstanden haben, um in die äußeren Missionen zu gehen. Heute mühen sie sich da draußen, um den Heidenvölkern die christliche Wahrheit und Tugend zu lehren, damit «das Wort des Herrn seinen Weg gehe und wie bei euch in Herrlichkeit strahle» (2. Thess. 3, 1). Eine schwere Aufgabe ist ihnen anvertraut. Es ist nur recht, wenn alle Christen, die auf ihren Namen Wert legen, durch Gebet und Missionsopfer dazu beitragen, daß sie auch Erfolg hat und sich weiter entwikkelt. Vielleicht gibt es kein Werk, das Gott so sehr gefällt wie dieses, weil es besonders eng mit der Ausbreitung des Reiches Gottes zusammenhängt, zu der wir alle verpflichtet sind. Diese Glaubensboten haben doch ihr ganzes Leben Gott dargebracht, damit das Licht Christi jedem Menschen, der in die Welt kommt, leuchtet (vgl. Joh. 1, 9), damit seine göttliche Gnade alle erfaßt und stärkt, damit alle heilsam angeregt werden, rechtschaffen, gottesfürchtig und christlich zu leben. Diese Männer suchen nicht das Ihre, sie suchen die Sache Christi (vgl. Phil. 2, 21), und weil sie großmütig dem Ruf des göttlichen Erlösers Folge leisten, dürfen sie das Wort des Völkerapostels für sich beanspruchen: «So sind wir also Botschafter an Christi Statt» (2. Kor. 5, 20) und «Wenn wir auch irdisch leben — der Kampf, den wir führen, ist nicht vom Irdischen bestimmt» (ebd. 10, 3). Das Land, in das sie auszogen, um ihm die christliche Wahrheit zu bringen, sehen sie als ihr zweites Vaterland an und lieben es leidenschaftlich. Und obwohl jeder auch weiterhin den Wegen seiner geliebten Heimat, seiner Heimatdiözese oder religiösen Gemeinschaft, der er angehört, mit größtem Interesse folgt, so sind doch alle restlos davon überzeugt, daß das Wohl der Gesamtkirche vorgehe und ihm in erster Linie zu dienen sei. Alle diese Uns lieben Söhne und alle, die als Katechisten oder sonst als Missionshelfer in jenen Ländern tätig sind, sollen wissen, daß sie Unserem Herzen besonders nahe stehen, daß Wir täglich für sie und ihre Arbeiten beten und daß Wir mit Unserer Autorität und gleichem Wohlwollen alles bestätigen, was Unsere Vorgänger, besonders Pius XI. (Rundschreiben: Rerum Ecclesiae A. A. S. vol. XVII, 1926, p. 65ss) und Pius XII. (Rundschreiben: Evangelii praecones, A. A. S. vol. XLIII, 1951, p. 497ss und Rundschreiben: Fidei donum, A. A. S. vol. XLIX, 1957, p. 225ss), zu dieser Frage in ihrem Rundschreiben angeordnet haben.
An die Ordensfrauen
Auch die Ordensfrauen, die sich durch Gelübde an Gott gebunden haben, um einzig ihm zu dienen und die in einer mystischen Vermählung ihrem göttlichen Bräutigam angetraut sind, sollen nicht unerwähnt bleiben. Sie können, ob sie nun in geschlossenen Klöstern dem Gebet und der Buße leben oder sich äußeren Werken des Apostolates widmen, nicht nur leichter und besser ihr ewiges Heil wirken, sondern auch der Kirche sowohl in christlichen Ländern wie dort, wohin das Licht der Frohbotschaft noch nicht gedrungen ist, die größten Dienste erweisen. Was tun diese Ordensfrauen nicht alles! Welch erstaunliche und herrliche Leistungen vollbringen sie, die niemand anderer mit der gleichen jungfräulich-mütterlichen Sorgfalt verrichten könnte! Und das nicht nur auf einem, sondern auf vielen Gebieten: in der Ausbildung und Erziehung der Jugend; im Pfarrleben beim Katechismusunterricht für Knaben und Mädchen; in Krankenhäusern pflegen sie die Patienten und lenken dabei ihre Gedanken auf den Himmel; in Altersheimen umsorgen sie mit geduldiger, heiterer und erbarmender Güte die alten Leute und wecken mit erstaunlicher Einfühlungsgabe in ihnen das Verlangen nach dem ewigen Leben; endlich in Waisenhäusern und Heimen für uneheliche Kinder treten sie an die Stelle der Mutter und pflegen mit mütterlicher Liebe die Kleinen, die ihre Eltern verloren oder von ihnen im Stich gelassen wurden, die Kinder, die kein Vater und keine Mutter ernährt, küßt und umarmt. Nicht nur um die Kirche, die christliche Erziehung und die sogenannten Werke der Barmherzigkeit erwerben sich diese Frauen große Verdienste, sondern auch um die bürgerliche Gesellschaft. Dereinst im Himmel werden sie dafür eine unvergängliche Krone erhalten.
An die Katholische Aktion
Wie ihr, ehrwürdige Brüder und liebe Söhne, wißt, gibt es heute auch im Bereich des Christentums so große und mannigfache dringende Aufgaben, daß die Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen ihnen nicht mehr voll genügen können. Außerdem haben Priester und Ordensleute zu manchen Gesellschaftsschichten keinen Zugang. Nicht alle Türen stehen ihnen offen. Viele Leute schätzen sie nicht, gehen ihnen aus dem Weg oder — auch das kommt leider vor — verachten sie und weisen sie zurück. Diese schmerzliche und bittere Erfahrung veranlaßte schon Unsere Vorgänger, auch Laien in den friedlichen Heeresdienst, die Katholische Aktion, einzuberufen. Dort sollten sie der kirchlichen Hierarchie helfend im Apostolat beistehen. Die Absicht war, daß, was die Hierarchie unter den gegenwärtigen Umständen nicht leisten kann, diese katholischen Männer und Frauen im Verein mit den Seelsorgern und in steter Abhängigkeit von ihnen hochherzig ergänzen sollten. Was nun inzwischen diese Seelsorgshelfer der Bischöfe und Priester jeglichen Alters und jeglicher Stellung — auch in Ländern, die von den Glaubensboten erst in Angriff genommen werden — mit Schwung und Tatkraft alles ertragen, geleistet und weitergeführt haben, damit die christliche Wahrheit vor aller Augen hell erstrahle und damit die christlichen Tugenden die Herzen aller aufwecken und anziehend auf sie wirken, das bedeutet für Uns einen großen Trost.
Ein riesiges Wirkungsfeld liegt aber noch vor ihnen: Es gibt noch allzu viele Menschen, die ihr Beispiel und ihr Apostolat dringend notwendig haben. Wir hegen die Absicht, diese nach Unserer Meinung sehr ernste und äußerst wichtige Frage in einem späteren Zeitpunkt noch eingehender und ausführlicher zu behandeln. Inzwischen verlassen Wir Uns darauf, daß die Mitglieder der Katholischen Aktion und die blühenden religiösen Vereinigungen, deren es heute so viele gibt, diese so wichtige Arbeit unermüdlich weiterführen. Je größere und dringlichere Anforderungen die Zeit an sie stellt, desto intensiver und umsichtiger muß der Einsatz ihrer Kräfte sein. Wichtig ist vor allem die Eintracht, denn bekanntlich sind vereinte Kräfte stärker. Persönliche Meinungen müssen deshalb zurücktreten, wenn es um die katholische Kirche geht; sie muß uns das Wichtigste sein. Das gilt nicht nur bei dogmatischen Fragen, es gilt auch in Fragen der kirchlichen und christlichen Disziplin, die von allen und immer zu beobachten ist. In dicht geschlossener Front, in stetem Kontakt mit der Hierarchie und im Gehorsam gegen sie soll die Katholische Aktion zu weiteren Eroberungen ausziehen. Keine Arbeit, keine Mühe darf ihr für die Sache der Kirche zu viel sein.
Damit das aber auch richtig geschehe, müssen die Glieder der Katholischen Aktion erst selbst, wie sie wohl wissen, in der christlichen Lehre und in der christlichen Tugend gründlich geschult sein. Nur was sie mit der Gnade Gottes selber erworben haben, können sie an andere weitergeben.
Besonders der heranwachsenden Jugend und den jungen Leuten möchten Wir das empfehlen. Ihr reger Geist begeistert sich leicht für die höchsten Ideale. Was sie aber unbedingt lernen müssen, ist Klugheit, Maßhalten und Gehorsam gegen ihre Vorgesetzten. Als die Hoffnung der Kirche wächst diese Uns teure Jugend heran. In ihre heilbringende und lebenssprühende Tätigkeit setzen Wir Unser Vertrauen. Ihr soll Unser Herz dankbar und liebend weit offen stehen.
An die Betrübten und Bedrängten
Jetzt aber ist Uns, als drängen die Klagen der Leidenden, die krank sind am Leib oder an der Seele, an Unser Ohr. Wir hören die Stimmen schmerzgepeinigter Menschen oder Notleidender, die in menschenunwürdiger Behausung leben und die mit ihrer Arbeit sich und ihrer Familie nicht einmal zum Essen genug beschaffen können. Diese Stimmen greifen Uns ans Herz. Sie erschüttern Uns. Es verlangt Uns darum, den Kranken, Siechen und Alten den Trost, der vom Himmel kommt, zu bringen. Sie mögen daran denken, daß wir hier keine bleibende Stätte haben, sondern die künftige suchen (Hebr. 13, 14), daß in diesem sterblichen Leben der Schmerz eine reinigende, emporführende, veredelnde Kraft besitzt und uns zu ewiger Freude verhelfen kann. Sie mögen bedenken, daß unser göttlicher Erlöser, um den Makel unserer Sünden zu tilgen und uns reinzuwaschen, das Marterholz des Kreuzes auf sich genommen und freiwillig Beschimpfungen, Qualen, Ängste ertragen hat. Mit ihm sind wir vom Leid zum Licht berufen, denn er sagt selbst: «Wer mir nachfolgen will, muß sich selbst aufgeben und täglich sein Kreuz nehmen, um mir zu folgen» (Luk. 9, 23) «und er wird einen Schatz im Himmel haben, der nicht abnimmt» (vgl. ebd. 12, 33).
Und noch einen Wunsch haben Wir und vielleicht dürfen Wir fest damit rechnen, daß Unsere Anregung gut aufgenommen wird: Die Bedrängnisse des Leibes und der Seele sollen nicht nur als eine Leiter angesehen werden, auf deren Stufen die Leidenden zur ewigen Heimat hinaufsteigen; sie können auch viel dazu beitragen, daß andere von der Sünde frei werden, daß die Unglücklichen, die von der Kirche abgefallen sind, in ihren Schoß zurückkehren, und daß so dem christlichen Namen der ersehnte Triumph zuteil werde.
An die Minderbemittelten
Den Minderbemittelten, die sich über ihre elenden Lebensbedingungen beschweren, möchten Wir sagen, daß Uns ihr Schicksal nicht weniger nahegeht. Und zwar nicht nur deshalb, weil Wir in väterlicher Sorge wünschen, daß auch im Bereich des Sozialen die Gerechtigkeit — sie ist eine christliche Tugend — die Beziehungen zwischen den Gesellschaftsklassen ordne, lenke und gestalte, sondern auch, weil es Uns empfindlich trifft, daß die Feinde der Kirche die ungerechten Lebensbedingungen der untersten Volksschicht geschickt ausnützen, um sie durch trügerische Versprechungen und täuschende Irrtümer zu ihrer Partei hinüberzuziehen. Wir bitten diese Unsere teuren Söhne, zu beachten, daß die Kirche ihnen und ihren Rechten nicht feindlich gegenübersteht, sie vielmehr wie eine liebende Mutter verteidigt; sie verkündet eine Soziallehre und stellt soziale Richtlinien auf, die man nur in jeder Hinsicht, wie es sein soll, wirklich durchführen muß, und jegliche Ungerechtigkeit wird verschwinden und eine bessere, gerechtere Güterverteilung wird sich einstellen (vgl. Rundschreiben: Quadragesimo anno, A. A. S., vol. XXIII, 1931, pp. 196-198); mehr noch: zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten wird ein Geist der Freundschaft und der Hilfsbereitschaft aufkommen, so daß alle nicht nur freie Bürger in einer Gesellschaft, sondern auch Brüder einer Familie heißen und sein werden. Man muß übrigens nur gerecht sein und dann wird man zugeben, daß die Vorteile und die Fortschritte, die den arbeitenden Schichten in den neuesten Zeiten zugute kamen, in erster Linie Katholiken zu verdanken sind, die sich auf sozialem Gebiet tatkräftig eingesetzt haben, und zwar nach den Richtlinien und gemäß den wiederholten Mahnungen Unserer Vorgänger. Die Anwälte der Rechte der Minderbemittelten besitzen also in der christlichen Soziallehre bereits sichere und klare Richtlinien, die sie nur ausführen müssen, auf daß für diese Rechte genügend vorgesorgt sei. Deshalb dürfen sie sich nie mit den Vertretern einer von der Kirche verurteilten Lehre einlassen. Diese ködern sie nämlich zunächst mit falschen Versprechungen; in Wirklichkeit aber suchen sie überall, wo sie an die Regierung kommen, in blinder Verwegenheit die höchsten Güter der Seele — den christlichen Glauben, die christliche Hoffnung und die christlichen Gebote — den Menschen aus den Herzen zu reißen; die wahre Freiheit aber und die der menschlichen Persönlichkeit geschuldete Achtung, diese höchsten Güter der heutigen Kulturmenschen, schränken sie ein oder löschen sie ganz aus. So suchen sie die Fundamente der bürgerlichen wie der christlichen Kultur zu zerstören. Wer also im Ernst noch als ein Christ gelten will, der hat die schwere Gewissenspflicht, sich von diesen trügerischen Lügen, die schon Unsere Vorgänger, vor allem Pius seligen Angedenkens XI. und XII., verurteilt haben und die Wir aufs neue verurteilen, völlig fernzuhalten.
Nicht wenige Unserer Söhne, die in schlechten oder gar elenden Verhältnissen leben, beklagen sich oft, daß die Gebote der christlichen Soziallehre noch nicht alle in die Praxis umgesetzt sind. Es muß also daran gearbeitet werden, und zwar mit Eifer und Tatkraft — nicht nur von Privatpersonen, sondern in erster Linie von den Regierungen —, daß die christliche Soziallehre, die Unsere Vorgänger mehrfach, gründlich und verbindlich dargelegt haben und Wir selbst bestätigen, so rasch wie möglich, wenn auch schrittweise, so doch wirklich durchgeführt und genau angewandt wird (vgl. Ansprache Pius’ XII. an die italienischen christlichen Arbeitervereine vorn 11. März 1945; A. A. S., vol. XXXVII, 1945, pp. 71-72).
An die von der Heimat Getrennten
Sehr besorgt sind Wir auch um das Schicksal der von der Heimat Getrennten, die, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen oder durch die traurigen Verhältnisse und die Religionsverfolgung in ihren Ländern sich gezwungen sehen, ihr Vaterland zu verlassen. Viele und große Unannehmlichkeiten und Leiden bringt das Verpflanzt werden von der Heimat in ein fremdes, fernes Land mit sich. Viele müssen nun in menschenreichen Städten, im Lärm der Fabriken ein Leben führen, das so ganz anders ist als die angestammten Sitten und das leider die christliche Tugend nicht fördert, ja ihr oft schadet. In dieser Lage geraten gar manche in schwere Krisen und weichen von den gesunden Lebensgrundsätzen ihrer Vorfahren immer mehr ab. Dazu kommt noch, daß oft die Ehegatten voneinander und die Kinder von den Eltern getrennt leben müssen, so daß die Bande des häuslichen Zusammenlebens und der Familienbeziehungen sich lockern und die Familie überhaupt auseinanderzufallen droht.
Deshalb verfolgen Wir mit wohlwollendem Interesse das erfinderische und vielbewegte Wirken jener Priester, die, geführt von der Liebe Christi und im Gehorsam gegen die Vorschriften und Wünsche des Apostolischen Stuhles, gleichsam als freiwillig Heimatvertriebene keine Mühe scheuen, um für das religiöse und soziale Wohl dieser Unserer Söhne durch Rat und Tat nach Kräften zu sorgen. Durch die Tätigkeit dieser Priester erfahren die von der Heimat Getrennten die Liebe der Kirche um so persönlicher und um so nachhaltiger, je mehr sie ihrer Sorge und Hilfe bedürfen.
Mit großer Freude beobachten und begrüßen Wir auch die Initiativen verschiedener Nationen sowie die kürzlich auch gemeinsam aufgenommenen Beratungen, die dieses schwierige und ernste Problem so rasch wie möglich einer glücklichen Lösung zuführen wollen. Wir erwarten, daß all das nicht nur dazu dienen wird, die Auswanderung zu erleichtern und in größerem Umfang möglich zu machen, sondern auch die häusliche Gemeinschaft der Familien wieder herzustellen. Geordnete Familienverhältnisse werden sich nämlich als wirksamer Schutz für das Wohl der Auswanderer, ihre Religion, ihr sittliches Leben und sogar ihr wirtschaftliches Fortkommen erweisen und das kann auch für die Gastländer nur vorteilhaft sein.
An die verfolgte Kirche
Während Wir so der Reihe nach Unsere Söhne vor den verhängnisvollen Irrtümern warnen, welche die Religion wie auch die menschliche Gemeinschaft untergraben, kommen Uns immer wieder Unsere ehrwürdigen Brüder im Bischofsamt und Unsere geliebten Priester und Gläubigen in den Sinn, die in der Verbannung oder in Konzentrationslagern und Gefängnissen festgehalten werden, weil sie von ihren Pflichten als Bischöfe und Priester nicht abgehen und vom katholischen Glauben nicht abfallen wollten. Wir wollen gewiß niemand kränken, viel lieber möchten Wir verzeihen und Vergebung von Gott erbitten. Das Bewußtsein Unseres heiligen Amtes aber verpflichtet Uns, die Rechte dieser Unserer Brüder und Söhne nach Kräften zu schützen und immer wieder darauf zu dringen, daß die allen und damit auch der Kirche Gottes geschuldete Freiheit auch allen zugestanden werde. Wer nach dem strebt, was wahr ist und gerecht, wer das sucht, was den einzelnen Menschen und den Staaten dienlich ist, der lehnt die Freiheit nicht ab, der schränkt sie nicht ein, der unterdrückt die Freiheit nicht, der hat es nicht nötig, so zu handeln. Darum kann der Weg zu einer echten Wohlfahrt nie über Gewaltmaßnahmen und die Unterdrückung des Denkens und Wollens der Bürger führen.
Das eine scheint Uns jedenfalls gewiß: Früher oder später zerfallen die Grundmauern auch der menschlichen Gesellschaft und stürzen ein, wenn die Rechte Gottes und der Religion vernachlässigt und mit Füßen getreten werden. Weise bemerkt dazu Unser Vorgänger Leo XIII.: «Es ist nur folgerichtig, daß die Kraft der Gesetze gebrochen und jegliche Autorität geschwächt wird, wenn man deren oberstes und letztes Prinzip, den gebietenden und verbietenden Gott, verwirft» (Brief: Exeunte iam anno, A. A. S., vol. VIII, 1888, p. 398). Damit stimmt auch überein, was schon Cicero sagt: «Besser als die Mauern, die sie umgeben, schützt ihr, Priester, die Stadt durch die Religion.» Indem Wir das alles beherzigen, umarmen Wir in tiefem Schmerz alle und jeden einzelnen, deren Religion eingeschränkt und behindert wird, die oft auch «verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen» (Matth. 5, 10) und um des Reiches Gottes willen. Wir teilen ihre Schmerzen, Ängste, ihren Kummer und Wir flehen den Himmel an, daß die Morgenröte einer besseren Zeit doch endlich einmal ihnen aufleuchten möchte.
Wir wünschen auch gar sehr, daß alle Unsere Brüder und Söhne auf dem ganzen Erdenrund sich in diesem Gebet mit Uns vereinen, so daß ein weltumspannender, heiliger Bittchor zum barmherzigen Gott flehend emporsteigt, der auf diese leidenden Glieder des mystischen Leibes Christi einen reichen Gnadenregen herabruft.
Schlußmahnungen
Nicht nur Gebete begehren Wir jedoch von Unseren geliebten Söhnen, sondern was mehr noch als Gebete Gott gegen uns und unsere Brüder gnädig stimmen kann, und das ist die Erneuerung des christlichen Lebens. Des Völkerapostels tiefe und herrliche Worte wollen Wir hier wiederholen: «Was wahr ist, was würdig und recht, was rein, liebenswert, edel, was irgend mit Tugend, mit Lobenswertem zu tun hat: darauf richtet euer Sinnen und Trachten» (Phil. 4, 8). «Zieht an den Herrn Jesus Christus» (Röm. 13, 14). Das heißt: «Zieht an, wie es Erwählten Gottes, Heiligen, Geliebten ziemt, ein herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut, Geduld! . . . Und über all dem zieht die Liebe an, das Band, das die Vollendung ausmacht. Der Friede Christi herrsche in euren Herzen: zu ihm seid ihr in dem einen Leib berufen» (Kol. 3, 12 bis 15).
Wer durch seine Sünden und Fehler weit vom göttlichen Erlöser abgeirrt ist, kehre zurück — Wir bitten ihn darum —, zu ihm, der «der Weg, die Wahrheit und das Leben ist» (Joh. 14, 6). Wer im religiösen Leben lau, schläfrig, ohne Schwung und gleichgültig geworden ist, der wecke seinen Glauben auf, der nähre, belebe und stärke mit der göttlichen Gnade seine Tugend. Wer aber durch Gottes Hilfe «gerecht ist, soll noch gerechter werden, der Heilige werde noch heiliger» (Apok. 22, 11).
Und da es heute so viele gibt, die unsern Rat, unser Beispiel und — weil sie in Not sind — unsere Unterstützung brauchen, übt euch alle nach Kräften und jeder nach seinen Möglichkeiten in den Werken der Barmherzigkeit, die Gott so sehr gefallen.
Wenn jeder sich nun daran macht, dies alles durchzuführen, dann wird in der Kirche erneut sichtbar werden, was so herrlich in dem Brief an Diognet von den Christen gesagt wird: «Sie sind zwar im Fleisch, leben aber nicht nach dem Fleisch, sie weilen auf Erden, aber ihr Wandel ist im Himmel. Sie gehorchen den bestehenden Gesetzen, überbieten aber in ihrem Lebenswandel die Gesetze . . . Man kennt sie nicht und verurteilt sie doch, man tötet sie und bringt sie dadurch zum Leben. Sie sind arm und machen viele reich; sie leiden Mangel an allem und haben doch alles in Fülle. Sie werden mißachtet und in der Mißachtung erlangen sie Ruhm; ihr guter Ruf wird zerfetzt und doch werden sie als gerecht befunden. Sie werden gekränkt und segnen, werden verspottet und erweisen Ehre. Sie tun Gutes und werden wie Übeltäter bestraft; mit dem Tod bestraft, freuen sie sich, als würden sie zum Leben erweckt . . . um es kurz zu sagen, was im Leib die Seele ist, das sind in der Welt die Christen» (Funk, Patres Apostolici, I, 399-401; vgl. Migne, P. G. II, 1174-1175). Einige aus diesen erhabenen Sätzen lassen sich ohne weiteres von den Gliedern der sogenannten «Schweigenden Kirche» aussagen, für die wir alle inständig zu Gott beten müssen, wie Wir es erst kürzlich in Unseren Ansprachen an Pfingsten und am Herz-Jesu-Fest in St. Peter den Gläubigen warm empfohlen haben (vgl. «Osservatore Roman», 18./19. Mai 1959 und 7. Juni 1959).
Wir wünschen euch allen diese Erneuerung des christlichen Lebens, diese Tugend und Heiligkeit. Wir erflehen sie von Gott in unablässigem Gebet, und zwar nicht nur für die treuen Glieder der Kirche, die fest in ihrer Einheit stehen, sondern auch für die in Liebe zur Wahrheit und in Lauterkeit des Willens nach dieser Einheit Suchenden.
Vermittlung und Zeichen himmlischer Gnaden sei der Apostolische Segen, den Wir euch allen, ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, und jedem Einzelnen von euch in väterlicher Liebe erteilen.
Gegeben zu Rom bei St. Peter am 29. Juni, am Fest Peter und Paul, im Jahre 1959, dem ersten Unseres Pontifikates.
Johannes XXIII., Papst
Quelle: “Rundschreiben Papst Johannes XXIII. – Über das Wachstum der Wahrheit, der Einheit und des Friedens unter dem Hauch der Liebe” – “Ad Petri Cathedram” – Rundschreiben Papst Johannes’ XXIII., 1959, Verlagsanstalt Buchdruckerei Konkoria Winterthur – Archivexemplar des Immaculata-Verlags [POS].
