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PAPST BENEDIKT XVI. ZUR FÖRDERUNG DER HÄUFIGEN BEICHTE

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Aus dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben SACRAMENTUM CARITATIS Seiner Heiligkeit Papst Benedikt XVI. vom 22.2.2007:

Einige pastorale Anweisungen

21. Die Synode hat daran erinnert, daß es die pastorale Aufgabe des Bischofs ist, in seiner Diözese eine entschiedene Wiederbelebung der Erziehung zur Umkehr anzuregen, die sich aus der Eucharistie ergibt, und unter den Gläubigen die häufige Beichte zu fördern. Alle Priester sollen sich großzügig mit Engagement und Kompetenz der Spendung des Sakramentes der Versöhnung widmen. [60] In diesem Zusammenhang muß darauf geachtet werden, daß die Beichtstühle in unseren Kirchen gut sichtbar sind und die Bedeutung dieses Sakramentes zum Ausdruck bringen. Ich bitte die Hirten, die Art des Vollzugs des Sakramentes der Versöhnung aufmerksam zu überwachen und die Praxis der Generalabsolution ausschließlich auf die eigens vorgesehenen Fälle zu beschränken, [61] da nur die persönliche Lossprechung die ordnungsgemäße Form darstellt.[62] Angesichts der Notwendigkeit der Wiederentdeckung der sakramentalen Vergebung sollte es in allen Diözesen immer den Pönitentiar geben. [63] Schließlich kann eine wertvolle Hilfe für die erneute Bewußtmachung der Beziehung zwischen Eucharistie und Versöhnung eine ausgeglichene und vertiefte Praxis des für sich selbst oder für die Verstorbenen gewonnenen Ablasses sein. Mit ihm erhält man „vor Gott den Nachlaß der zeitlichen Strafe für die Sünden, die – was die Schuld betrifft – schon vergeben sind.“ [64] Die Inanspruchnahme der Ablässe hilft uns verstehen, daß wir allein mit unseren Kräften niemals imstande wären, das begangene Böse wiedergutzumachen, und daß die Sünden jedes Einzelnen der ganzen Gemeinschaft Schaden zufügen. Darüber hinaus verdeutlicht uns die Ablaß-Praxis, da sie außer der Lehre von den unendlichen Verdiensten Christi auch die von der Gemeinschaft der Heiligen einschließt, „wie eng wir in Christus miteinander vereint sind und wie sehr das übernatürliche Leben jedes Einzelnen den anderen nützen kann“. [65] Da ihre Form unter den Bedingungen den Empfang des Beichtsakramentes und der Kommunion vorsieht, kann ihre Übung die Gläubigen auf dem Weg der Umkehr und bei der Entdeckung der Zentralität der Eucharistie im christlichen Leben wirkungsvoll unterstützen.


 [60] Vgl. Propositio 7.

 [61]Vgl. Johannes Paul II., Motu proprio Misericordia Dei (7. April 2002): AAS 94 (2002), 452-459.

 [62]Gemeinsam mit den Synodenvätern möchte ich daran erinnern, daß die nicht sakramentalen Bußfeiern, die im Rituale für das Sakrament der Versöhnung erwähnt werden, nützlich sein können, um in den christlichen Gemeinden den Geist der Umkehr zu fördern und so die Herzen auf die Feier des Sakramentes vorzubereiten: vgl. Propositio 7.

 [63] Vgl. Kodex des kanonischen Rechts, can. 508.

 [64]Paul VI., Apost. Konst. Indulgentiarum doctrina (1. Januar 1967), Normae, Nr. 1: AAS 59 (1967), 21.

 [65] Ebd., 9: AAS 59 (1967), 18-19.



Kardinal John Tong wegen Position zugunsten der Ehe unter Druck

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Spott über Hirtenbrief:
Diplomatische Vertreter unterstützen Gay-Parade in Hongkong

Kardinal John Tong Hon, Bischof in Hongkong, steht derzeit wegen der Verteidigung des traditionellen Ehebegriffs unter Druck. Am vergangenen Donnerstag hatte der Kardinal in einer Stellungnahme an Pfarrer, Kapläne, Pastoral-Mitarbeiter und Pfarrgemeinderäte appelliert, seinen Pastoralbrief zugunsten der traditionellen Ehe von Ende September zu unterstützen. Er war unter dem Titel „Menschliche Ökologie und die Familie“ erschienen und wandte sich gegen eine Neudefinition der Ehe durch die Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften als gleichwertig mit der lebenslangen Verbindung eines Mannes und einer Frau.

Ausdrücklich kritisierte der Kardinal darin die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in den USA vom Juni, die eine entsprechende Anerkennung gleichgeschlechtlicher Verbindungen in allen US-Staaten vorschreibt, ungeachtet deren Politik und des jeweiligen demokratischen Konsenses in dieser Frage. Kardinal Tongs Kritik richtet sich zugleich gegen eine christliche Studentenorganisation, die an einer Universität in Hongkong Unterricht im Umgang mit Sexspielzeug und erotischer Massage erteilen ließ.

„Es zeigt sich also, dass die virtuelle Verbreitung der sexuellen Liberalisierung unter dem Dach der akademischen Freiheit, als eine fehlgeleitete Kultur, nicht mehr stillschweigend, sondern vielmehr öffentlich, um nicht zu sagen wichtigtuerisch in unser tägliches Leben eindringt und direkt auf unsere nächste Generation einwirkt“, schreibt Tong. Er ruft die Pfarreien dazu auf, eine aktive Rolle als „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ zu spielen. Die Gläubigen sollten die katholische Lehre zu Ehe und Familie bei ihren künftigen Wahlentscheidungen für einzelne Kandidaten berücksichtigen. Die jüngste Familiensynode habe diese noch einmal bestätigt.

Am Samstag demonstrierte die sogenannte „Rosa Allianz“ in Hongkong im Rahmen einer „Gay-Stolz-Parade“. Sie spotteten dabei laut Berichten der Agentur AsiaNews über die Position des Kardinals. Rund 10.000 Teilnehmer riefen die Regierung in Hongkong dazu auf, gegen jegliche „Diskriminierung“ der Vielfalt sexueller Orientierungen vorzugehen. Die diplomatischen Vertreter Frankreichs, Großbritanniens, Deutschlands, Schwedens, Irlands, Finnlands, der Schweiz, der USA, Kanadas und Australiens unterstützten die Parade durch ihre Teilnahme.

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Quelle


„Die Kirche Chinas ist in meinem Herzen“

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Chinesischer Gläubiger / © KiN – KIRCHE IN NOT

Am morgigen Dienstag wird weltweit zum zehnten Mal
der internationale Gebetstag für die Kirche in China begangen

An diesem Dienstag [24. Mai 2016] begehen Katholiken weltweit zum zehnten Mal den internationalen Gebetstag für die Kirche in China. Unweit der chinesischen Metropole Shanghai wird der Höhepunkt der traditionellen Mai-Wallfahrt zum größten chinesischen Marienheiligtum Sheshan stattfinden. „Ich möchte, dass dieses Datum für euch ein Tag des Gebets für die Kirche in China werde“, schrieb im Mai 2007 Papst Benedikt XVI. mit Blick auf den 24. Mai, den Tag, an dem die Muttergottes als „Hilfe der Christen“ verehrt wird.

Gerade in diesem Monat wurde der höchste Kirchenbau Chinas, der 75 Meter in die Höhe ragt, in Kunchan in der chinesischen Provinz Jiangsu unter diesem Patrozinium eingeweiht. Seit dem 19. Jahrhundert ist dieses Fest unter chinesischen Katholiken tief in der Volksfrömmigkeit verankert. Der damalige Obere der Gemeinschaft der Jesuiten in Shanghai brachte die Verehrung Mariens unter diesem Namen in den 1860er Jahren auf den Berg von Sheshan. Bischof Adrien Languillat, auch ein Jesuit, weihte dort eine Kapelle dort am 1. März 1868. Die Basilika wurde nach einem Gelöbnis aus Dank für den Schutz vor dem Übergreifen des Taiping Aufstands errichtet. Dieser ging als blutigster Bürgerkrieg der Menschheit in die Geschichte ein. Die Basilika ist die älteste Ostasiens und zieht Pilger aus ganz Asien an.

Das Bild von der Muttergottes als Helferin der Gläubigen geht mindestens bis ins dritte Jahrhundert zurück und fand im 17. Jahrhundert eine weite Verbreitung vom Passauer Gnadenbild ausgehend, nachdem der österreichische Kaiser Leopold I., der 1683 dorthin geflohen war, gegen die Türkengefahr gebetet hatte. Papst Pius VII. war es, der das Fest Maria Hilfe der Christen auf den 24. Mai legte, an dem er im Jahr 1814 aus seiner Gefangenschaft durch Napoleon nach Rom zurückkehren durfte. Die lange historische Tradition zeigt damit die enge Verwobenheit von ursprünglich chinesischen Erfahrungen mit der Geschichte der Weltkirche.

Katholische Kirche in China begann im 13. Jahrhundert

Die Geschichte der katholischen Kirche in China begann bereits im 13. Jahrhundert mit Franziskanermissionaren, allen voran mit Giovanni da Montecorvino, der erster Erzbischof von Peking wurde. Eine erste nennenswerte Ausbreitung und Verwurzelung zeigte die Jesuitenmission, die Anfang des 17. Jahrhunderts mit Matteo Ricci begann. Modern formuliert könnte man feststellen, dass er einen Wissenschafts- und Kulturdialog in Gang brachte; er machte sich dazu am Kaiserhof als Mathematiker, Astronom und Kartograph unentbehrlich. Nach ihm war der deutsche Jesuit Adam Schall von Bell Leiter der astronomischen Behörde. Der Ritenstreit führte Anfang des darauffolgenden Jahrhunderts mit der Ausweisung der christlichen Missionare im Jahr 1722 zur ernsten Krise des Christentums in China.

Die Gründung der kommunistischen Volksrepublik China 1949 führte schließlich zu Verfolgung und Willkür, sogar gegen chinesische Geistliche, die sich der staatlichen Kontrolle unterstellten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Bischof Bernardin Dong (gestorben 2007), der gegen den ausdrücklichen Wunsch Papst Pius XII. zum Bischof geweiht wurde. Trotz der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen wurde er zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt.

Aktuelle Situation

In den fünfziger Jahren errichtete die chinesische Führung eine eigene kirchliche Gemeinschaft samt Hierarchie, die Chinesische Katholische Patriotische Vereinigung. Sie orientiert sich in ihren gesellschaftlichen und personellen Entscheidungen vor allem an der Regierung. Anfang des Jahrtausends kam es zu einer Entspannung zwischen CKPV und Vatikan, da sich die Chinesen mit der Weihe von Bischöfen Zeit ließen, bis der Kandidat von Rom berufen wurde. Unerlaubte Bischofsweihen seit Mai 2006 verschlechterten die Beziehungen zwischen Peking und Rom wieder, bis der Brief Benedikts XVI. neue Ufer aufzeigte: Er zielte vor allem darauf ab, die Einheit unter den Katholiken in China zu stärken. Benedikt XVI. betonte darin, dass die Kirche nicht auf ein bestimmtes politisches System festgelegt und ihr nicht an einem andauernden Konflikt mit staatlichen Autoritäten gelegen sei. Einer sakramentalen Gemeinschaft zwischen Bischöfen und Priestern der Untergrundkirche sowie der offiziell anerkannten Hierarchie stehe nichts im Wege.

Den „Anspruch einiger vom Staat gewollter und der Struktur der Kirche fremder Organe und Einrichtungen“, die sich über die Bischöfe selbst stellten und das Leben der kirchlichen Gemeinde zu lenken“ suchten, wies er zurück. Die CKPV kommentierte das Schreiben anschließend bitter, während die staatliche Religionsbehörde ihre eigenen Forderungen wiederholte: Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Taiwan und Anerkennung der unter staatlicher Kontrolle erwählten Hierarchie. Der damalige Bischof von Hongkong, Kardinal Joseph Zen, bemerkte jedoch zu dem Brief: „Ich bewundere das kostbare Gleichgewicht, das der Heilige Vater zwischen seiner Leidenschaft für die Wahrheit und der Liebe für seine Kinder hergestellt hat.“

Unter Papst Franziskus wurde der vatikanisch-chinesische Dialog im Sommer 2014 wieder aufgenommen, im Oktober vorigen Jahres fortgesetzt, sowie im Januar und im April. Die neue Regelmäßigkeit spricht dafür, dass beiderseits ein echtes Interesse an Annäherung besteht sowie daran, das Trennende zu bearbeiten. „Der Weg endet, wenn Gott es will“, sagte Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin kürzlich zu den Verhandlungen in einem Interview mit dem San Francesco Magazin.

Alle Religionsgemeinschaften wachsen in China, besonders unter den jungen Menschen. Es sind wohl zwischen 300 und 400 Millionen Menschen, die der Atheismus nicht glücklich macht, darunter bis zu 100 Millionen Anhänger protestantischer Denominationen, gegenüber zwölf bis 14 Millionen Katholiken. Die Situation der Religionsfreiheit hat sich durch die Jahrzehnte hindurch gebessert. Die Kommunistische Partei kontrolliert jedoch weiterhin religiöse Aktivitäten von Christen, Buddhisten, Taoisten und Muslimen, die sie offiziell als Religionsgemeinschaften anerkannt hat. In der Kontrolle besteht aber die Einschränkung der Religionsfreiheit, kritisieren Menschenrechtler. Sie monieren auch, dass eine einheitliche Linie fehle. Nicht einmal die offizielle Registrierung schützt ihnen zufolge vor Strafe. Anhänger nicht registrierter Gemeinschaften geraten signifikant häufiger und heftiger in Schwierigkeiten mit den Behörden, was sogar zu Lagerhaft führen kann. Staatlich nicht anerkannte Hauskirchen stehen besonders stark unter Druck.

Der erste Religionskongress in China seit 15 Jahren fand in diesem April statt. Präsident Xi Jinping hielt dort eine zentrale Rede, in der er sehr deutlich vor religiösen Aktivitäten außerhalb der Kontrolle der KP Chinas warnte. Parteimitglieder sollten nicht eigene Werte und Überzeugungen in den Religionen suchen, sondern im marxistischen Atheismus standhaft bleiben.

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Unsere Liebe Frau von Sheshan, China

„Unsere Liebe Frau von Sheshan, unterstütze den Einsatz all derer, die in China unter den täglichen Mühen weiter glauben, hoffen und lieben, damit sie sich nie fürchten, der Welt von Jesus und Jesus von der Welt zu erzählen“, heißt es in dem Gebet, das Papst Benedikt XVI. schließlich 2008, ein Jahr nach seinem berühmten Brief veröffentlichte.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte in diesem Jahr zum Gebetstag, die Religionsfreiheit werde in China heute mehr als früher anerkannt, allerdings bestünden weiterhin viele Einschränkungen. Als große Belastung für das kirchliche Leben bezeichnete er die staatliche Einmischung in kirchliche Angelegenheiten, unter anderem bei der Ernennung von Bischöfen, der Besetzung von Ämtern und der theologischen Ausbildung. Wie andere Beobachter wartet er mit Spannung auf den weiteren Verlauf der chinesisch-vatikanischen Gespräche ab.

Papst Franziskus rief beim Angelus am Sonntag die katholischen Gläubigen in China zusammen  mit Anhängern anderer Religionen dazu auf, als Zeichen der Versöhnung zu dienen,  im Sinne einer Kultur des Dialogs und im Dienste einer Harmonie der gesamten Gesellschaft. Einem chinesischen Mädchen verriet er im Rahmen eins Buchprojekts, dass er jeden Tag vor einer Darstellung der Muttergottes von Sheshan für die Volksrepublik bete. Eine Replik der heutigen Statue der Muttergottes dort überreichte ihm Kardinal Tong Hon gleich nach dem Konklave im März 2013. Bei einer zufälligen Begegnung im Aufzug der Casa Santa Martha habe Franziskus ihm damals schon versprochen: „Die Kirche Chinas ist in meinem Herzen.“

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Siehe auch:


PAPST BENEDIKT XVI. – GEBET ZU UNSERER LIEBEN FRAU VON SHESHAN (CHINA)

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BENEDIKT XVI.

Gebet zu Unserer Lieben Frau von Sheshan

 

Heilige Jungfrau Maria, Mutter des menschgewordenen Wortes Gottes und unsere Mutter,
du wirst im Heiligtum von Sheshan als „Hilfe der Christen“ verehrt,
auf dich schaut mit Andacht und Liebe die ganze Kirche in China,
zu dir kommen wir heute, um dich um deinen Schutz anzuflehen.
Richte deine Augen auf das Volk Gottes und führe es mit mütterlicher Sorge
auf den Wegen der Wahrheit und der Liebe, damit es unter allen Umständen
Sauerteig für ein harmonisches Zusammenleben aller Bürger sei.

Bereitwillig hast du in Nazareth dazu Ja gesagt,
daß der Ewige Sohn Gottes in deinem jungfräulichen Schoß Fleisch annehme
und so das Werk der Erlösung in der Geschichte beginne.
Mit großer Hingabe, bereit, deine Seele vom Schwert des Schmerzes durchdringen zu lassen,
hast du dann an diesem Werk der Erlösung mitgewirkt
bis zu jener äußersten Stunde des Kreuzes, als du auf Golgota aufrecht stehen bliebst
neben deinem Sohn, der starb, damit die Menschheit lebe.

Von da an bist du auf neue Weise zur Mutter all jener geworden,
die im Glauben deinen Sohn aufnehmen
und bereit sind, ihm zu folgen und sein Kreuz auf die Schultern zu nehmen.
Mutter der Hoffnung, die du in der Dunkelheit des Karsamstags
mit unerschütterlichem Vertrauen dem Ostermorgen entgegengegangen bist,
schenke deinen Kindern die Fähigkeit, in jeder Situation,
mag sie auch noch so düster sein, die Zeichen der liebenden Gegenwart Gottes zu erkennen.

Unsere Liebe Frau von Sheshan, unterstütze den Einsatz all derer,
die in China unter den täglichen Mühen weiter glauben, hoffen und lieben,
damit sie sich nie fürchten, der Welt von Jesus und Jesus von der Welt zu erzählen.
An der Statue, die über dem Heiligtum thront, hältst du deinen Sohn hoch
und zeigst ihn der Welt mit ausgebreiteten Armen in einer Geste der Liebe.
Hilf den Katholiken, stets glaubwürdige Zeugen dieser Liebe zu sein,
indem sie mit dem Felsen Petrus vereint bleiben, auf den die Kirche gebaut ist.
Mutter von China und von Asien, bitte für uns jetzt und immerdar. Amen!

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Kardinal Kurt Koch: Nachfolge bedeutet auch Martyrium

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Saïda Keller-Messahli und Kardinal Kurt Koch | © 2016 Jacques Berset

Kurienkardinal Kurt Koch würdigt bei der Jahreswallfahrt von „Kirche in Not“ in Einsiedeln die Regensburger Rede Benedikts XVI.

Von Katrin Krips-Schmidt

Einsiedeln (DT) Am Sonntag [22. Mai 2016] hat in Einsiedeln in der Schweiz bei herrlichem Frühlingswetter mit nahezu sommerlichen Temperaturen die traditionelle Jahreswallfahrt des internationalen katholischen Hilfswerks „Kirche in Not“ stattgefunden. Den feierlichen Auftakt der Veranstaltung bildete das in der Klosterkirche des Benediktinerklosters gefeierte Pontifikalamt mit Kardinal Kurt Koch, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen.

Am Nachmittag fand im Kongresszentrum „Zwei Raben“ unter der Moderation des Beauftragten für Medien und Kommunikation des Bistums Chur, Giuseppe Gracia, vor etwa 350 Zuhörern eine Podiumsdiskussion zum Thema „Unsere Pflichten gegenüber den Flüchtlingen“ statt. Daran nahmen Kardinal Koch, Saida Keller-Messahli, die Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam aus Zürich sowie Roberto Simona aus Fribourg teil – Fachperson bei „Kirche in Not“ für christliche Minderheiten in muslimischen Ländern und für die Staaten der ehemaligen Sowjetunion sowie verantwortlich für die Lateinische Schweiz. Simona berät zudem die Schweizerische Bischofskonferenz zu Flüchtlingsfragen.

Kardinal Koch nahm in seiner Predigt das Kreuzzeichen als Segensgebärde sowie als Zeichen, mit dem wir uns als Christen zu erkennen geben – kurz, als das grundlegende Bekenntnis zum dreifaltigen Gott – zum Anlass, um am Dreifaltigkeitssonntag über diese „Identitätskarte“ des christlichen Glaubens zu reflektieren. Von dieser Hymne an die Dreifaltigkeit ausgehend schlug er einen Bogen zur Hingabe des liebenden Sohnes an seinen Vater und damit zur heutigen Bedrohungslage der Christen in aller Welt. Das Kreuz ist radikale Konsequenz der Liebe Gottes zu uns Menschen: „Als Christ, als Christin muss man realistischerweise davon ausgehen, dass die Nachfolge Jesu Christi immer auch das Martyrium einschließen kann.“ Am Ende des zweiten und zu Beginn des dritten Jahrtausends sei die Christenheit erneut zu einer Märtyrerkirche geworden. Das Martyrium der Christen habe heute schließlich ein solches Ausmaß angenommen, dass man „nicht um das Urteil herumkommt, dass es heute mehr christliche Märtyrer gibt als während der Christenverfolgungen der ersten Jahrhunderte.“ 80 Prozent der Menschen, die heute wegen ihres Glaubens verfolgt werden, seien Christen. Diese würden nicht aufgrund einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Denomination verfolgt, sondern schlicht wegen ihres Christseins, so dass man von einer „Ökumene der Märtyrer“ oder einer „Ökumene des Blutes“ sprechen könne: „Die Ökumene der Märtyrer macht uns bewusst, dass das Martyrium wesenhaft zu unserem Glauben an den dreieinen Gott gehört.“

Die sich am Nachmittag anschließende Podiumsdiskussion wurde mit einer Videobotschaft von Papst Franziskus eingeleitet. Darin beauftragte Franziskus „Kirche in Not“, im Sinne ihres Gründers, Pater Werenfried van Straaten, fortzufahren und „auf der ganzen Welt Werke der Barmherzigkeit zu tun“. Denn, so der Papst: „Die Barmherzigkeit ist die Zärtlichkeit Gottes“.

Eine souveräne Moderation sorgte anderthalb Sunden lang für einen lebendigen Austausch der Positionen. Als Stichwortgeber fungierten Zitate, die in den vergangenen Monaten zum Thema „Flüchtlinge“ in den Medien aufgetaucht waren, bereits für Kontroversen gesorgt hatten und nun in der Runde debattiert wurden. Einig war man sich über die „Pflicht, den leidenden Menschen, die kommen, zu helfen“ (Koch). Andererseits sollten wir uns über die Gründe und Ursachen, weshalb sie flüchten, klar werden. Der Schweizer Kurienkardinal verwies auf die Äußerungen seiner Brüder im Bischofsamt aus dem Mittleren Osten, die zwar dankbar für die Aufnahme von Flüchtlingen in Europa seien, die sich ihm gegenüber jedoch auch besorgt zeigten: „Ruft sie aber nicht, sonst haben wir in diesen ehemals christlichen Ländern nur noch Steine und keine lebenden Menschen mehr.“

Eine Aussage des Philosophen Robert Spaemann fand indes nicht ungeteilte Zustimmung auf dem Podium. Spaemann stellte im Dezember 2015 fest: „Es kann eine moralische Verpflichtung zur uneingeschränkten Hilfsbereitschaft geben, aber nicht zu einer tatsächlichen Hilfe, sofern diese nicht möglich ist (…) Wir sollten kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir unserer Hilfe Obergrenzen setzen oder wenn wir auswählen, wen wir aufnehmen und wen nicht.“ Damit stand das Wort „Obergrenze“ im Raum.

Während Kardinal Koch die einzelnen Nationalstaaten Europas als Zimmer in einem riesigen Boot bezeichnete und daher strikt auf eine gesamteuropäische Lösung der Flüchtlingsproblematik pochte und auf Nachfrage von Gracia doch die Notwendigkeit einer wie auch immer gearteten Obergrenze einräumte („es ist nicht von vornherein klar, wo sie ist und wer sie festlegt“), strebte Saida Keller Messahli gar eine globale Lösung an, die auch reiche muslimische Staaten wie Saudi-Arabien, die überhaupt keine Flüchtlinge aufgenommen haben, in die Pflicht nimmt.

Roberto Simona hingegen meinte, als Christen könnten wir keine Aufteilung der Menschen, die zu uns kommen, in „Gute“ und „Böse“ vornehmen. Damit widersprach er der von Robert Spaemann vorgetragenen Argumentation. Simona sprach sich auch gegen getrennte Unterkünfte von Christen und Muslimen aus, denn beide Gruppen von Flüchtlingen müssten lernen, miteinander umzugehen.

Das Thema „Gewalt im Islam“ wurde von der Muslima Keller-Messahli im Sinne eines, wie sie es nennt, „offenen und toleranten“ Islam erörtert. Die in Tunesien geborene und in der Schweiz seit ihrem neunten Lebensjahr in einer Pflegefamilie aufgewachsene Gymnasiallehrerin setzt sich für einen friedlichen und gemäßigten Islam ein. Für einen Islam, der sich mit den Menschenrechten und der Bundesverfassung ihres Landes, der Schweiz, vereinbaren lassen soll. Keller-Messahli zufolge hätten sich gewisse Gruppen die Texte des Korans, die ja Texte aus dem siebten Jahrhundert sind, zueigen gemacht, die sie nun den anderen Muslimen aufzwingen wollen. Mangels einer höchsten Instanz im Islam habe aber jeder seine eigene Lesart, um die Religion zu interpretieren, so dass somit auch kriminelle Handlungen und Gewalt legitimiert werden können. Ihr zufolge seien die Texte des Korans jedoch in einem kriegerischen Kontext entstanden und in unserer Zeit ganz anders, nämlich durchaus auch gewaltfrei auszulegen. Was der Moderator nachdenklich kommentierte: „Entschuldigung, aber die Reformierten haben auch keinen Papst und laufen nicht mit der Kalaschnikow herum.“

Das Verhältnis von Religion und Gewalt müsse ein Diskurs im Islam sein, meinte jedoch auch Kardinal Koch. Der frühere Bischof von Basel und ehemalige Vorsitzende der Schweizer Bischofskonferenz ist Papst Benedikt XVI. „grenzenlos dankbar“ dafür, dass dieser 2006 jene Frage an der Universität Regensburg aufgeworfen habe: „Heute müssen wir sagen, er war prophetisch“, sagte Koch. Koch wies zudem auf die „Ursünde der Christen“ – laut Koran – hin: Damit meinte er das für den Islam ungeheuerliche Dogma der Christen, dass Gott einen Sohn hat. „Deswegen sind wir in den Augen vieler Muslime Erzhäretiker“, so das Fazit des Kardinals. Deshalb glaubt er, dass wir einen Dialog mit den Muslimen auch über diese Glaubensfragen führen müssen.

Ein Statement des Historikers Jörg Baberowski vom 13. Mai 2016 griff das aktuelle „Diktat der Tugendwächter“ auf. Baberowski wird in der Basler Zeitung zitiert: „Politik ist kein Gottesdienst. Sie ist das Bohren dicker Bretter, und deshalb muss sie sich am Machbaren orientieren und darf nicht das Wünschbare über alles stellen. Für die deutsche Gesellschaft hat die Moralisierung des Politischen verheerende Folgen. Sie ist das Ende allen Streits, denn niemand will gegen das moralisch Korrekte stehen. Das ist der Feind des Arguments und der Opposition.“ Keller-Messahli berichtete von einer Münchnerin, die ihr sagte, dass in Deutschland eine Angst herrsche, sich öffentlich zu Flüchtlingsfragen zu äußern. Sie denkt, es sei gefährlich, wenn man sich in einer demokratischen Gesellschaft nicht mehr äußern dürfe.

Dass die Diskussion um die Flüchtlinge in beiden Richtungen emotional so angeheizt ist, sieht Kardinal Koch jedoch auch positiv. Es sei ein Indiz dafür, dass die Menschen davon unmittelbar betroffen seien. Daran werde auch die Dimension des Christentums in Europa sichtbar: „Wir können nur in einen offenen Dialog und Diskurs mit dem Islam treten, wenn wir eine einigermaßen klare Identität als Christen haben.“„Das große Problem in Europa“ scheint ihm nicht „die Stärke des Islams, sondern die Schwäche des Christentums“ zu sein, denn, so Koch weiter, „die Präsenz des Islam macht uns natürlich etwas Neues bewusst: Das Grunddogma in Europa ist die privatisierte Religion. Religion ist eine Privatsache.“

In seinem Schlussplädoyer betonte der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, das Allerwichtigste sei für ihn, alles dafür zu tun, dass die Menschen nicht flüchten müssen, und alles zu tun, dass sie wieder zurückgehen können. Neben der Verantwortung, die Menschen aufzunehmen, hätten wir zugleich die Verantwortung, „Vorsorge dafür zu treffen, dass die Menschen gar nicht erst flüchten müssen“.

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Siehe auch:


Diakone aus aller Welt zu Gast beim Jubiläum der Diakone

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Heilige Pforte, Petersdom / PHOTO.VA – OSSERVATORE ROMANO, Copyright

Vom 27. bis zum 29. Mai 2016 Jubiläum der Diakone in Rom

Morgen wird im Rahmen des Jubiläums der Barmherzigkeit das Jubiläum der Diakone beginnen. Bis zum 29. Mai 2016 werden sich Diakone aus aller Welt mit ihren Familien zu einer mehrtägigen Begegnung versammeln, die am Sonntag mit der Messe mit Papst Franziskus ihren Schlußpunkt finden wird.

Mit dem Jubiläum der Diakone soll zum Nachdenken über die wichtige Rolle des Diakons als Bild der Barmherzigkeit angeregt und ein Schritt zur Neuevangelisierung getan werden. Den Diakonen wird Gelegenheit zum Austausch, zur Diskussion und zum gemeinsamen Gebet gegeben.

Die Diakone werden außerdem gemeinsam zu den Kirchen Roms pilgern, die dem ersten Diakon und Märtyrer, Laurentius, geweiht sind, und die Heilige Pforte am Petersdom durchschreiten.

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„Das Leben ‘brechen’ und teilen als Zeichen der Liebe Christi“

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Fronleichnam, 26. Mai 2016 / © PHOTO.VA – OSSERVATORE ROMANO

Predigt von Papst Franziskus bei der Messe zum Fest Fronleichnam

Anlässlich des Festes Fronleichnam (oder „Corpus Domini“) hat Papst Franziskus am heutigen Donnerstagabend um 19 Uhr die Heilige Messe auf dem Vorplatz der Lateran-Basilika gefeiert.

‪Ausgehend von den Tageslesungen betrachtete Jorge Bergoglio in seiner Predigt die Sätze „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ aus dem 1. Korintherbrief und „Gebt ihr ihnen zu essen!“ aus dem Lukasevangelium.‬

Er ging auch auf die Bedeutung des Brotbrechens ein, „das Bild, das Zeichen, an dem man Christus und die Christen wiedererkennt.“‬

„Es ist die Eucharistie, die von Anfang an die Mitte und die Gestalt des Lebens der Kirche wird“, unterstrich Papst Franziskus, während er an Emmaus und an die früheste Gemeinde in Jerusalem erinnerte.‬

Im Anschluß an die Eucharistiefeier nahm der Bischof von Rom an der 1979 nach‬ 109-jähriger Unterbrechung vom Heiligen Johannes Paul II. wieder eingeführten eucharistischen Prozession teil, die von der Kathedrale des Bistums Rom bis zur Basilika Santa Maria Maggiore entlang der Via Merulana führt.‪

Wir dokumentieren im Folgenden in der offiziellen Übersetzung die Predigt von Papst Franziskus.‬

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Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,24.25).

Zweimal zitiert der Apostel Paulus im Schreiben an die Gemeinde von Korinth dieses Gebot Jesu im Einsetzungsbericht der Eucharistie. Es ist das älteste Zeugnis der Worte Jesu beim Abendmahl.

„Tut dies.“ Das heißt: Nehmt das Brot, sprecht das Dankgebet und brecht es; nehmt den Kelch, sprecht das Dankgebet und teilt ihn aus. Jesus gebietet, die Geste zu wiederholen, mit der er das Gedächtnis seines Paschaopfers eingesetzt hat. Damit hat er uns seinen Leib und sein Blut geschenkt. Und diese Geste wurde bis zu uns weitergegeben: Sie ist dasEucharistie-„Tun“, bei dem Jesus immer das Subjekt ist, der sich aber gegenwärtig macht in unseren armseligen, vom Heiligen Geist gesalbten Händen.

„Tut dies.“ Schon zuvor hatte Jesus seinen Jüngern aufgetragen, das zu „tun“, was er fest vorhatte und zwar im Gehorsam gegenüber dem Willen des Vaters. Das haben wir eben im Evangelium gehört. Angesichts der müden und hungrigen Menschenmenge sagt Jesus zu den Jüngern: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Lk 9,13). In Wirklichkeit ist es Jesus, der die Brote segnet und sie bricht, bis alle diese Menschen satt sind. Die fünf Brote und die zwei Fische werden allerdings von den Jüngern herbeigeholt. Jesus wollte gerade dies: dass sie, anstatt die Menge wegzuschicken, das wenige, was sie hatten, zur Verfügung stellten. Und dann gibt es da noch eine andere Geste: Die Brotstücke, die von den heiligen und ehrwürdigen Händen des Herrn gebrochen wurden, gehen in die armseligen Hände der Jünger über, die sie dann an die Leute austeilen. Auch das ist ein „Tun“ mit Jesus, ein „Zu-essen-Geben“ gemeinsam mit ihm. Es ist klar, dass dieses Wunder nicht nur den Hunger eines Tages stillen will, sondern Zeichen dessen ist, was Christus für die Rettung der ganzen Menschheit vollbringen will, indem er sein Fleisch und sein Blut hingibt (vgl. Joh 6,48-58). Und dennoch muss man immer jene zwei kleinen Gesten bedenken: die wenigen Brote und Fische, die wir haben, zur Verfügung stellen; das gebrochene Brot aus den Händen Jesu empfangen und an alle austeilen.

Brechen: Das ist das andere Wort, was den Sinn des „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“erklärt. Jesus hat sich gebrochen, er bricht sich für uns. Und er fordert uns auf, uns für die Anderen zu geben und zu brechen. Gerade das „Brotbrechen“ ist das Bild, das Zeichen, an dem man Christus und die Christen wiedererkennt. Erinnern wir uns an Emmaus: Sie erkannten ihn, „als er das Brot brach“ (Lk 24,35). Denken wir an die erste Gemeinde in Jerusalem: „Sie hielten fest … am Brechen des Brotes“ (Apg 2,42). Es ist die Eucharistie, die von Anfang an die Mitte und die Gestalt des Lebens der Kirche wird. Aber denken wir auch an alle die heiligen Männer und Frauen – berühmt oder namenlos – die sich selbst „gebrochen“ haben, ihr eigenes Leben, um den Brüdern und Schwestern „zu essen zu geben“. Wie viele Mütter, wie viele Väter haben, zusammen mit dem täglichen Brot, das auf dem Tisch des Hauses geschnitten wurde, ihr Herz „gebrochen“ und aufgeteilt, um die Kinder wachsen und sich gut entwickeln zu lassen! Wie viele Christen haben als verantwortungsbewusste Bürger ihr Leben „gebrochen“ und geteilt, um die Würde aller zu verteidigen, besonders die der Ärmsten, der an den Rand Gedrängen und der Diskriminierten! Wo finden sie die Kraft, um all das zu tun? Eben in der Eucharistie: in der Macht der Liebe des auferstandenen Herrn, der auch heute das Brot für uns bricht und wiederholt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“.

Möge auch die Geste der eucharistischen Prozession, die wir gleich abhalten, diesem Auftrag Jesu entsprechen. Eine Geste, um sein Gedächtnis zu halten; eine Geste, um den vielen Menschen von heute zu essen zu geben; eine Geste, um unseren Glauben und unser Leben zu „brechen“ und zu teilen als Zeichen der Liebe Christi für diese Stadt und für die ganze Welt.

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Johannes XXIII. – ein „Ebenbild der Güte Gottes“

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Zum Tod am 26. Mai 2016 von Kardinal Loris Capovilla ein Artikel aus der KIRCHEN-ZEITUNG IM NETZ (Diözese Linz, Österreich) vom 25.9.2015:

Am 14. Oktober wird Loris Capovilla, der Sekretär des Konzilspapstes Johannes XXIII., 100 Jahre alt. Im Interview spricht der älteste Kardinal der Kirche über die Familiensynode, das Konzil und Papst Johannes.

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Loris Capovilla (rechts) als Sekretär an der Seite von Papst Johannes XXIII.

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Loris Kardinal Capovilla pflegt die Erinnerung an den heiliggesprochenen Konzilspapst Johannes XXIII.

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Besuch in Sotto il Monte: Univ.-Prof. Ewald Volgger bei Kardinal Capovilla.

Eminenz, Johannes XXIII. wird als der „gute Papst“ bezeichnet. Warum, das wissen heute viele Menschen nicht mehr. Was sagen Sie ihnen?
Capovilla: Wann immer ich über Papst Johannes XXIII. spreche, ist es mir wichtig, die Bezeichnung „der gute Papst“ zu korrigieren in „der Papst der Güte“. Das war sein Wesen – von seinen Anfängen als Priester in Bergamo bis zu seiner Zeit am päpstlichen Stuhl. Bildung, Wissen und Weisheit von Johannes XXIII. haben dieselbe Anerkennung gefunden wie seine Güte, die nicht zu leugnen war. Amleto Tondini, einst Lateinspezialist im Vatikan, brachte es auf die Formel: „imago ipsa bonitatis“, ein Ebenbild der Güte Gottes.

Über Papst Johannes XXIII. werden sehr viele Anekdoten erzählt. Welche sind denn da Ihre liebsten Geschichten?
Capovilla: Es gibt drei Begebenheiten, die mich seit mehr als fünfzig Jahren begleiten: Als er nach seinem ersten päpstlichen Segen vom Balkon des Petersdoms hereinkam, sagte er mir, er hätte vor lauter Scheinwerfern und Kamerablitzen keinen Menschen am Petersplatz gesehen. Es schien ihm, als ob Christus ihn vom Kreuz angeblickt und gesagt habe: „Du hast Name und Kleidung gewechselt. Vergiss aber nicht: Wenn du nicht wie ich sanftmütig und demütig bleibst, wirst du nichts von den Ereignissen in der Kirche und der Welt sehen.“ Als dann später am selben Tag die Kardinäle und all die anderen Personen gegangen waren, fragte ich ihn, ob ich ihm jemanden rufe solle. „Mein Sohn“, antwortete er, „lass mich erst das Abendgebet zu Ende bringen und den Rosenkranz beten, dann werden wir über alles Weitere sprechen“. Und als ich ihm gegen zehn Uhr am selben Abend eine gute Nacht wünschte, legte er mir seine Hand auf den Kopf und sagte: „Ich habe an meine Eltern und Lehrer gedacht.“ Er begann sein Pontifikat mit dem Versprechen, bescheiden und mit Sanftmut Jesus nachzufolgen, dem innigen Gebet treu zu bleiben und jenen dankbar zu sein, die ihm Leben und Erziehung geschenkt haben.

Johannes XXIII. hat das Zweite Vatikanische Konzil ausgerufen und begonnen, ist dann aber gestorben. Heute wird er oft vereinnahmt: Die einen sagen, unter ihm hätte es weitergehende Reformen gegeben. Andere sagen, er sei konservativ gewesen. Was stimmt?
Capovilla: Es stimmt, Papst Johannes war ein großer Konservativer. Aber es stimmt auch, dass nur diejenigen, die dem Erbe der Tradition treu bleiben, die Schwelle zur Erneuerung überschreiten können. Es geht um Treue und Erneuerung: Treue zur zweitausendjährigen Tradition der Kirche; und Erneuerung, indem die Zeichen der Zeit und die Bedürfnisse der Menschen erkannt werden. Nur wer die Tradition kennt, wird in Reform und Erneuerung auch ihren Sinn bewahren. In den letzten Tagen seines Lebens sagte Papst Johannes: „Es ist nicht das Evangelium, das sich ändert. Wir sind es, die beginnen, es besser zu verstehen, so leuchtet immer wieder neu die Morgenröte eines Neubeginns auf.“

Papst Franziskus wird heute oft mit Johannes XXIII. verglichen. Ist da etwas dran?
Capovilla: Der heilige Augustinus hat geschrieben, dass sich jeder Stern vom anderen durch besondere Merkmale unterscheidet. Es gibt niemals zwei absolut gleiche, wohl jedoch ähnliche Sterne. Gebe Gott, dass Papst Franziskus lange genug leuchten kann.

Wir stehen kurz vor dem Beginn der zweiten Familiensynode. Manche Beobachter haben die Umstände dort mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verglichen. Sehen Sie das ähnlich?
Capovilla: Ich denke, dass diese Erneuerung der Kirche im Sinne des Konzils ist. Es ist ja noch nicht alles geklärt. Wir sind noch nicht in der „Patria beata“, der seligen Heimat, angelangt. Wir wandern noch immer auf der Erde herum.

Sie leben seit 100 Jahren in und mit der Kirche. Angesichts der vielen Probleme der Welt und der Kirche könnte jemand fragen: Was macht Sie sicher, dass Gott noch mit der Welt, mit der Kirche ist?
Capovilla: Gott ist die Liebe. Er kann nicht desinteressiert an seiner Schöpfung sein. Gott ist allwissend und allmächtig. In seiner Hand hält er das Schicksal jedes Einzelnen von uns. Wir sind kleiner als ein Sandkorn in der Unendlichkeit des Universums. Und da wollen wir Gottes Gedanken verstehen? Das können wir nicht. Wir vertrauen. Mit den Augen des Glaubens erkennen wir einen Schimmer von dem, was der Verstand nicht zu sehen vermag. Gott ist da. Er ist bei uns jeden Tag unseres Lebens, auch wenn wir ihn nicht bei uns haben möchten. Wie ein guter Vater verlässt er uns nie.

Buchhinweis: „Ruhig und froh lebe ich weiter: Älter werden mit Johannes XXIII.“ von Hubert Gaisbauer und Ewald Volgger (Wiener Domverlag)

Zur Person

Loris Francesco Capovilla, geboren in Pontelongo bei Padua, war Kaplan, Lehrer, Seelsorger im Gefängnis und in einem Kinderkrankenhaus sowie journalistisch tätig, bevor er 1953 Privatsekretär des Patriarchen von Venedig, Angelo Giuseppe Roncalli, wurde. Als dieser 1958 zum Papst gewählt wurde, folgte Capovilla ihm in den Vatikan, wo er den Beginn des Konzils erlebte. Ab 1967 wurde er Bischof von Chieti, übernahm 1971 den Wallfahrtsort Loreto und zog sich 1988 nach Sotto il Monte zurück, wo er die Erinnerung an den 2014 heiliggesprochenen Papst pflegt. Im selben Jahr zeichnete ihn Papst Franziskus mit der Kardinalswürde aus.

„Als Geschöpfe Gottes gemeinsam das Gute suchen“

Vor seinem 100. Geburtstag bekam Kardinal Loris Capovilla Besuch vom Liturgiewissenschaftler Ewald Volgger. Dabei entstand nicht nur das obenstehende Interview, wie der Linzer Uni-Professor erzählt:

Sotto il Monte, das heute den Namenszusatz „Giovanni XXIII“ trägt, ist der Geburtsort von Angelo Giuseppe Roncalli, dem späteren Papst Johannes XXIII. Viele Menschen, die hierher in das Zentrum „Tantum aurora est“ auf Besuch kommen, meinen, in Kardinal Capovilla, dem einstigen Sekretär des Papstes, auch heute noch etwas von der gütigen Zuwendung zu den Menschen zu spüren, wie sie Johannes XXIII. bereits in jungen Jahren hat spüren lassen. Dabei machte „Don Angelo“ keinen Unterschied zwischen den Menschen, ob arm oder reich, gläubig oder von anderer Überzeugung, entscheidend war ihm der gute Wille der Menschen.

Empfang

Kardinal Capovilla empfängt nicht mehr an seinem Arbeitstisch. Dem Alter entsprechend winkt er uns, ruhend im Polstersessel, zu sich. Seine Stimme verrät Müdigkeit, er freut sich aber darüber, dass wir da sind, und erkundigt sich nach unseren Anliegen. Ich erzähle ihm, dass ich mich mit Johannes XXIII. in seinen jungen Jahren beschäftigt habe und ihn in einem Aufsatz als Pionier der liturgischen Bewegung vorstellen konnte. Capovilla richtet sich auf, aus seiner Stimme weicht plötzlich jeder Anschein von Schwäche und er bestätigt, wie sehr sich Roncalli für die Einbindung von Frauen in die Liturgie einsetzte, als sonst noch niemand davon sprach. Der Kardinal spricht in einem Atemzug von den Rechten der Frauen, von den Rechten aller Völker für ein Leben in Frieden, und spricht dann über Papst Franziskus, der ja selbst aus einer Emigrantenfamilie stammt, um dann zu bekräftigen, wie wichtig es sei, den Menschen beizustehen, die Hilfe und Schutz suchen. Es spiele keine Rolle, welchen Glauben oder welche Überzeugungen die Menschen prägten. Der Kardinal erzählt von einem Gespräch mit einem Jugendlichen, der beteuerte, dass er ihn als Priester und ehrenwerten Mann bewundere, dass er aber mit dem Glauben an Gott nichts anzufangen wisse. Diesem habe er geantwortet, dass es nicht darauf ankomme, ob wir katholisch oder muslimisch oder was auch immer seien. Es ginge darum zu verstehen, dass wir alle Geschöpfe Gottes sind, die gemeinsam das Gute suchen und es tun wollen. So begleite Gott die Menschen.

Worauf es ankommt

Capovilla erzählt auch von einem Gespräch mit einem hochstehenden Politiker. Sie seien darin übereingekommen, dass es nicht wichtig sei zu fragen, woher kommst du. Wichtiger sei die Frage: Wohin möchtest du gelangen, wie können wir gemeinsam in die Zukunft gehen und was verbindet uns? Und weiters fügt der inzwischen schon wieder etwas müde gewordene Kardinal hinzu, Papst Johannes XXIII. habe ihn gelehrt, einen guten Gedanken anzunehmen, sei eine angemessene Würdigung des Gesprächspartners. Ich bitte ihn schließlich, für die Kirchenzeitung einige Fragen zu beantworten, was er gerne tut.

Bildquelle: Volgger (3)

Autor:  Ewald Volgger

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Quelle



Kinderzug kommt am Samstag im Vatikan an

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Kinder, die im vergangenen Jahr mit dem Zug in den Vatikan zum Papst kamen. – OSS_ROM

„Von den Wellen gebracht“ ist der eindrückliche Slogan, den der vatikanische Kulturrat für seine diesjährige Ausgabe des „Kinderzugs“ gewählt hat. Die Initiative, die der dem Kulturrat zugeordnete „Vorhof der Völker“ nun bereits zum vierten Mal durchführt, ist dieses Mal ganz dem Migrantendasein von Kindern gewidmet. 400 Kinder aus Kalabrien, neben Sizilien ein Hotspot der Flüchtlingsankünfte auf italienischem Boden, werden an diesem Samstag mit einem Zug der italienischen Bahngesellschaft am Vatikanbahnhof einfahren. Dort werden sie durch Papst Franziskus empfangen. Pater Laurent Mazas ist beim Vorhof der Völker verantwortlich für die Organisation des Events, das dem Papst jedes Mal aufs Neue großen Spaß zu bereiten scheint. Er sagte uns:

„Jedes Jahr versuchen wir Kinder zu finden, die in einer besonderen Situation leben. Beispielsweise hatten wir letztes Jahr die Kinder von Gefängnisinsassen im Zug. Dieses Jahr wollten wir an alle Kinder denken, die von ihrem Zuhause fliehen müssen, die Migranten werden, um Aufnahme bitten müssen und von italienischen Kindern empfangen werden: Es kommen also ausländische wie italienische Kinder, die untereinander Freundschaft geschlossen haben. Die Orte der Aufnahme sind zunächst einmal die Schulen, aber auch der Sport und die Musik. Deshalb wird auch ein Orchester dabei sein.“

Der Zug kommt dieses Jahr aus Kalabrien. Die Wahl dieser italienischen Region sei zwei Kriterien zu verdanken: einerseits kämen dort – neben Sizilien – besonders viele Migranten an. Andererseits sei dies eine Region, von der aus eine Zugreise hin und zurück in einem Tag zu bewältigen sei, erklärt der Organisator – eine Bedingung für die Leihgabe der italienischen Zuggesellschaft. Besonders beeindruckend sei aber die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften vor Ort gewesen: „Wir haben diese hervorragende Direktorin gefunden, die uns vom Ministerium empfohlen worden ist. Sie hat diese Initiative auch zum Anlass genommen, das Ganze pädagogisch mit den Kindern aufzuarbeiten. Ich selbst bin in einer Grundschule empfangen worden: dort wurden zwei eigens einstudierte Gesänge vorgetragen: ,Von den Wellen gebracht‘ und ,Wir sind alle Geschwister‘. Wirklich unglaublich. Auch die Kinder, die am Samstag nicht dabei sein können, haben über das Thema gearbeitet und reflektiert.“

Neben Papst Franziskus werden am Vatikanbahnhof auch Kinder auf ihre Altersgenossen warten. Ein Jugendorchester aus Palermo sowie ein römischer Verein, der sich um Kinder aus benachteiligten Schichten kümmert: „Das ist ein schöner Verein, der die Kinder in einigen römischen Vierteln einsammelt und in Sportvereinen unterbringt: diese Kinder hätten nicht das Geld, um Sport zu treiben, also nimmt die Vereinigung sich ihrer an und bietet ihnen die Möglichkeit, sich in ein soziales Gefüge zu integrieren.“ Besonders froh sei er über die Reaktion von Papst Franziskus, als er mit ihm das letzte Mal über die Initiative gesprochen hatte, die so viele Kinder glücklich macht, vertraut uns Pater Mazas an: „,Heiliger Vater, machen wir das nochmal mit dem Zug?‘ habe ich ihn gefragt. Er hat gesagt: ,Aber ja, das gefällt mir, das gefällt mir!‘ Er hat es zweimal gesagt. Also denke ich, dass es immer ein sehr berührender Moment ist.“

Maria Salvia ist Direktorin einer der drei Schulen, die an der Initiative teilnehmen. Sie berichtet uns, mit was für einem Gefühl sie der Begegnung mit Papst Franziskus entgegen sehe: „Eine großartige Person, einen großartigen Mann zu treffen, der unser Papst Franziskus ist, der die Regeln der neuen Schule vorgibt, der neuen Pädagogik. Wir fühlen uns ernst genommen, dankbar, wirklich glücklich darüber, an diesen Ort zu kommen, der alle Religionen einschließt.“ Die vatikanische Initiative des Vorhofes der Völker hat es sich zum erklärten Ziel gesetzt, mit allen Religionen der Welt, aber auch mit Agnostikern und Atheisten in einen fruchtbaren Austausch zu kommen. Maria Salvia: „Unter den Kindern, die zum Papst kommen, sind viele Kinder unterschiedlicher Religionen dabei, doch sie kommen. Denn das ist ein Papst, der wirklich alle willkommen heißt, deshalb fühlen sich auch alle wohl bei ihm.“

In ihrer Schule sei das Zusammenleben mit den Migrantenkindern tägliche Realität, berichtet die Lehrerin. Bis zu 800 neue Migranten innerhalb von zwei Wochen seien in ihrer Stadt bis zum vergangenen Jahr angekommen, viele von ihnen Kinder, die teils in der Gemeinde verblieben sind: „Diejenigen, die bleiben, nehmen voll am Schulalltag teil: die Integration ist wahr, nicht nur dem Wort nach. Deshalb versuchen wir unseren Schülern beizubringen, dass das Zusammenleben ein sehr wichtiger Wert ist, es muss aufgebaut werden und wir versuchen, es gemeinsam mit ihnen aufzubauen. Denn wir nehmen sehr wohl die Schwierigkeiten dieser Gesellschaft wahr, die mittlerweile in eine andere Richtung driftet und das steht uns nicht gut an: der italienischen Schule steht das in besonderer Weise nicht an….“

(rv 27.05.2016 cs)


Papst Franziskus erinnert an Kardinal Capovilla

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Johannes XXIII. & Msgr. Loris Capovilla (Rechts) (Photo: 1961) / Wikimedia Commons – N.N., Public Domain

„Er hat mit Freude das Evangelium bezeugt“

Anlässlich des gestrigen Ablebens von Kardinal Loris Francesco Capovilla (ZENIT berichtete), hat Papst Franziskus den langjährigen Privatsekretär von Papst Johannes XXIII. in einem Kondolenzschreiben als „eifrigen Hüter und stichhaltigen Interpreten“ dessen Erbes beschrieben.

„Ich denke mit Zuneigung an diesen geliebten Bruder, der in seiner langen und fruchtbaren Existenz mit Freude das Evangelium bezeugt und der Kirche folgsam gedient hat“, so schreibt Papst Franziskus in seinem Beileidstelegramm an den Bischof von Bergamo, Francesco Beschi. Kardinal Capovilla war gestern Nachmittag im Alter von 100 Jahren in Bergamo verstorben.

„In seinem bischöflichen Amt, insbesondere in Chieti-Vasto und Loreto, war er immer ein völlig dem Wohl seiner Priester und Gläubigen ergebener Hirte, im Zeichen einer festen Treue zum Kompass des Zweiten Vatikanischen Konzils“, so betont Papst Franziskus weiter. (pdm)

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Quelle (27. Mai 2016)


Die Polnische Kirche ist mit Papst Franziskus verbunden

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Wawel-Kathedrale & Königsschloss / Wikimedia Commons – FotoCavallo, CC BY 3.0

Jorge Bergoglio wird anlässlich des Weltjugendtages im Sommer Krakau besuchen

Die polnischen Bischöfe beziehen sich häufig auf Papst Franziskus. Dies spiegelt sich sowohl in den Predigten und Hirtenbriefen als auch in den Stellungnahmen der Polnischen Bischofskonferenz wider. Dies ist ein Zeichen der persönlichen Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri, der schon bald nach Polen kommen wird.

Beim Ad-limina-Besuch im Februar 2014 empfing Papst Franziskus die polnischen Bischöfe in Rom wie Brüder. Dieser herzliche Empfang hat die gegenseitigen Beziehungen noch mehr gestärkt. Man kann sagen, dass Polen eine der Nationen ist, an die sich der Heilige Vater am meisten wendet. Ein besonderes Geschenk wird der bevorstehende Besuch anlässlich des Weltjugendtages sein. Polen ist das erste Land in Europa, abgesehen von Italien, in dem Papst Franziskus einige Tage verbringen wird.

Die Menschen in Polen und das Land spielen also eine besondere Rolle beim Dienst von Papst Franziskus. In ähnlicher Weise beziehen sich die polnischen Bischöfe häufig auf die Lehre von Papst Franziskus. In den Dokumenten der Polnischen Bischofskonferenz des Jahres 2015 wurde Papst Franziskus über 70 mal erwähnt. In den vergangenen Jahren haben ihn die Bischöfe in allen Hirtenbriefen zitiert (von Anfang 2015 an waren dies insgesamt 11 Briefe). Er wurde auch in allen Stellungnahmen der Plenarversammlungen in den Jahren 2015 und 2016 erwähnt. Auf Papst Franziskus und seine Lehre nehmen der Vorsitzende der Polnischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanisław Gądecki, sowie der Primas von Polen, Erzbischof Wojciech Polak, häufig Bezug. Der gegenwärtige Papst wird auch in den Dokumenten der Kommissionen, Räte und Gruppen der Polnischen Bischofskonferenz oft zitiert, sowohl in denjenigen, die moralische Themen betreffen, wie auch soziale Probleme.

Als der Generalsekretär der Polnischen Bischofskonferenz, Bischof Artur Miziński, für die polnische Kirche eine Bilanz des 2015 zog, betonte er, dass die Polnische Bischofskonferenz sich im Geiste der Lehre von Papst Franziskus engagiere, um die Ehe und die Familie zu unterstützen und zu schützen, aber auch, um Werte, wie etwa die Menschenwürde, zu verteidigen.

Der Besuch von Papst Franziskus in Polen bietet eine weitere Gelegenheit, um seine Lehre aufmerksam zu hören und sie ins tägliche Leben umzusetzen. Die Worte des Papstes, die wir im Juli hören werden, werden für uns besonders wichtig sein, weil sie auf polnischer Erde im Jahr der Barmherzigkeit ausgesprochen werden.

Pfarrer Paweł Rytel-Andrianik ist Pressesprecher der Polnischen Bischofskonferenz

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Quelle 27. MAI 2016


Die Eucharistie als Katalysator für unser geistliches Leben

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Giovanni Battista Montini - Brescia

Giovanni Battista Montini, Foto Aus Anlass Seiner Priesterweihe / Wikimedia Commons – Brescia Photo, Public Domain

Erzbischof Giovanni Battista Montini (später Papst Paul VI.)
an seine Priester

Papst Paul VI. wurde am 19. Oktober 2014 selig gesprochen – ein Zeichen dafür, dass sich die Kirche weltweit wieder auf sein Leben und Werk zurückbesinnt. Als Erzbischof von Mailand hatte er den Brauch eingeführt, sich am Gründonnerstag mit einem Brief an alle Priester seines Erzbistums zu wenden.

Aufgrund des Fronleichnamsfests, der verwandten Thematik und der Tatsache, dass der Montini-Papst an einem 29. Mai (1920) zum Priester geweiht worden ist, stellen wir im Folgenden unseren Lesern Auszüge aus einem dieser Briefe vor (es handelt sich um das Gründonnerstagsschreiben vom 15. April 1962).

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… Jesus wollte seine mit einem Opfer verbundene Gegenwart unter uns in einem Sakrament, das heißt in einem heiligen Zeichen, verewigen. Von daher leitet sich zunächst unsere elementare Pflicht ab, den Sinn dieses Zeichens zu erkennen, denn man muss wissen, wie es in seiner Bedeutung zu erfassen ist. Um Christus in diesem Zeichen zu begegnen, muss man also eine Geistesgegenwart mitbringen, achtsam, nachdenklich, gesammelt sein.

Das Sakrament wirkt ex opere operato, indem man es vollzieht, doch müssen besondere Voraussetzungen erfüllt sein, damit es seine Früchte hervorbringen kann – erste und unumgängliche Voraussetzung hierfür ist der Stand der Gnade; weiterhin im Menschen ein bewusster Glaube und eine bewusste Liebe, und bei Personen, die – wie in unserem Fall – in besonderer Weise zu diesem hohen Festmahl geladen worden sind, setzt es eine tiefe innere Sammlung voraus.

Jesus hat sich zugleich dargeboten und verborgen. Dargeboten hat er sich in seiner wirklichen Gegenwart, verborgen unter den sakramentalen Gestalten. Das heißt, wenn wir uns mit ihm unterhalten wollen, müssen wir eingeweiht sein und wissen, wie man seine mystische Gabe innerlich erkennt. Die Erkenntnis wird uns in geistiger Weise Leben spenden. Auch wenn man es in sichtbarer Weise feiern muss, muss man es doch auf unsichtbare Weise verstehen, so die mahnenden Worte des heiligen Augustinus (in Ps 98, Nr. 9). Wenn wir also etwas verstehen und genießen wollen, müssen wir in jene Sphäre des Altarsakraments eintreten, die jenseits des Wahrnehmbaren liegt. Und wieder heißt es beim heiligen Augustinus: Wenn etwas im Sakrament auf sichtbare Weise konsumiert wird, soll es wahrhaft auf geistige Weise gegessen und auf geistige Weise getrunken werden (Sermo 131, Nr. 1). In alltäglicherer Sprache könnte man sagen, dass die Eucharistie den Ruf zum geistlichen Leben beinhaltet, uns darin erzieht und dazu verpflichtet.

Die Reden Jesu beim Abendmahl sollten genügen, um uns dies unter Beweis zu stellen – diese aus dem Herzen stammenden Worte, die ein Eingangstor sind für unsere intime Zwiesprache mit Christus! Wir müssen sie uns in Erinnerung rufen. Die geistigen Eindrücke, die der Herr in jener unmittelbar dem eucharistischen Mahl folgenden und der herannahenden Passion vorausgehenden Stunde seinen Freunden vermittelt, muss man immer wieder in sich wachrufen. Diese extrem vertraulichen Botschaften haben mit Sicherheit zu anderen Zeiten in unseren Herzen Augenblicke selbstvergessener Anbetung erzeugt; und man muss den Vorsatz erneuern, sie nach Möglichkeit wieder einmal langsam und in Stille zu lesen, sie vertieft zu meditieren und sich davon faszinieren zu lassen.

Die Eucharistie lädt uns ein, in die geheime Kammer unseres Geistes einzutreten: Jesus ist da, doch nur wenn wir ein gewisses Maß an innerer Tiefe erreicht haben, können wir uns dieser heilsamen Begegnung erfreuen. So wie er auf uns zukommt, müssen wir uns auf seine Ebene, zu ihm hinauf schwingen, dahin, wo er auf uns wartet und sich uns gewährt. In die Kammer des inneren Schweigens und jener geistigen Anstrengung, die wir auf uns nehmen, um in unsere Gedankenwelt Reinheit, Ruhe und Vertrauen zu bringen; in jene Kammer, in der wir den inneren Akt des Glaubens setzen („mysterium fidei“: erinnern wir uns daran?), wo wir unsere Liebe und unsere priesterliche Hingabe zur inneren Opfergabe machen.

Dieses Innenleben, das der Eucharistie und dem Priestertum entspricht, verlangt von uns eine Vorbereitung, deren Zugangspforten wir sehr gut kennen. Es sind deren drei. Die erste könnte man als die rituelle Zugangspforte bezeichnen. Es reicht nicht aus, das Zeremoniell einzuhalten, mit der die Eucharistie von allen Seiten umgeben wird. Man muss die Texte kennen, die den Vollzug der Eucharistiefeier regeln, aber auch wissen, wo sie herkommen und welche Ausdruckskraft sie besitzen. Und schließlich muss man ihre begriffliche und symbolische Bedeutung kennen. Der Ritus ist eine Sprache. Wer die Sprache nicht kennt, versteht nicht, worum es geht.

Natürlich haben wir uns schon im Seminar und im Gottesdienst eingeübt und diese Vorbereitung erworben; doch eine gewisse Aufmerksamkeit gegenüber diesem äußeren Apparat wird nie überflüssig sein, wenn wir den Vollzug gut, genau und würdig begehen wollen. Das wird uns daran erinnern, dass wir uns nicht im Bereich mechanisch abzuwickelnder Gesten oder leerer Worte befinden, sondern dauernd und auf vielschichtige Weise eine Fülle von Bedeutungen zum Ausdruck bringen sollen. Nihil sine voce; [„nichts ist ohne Sprache“ – 1 Kor 14,10] Beim Vollzug des Ritus ist nichts unnütz und bedeutungslos; vielmehr läuft für denjenigen, der ihn vollzieht und für die, die ihm beiwohnen, alles auf ein Verständnis hinaus, das oft einen Vorgeschmack des Tiefen, des Geheimnisvollen, des Künstlerischen – mit einem Wort: des Geistlichen – vermittelt.

Dann treten wir durch die zweite Pforte in diese Erkenntniswelt ein und befinden uns bei der theologischen Vorbereitung, die nicht nur eine begriffliche Dimension umfasst, sondern auch und vor allem eine ontologische, das heißt reale und objektive Wahrheit betrifft, die jenseits unserer persönlichen Erfahrungswelt liegt. Hier werden wir dazu gebracht, das göttliche Wort, das unsere Lippen wiederholen, zu hören und seine wahre Bedeutung anzunehmen: Wir sind beim Akt des Glaubens angelangt. Welches Maß an innerer Tiefe das verlangt! Welch eine moralische Stärke! Welchen Grad an persönlicher Hingabe! Der Glaubensakt sprießt in jenem inneren Schweigen auf, das alle Vermögen des Geistes bündelt und zusammenfasst: in einer Atmosphäre der Sammlung, der Nachdenklichkeit und jener Anstrengung, die alle Vermögen zur Anerkennung der Wahrheit/Wirklichkeit, mit der der Ritus uns  konfrontiert, eint: Und das ist die Anbetung. Und diese Innerlichkeit sucht sich ausdrücken: adoro Te devote, latens deitas, quae sub his figuris vere latitas...

Beim dritten Schritt der inneren Vorbereitung öffnet sich uns dann die Zugangspforte zum Mysterium, das heißt die Pforte zur wirksamen Gegenwart Christi, der mit uns, für uns und in uns sein unerschöpfliches Heilswerk vollbringt und noch einmal an unsere Seele diese wunderbaren Worte zu richten scheint: Bleibt in meiner Liebe (Joh 15, 9); und erinnern wir uns daran: Wer mich sieht, sieht den Vater (Joh 14,9). Es scheint so, als ob uns an dieser Stelle angelangt die Wahrnehmung – wenn nicht sogar die Anschauung – der unendlichen Güte den Atem raubt, wie bei jemandem, der bereits angespannt die endgültige Schau erwartet.

Wer diese weder allzu leicht noch allzu schwierig zu erreichende geistige Erfahrung macht – sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen hohen Grad an subjektivem Bewusstsein voraussetzt, was mit der fortschreitenden Entdeckung der objektiven Wirklichkeit des eucharistischen Geheimnisses Hand in Hand geht – spürt, wie in ihm die Überzeugung entsteht, dass dieser Zustand für uns Priester der normale sein müsste. Für diese Begegnung sind wir geschaffen, zu dieser Zwiesprache sind wir immer geladen, nur diese Freude sättigt uns ganz: Es ist gut für uns, hier zu sein (Mt 17,4).

Doch wie gelangt man dahin? Einerseits stellt unser Priestertum aufgrund des Geheimnisses, das es feiert, den steten Anspruch einer tiefen Innerlichkeit, andererseits zwingt die Weihe uns von Natur aus dazu, ständig nach außen hin und in immer weitläufigeren Kreisen tätig zu sein, denn das gehört zur Ausübung des Dienstes, zu dem wir bestellt sind. Ist das Priestertum etwa nicht ein Dienst am Nächsten? In unserem Leben trägt sich also ein Streit zwischen zwei entgegengesetzten Polen aus: dem inneren Schweigen und der äußeren Geschäftigkeit. Wie geht man damit um?

Der heilige Gregor der Große erinnert uns in seiner berühmten Pastoralregel an diese zwei Dimensionen, die der Seelenhirt in seinem Leben zusammenführen muss, die innere und die äußere, die parallel laufen und zugleich miteinander verwoben sind, seine Spiritualität charakterisieren und das Maß seiner Heiligkeit bestimmen: bei der Beschäftigung mit den äußeren Dingen die Sorge um die inneren Dinge nicht vermindernd – so beschreibt er uns den Priester, mehr noch: allen voraus durch die Betrachtung entrückt (IIa Pars, I). Und diese Ambivalenz unseres priesterlichen Lebens ist stets ein grundlegendes Problem unserer Heiligung.

Für heute richten wir den Blick auf den überragenden Anspruch, den das Innenleben an uns stellt. Die Tiefe des Geheimnisses, das wir nicht nur feiern, sondern mit dem wir auch in Übereinstimmung leben müssen, veranlasst uns zu dieser Betrachtung. Und da das intime und geheimnisvolle Festmahl mit dem eucharistischen Christus für uns täglich bei der Feier der heiligen Messe ansteht, ist für uns die Praxis des geistlichen Lebens Pflicht und Programm. Wir wissen sehr wohl, dass das Priestertum im Apostolat einen tätigen Einsatz mit sich bringt, doch, wie der heilige Thomas sagt, setzt dieses Leben die Fülle der Kontemplation voraus (III, 40, 1, ad 2; vgl. II-II, 188, 6). Wer erinnert sich nicht an den Ausspruch: „Das Gebet ist die Seele jeden Apostolats“? So lautet denn auch die erste Regel unserer Spiritualität, die die Nachfolge Christi beinhaltet. Christus trägt in sich die ewige Schau Gottes, und er leitet seine Lehre von der Lehre ab, die ihm der Vater im Inneren mitteilt (vgl. Joh 8,26-29; 15,15).

[…]

Denken wir aber auch daran, dass, wenn wir in die innere Kammer eintreten wollen, auch das eine oder andere gewohnheitsmäßige oder momentan bestehende äußere Band gekappt werden muss. Eine Verstrickung, die zur Gewohnheit werden und sich in charakteristischer Weise verheerend auf die innere Sammlung und das Gebetsleben auswirken und diese behindern kann, nennen die Autoren, die über Askese schreiben, „Habgier“. Wir könnten es auch das „berechnende Denken“ nennen, bei dem es einzig und allein um die eigenen Interessen geht, um das Vertrauen auf die weltlichen Güter, um das clevere Kalkül dessen, was für mich herausspringt, um den Genuss der Bequemlichkeiten eines materiellen Lebens.

Heute vielleicht eher als in der Vergangenheit können auch wir Priester uns in solchen äußeren Banden, die es uns erschweren „in uns zu gehen“ (erinnern Sie sich: „in se reversus“? Lk 15,17), unmerklich verfangen haben; sie wirken wie ein Vorhang, der der inneren Kammer des Geistes alles Licht nimmt. Die Verstrickung mit den Gütern dieser Welt ist eine Sünde gegen den Geist. Sie wirkt sich auf das Gewissen aus, sie verdunkelt es, macht es einem schwierig, beim Gebet in Schwung zu kommen und unmöglich, bei der Zwiesprache mit Gott zuzuhören und etwas zu sagen.

Liebe Mitbrüder! Heute Abend, da das Geheimnis der Eucharistie, das uns alle – und alles in uns – eint, im Zentrum steht, sollten wir den Vorsätzen, die wir im geistlichen Leben in Form von Zeiten der Stille, Sammlung, Meditation und Anbetung gemacht haben, zu jener Wirksamkeit verhelfen, die sie haben sollten: Wie könnten wir, da Christus auf so einzigartige und erfüllende Weise in unserem Leben gegenwärtig ist, unsere geistige Abwesenheit rechtfertigen? Und wie sähe unser Leben aus, wenn seiner göttlichen Gegenwart auch unsere demütige und andächtige menschliche Gegenwart entspräche? Was wäre das für eine Begegnung! Welche Freude! Welche Kraft! Welche Fruchtbarkeit! Welche Heiligkeit! …

Übersetzt aus dem Italienischen von Pater Thomas Fox LC. Quelle: Giovanni Battista Montini, Discorsi e scritti milanesi (1954-1963), Istituto Paolo VI, Brescia, Verlag Studium, Rom 1997, Bd. III, SS. 5021-5027.

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Quelle


Für eine Lektüre des Schreibens „Amoris laetitia“ (ZENIT.ORG 20. April 2016)

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Eine Einstiegshilfe zur Postsynodalen Apostolischen Exhortation von Papst Franziskus

Es ist so weit. Papst Franziskus hat uns das Postsynodale Apostolische Schreiben „Amoris laetitia – Über die Liebe in der Familie“, in dem die Ergebnisse der Synoden von 2014 und 2015 zusammengefasst sind, ausgehändigt.

Ein Cartoon von Chiri, der in der spanischen Wochenzeitschrift „Alfa y Omega“ erschienen ist, erweist sich als ein getreues Abbild der Realität: Ein Herr sagt: „Seht Ihr? Der Papst gibt uns Recht!” – „Gar nicht wahr! Er bestätigt unsere Position!“ – erwidert der Gesprächspartner. „Aber der Papst hat doch noch gar nichts gesagt!“ – wirft ein Prälat aus dem Vatikan verblüfft ein. „Das ist egal… wir trainieren hier!“ – tönt es zurück. Tatsächlich scheinen die Debatten und Diskussionen in der Presse nichts damit zu tun zu haben, ob der Papst etwas gesagt hat oder nicht. Deshalb ist es in diesem Augenblick vielleicht am wichtigsten, uns auf eine aufmerksame Lektüre dieses Schreibens einzustimmen und vorzubereiten, ehe wir uns anschicken, seinen Inhalt zu kommentieren… Tatsächlich gibt uns Papst Franziskus hierzu in den ersten sieben Abschnitten von „Amoris laetitia“ (AL) einige Hinweise.

Die Absicht des Autors… Ehe man ein Urteil über den Inhalt eines Textes abgibt, versucht man als Leser und Ausleger zunächst die Absicht seines Autors zu erkennen und zu respektieren. In unserem Fall wird diese Absicht ausdrücklich erwähnt: Der Papst möchte keine Stellungnahme zu Fragen abgeben, die von Theologen diskutiert werden: „Nicht alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen müssen durch ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden“ (vgl. AL 3). Wohl möchte er aber die in der Pastoral Tätigen und die Gläubigen vor inakzeptablen extremen Positionen bewahren, so zum Beispiel vor „einem ungezügelten Verlangen, ohne ausreichende Reflexion oder Begründung alles zu verändern“ sowie vor „der Einstellung, alles durch die Anwendung genereller Regelungen oder durch die Herleitung übertriebener Schlussfolgerungen aus einigen theologischen Überlegungen lösen zu wollen“ (AL 2). Wer sich also hinter einer dieser beiden Sichtweisen verschanzt und ausgehend von dort in dem Schreiben nach Sätzen sucht, die er seinem Gegner als Wurfgeschosse entgegenschleudern kann, der liest den Text verkehrt. Hans Urs von Balthasar hat schon einmal bei passender Gelegenheit gesagt, dass einige Theologen aus dem Evangelium einen Steinbruch zur Gewinnung von Material gemacht haben, das man bei theologischen Diskussionen aufeinander werfen kann. Wenn das aber schon beim Evangelium der Fall ist… Papst Franziskus wollte die „Beiträge der beiden jüngsten Synoden über die Familie“ sammeln, „und weitere Erwägungen hinzuzufügen, die die Überlegung, den Dialog oder die pastorale Praxis orientieren können und zugleich den Familien in ihrem Einsatz und ihren Schwierigkeiten Ermutigung und Anregung bieten“ (AL 4). Der Leser sollte also weder die Standpunkte von Theologen noch von Vertretern pastoraler Lösungen vor Augen haben, sondern vielmehr die Ehepaare und das Leben jener Familien, die sich darum bemühen, innerhalb eines schwierigen und komplexen gesellschaftlichen und kirchlichen Kontexts ihre Berufung zu leben.

… und der Aufbau des Textes: Die Kommentatoren aus dem Mittelalter, die sich mit antiken Texte befassten, pflegten ihrem Kommentar eine Gliederung vorauszuschicken, die der kommentierte Text normalerweise nicht enthielt und ihn so in Teile und Abschnitte zu unterteilen. Das war der sicherste Weg, um die Absicht des Autors zu erfassen. Und es setzte eine tiefe Kenntnis des gesamten Textes voraus. Der Papst erspart uns diese Mühe und warnt uns zugleich vor der ‚allgemeinen Versuchung‘, direkt zu den pastoralen Leitlinien überzugehen, die Licht auf die Entscheidungen werfen, die in sehr komplexen und problematischen Situationen zu fällen sind – was vielleicht gerade das ist, was die Kommunikationsmittel, viele Menschen, Familien und Priester am meisten interessiert. Ehe man zu diesen Themen (die in Kapitel 8 behandelt werden) vorstößt, muss ein Weg zurückgelegt werden, der mehrere Etappen (Kapitel) mit sehr genauer Zielsetzung umfasst, was der Papst unter Nr. 6 erklärt: „Beim Aufbau des Textes werde ich mit einer von der Heiligen Schrift inspirierten Eröffnung beginnen, die ihm eine angemessene Einstimmung verleiht [Kap. 1]. Von da ausgehend werde ich die aktuelle Situation der Familien betrachten, um ‚Bodenhaftung‘ zu bewahren [Kap. 2]. Danach werde ich an einige Grundfragen der Lehre der Kirche über Ehe und Familie erinnern [Kap. 3], um so zu den beiden zentralen Kapiteln zu führen, die der Liebe gewidmet sind [Kap. 5-6]. In der Folge werde ich einige pastorale Wege vorzeichnen, die uns Orientierung geben sollen, um stabile und fruchtbare Familien nach Gottes Plan aufzubauen [Kap. 6]; in einem weiteren Kapitel werde ich mich mit der Erziehung der Kinder beschäftigen [Kap. 7]. Danach geht es mir darum, zur Barmherzigkeit und zur pastoralen Unterscheidung einzuladen angesichts von Situationen, die nicht gänzlich dem entsprechen, was der Herr uns aufträgt [Kap. 8], und zum Schluss werde ich kurze Leitlinien für eine Spiritualität der Familie entwerfen [Kap. 9]“.

Wie sollte man das Apostolische Schreiben lesen? „Ich empfehle nicht, es hastig ganz durchzulesen“ (vgl. AL 7). Das versucht derjenige zu tun, der den Text auf der Suche nach Neuerungen überfliegt. Wir Gläubige stehen vor dem, was eine breit angelegte und reichhaltige Reflexion, die von zwei Synoden durchgeführt und dem Urteil des Heiligen Vaters unterbreitet worden ist, hervorgebracht hat: einem ausgereiften Ergebnis. Unsere Wertschätzung für diesen päpstlichen Text bringen wir theoretisch und praktisch dadurch zum Ausdruck, dass wir folgende Ratschläge beachten: Erstens, indem wir „Abschnitt für Abschnitt geduldig vertiefen“ (AL 7), den Text in Ruhe studieren und vertieft darüber nachdenken. Zweitens, indem wir ihn zu einem Lebensbegleiter (Vademekum) machen und jeder „nach dem sucht, was er in der jeweiligen konkreten Situation braucht“ (vgl. AL 7).

Kontinuität. Wie das schon bei den Konzilstexten der Fall war, gibt es vielleicht Stimmen, die behaupten, der Text sei nicht im Geist von demnach „fortschrittlicheren“ Synoden geschrieben worden, oder er stehe nicht treu zur Tradition… Dank der Erfahrung vergangener Jahre und der Perspektive, die uns das verschafft, können wir Kardinal Ratzingers Aussagen über das Konzil hier paraphrasieren. Das wertvollste Erbe der Synode ist nämlich dieser in Kontinuität mit dem bisherigen Lehramt in rechter Weise auslegte Text. Papst Franziskus scheint dies unterstreichen zu wollen, denn der Text geht sehr verschwenderisch mit Zitaten aus den Synodenberichten und aus Texten seiner beiden Vorgänger um: des heiligen Johannes Paul II. und seiner „Familiaris consortio“ und Benedikts XVI. und seinem Lehrschreiben „Deus Caritas“ (unter anderem).

Ein Anreiz: Als das Apostolische Schreiben der Presse vorgestellt wurde, betonte man, die Sprache von Papst Franziskus sei klar, einfach und konkret. Das ziehe ich nicht in Zweifel. Doch fände ich es gut, wenn sich der Leser von ein paar Überlegungen reizen lassen würde, die Etienne Gilson in seinem Werk „Le philosophe et la théologie” anstellt, da er erkannte, dass Philosophen sich selten dazu entschließen konnten, päpstliche Lehrschreiben zu lesen, die ihnen zu schwierig waren. Ich bin überzeugt, dass die von Gilson angemahnte Umsicht weiterhin am Patz ist und dass diese Texte eine sehr aufmerksame, reflexive Lektüre erfordern, um so den Wert jedes Satzes im Gesamtkontext des Schreibens, den Wert einiger Pausen und – wie Gilson es ausdrücken würde – die Präzision einiger Ungenauigkeiten zu erfassen. Obwohl die Schwierigkeit der Lektüre sich aus anderen Gründen ergibt, erweist sich hier folgender Text von Gilson als einschlägig: „Die Schwierigkeit besteht nicht darin, dass diese Texte in einem blumigen Amtslatein voller humanistischer Eleganz geschrieben sind, sondern eher darin, dass die Lehre und ihr Sinn nicht immer leicht zu erfassen sind. Wenn man dann das Problem der Übersetzung angeht, versteht man bei dem Versuch wenigstens am Ende, warum der Stil berechtigt ist. Man kann dieses päpstliche Latein nicht mit Worten ersetzen, die aus irgendeiner großen modernen Literatursprache entstammen; noch viel weniger kann man diese Sätze auseinandernehmen und auf andere Weise zusammenfügen, ohne dabei sofort zu bemerken, dass man bei dieser Operation, ganz gleich, wie viel Mühe man sich gibt, gegenüber dem Original an Kraft verliert, und nicht nur an Kraft, sondern auch an Präzision, was noch nicht das Schlimmste ist, denn die eigentliche Schwierigkeit, die denjenigen, die die Probe aufs Exempel machen, gut bekannt ist, besteht darin, sehr genau das zu beachten, was man, ohne dabei ins Paradoxe zu geraten, die Präzision seiner Ungenauigkeiten nennen könnte – die weise ausgeklügelte Präzision seiner gewollten Ungenauigkeiten. Wie oft meint man doch nach reifer Überlegung, dass man weiß, was das Lehrschreiben in Bezug auf ein ganz bestimmtes Thema aussagen will, doch tut es das nicht genau, und zweifellos gibt es Gründe, um angelangt an bestimmten Übergängen einer weitergehenden Festlegung des Gedankens zu wehren, weil man dafür sorgen möchte, dass man zur Aufnahme möglicher Neuerungen immer offen und bereit bleibt.“ Abschließend bittet Gilson christliche Philosophen darum, nicht nur Theologiekurse zu belegen, sondern auch eine päpstliche Universität zu besuchen, wo man lehrt, die päpstlichen Dokumente zu lesen. Als Rektor eines Päpstlichen Athenäums spreche ich diese Einladung natürlich erneut aus, doch beschränke ich mich etwas genügsamer darauf, Gläubige und in der Pastoral Tätige – an sie ist das Schreiben „Amoris laetitia“ gerichtet – einzuladen, diesen langersehnten Text über eine Frage, die den Lebensnerv vieler Menschen, Familien, der Gesellschaft und der Kirche trifft: „die Liebe in der Familie“, in Ruhe zu lesen und seinen tiefen Sinn zu erfassen.

Pater Jesus Villagrasa LC ist Rektor des Päpstlichen Athenäums Regina Apostolorum in Rom

Übersetzt von Pater Thomas Fox LC aus dem spanischen Originalartikel https://es.zenit.org/articles/para-una-lectura-de-la-amoris-laetitia/

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Quelle


Es gibt keine Sakramente auf Bezahlung

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Audienz für die Internationale Vereinigung
von Generaloberinnen (UISG)

Die Ordensoberinnen haben sich bei der Audienz mit dem Heiligen Vater zahlreich zu Wort gemeldet und ihm dabei verschiedene Fragen gestellt.

[In der ersten Frage geht es um eine bessere Eingliederung der Frauen in das Leben der Kirche.] Papst Franziskus, Sie haben gesagt, dass das weibliche Talent unentbehrlich ist in allen Ausdrucksformen des Lebens der Kirche und der Gesellschaft, und dennoch sind die Frauen von den Entscheidungsprozessen in der Kirche, vor allem auf den höchsten Ebenen, sowie von der Predigt in der Eucharistiefeier ausgeschlossen. Ein wichtiges Hindernis für die volle Annahme des »weiblichen Talents« durch die Kirche ist die Tatsache, dass sowohl die Entscheidungsprozesse als auch die Predigt an die Priesterweihe gebunden sind. Sehen Sie eine Möglichkeit, sowohl Führungsaufgaben als auch die Predigt im Rahmen der Eucharistie von der Weihe zu trennen, damit unsere Kirche in sehr naher Zukunft offener sein kann, das Talent der Frauen anzunehmen?

Papst Franziskus: Hier müssen wir verschiedene Dinge unterscheiden. Die Frage ist an die Funktionalität gebunden, sie ist eng an die Funktionalität gebunden, während die Rolle der Frau darüber hinausgeht. Ich antworte jetzt aber auf die Frage, dann sprechen wir darüber… Ich habe gesehen, dass es andere Fragen gibt, die darüber hinausgehen.

Es ist wahr, dass die Frauen von den Entscheidungsprozessen in der Kirche ausgeschlossen sind: ausgeschlossen nicht, aber die Einbindung der Frauen ist dort, in den Entscheidungsprozessen, sehr schwach. Wir müssen vorangehen. Zum Beispiel – ich sehe da wirklich keine Schwierigkeiten – glaube ich, dass im Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden das Sekretariat von einer Frau, einer Ordensfrau, geleitet wird. Es wurde eine andere vorgeschlagen, und ich habe sie ernannt, aber sie hat abgelehnt, weil sie woanders hingehen sollte, um andere Aufgaben für ihre Kongregation zu übernehmen. Man muss darüber hinausgehen, denn für viele Aspekte der Entscheidungsprozesse ist die Weihe nicht notwendig. Sie ist nicht notwendig. In der Reform der Apostolischen Konstitution Pastor bonus über die Dikasterien – wenn keine Gerichtsbarkeit besteht, die aus der Weihe hervorgeht, also bischöfliche Gerichtsbarkeit – steht nicht geschrieben, dass es eine Frau sein kann. Ich weiß nicht, ob an der Spitze des Dikasteriums, aber… Zum Beispiel für die Migranten: Im Dikasterium für die Migranten könnte eine Frau gehen. Und wenn Notwendigkeit zur Ausübung der Gerichtsbarkeit besteht – jetzt, da die Migranten in die Zuständigkeit eines Dikasteriums fallen –, dann wird der Präfekt die Genehmigung erteilen. Aber im Alltag kann es gehen, bei der Durchführung des Entscheidungsprozesses. Für mich ist die Erarbeitung der Entscheidungen sehr wichtig: nicht nur ihre Ausführung, sondern auch die Erarbeitung. Das heißt, dass die Frauen – sowohl geweihte Frauen als auch Frauen im Laienstand – in diesem Prozess in die Reflexion und in die Debatte einbezogen werden. Denn die Frau betrachtet das Leben mit eigenen Augen, und wir Männer können es nicht so betrachten. Und eine Frau sieht ein Problem oder sonst irgendetwas anders als der Mann. Sie müssen einander ergänzen, und es ist wichtig, dass Frauen bei den Beratungen anwesend sind.

In Buenos Aires habe ich einmal die Erfahrung mit einem Problem gemacht: Als ich es mit dem Priesterrat – also nur mit Männern – betrachtete, wurde es gut abgehandelt. Die an­schließende Betrachtung mit einer Gruppe von Ordensfrauen und Frauen im Laienstand hat es sehr, sehr bereichert und die Entscheidung durch eine ergänzende Sicht unterstützt. Das ist notwendig, es ist notwendig! Und ich denke, wir müssen damit weitermachen, der Entscheidungsprozess, dann wird man sehen.

Dann ist da das Problem der Predigt in der Eucharistiefeier. Es ist kein Problem, wenn eine Frau – eine Ordensfrau oder eine Frau im Laienstand – in einer Wort-Gottes-Feier die Predigt hält. Das ist kein Problem. In der Eucharistiefeier gibt es jedoch ein liturgisch-dogmatisches Problem, denn es handelt sich um eine einzige Feier – der Wortgottesdienst und die Eucharistiefeier sind eine Einheit –, und den Vorsitz in ihr hat Jesus Christus. Der Priester oder der Bischof, der den Vorsitz hat, handelt in der Person Jesu Christi. Das ist eine theologisch-liturgische Wirklichkeit. Da es keine Priesterweihe für Frauen gibt, können diese in jener Situation nicht den Vorsitz haben. Man kann das, was ich jetzt sehr schnell und etwas vereinfacht dargelegt habe, jedoch noch besser untersuchen und erläutern.

Was Führungsaufgaben betrifft, gibt es jedoch kein Problem: Diesbezüglich müssen wir vorangehen, mit Klugheit, aber auf der Suche nach Lösungen…

Es gibt hier zwei Versuchungen, vor denen wir uns in Acht nehmen müssen.

Die erste ist der Feminismus: Die Rolle der Frau in der Kirche ist kein Feminismus, sie ist ein Recht! Es ist das Recht einer Getauften mit den Charismen und Gaben, die der Geist geschenkt hat. Man darf nicht in den Feminismus verfallen, denn das würde die Bedeutung der Frau schmälern. In diesem Augenblick sehe ich diesbezüglich keine große Gefahr bei den Ordensfrauen. Ich sehe sie nicht. Vielleicht früher einmal, aber im Allgemeinen ist sie nicht vorhanden.

Die andere Gefahr, die eine sehr starke Versuchung darstellt und über die ich schon oft gesprochen habe, ist der Klerikalismus. Und diese ist sehr stark. Denken wir nur daran, dass über 60 Prozent der Pfarreien – bei den Diözesen weiß ich es nicht, aber nur etwas weniger – keinen Wirtschaftsrat und keinen Pastoralrat haben. Was heißt das? Dass jene Pfarrei und jene Diözese mit klerikalem Geist geleitet werden, nur vom Priester, der die Synodalität auf der Ebene der Pfarrei oder der Diözese nicht umsetzt. Und sie ist keine Neuheit dieses Papstes. Nein! Es steht im Kirchenrecht: Der Pfarrer ist verpflichtet, einen Laienrat zu haben, für und mit Laien – Män­ner und Frauen im Laienstand sowie Ordensfrauen –, für die Seelsorge und für wirtschaftliche Belange. Und das geschieht nicht. Und das ist heute in der Kirche die Gefahr des Klerikalismus. Wir müssen vorangehen und diese Gefahr aus dem Weg räumen, denn der Priester ist ein Diener der Gemeinschaft, der Bischof ist ein Diener der Gemeinschaft, aber er ist nicht der Chef eines Unternehmens. Nein! Das ist wichtig. In Latein­amerika zum Beispiel ist der Klerikalismus sehr stark, sehr ausgeprägt. Die Laien wissen nicht, was sie tun sollen, wenn sie nicht den Priester fragen… Es ist sehr stark. Und daher ist das Be­wusstsein für die Rolle der Laien in Lateinamerika sehr stark im Rückstand.

Nur in der Volksfrömmigkeit hat es sich etwas davor gerettet: Denn der Protagonist ist das Volk, und das Volk hat die Dinge so getan wie sie kamen. Die Priester interessierte dieser Aspekt nicht so sehr, und einige von ihnen misstrauten dem Phänomen der Volksfrömmigkeit. Aber der Klerikalismus ist eine negative Haltung. Und er kommt als Komplize daher, denn man braucht dafür zwei, wie für den Tango, den man zu zweit tanzt… Also den Priester, der den Mann oder die Frau im Laienstand, den Ordensbruder und die Ordensschwester klerikalisieren will, und den Laien, der darum bittet, klerikalisiert zu werden, weil es bequemer ist. Das ist seltsam. In Buenos Aires habe ich diese Erfahrung drei oder vier Mal gemacht: Ein guter Pfarrer kommt zu mir und sagt: »Wissen Sie, ich habe einen sehr tüchtigen Laien in der Pfarrei: Er tut dies und das, er kann organisieren, er ist engagiert, er ist wirklich ein wertvoller Mann… Sollen wir ihn zum Diakon machen?« Also: Sollen wir ihn »klerikalisieren«? »Nein! Lass ihn im Laienstand. Mach ihn nicht zum Diakon.« Das ist wichtig. Auch euch passiert es oft, dass der Klerikalismus euch in der rechtmäßigen Entwicklung der Sache bremst.

Ich werde die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung bitten – und der Präsidentin lasse ich es vielleicht zukommen –, das, was ich über die Predigt in der Eucharistiefeier etwas oberflächlich gesagt habe, besser und tiefer zu erläutern. Denn ich habe nicht genügend Theologie und Klarheit, um es jetzt zu erklären. Man muss jedoch gut unterscheiden: Eine Sache ist die Predigt in einer Wort-Gottes-Feier, und das kann man machen; etwas anderes ist die Eucharistiefeier, hier ist ein anderes Geheimnis vorhanden. Es ist das Geheimnis des gegenwärtigen Christus, und der Priester oder der Bischof feiern die Eucharistie »in persona Christi«.

Was die Führungsaufgaben betrifft, ist es klar… Ja, ich glaube, das kann meine allgemeine Antwort auf die erste Frage sein. Kommen wir zur zweiten.

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[Gegenstand der zweiten Frage war die Rolle der geweihten Frauen in der Kirche.] Die geweihten Frauen arbeiten bereits viel mit den Armen und mit den Ausgegrenzten. Sie geben Katechismusunterricht, begleiten die Kranken und Sterbenden, spenden die Kommunion, in vielen Ländern leiten sie die gemeinsamen Gebete, wenn keine Priester da sind, und in diesem Rahmen predigen sie. In der Kirche gibt es das Amt des ständigen Diakonats, aber es steht nur Männern offen, verheirateten und unverheirateten. Was hindert die Kirche daran, auch Frauen unter die ständigen Diakone aufzunehmen, genau wie es in der frühen Kirche geschehen ist? Warum setzt man keine offizielle Kommission ein, die diese Frage untersuchen könnte? Können Sie uns ein Beispiel nennen, wo Sie eine Möglichkeit zur besseren Eingliederung der Frauen und der geweihten Frauen in das Leben der Kirche sehen?

Papst Franziskus: Diese Frage geht in Richtung auf das »Tun«: Die geweihten Frauen arbeiten schon viel mit den Armen, sie tun viele Dinge… im »Tun«. Und sie betrifft das Thema des ständigen Diakonats. Jemand könnte sagen, dass die »ständigen Diakoninnen« im Leben der Kirche die Schwiegermütter sind [Der Papst und die Anwesenden lachen]. Tatsächlich gibt es das in der Antike: Es gab einen Anfang… Ich erinnere mich, dass dieses Thema mich ziemlich interessierte, als ich zu Versammlungen nach Rom kam und in der »Domus Paolo VI« untergebracht war. Dort war ein guter syrischer Theologe; er hatte die kritische Edition und die Übersetzung der Hymnen Ephräms des Syrers herausgegeben. Und eines Tages habe ich ihn darüber befragt, und er hat mir erklärt, dass es in der Frühzeit der Kirche einige »Diakonissen« gab. Aber was sind diese Diakonissen? Waren sie geweiht oder nicht? Auf dem Konzil von Chalkedon (451) ist von ihnen die Rede, aber es ist nicht ganz klar. Welche Rolle hatten die Diakonissen in jener Zeit? Es scheint – so sagte mir jener Mann, der inzwischen verstorben ist; er war ein guter Professor, weise, gelehrt –, es scheint, dass die Rolle der Diakonissen darin bestand, bei der Taufe der Frauen zu helfen, beim Eintauchen. Sie tauften sie, wegen des Anstands, auch um die Ölungen am Leib der Frauen vorzunehmen, bei der Taufe. Und auch eine interessante Sache: Wenn es ein Eheurteil gab, weil der Ehemann seine Frau schlug und diese zum Bischof ging, um sich zu beklagen, dann waren die Diakonissen beauftragt, die blauen Flecken anzusehen, die die Schläge des Mannes auf dem Leib der Frau hinterließen, und den Bischof darüber zu informieren. Daran erinnere ich mich. Es gibt einige Veröffentlichungen über das Diakonat in der Kirche, aber es ist nicht klar, wie es ausgesehen hat. Ich glaube, ich werde die Kongregation für die Glaubenslehre bitten, mich über die Studien zu diesem Thema zu informieren, denn ich habe euch nur auf der Grundlage dessen geantwortet, was ich von jenem Priester, einem gelehrten und guten Wissenschaftler, über das ständige Diakonat gehört habe. Außerdem möchte ich eine offizielle Kommission einrichten, die diese Frage untersuchen kann: Ich glaube, es wird der Kirche guttun, diesen Punkt zu klären; ich bin einverstanden und werde Gespräche führen, um so etwas zu machen.

Dann sagt ihr: »Wir stimmen mit Ihnen über­ein, Heiliger Vater, bezüglich der Notwendigkeit einer bedeutenderen Rolle der Frauen in den Entscheidungspositionen der Kirche, auf die Sie mehrmals verwiesen haben.« Das ist klar. »Können Sie uns ein Beispiel nennen, wo Sie die Möglichkeit einer besseren Eingliederung der Frauen und der geweihten Frauen in das Leben der Kirche sehen?« Ich werde etwas sagen, das später kommt, denn ich habe gesehen, dass es eine allgemeine Frage gibt. An den Beratungen der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens, an den Versammlungen müssen die geweihten Frauen teilnehmen: Das ist sicher. An den Beratungen über die vielen Probleme, über die gesprochen wird, müssen die geweihten Frauen teilnehmen. Eine andere Sache: eine bessere Eingliederung. Im Augenblick fallen mir keine konkreten Dinge ein, sondern immer nur das, was ich vorhin gesagt habe: das Urteil der geweihten Frau einholen, denn die Frau sieht die Dinge mit eigenen Augen und anders als die Männer, und das ist bereichernd – sowohl für die Beratung als auch für die Entscheidung und die konkrete Umsetzung.

Eure Arbeit mit den Armen, den Ausgegrenzten, den Katechismus lehren, die Kranken und die Sterbenden begleiten: Das sind sehr »mütterliche« Tätigkeiten, in denen die Mütterlichkeit der Kirche besser zum Ausdruck kommt. Aber es gibt auch Männer, die dasselbe tun, und zwar gut: geweihte Männer, Hospitalorden… Und das ist wichtig.

Also, was das Diakonat betrifft, ja, ich nehme den Vorschlag an: Eine Kommission, die das gut klärt, vor allem in Bezug auf die Frühzeit der Kirche, scheint mir nützlich zu sein.

Im Hinblick auf eine bessere Eingliederung wiederhole ich das, was ich vorhin gesagt habe.

Wenn es etwas genauer zu erläutern gibt, dann fragt jetzt nach: Gibt es zu dem, was ich gesagt habe, noch eine Frage, die mir beim Nachdenken helfen kann? Nur zu…

[Die dritte Frage befasste sich mit der Rolle der Internationalen Vereinigung von Generaloberinnen.] Welche Rolle könnte der Internationalen Vereinigung von Generaloberinnen zukommen, um im Denken der Kirche mitzureden und gehört zu werden, angesichts der Tatsache, dass sie die Stimme von 2000 weiblichen Ordensinstituten einbringt? Wie ist es möglich, dass wir sehr oft vergessen und nicht einbezogen werden, zum Beispiel in die Vollversammlung der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens, wo es um das geweihte Leben geht? Kann die Kirche es sich erlauben, über uns zu sprechen statt mit uns zu sprechen?

Papst Franziskus: Schwester Teresina, haben Sie etwas Geduld, denn mir ist etwas eingefallen, das ich bei der anderen Frage vergessen habe, zum Thema: »Was kann das weibliche Ordensleben tun?« Es ist ein Kriterium, über das ihr nachdenken und über das auch die Kirche nachdenken muss. Eure Arbeit, meine Arbeit und die Arbeit aller besteht darin, einen Dienst zu leisten. Oft begegne ich jedoch geweihten Frauen, die als Bedienstete tätig sind statt einen Dienst zu tun. Es ist etwas schwierig zu erklären, denn ich möchte nicht, dass man an konkrete Fälle denkt, was vielleicht ein schlechter Gedanke wäre, denn niemand kennt wirklich die Umstände. Aber denken wir an einen Pfarrer, den wir uns zur Sicherheit ausdenken: »Nein, nein, mein Pfarrhaus ist in den Händen von zwei Ordensschwestern.« – »Und sie kümmern sich um alles?« – »Ja, ja!« – »Und welches Apostolat üben sie aus? Katechismusunterricht?« – »Nein, nein. Nur das!« Nein! Das sind Bedienstete! Sagen Sie mir, Herr Pfarrer, ob es in Ihrer Stadt keine tüchtigen Frauen gibt, die Arbeit brauchen. Stellen Sie eine oder zwei an, um diesen Dienst zu verrichten. Die beiden Ordensschwestern sollen lieber in die Schulen, in die Wohnviertel, zu den Kranken, zu den Armen gehen. Das ist das Kriterium: einen Dienst tun und nicht als Bedienstete tätig sein! Und wenn man euch Oberinnen um etwas bittet, das kein Dienst, sondern vielmehr eine Tätigkeit als Bedienstete ist, dann seid mutig und sagt »nein«. Dieses Kriterium ist sehr hilfreich. Denn wenn man will, dass eine geweihte Frau als Bedienstete tätig ist, dann werden das Leben und die Würde dieser Frau abgewertet. Ihre Berufung ist der Dienst: der Dienst an der Kirche, wo auch immer sie ist. Aber keine Tätigkeit als Bediens­tete!

Und jetzt [antworte ich] Teresina: »Welchen Platz hat Ihrer Ansicht nach das apostolische Ordensleben der Frauen innerhalb der Kirche? Was würde der Kirche fehlen, wenn es keine Ordensfrauen mehr gäbe?« Es würde Maria am Pfingsttag fehlen! Es gibt keine Kirche ohne Maria! Es gibt kein Pfingsten ohne Maria! Maria war da, vielleicht sagte sie nichts… Das habe ich bereits gesagt, aber ich wiederhole es gern. Die geweihte Frau ist eine Ikone der Kirche, sie ist eine Ikone Marias. Der Priester ist keine Ikone der Kirche; er ist keine Ikone Marias; er ist eine Ikone der Apostel, der Jünger, die ausgesandt sind, um zu predigen. Aber nicht der Kirche und Marias. Wenn ich das sage, möchte ich euch zum Nachdenken bringen über die Tatsache, dass »die« Kirche weiblich ist. Die Kirche ist Frau: Es heißt nicht »der« Kirche, es heißt »die« Kirche. Sie ist jedoch eine Frau, die mit Jesus Christus verheiratet ist, sie hat ihren Bräutigam: Jesus Christus. Und wenn ein Bischof für eine Diözese erwählt wird, dann heiratet der Bischof – im Namen Christi – jene Teilkirche. Die Kirche ist Frau! Und die Weihe einer Frau macht sie zur Ikone der Kirche und zur Ikone Marias. Und das können wir Männer nicht tun. Das soll euch helfen, von dieser theologischen Wurzel her eine große Rolle in der Kirche zu vertiefen. Und ich möchte, dass das nicht übersehen wird.

Ich bin völlig einverstanden [mit dem Schluss der dritten Frage]. Die Kirche: Die Kirche seid ihr, die Kirche sind wir alle. Die Hierarchie – sagen wir – der Kirche muss von euch sprechen, aber vorher und im Augenblick muss sie mit euch sprechen! Das ist sicher. Auf der Versammlung der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens müsst ihr anwesend sein. Ja, ja! Ich werde es dem Präfekten sagen: Auf der Versammlung müsst ihr anwesend sein! Das ist klar, denn über einen Abwesenden zu sprechen, entspricht auch nicht dem Evangelium: Er muss hören können, hören was man denkt, und dann handeln wir gemeinsam. Ich bin einverstanden. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass so viel Abstand da ist. Und danke, dass ihr es so mutig angesprochen habt – und mit diesem Lächeln.

Ich erlaube mir einen Scherz. Sie haben mit jenem Lächeln gesprochen, das in Piemont als »mugna quacia« [Unschuldsmiene] bezeichnet wird. Sehr gut! Ja, da habt ihr recht. Ich denke, dass hier eine Reform einfach ist; ich werde darüber mit dem Präfekten sprechen. »Aber auf dieser Vollversammlung geht es nicht um die Ordensschwestern, es geht um etwas anderes…« – »Die Ordensschwestern müssen angehört werden, denn sie haben eine andere Sicht der Dinge.« Das ist es, was ich vorhin gesagt habe: Es ist wichtig, dass ihr stets mit eingegliedert seid… Ich danke euch für die Frage.

Gibt es dazu noch Rückfragen? Noch etwas? Ist es klar?

Behaltet das im Gedächtnis: Was würde der Kirche fehlen, wenn es die Ordensfrauen nicht gäbe? Es würde Maria am Pfingsttag fehlen. Die Ordensfrau ist Ikone der Kirche und Marias; und die Kirche ist weiblich, von Jesus Christus zur Braut genommen.

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[Die vierte Frage drehte sich um die Hindernisse, denen die geweihten Frauen in der Kirche begegnen.] Lieber Heiliger Vater, viele Institute stehen der Herausforderung gegenüber, durch eine Revision der Konstitutionen Neuerungen in die Lebensform und in die Strukturen einzuführen. Das erweist sich als schwierig, denn wir werden vom Kirchenrecht blockiert. Sehen Sie Änderungen im Kirchenrecht vor, um diese Neuerung zu erleichtern?

Außerdem haben die jungen Menschen heute Schwierigkeiten, an eine endgültige Bindung zu denken, sowohl in der Ehe als auch im Ordens­leben. Wäre es möglich, dass wir offen sind für temporäre Bindungen?

Und ein weiterer Aspekt: Wenn wir unseren Dienst in Solidarität mit den Armen und den Ausgegrenzten tun, werden wir oft fälschlicherweise als Sozialaktivistinnen betrachtet, oder man meint, wir bezögen politisch Stellung. Einige kirchliche Autoritäten möchten, dass wir mystischer und weniger apostolisch sind. Welcher Wert wird dem apostolischen Ordensleben, insbesondere den Frauen, von Seiten einiger Teile der hierarchischen Kirche zugesprochen?

Papst Franziskus: Der erste Punkt: die Veränderungen, die vorgenommen werden müssen, um neue Herausforderungen anzunehmen. Sie haben von Neuerungen gesprochen, Neuerungen im positiven Sinne, wenn ich richtig verstanden habe: neue Dinge, die kommen… Und die Kirche ist darin Meisterin, denn sie musste sich in der Geschichte sehr, sehr, sehr verändern. Jede Veränderung bedarf jedoch der Unterscheidung, und eine Entscheidungsfindung ist nicht möglich ohne das Gebet. Wie geht eine Entscheidungsfindung vor sich? Gebet, Dialog, dann die gemeinsame Entscheidung. Man muss um die Gabe der Unterscheidung bitten – darum, entscheiden zu können. Zum Beispiel ein Unternehmer, der Veränderungen in seiner Firma vornehmen muss: Er wägt die konkreten Gegebenheiten ab und tut das, was sein Gewissen ihm sagt. In unserem Leben spielt eine weitere Person eine Rolle: der Heilige Geist. Und um eine Veränderung vorzunehmen, müssen wir zwar alle konkreten Umstände abwägen, das ist wahr, aber um in einen Entscheidungsfindungsprozess mit dem Heiligen Geist einzutreten, brauchen wir Gebet, Dialog, gemeinsame Entscheidungsfindung.

Zu diesem Punkt glaube ich, dass wir – wenn ich sage: »wir«, dann meine ich auch die Priester – nicht gut ausgebildet sind, was die Entscheidungsfindung in verschiedenen Situationen betrifft. Wir müssen versuchen, Erfahrungen zu sammeln und auch Menschen zu finden, die uns genau erklären, wie die Entscheidungsfindung vor sich geht: ein guter geistlicher Begleiter, der diese Dinge gut kennt und uns erklärt, dass es nicht ein einfaches »Pro und Kontra« ist, ein Resümee ziehen, und los geht’s. Nein, es ist etwas mehr. Jede Veränderung, die man vornehmen muss, macht es erforderlich, in einen Prozess der Unterscheidung einzutreten. Und das wird euch mehr Freiheit, mehr Freiheit geben! Das Kirchenrecht: Das ist kein Problem. Im vergangenen Jahrhundert wurde das Kirchenrecht – wenn ich mich nicht irre – zweimal geändert: 1917 und dann unter Johannes Paul II. Kleine Änderungen kann man vornehmen, sie werden vorgenommen. Dies waren jedoch zwei Änderungen des gesamten Codex. Der Codex ist ein disziplinäres Hilfsmittel, ein Hilfsmittel für das Seelenheil, für all das: Er ist das juristische Hilfsmittel der Kirche für die Prozesse, viele Dinge. Er wurde jedoch im vergangenen Jahrhundert zweimal völlig verändert, überarbeitet. Und so kann man Teile ändern. Vor zwei Monaten kam eine Anfrage, einen Kanon zu ändern, ich erinnere mich nicht genau… Ich habe es untersuchen lassen, und der Staatssekretär hat die Beratungen durchgeführt. Und alle waren einverstanden: Ja, das muss für das größere Wohl geändert werden, und es wurde geändert.

Der Codex ist ein Werkzeug, das ist sehr wichtig. Aber ich sage noch einmal: Man darf nie eine Veränderung vornehmen ohne einen persönlichen und gemeinschaftlichen Entscheidungsfindungsprozess. Und das wird euch Freiheit geben, denn ihr bringt den Heiligen Geist dorthin, in die Veränderung. Dasselbe hat der heilige Paulus getan, auch der heilige Petrus, als er gespürt hat, dass der Herr ihn drängte, die Heiden zu taufen. Wenn wir die Apostelgeschichte lesen, dann wundern wir uns über all die Veränderungen, all die Veränderungen… Das ist der Heilige Geist! Das ist interessant: In der Apostelgeschichte sind die Hauptakteure nicht die Apostel, sondern der Heilige Geist: »Der Geist drängte, dies zu tun«; »der Geist sagte zu Philippus: geh hierhin und dorthin, finde den Kämmerer und taufe ihn«; »der Geist macht«; »der Geist sagt: Nein, kommt nicht hierher«… Es ist der Geist. Der Geist hat den Aposteln den Mut gegeben, die revolutionäre Veränderung vorzunehmen, die Heiden zu taufen, ohne den Weg über die jüdische Katechese oder die jüdischen Praktiken zu gehen. Das ist interessant: In den ersten Kapiteln gibt es den Brief, den die Apostel nach dem Konzil von Jerusalem an die bekehrten Heiden senden. Sie berichten alles, was sie getan haben: »Der Heilige Geist und wir haben das beschlossen…« Das ist ein Beispiel für eine Entscheidungsfindung, die sie vorgenommen haben. So müsst ihr alle Änderungen vornehmen: mit dem Heiligen Geist. Also Unterscheidung, Gebet und auch konkrete Abwägung der Situationen.

Und bezüglich des Codex gibt es kein Problem. Er ist ein Werkzeug.

Zur endgültigen Bindung der jungen Menschen. Wir leben in einer »Kultur des Provisorischen«. Ein Bischof erzählte mir vor einiger Zeit, dass ein junger Student von 23 oder 24 Jahren, er hatte gerade die Universität beendet, zu ihm gekommen sei und zu ihm gesagt habe: »Ich möchte gerne Priester werden, aber nur für zehn Jahre.« Das ist die Kultur des Provisorischen. Im Fall der Ehe ist es ebenso. »Ich heirate dich solange die Liebe andauert und dann Lebewohl.« Die Liebe wird jedoch in hedonistischem Sinne verstanden, im Sinne der heutigen Kultur. Natürlich sind diese Ehen nichtig, sie sind nicht gültig. Sie haben nicht das Bewusstsein der Endgültigkeit einer Bindung. In der Ehe ist es so. Im Apostolischen Schreiben Amoris laetitia könnt ihr über diese Problematik lesen, es steht in den ersten Kapiteln. Ihr könnt dort lesen, wie die Ehe vorbereitet werden soll. Jemand hat einmal zu mir gesagt: »Das verstehe ich nicht: Um Priester zu werden, müsst ihr acht Jahre studieren, euch etwa acht Jahre lang darauf vorbereiten. Und dann, wenn es nicht geht oder du dich in ein schönes Mädchen verliebst, dann gestattet die Kirche dir: Geh hin, heirate, fang ein anderes Leben an. Die Vorbereitung auf die Ehe – die für das ganze Leben ist, die ›für‹ das Leben ist – besteht in vielen Diözesen aus drei oder vier Vorträgen…« Aber das geht nicht! Wie kann ein Pfarrer unterschreiben, dass sie auf die Ehe vorbereitet sind, mit dieser Kultur des Provisorischen und mit nur diesen wenigen Erklärungen? Das ist ein sehr schwerwiegendes Problem.

Im geweihten Leben hat mich stets die Eingebung des heiligen Vinzenz von Paul beeindruckt – positiv beeindruckt: Er hat gesehen, dass die »Töchter der christlichen Liebe« eine so harte, so »gefährliche« Arbeit tun mussten, an vorderster Front, dass sie jedes Jahr die Gelübde erneuern müssen. Nur für ein Jahr. Aber sie taten es aus Charisma, nicht aus der Kultur des Provisorischen heraus: um Freiheit zu geben. Ich glaube, dass die zeitlichen Gelübde im Ordensleben dies erleichtern. Und ich weiß nicht, das müsst ihr sehen, aber ich wäre sehr dafür, die zeitlichen Gelübde vielleicht etwas zu verlängern, aufgrund dieser Kultur des Provisorischen, die die jungen Menschen heute haben: Es bedeutet… die Verlobung zu verlängern, bevor man die Ehe eingeht! Das ist wichtig.

[Jetzt antwortet der Papst auf einen Teil der Frage, der nicht vorgelesen wurde, aber schriftlich vorlag.] Die Forderungen nach Geld in unseren Ortskirchen. Das mit dem Geld ist ein sehr wichtiges Problem, sowohl im geweihten Leben als auch in der Diözesankirche. Wir dürfen nie vergessen, dass der Teufel »durch die Taschen« kommt: sowohl durch die Taschen des Bischofs als auch durch die Taschen der Kongregation. Das berührt das Problem der Armut; ich werde nachher darüber sprechen. Die Geldgier ist jedoch die erste Stufe zur Korruption einer Pfarrgemeinde, einer Diözese, einer Kongregation des geweihten Lebens; sie ist die erste Stufe. Ich glaube, sie steht in diesem Zusammenhang: Bezahlung für Sakramente. Seht her, wenn jemand das von euch verlangt, dann zeigt es an. Das Heil ist unentgeltlich. Gott hat uns unentgeltlich ausgesandt; das Heil ist gleichsam eine »Verschwendung der Unentgeltlichkeit«. Es gibt kein Heil auf Bezahlung, es gibt keine Sakramente auf Bezahlung. Ist das klar? Ich kenne das, ich habe in meinem Leben eine solche Korruption gesehen.

Ich erinnere mich an einen Fall. Als ich gerade zum Bischof ernannt worden war, hatte ich den ärmsten Stadtteil von Buenos Aires: Die Stadt ist in vier Vikariate unterteilt. Es gab dort viele Migranten aus anderen amerikanischen Ländern. Und wenn jemand heiraten wollte, kam es vor, dass der Pfarrer sagte: »Diese Leute haben keinen Taufschein.« Und wenn sie in ihrem Land darum baten, bekamen sie zur Antwort: »Ja, aber sende erst 100 Dollar, und dann schicke ich ihn dir.« Ich erinnere mich da an einen Fall. Ich habe mit dem Kardinal gesprochen, der Kardinal hat mit dem dortigen Ortsbischof gesprochen… Aber in der Zwischenzeit konnten die Leute ohne Taufschein heiraten, mit dem Eid der Eltern oder der Paten. Das ist die Bezahlung – nicht nur der Sakramente, sondern auch der Bescheinigungen. Ich erinnere mich an einen jungen Mann in Buenos Aires, der heiraten wollte und zur Pfarrei gegangen ist, um das »Nihil obstat« für die Hochzeit in einer anderen Pfarrei zu beantragen: ein ganz einfaches Dokument. Die Sekretärin sagte zu ihm: »Ja, kommen Sie morgen vorbei, dann ist es fertig, und das ist der Preis«: eine ganz schöne Summe. Es ist aber eine Dienstleistung: Es geht nur darum, die Daten zu überprüfen und ein Formular auszufüllen. Und er – er ist Anwalt, jung, tüchtig, sehr eifrig, ein sehr guter Katholik – ist zu mir gekommen: »Was soll ich jetzt tun?« – »Geh morgen hin und sag ihr, du hättest dem Erzbischof einen Scheck gesandt und dass der Erzbischof ihr den Scheck geben wird.« Geldgeschäfte…

Hier berühren wir jedoch ein ernstes Problem: das Problem der Armut. Ich sage euch etwas: Wenn ein Ordensinstitut – und das gilt auch für andere Situationen –, aber wenn ein Ordensinstitut spürt, dass sein Ende naht, wenn es spürt, dass es nicht in der Lage ist, neue Elemente anzuziehen, wenn es spürt, dass die Zeit, für die der Herr jene Kongregation erwählt hatte, vielleicht vorüber ist, dann besteht die Versuchung der Habgier. Warum? Weil sie denken: »Wenigstens haben wir das Geld für unsere Altersversorgung.« Das ist ein ernstes Problem. Und welche Lösung bietet die Kirche an? Die Zusammenlegung verschiedener Institute mit ähnlichen Charismen, und weitermachen. Aber nie, nie ist das Geld eine Lösung für geistliche Probleme. Es ist ein notwendiges Hilfsmittel, aber mehr auch nicht.

Der heilige Ignatius sagte über die Armut, sie sei »Mutter« und »Mauer« des Ordenslebens. Sie lässt uns im Ordensleben wachsen wie eine Mutter, und sie bewahrt es. Und der Niedergang beginnt, wenn es an Armut mangelt. Ich erinnere mich daran, dass in meiner anderen Diözese ein sehr renommiertes Internat, das von Ordensfrauen geführt wurde, das Schwesternhaus renovieren musste, weil es alt war. Es musste renoviert werden, und es wurde gute Arbeit geleistet. Es wurde gute Arbeit geleistet. Aber damals – ich spreche ungefähr über das Jahr 1993/94 – hieß es: »Wir machen es mit allem Komfort, Zimmer mit privatem Bad und alles, auch mit Fernseher…« In diesem Internat, das sehr renommiert war, fand man zwischen zwei und vier Uhr nachmittags keine einzige Schwester: Alle waren in ihrem Zimmer, um die Telenovela zu schauen! Das ist mangelnde Armut, und sie führt dich zu einem bequemen Leben, in die Phantasie… Das ist ein Beispiel. Vielleicht ist es das einzige in der Welt, aber es lässt uns die Gefahr eines zu großen Komforts verstehen, des Mangels an Armut oder an einer gewissen Einfachheit.

[Ein weiterer Teil der nicht vorgelesenen, aber schriftlich vorliegenden Frage] »Ordensfrauen beziehen kein Gehalt für ihre Dienste, während Priester eines beziehen. Wie sollen wir ein attraktives Gesicht unseres Lebens zeigen? Wie sollen wir die notwendigen finanziellen Mittel aufbringen, um unserer Sendung nachzugehen?«

Papst Franziskus: Ich sage euch zwei Dinge: Auf das Charisma, das Innere eures Charismas schauen – jeder hat sein eigenes –, und darauf, welchen Platz die Armut einnimmt. Denn es gibt Kongregationen, die ein Leben in sehr, sehr großer Armut erfordern, während dies bei anderen nicht so sehr der Fall ist. Und alle beide sind von der Kirche approbiert. Dem Charisma entsprechend nach der Armut streben. Außerdem: Ersparnisse. Es ist Klugheit, Ersparnisse zu haben; es ist Klugheit, eine gute Verwaltung zu haben, vielleicht mit einigen Investitionen, das ist klug: für die Ausbildungshäuser, um die Werke zur Unterstützung der Armen weiterzuführen, die Schulen für die Armen weiterzuführen, die apostolischen Tätigkeiten fortzusetzen… Eine finanzielle Grundlage der eigenen Kongregation: Diese muss geschaffen werden. Und ebenso wie Reichtum schlecht sein und der Berufung schaden kann, so kann es auch das Elend. Wenn die Armut zum Elend wird: Auch das ist schlecht. Hier sieht man die geistliche Klugheit der Gemeinschaft in der gemeinsamen Entscheidungsfindung: die Prokuratorin informiert, alle besprechen es. Ja, es ist zu viel, es ist nicht zu viel… Jene mütterliche Klugheit. Aber lasst euch bitte nicht von jenen Freunden eurer Kongregation täuschen, die euch dann »ausnehmen« und euch alles wegnehmen. Ich habe viele Häuser von Schwestern gesehen – oder andere haben mir davon berichtet –, die alles verloren haben, weil sie einem bestimmten Menschen vertraut haben, der »ein großer Freund der Gemeinschaft« ist! Es gibt viele Betrüger, viele Betrüger. Klugheit besteht darin, niemals nur eine Person um Rat zu fragen: Wenn ihr etwas braucht, dann fragt verschiedene, unterschiedliche Personen um Rat. Die Güterverwaltung ist im geweihten Leben eine sehr große, eine sehr große Verantwortung. Wenn euch der nötige Lebensunterhalt fehlt, dann sagt es dem Bischof. Zu Gott sagen: »Unser tägliches Brot gib uns heute«, das wahre Brot. Aber mit dem Bischof, mit der Generaloberin, mit der Kongregation für die Ordensleute sprechen. Was den notwendigen Lebensunterhalt betrifft, denn das Ordensleben ist ein Weg der Armut, aber es ist kein Selbstmord! Und das ist gesunde Klugheit. Ist das klar?

Und dann: Wo es Konflikte gibt wegen dem, was die Ortskirchen von euch verlangen, ist es notwendig zu beten, zu unterscheiden und den Mut zu haben, wenn es sein muss, »nein« zu sagen, und die Großherzigkeit, wenn es sein muss, »ja« zu sagen. Aber ihr seht, wie notwendig die Unterscheidung in jedem Fall ist!

Der Papst greift die schriftlich vorliegende Frage wieder auf: »Wenn wir unseren Dienst ausüben, mit den Armen und den Ausgegrenzten solidarisch sind, werden wir oft fälschlicherweise als Sozialaktivistinnen betrachtet oder so als würden wir politische Position beziehen. Einige kirchliche Autoritäten betrachten unseren Dienst negativ und betonen, dass wir mehr auf eine mystische Lebensform ausgerichtet sein sollten. Wie können wir unter diesen Umständen unsere prophetische Berufung leben…?«

Papst Franziskus: Ja. Alle Ordensfrauen, alle geweihten Frauen müssen mystisch leben, denn ihr lebt in einer Vermählung; eure Berufung ist eine Berufung zur Mutterschaft, es ist eine Berufung, an der Stelle der Mutter Kirche und der Mutter Maria zu stehen. Aber die, die das zu euch sagen, meinen, dass mystisch zu sein bedeutet, eine Mumie zu sein, immer im Gebet versunken… Nein, nein. Man muss so beten und arbeiten wie es dem eigenen Charisma entspricht. Und wenn das Charisma dich dahin bringt, dich um Flüchtlinge, um Arme zu kümmern, dann musst du es tun. Sie werden dich als »Kommunistin« bezeichnen – das ist noch das Geringste. Aber du musst es tun. Denn das Charisma bringt dich dazu. Ich erinne mich an eine Ordensschwester in Argentinien: Sie war Provinzoberin ihrer Kongregation. Eine tüchtige Frau, und sie arbeitet noch immer… Sie ist fast in meinem Alter, ja. Und sie setzt sich gegen Mädchenhändler, gegen Menschenhändler ein. Ich erinnere mich, dass sie unter der Militärregierung in Argentinien ins Gefängnis gesteckt werden sollte. Es wurde Druck gemacht auf den Erzbischof, es wurde Druck gemacht auf die Provinzoberin, bevor sie selbst Provinzoberin wurde, »denn diese Frau ist Kommunistin«. Und diese Frau hat viele Mädchen gerettet, viele Mädchen!

Ja, das ist das Kreuz. Was wurde über Jesus gesagt? Dass er Beelzebul war, dass er die Macht des Beelzebul hatte. Die Verleumdung: Bereitet euch darauf vor. Wenn ihr Gutes tut, mit dem Gebet, vor Gott, euer Charisma mit allen Konsequenzen annehmt und vorangeht, dann bereitet euch auf Diffamierung und Verleumdung vor, denn der Herr hat diesen Weg für sich gewählt! Und wir Bischöfe müssen diese Frauen schützen, die die Ikone der Kirche sind, wenn sie schwierige Dinge tun und verleumdet und verfolgt werden. Verfolgt zu werden ist die letzte der Seligpreisungen. Der Herr hat zu uns gesagt: »Selig seid ihr, wenn ihr verfolgt und beleidigt werdet«, und all diese Dinge. Aber hier kann folgende Gefahr liegen: »Ich mache mein Ding.« Nein, nein: Wenn du es hörst, wenn du verfolgt wirst: Sprich darüber. Mit deiner Gemeinschaft, mit deiner Oberin, sprich mit allen, bitte um Rat, denke nach: wieder das Wort. Und einmal stand diese Ordensfrau, von der ich gerade gesprochen habe, weinend vor mir und sagte: »Schau den Brief an, den ich aus Rom erhalten habe.« – Ich werde nicht sagen, woher. – »Was soll ich tun?« – »Bist du eine Tochter der Kirche?« – »Ja!« – »Willst du der Kirche gehorchen?« – »Ja!« – »Antworte, dass du der Kirche gehorsam sein wirst, und dann geh zu deiner Oberin, geh zu deiner Gemeinschaft, geh zu deinem Bischof – das war ich –, und die Kirche wird sagen, was du tun sollst. Aber kein Brief, der aus 12.000 Kilometern Entfernung kommt.« Denn dort hatte ein Freund der Feinde der Ordensschwester geschrieben, sie war verleumdet worden. Ihr sollt mutig sein, aber mit Demut, Unterscheidung, Gebet, Dialog.

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»Ein Wort der Ermutigung an uns Frauen im Leitungsdienst, die wir die Last des Tages tragen.«

Papst Franziskus: Aber atmet auch einmal gut durch! Die Erholung, denn viele Krankheiten kommen vom Mangel an guter Erholung, Erholung in der Familie… Das ist wichtig, um die Last des Tages zu tragen.

Ihr erwähnt hier auch die alten und kranken Schwestern. Diese Schwestern sind jedoch das Gedächtnis des Instituts. Es sind die Schwestern, die gesät und gearbeitet haben, und jetzt sind sie gelähmt oder schwerkrank oder werden beiseitegeschoben. Diese Schwestern beten für das Institut. Das ist sehr wichtig, dass sie sich in das Gebet für das Institut eingebunden fühlen. Diese Schwestern haben auch eine sehr große Erfahrung: die einen mehr, die anderen weniger. Hört ihnen zu! Geht zu ihnen: »Sagen Sie mir, Schwester, was denken Sie über dieses und jenes?« Sie müssen spüren, dass ihr Rat gefragt ist, und aus ihrer Weisheit wird ein guter Rat kommen. Da könnt ihr sicher sein.

Das ist es, was ich euch zu sagen habe. Ich weiß, dass ich mich ständig wiederhole und immer wieder dieselben Dinge sage, aber so ist das Leben… Ich höre gerne Fragen, weil sie mich zum Nachdenken bringen, und ich fühle mich wie der Torwart, der da steht und darauf wartet, wohin der Ball fliegt… Das ist gut, und das sollt auch ihr im Dialog tun.

Die Dinge, die ich zu tun versprochen habe, werde ich tun. Und betet für mich, ich bete für euch. Und gehen wir voran. Unser Leben ist für den Herrn, für die Kirche und für die Menschen, die viel leiden und die Liebkosung des Vaters brauchen, durch euch! Danke!

Ich schlage euch etwas vor: Wenden wir uns zum Abschluss an die Mutter. Jede von euch soll in der eigenen Sprache das Ave Maria beten. Ich werde es auf Spanisch beten. [Ave Maria…]

[Nach dem Segen sagte der Papst]: Und betet für mich, damit ich der Kirche gut dienen kann.

(Orig. ital. in O.R. 14.5.2016)

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Quelle: Osservatore Romano 21/2016


Bestimmten Instituten vorbehaltene Segnungen können nun von allen Priestern erteilt werden

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St. Benedict’s Abbey, Atchison, Kansas (USA) / Wikimedia Commons – Randy OHC, CC BY 2.0

Pater Edward McNamara, Professor für Liturgie und Studiendekan der Theologischen Fakultät am Päpstlichen Athenäum „Regina Apostolorum“ in Rom, beantwortet eine Frage in Bezug auf besondere Segnungen.

Frage: Meine Frage bezieht sich auf die „Benedictiones Propriae“, die sich im Römischen Rituale befinden. Dürfen solche Segnungen, die Priestern bestimmter Ordensinstitute vorbehalten sind, von jedem katholischen Priester gültig erteilt werden oder nur von Priestern des jeweiligen spezifischen Instituts? Ich stelle diese Frage im Hinblick auf die Instruktion „Universae Ecclesiae“ (insbesondere Nr. 28). — A.C., Italien

Pater Edward McNamara: Die Instruktion „Universae Ecclesiae“ führt das Motu proprio „Summorum Pontificum“ von Papst Benedikt XVI. weiter aus. Dort heißt es:

„27. In Bezug auf die mit der Feier der Messe verbundenen disziplinarischen Regelungen finden die Vorschriften des geltenden Codex des kanonischen Rechtes Anwendung.“

„28. Das Motu proprio Summorum Pontificum ist darüber hinaus ein Spezialgesetz und derogiert daher für den ihm eigenen Bereich von jenen nach 1962 erlassenen Gesetzen, die sich auf die heiligen Riten beziehen und unvereinbar sind mit den Rubriken der liturgischen Bücher, die 1962 in Kraft waren.“

Die Frage unseres Lesers bezieht sich vor allem auf die Instruktion „Inter Oecumenici“ aus dem Jahre 1964, wo zu lesen ist:

„77. Die bisher reservierten Segnungen, die im Römischen Rituale stehen (tit. IX, cap. 9, 10 und 11), können fortan von jedem Priester vorgenommen werden, ausgenommen die Segnung von Glocken für benedizierte Kirchen und für Oratorien (cap. 9. n. 11), die Segnung des Grundsteines einer neuen Kirche (cap. 9, n. 16), die Segnung einer neuen Kirche oder eines öffentlichen Oratoriums (cap. 9, n. 17), eines Antimensiums (cap. 9, n. 21), eines neuen Friedhofes (cap. 9, n. 22), ausgenommen auch die päpstlichen Segnungen (cap. 10, n. 1 3) und die Segnung und Errichtung von Kreuzwegstationen (cap. 11, n. 1), die dem Bischof vorbehalten sind.“

Beide Dokumente sind von einem Papst genehmigt worden und besitzen gleiche Gesetzeskraft. Allerdings ist in „Universae Ecclesiae“ die Rede von einer Derogation nachfolgender Gesetze, die mit den Rubriken der früheren liturgischen Bücher unvereinbar sind, wie zum Beispiel die Handkommunion oder der Einsatz eines außerordentlichen Spenders der heiligen Kommunion.

Die Abschaffung vorbehaltener Segnungen fällt nicht in diese Kategorie, da diese Segnungen mit den Rubriken an und für sich nicht unvereinbar sind. Was abgeschafft wurde, ist eine Art Privileg oder Gunst, die Priestern gewisser Institute gewährt worden war.

Seit „Inter Oecumenici“ konnte und kann jeder Priester alle diese Segnungen in jeder beliebigen Sprache vornehmen. Es wäre vom rechtlichen Standpunkt aus unsinnig, wenn ein Priester eine Segnung auf Englisch, nicht aber auf Lateinisch erteilen könnte, wenn er die Formel verwendet, die vor 1962 in Gebrauch war.

Die vorbehaltenen Segnungen waren hauptsächlich folgende:

Bei den Serviten: Weihe und Errichtung der Stationen der Schmerzensmutter zu Ehren von Unserer Lieben Frau von den Sieben Schmerzen; Segnung und Bekleidung mit dem schwarzen Skapulier von den Sieben Schmerzen Mariä; Segnung des Rosenkranzes von den Sieben Schmerzen.

Bei den Trinitariern: Segnung und Bekleidung mit dem Skapulier der Heiligsten Dreifaltigkeit; Segnung des Rosenkranzes oder des Trishagions der Heiligsten Dreifaltigkeit.

Bei den Passionisten: Segnung und Bekleidung mit dem schwarzen Skapulier des Heiligen Kreuzes und der Passion unseres Herrn.

Bei den Steyler Missionaren: Segnung und Bekleidung mit dem roten Skapulier der Passion und des Herzens Jesu sowie des Liebenden und Mitleidenden Herzens der Unbefleckten Jungfrau Maria.

Bei den Theatinern: Segnung und Bekleidung mit dem blauen Skapulier der Unbefleckten Empfängnis Mariä.

Bei den Unbeschuhten Karmeliten: Segnung und Bekleidung mit dem Skapulier von Unserer Lieben Frau vom Berg Karmel; Wassersegnung zu Ehren des heiligen Albert, des Bekenners.

Bei den Karmeliten: Segnung des Rosenkranzes des heiligen Josef; Segnung des Ringes des heiligen Josef.

Bei den Mercedariern: Segnung und Bekleidung mit dem Skapulier von Unserer Lieben Frau von der Barmherzigkeit; Wassersegnung für Kranke zu Ehren des heiligen Raimund Nonnatus; Kerzensegnung zu Ehren des heiligen Raimund Nonnatus; Ölsegnung zu Ehren des heiligen Serapion, des Märtyrers.

Bei den Kamillianern: Segnung und Bekleidung mit dem Skapulier von Unserer Lieben Frau, dem Heil der Kranken.

Bei den Augustiner-Eremiten: Segnung und Bekleidung mit dem Skapulier der Mutter des Guten Rates; Segnung und Bekleidung mit dem Gürtel zu Ehren der Allerseligsten Jungfrau Maria.

Bei den Kapuziner-Minderbrüdern: Segnung und Bekleidung mit dem Skapulier des heiligen Josef, dem Bräutigam Mariens und Schutzpatron der Universalkirche.

Bei den Minimiten: Segnung und Bekleidung mit dem Gürtel zu Ehren des heiligen Franz von Paola.

Bei den Dominikanern: Segnung des Gürtels zu Ehren des heiligen Thomas von Aquin zur Bewahrung der Keuschheit; Segnung von Rosenkränzen von Unserer Lieben Frau; Segnung von Rosen für die Rosenkranzbruderschaft; Kerzensegnung für die Rosenkranzbruderschaft; Wassersegnung mit den Reliquien des heiligen Petrus von Verona (Märtyrer); Palmzweigsegnungen und Segnungen anderen Blattwerks am Fest des heiligen Petrus von Verona; Wassersegnung für die Kranken zu Ehren des heiligen Vinzenz Ferrer.

Bei den Steyler Missionaren: Segnung und Bekleidung mit der heiligen Medaille der Unbefleckten Empfängnis Mariä, allgemein bekannt unter dem Namen „Wundertätige Medaille“; Wassersegnung für die Kranken zu Ehren des heiligen Vinzenz von Paul.

Bei den Kamaldulensern: Segnung des Rosenkranzes Unseres Herrn.

Bei den Missionaren vom Kostbaren Blut: Segnung von Rosenkränzen vom Kostbaren Blut.

Bei den Redemptoristen: Segnung von Rosenkränzen der heiligen Birgitta.

Bei den Benediktinern: Krankensegnung mit einer Reliquie des wahren Kreuzes oder dem Zeichen des heiligen Abtes Maurus.

Bei den Jesuiten: Wassersegnung zu Ehren des heiligen Ignatius, des Bekenners.

Da diese Segnungen eng mit der Geschichte und Spiritualität des jeweiligen Instituts verbunden sind, bleiben sie – wenn auch nicht vom rechtlichen Standpunkt, so doch in der Praxis – oft weiterhin deren Mitgliedern vorbehalten. Andere hingegen werden vielerorts von frommen Katholiken in Anspruch genommen und es ist gut, dass jeder Priester diese Segnungen vornehmen darf.

Übersetzt von Pater Thomas Fox LC aus dem englischen Originalartikel https://zenit.org/articles/blessings-linked-to-certain-orders/

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Quelle



Papstpredigt an Diakone: Volltext

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Grün: Bischöfe und Priester. Weiß: die Diakone

Hier finden Sie den Volltext der Papstpredigt bei der Heilig-Jahr-Feier mit Diakonen auf dem Petersplatz an diesem Sonntag. In den offiziellen Text haben wir die spontanen Hinzufügungen des Papstes eingearbeitet.

»Knecht Christi« (Gal 1,10). Wir haben diesen Ausdruck gehört, mit dem der Apostel Paulus sich in seinem Schreiben an die Galater bezeichnet. Zu Beginn des Briefes hatte er sich als »Apostel« nach dem Willen des Herrn Jesus vorgestellt (vgl. Gal 1,1). Die beiden Begriffe – Apostel und Knecht – stehen beisammen, sie können nicht getrennt werden; sie sind die beiden Seiten ein und derselben Medaille: Wer Jesus verkündet, ist berufen zu dienen, und wer dient, verkündet Jesus.

Der Herr hat es uns als Erster gezeigt: Er, das Wort des Vaters, er, der uns die frohe Botschaft gebracht hat (vgl. Jes 61,1), der selbst die frohe Botschaft ist (vgl. Lk 4,1) – er wurde unser Diener (vgl. Phil 2,7), er »ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen« (Mk 10,45). »Er ist der Diener aller geworden«, schrieb ein Kirchenvater (hl. Polykarp, Brief an die Philipper V,2). Wie er es getan hat, so sind seine Verkünder berufen, es zu tun. Der Jünger Jesu kann keinen anderen Weg gehen als den des Meisters, sondern wenn er ihn verkünden will, muss er ihn nachahmen, wie Paulus es getan hat: danach streben, Diener zu werden. Anders gesagt, wenn das Evangelisieren die Sendung ist, die jedem Christen in der Taufe übergeben wurde, dann ist das Dienen der Stil, mit dem diese Sendung gelebt werden muss, die einzige Art und Weise, ein Jünger Jesu zu sein. Sein Zeuge ist, wer es ihm gleichtut: wer den Brüdern und Schwestern dient, ohne des demütigen Christus müde zu werden, ohne des christlichen Lebens müde zu werden, das ein Leben des Dienens ist.

Wo soll man anfangen, um »tüchtige und treue Diener« (vgl. Mt 25,21) zu werden? Als ersten Schritt sind wir aufgefordert, die Verfügbarkeit zu leben. Der Knecht lernt jeden Tag, sich davon zu lösen, alles für sich selbst zu verfügen und über sich selbst zu verfügen, wie er will. Er trainiert sich jeden Morgen darin, das Leben hinzugeben, zu denken, dass jeder Tag nicht ihm gehört, sondern als Selbsthingabe zu leben ist. Denn wer dient, wacht nicht eifersüchtig über seine eigene Zeit, er verzichtet sogar darauf, der Herr seines Tagesablaufs zu sein. Er weiß, dass die Zeit, die er lebt, nicht ihm gehört, sondern ein Geschenk ist, das er von Gott erhält, um es seinerseits zu schenken: nur so wird sie wirklich fruchtbar werden. Wer dient, ist nicht Sklave des Terminkalenders, den er festlegt, sondern willig stellt er sich dem nicht Geplanten zur Verfügung: bereit für den Bruder oder die Schwester und offen für das Unvorhergesehene, an dem es nie fehlt und das oft die tägliche Überraschung Gottes ist. Der Knecht ist offen für die Überraschung, die täglichen Überraschungen Gottes. Der Knecht versteht, die Fenster seiner Zeit und seiner Räume für den neben ihm zu öffnen und auch für den, der zur Unzeit anklopft – auf die Gefahr hin, die verdiente Ruhe zu unterbrechen oder etwas liegen zu lassen, das ihm gefällt. Der Knecht vernachlässigt die Arbeitszeiten. Mir tut es im Herzen weh, wenn ich in den Pfarreien Dienstzeiten sehe: von soundsoviel bis soundsoviel Uhr. Danach? Keine offene Tür, kein Priester, kein Diakon, kein Laie, um die Leute zu empfangen. Das tut weh. Die Dienstzeiten vernachlässigen: den Mut dazu haben, die Dienstzeiten zu vernachlässigen! Wenn ihr, liebe Diakone, die Verfügbarkeit auf diese Weise lebt, dann wird euer Dienst von jedem Vorteilsdenken frei sein und fruchtbar sein im Sinne des Evangeliums.

Auch das heutige Evangelium spricht uns vom Dienen, da es uns zwei Diener zeigt, woraus wir wertvolle Lehren ziehen können: den Diener des Hauptmanns, der von Jesus geheilt wird, und den Hauptmann selbst, der im Dienst des Kaisers steht. Die Worte, die der Hauptmann Jesus überbringen lässt, damit er nicht bis in sein Haus kommt, sind überraschend und oft das Gegenteil unserer Gebete: »Herr, bemüh dich nicht! Denn ich bin es nicht wert, dass du mein Haus betrittst« (Lk 7,6). »Deshalb habe ich mich auch nicht für würdig gehalten, selbst zu dir zu kommen« (V. 7). »Auch ich muss Befehlen gehorchen« (V. 8). Über diese Worte ist Jesus erstaunt. Ihn berührt die große Demut des Hauptmanns, seine Milde. Und die Milde ist eine der Tugenden des Diakons, nicht wahr? Wenn der Diakon milde ist, ist er ein Knecht und äfft nicht etwa den Priester nach, nein, nein – er ist milde. Angesichts der Schwierigkeit, die ihn betrübte, hätte er sich erregen und sich anmaßen können, erhört zu werden, indem er seine Autorität geltend machte. Er hätte Jesus eindringlich überzeugen, sogar zwingen können, in sein Haus zu kommen. Stattdessen macht er sich klein, zurückhaltend, er erhebt nicht die Stimme und will nicht stören. Er verhält sich – vielleicht ohne es zu wissen – nach dem Stil Gottes, der »gütig und von Herzen demütig« ist (Mt 11,29). Denn Gott, der die Liebe ist, geht aus Liebe sogar so weit, uns zu dienen: er ist mit uns geduldig, gütig, immer bereit und wohlgesonnen, er leidet wegen unserer Fehler und sucht den Weg, uns zu helfen und uns besser zu machen. Dies sind auch die gütigen und demütigen Züge des christlichen Dienens, das darin besteht, Gott nachzuahmen im Dienst an den anderen: indem wir sie mit geduldiger Liebe annehmen; indem wir sie verstehen, ohne es müde zu werden; sie spüren lassen, dass sie zu Hause, in der kirchlichen Gemeinschaft angenommen sind, wo nicht der groß ist, der befehligt, sondern der dient (vgl. Lk 22,26). Und niemals herumschreien: niemals! Auf diese Weise, liebe Diakone, in der Güte wird eure Berufung als Diener der Liebe reifen.

Nach dem Apostel Paulus und dem Hauptmann gibt es in den heutigen Lesungen einen dritten Diener, nämlich den, der von Jesus geheilt wird. In der Erzählung heißt es, dass sein Herr ihn sehr schätzte und dass er krank war, aber man weiß nicht, welche schwere Krankheit er hatte (vgl. Lk 7,2). In gewisser Weise können auch wir uns in diesem Diener erkennen. Jeder von uns wird von Gott sehr geschätzt, geliebt und erwählt; jeder von uns ist gerufen zu dienen, doch muss er zuallererst innerlich geheilt werden. Um fähig zu sein für den Dienst, brauchen wir die Gesundheit des Herzens: ein von Gott geheiltes Herz, das spürt, dass ihm vergeben wurde, und das weder verschlossen noch hart ist. Es wird uns gut tun, jeden Tag vertrauensvoll dafür zu beten, darum zu bitten, von Jesus geheilt zu werden, ihm ähnlich zu werden, der „uns nicht mehr Knechte nennt, sondern Freunde“ (vgl. Joh 15,15). Liebe Diakone, jeden Tag könnt ihr im Gebet um diese Gnade bitten – in einem Gebet, wo die Mühen, das Unvorhergesehene, die Müdigkeit und die Hoffnungen vorgetragen werden: ein echtes Gebet, das das Leben vor den Herrn trägt und den Herrn in das Leben. Und wenn ihr am Tisch der Eucharistie dient, werdet ihr dort die Gegenwart Jesu finden, der sich euch schenkt, damit ihr ihn den anderen schenkt.

Auf diese Weise – verfügbar im Leben, gütig von Herzen und im beständigen Dialog mit Jesus – werdet ihr keine Angst haben, Knechte Christi zu sein, dem Fleisch des Herrn in den Armen von heute zu begegnen und es zu liebevoll zu berühren.

(rv 29.05.2016 sk)


DIE DREI ROMBESUCHE DES SELIGEN OSCAR ARNULFO ROMERO

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DIE DREI ROMBESUCHE
VON ROMERO, WIE ER SIE IN SEINEM
TAGEBUCH FESTGEHALTEN HAT

„Das Tagebuch ist ein Schlüssel zum Verständnis seines Lebens“

Gregorio Rosa Chávez

 

Juni 1978

Samstag, den 17.

Die Oblatenschwestern der Göttlichen Liebe erwarteten uns, weil Mutter Scarglietti uns von San Salvador aus angekündigt hatte; für diese Aufmerksamkeit bin ich sehr dankbar. Wir sind in der römischen Pension untergebracht, und nach einer Ruhepause – es war inzwischen Samstag mittag – besuchten wir am Nachmittag den Petersdom. Am Grab des ersten Papstes habe ich intensiv für die Einheit der Kirche gebetet, für den Papst, für die Bischöfe und für die ganze Kirche auf dem Erdkreis, besonders für unser Erzbistum; ich empfahl dem heiligen Petrus die Interessen unserer Kirche und den Erfolg dieser Gespräche mit dem Heiligen Stuhl.

Sonntag, den 18.

Nachmittags besuchten wir das Grab des heiligen Paulus in seiner Kirche vor den Mauern, es war die Zeit der feierlichen Vesper, die Basilika war hell erleuchtet. Die Orgelmusik erfüllte den Raum, und der Chor der Mönche sang gregorianischen Choral. Vor dem Grab des Heidenapostels, des großen Paulus, kniend, spürte ich in jenem Raum des Gebets, fast des Himmels, wie in meinem Herzen alle jene Gefühle meiner Studenten- und auch schon Priesterzeit auflebten, meine Besuche in Rom; immer sind mir die Gebete vor diesen Apostelgräbern Inspiration und Ermutigung gewesen, vor allem heute, da ich spüre: Mein Besuch ist kein schlichter Besuch privater Frömmigkeit; vielmehr bringe ich auf meinem Ad-limina-Besuch alle Interessen und Sorgen mit, alle Probleme, Hoffnungen, Pläne, Ängste aller meiner Priester, Ordensgemeinschaften, Pfarreien, Basisgemeinden, das heißt eines ganzen Erzbistums, das mit mir herkommt und sich niederwirft, wie gestern am Grab des heiligen Petrus, so heute am Grab des heiligen Paulus.

Mittwoch, den 21.

Die Generalaudienz und die Sonderaudienz beim Heiligen Vater haben diesen unvergeßlichen Vormittag ausgefüllt. Es ist der 21. Juni, und man erinnert sich bei der Generalaudienz hauptsächlich daran, daß es heute 15 Jahre her ist, seit am 21. Juni Kardinal Giovanni Battista Montini erwählt wurde, dem heiligen Petrus mit dem Namen Paul VI. nachzufolgen. Dies rief bei vielen Audienzteilnehmern, bei denen alle Sprachen vertreten waren, großen Jubel hervor; durch ihre Dolmetscher sprachen sie dem Nachfolger des heiligen Petrus ihre Liebe und Zuneigung und ihre Fürbitte aus. Der Papst antwortete auf diesen Ausbruch der Liebe und sagte, daß die Wahl für ihn die absolute Hingabe an das Volk Gottes bedeute. Und im Namen dieser Hingabe inspirierte sich seine Botschaft aus einer Pflicht, die die Geschichte hindurch das Besondere der Päpste gewesen ist: die Schönheit der Kirche sichtbar zu machen, ungeachtet der menschlichen Züge und der persönlichen Mängel der Päpste. Speziell bezog er sich auf die große Sendung der Kirche, inmitten der Menschheit Einheit, Frieden, Glück in Christus zu säen. […]
Als es soweit war, betraten wir das Gemach des Heiligen Vaters; wir begrüßten den Papst mit der Ergriffenheit, die einen in solchen Augenblicken erfaßt. Der Papst ließ uns links und rechts von ihm Platz nehmen, wandte sich im besonderen an mich, nahm meine rechte Hand und hielt sie lange zwischen seinen beiden Händen. Auch ich drückte mit beiden Händen die Hände des Papstes. […] Während er so meine Hände hielt, sprach er lange mit mir. Seine Botschaft im einzelnen wiederzugeben, fiele mir schwer, denn zum einen ist sie nicht schematisch, sondern eher herzlich, weit, großzügig; überdies ist einem in solchen Augenblicken auch nicht danach, sich Wort für Wort zu merken: doch seine wichtigsten Gedanken und Worte waren diese: „Ich verstehe Ihre schwierige Arbeit. Es ist eine Arbeit, die vielleicht nicht verstanden wird. Sie brauchen viel Geduld und Mut. Ich weiß wohl, nicht alle denken wie Sie, bei der Lage Ihres Landes fällt solche Einmütigkeit schwer. Machen Sie trotzdem weiter mit Mut, Geduld, Kraft und Hoffnung.“ Er versprach mir, daß er viel für mich und mein Bistum beten und sich sehr um die Einheit mühen werde. Wenn er persönlich irgendwie dienen könne, würde er es gern tun.
Dann bezog er sich auf das Volk. Er sagte, daß er es kenne, seit er vor bald 50 Jahren im Staatssekretariat gearbeitet habe; es sei ein großherziges, arbeitsames Volk, das heute viel leide und sein Recht suche. Man muß ihm, sagte er, helfen und für es arbeiten, aber nie mit Haß die Gewalt schüren, sondern in großer Liebe ihm den Wert seines Leidens spürbar machen, den Frieden predigen und dieses Volk wissen lassen, wie der Papst es liebt und wie er für es betet und arbeitet. […] Ich drückte ihm meine unverbrüchliche Verbundenheit mit dem Lehramt der Kirche aus und daß ich bei meinen Worten zur Situation der Gewalt im Lande stets zur Umkehr aufrufe und mein Mitleid mit den Leidenden bezeige, mit den Familien der Opfer; und sooft ich die Sünde anprangere, rufe ich zugleich die Sünder zur Bekehrung auf. […] Mir bleibt die Zufriedenheit über eine Stärkung in meinem Glauben, meinem Dienst, meiner Freude, mit Christus zu arbeiten und zu leiden für die Kirche und für unser Volk. Ich glaube, daß schon dieser Augenblick allein ausreichen würde, alle Mühe der Romreise auszugleichen: Sich an der Gemeinschaft mit dem Papst zu stärken, sich von ihm klar die Richtungen zeigen zu lassen. […]
Bei dieser Audienz habe ich dem Heiligen Vater verschiedene Gegenstände übergeben. […] Ich übergab dem Heiligen Vater ein Memorandum in Form eines kurzen Briefes, um ihm mitzuteilen, daß ich schon dabei sei, die verschiedenen Dikasterien seiner Heiligkeit zu besuchen, und erklärte ihm, wie schwierig es sei, den erzbischöflichen Dienst in der Situation meines Landes zu leisten, im Bemühen um Treue zum derzeitigen Lehramt der Kirche. [….] In meinem Memorandum teilte ich ihm auch meinen Schmerz darüber mit, daß bei den Bemerkungen, die einige Sekretariate über mein pastorales Verhalten gemacht haben, anscheinend ein negatives Kriterium vorherrscht, das genau mit jenen äußerst mächtigen Kräften übereinstimmt, die dort, in meiner Erzdiözese, meine apostolischen Bemühungen zu bremsen und in Mißkredit zu bringen versuchen. Zum Schluß sagte ich ihm, dem Heiligen Vater, er könne dennoch meiner Treue zu ihm, dem Nachfolger Petri, und meiner bedingungslosen Zustimmung zu seinem Lehramt gewiß sein; denn gerade in dieser Treue und in dieser Zustimmung habe ich immer das Geheimnis und die Sicherheit gefunden, mit meinem Volk dem Geist des Herrn zu folgen.

Mittwoch, den 28.

Da es ein Tag ohne besondere Pläne war, verwende ich den Vormittag dafür, wieder zur Generalaudienz des Heiligen Vaters zu gehen und mich mitten unter das Volk zu mischen. Es machte mir große Freude, mich als einer der Christen zu fühlen, die da aus verschiedenen Nationen der Welt gekommen sind und mit großer Sehnsucht darauf warten, den Papst zu sehen. […]
Vor der Ankunft des Papstes hörte man Lieder in allen Sprachen. Als dann der Papst kam, brauste großer Beifall auf. Der Papst bezog sich auf den heiligen Petrus, sein Grab, seine Basilika. Er sprach davon, daß wir alle Christen uns hier sehr nahe beim Grundstein der Kirche befänden. Er forderte zur Treue zu dieser Kirche auf. Ich hatte die gekauften Gegenstände dabei, um sie vom Heiligen Vater segnen zu lassen und als Erinnerung mit nach Hause zu nehmen. Am Nachmittag, […] nach dem Besuch von Mutter Llerena und Mutter Generaloberin der Oblatinnen, ging ich zum Petersdom, während sie die Patronatsvesper von den Heiligen Petrus und Paulus sangen. Beide zusammen sind die Patrone von Rom. Auch hier weckten der feierliche Gesang der Vesper, die festliche Stimmung, die Teilnehmer aus aller Welt, die den Chor der Basilika füllten, in mir viele Erinnerungen. Und dort am Grab des heiligen Petrus habe ich das apostolische Glaubensbekenntnis gebetet und den Herrn um Treue und Klarheit gebeten, um den Glauben des heiligen Apostels Petrus zu bekennen und zu verkünden. Am späten Abend führt uns unser Nachtspaziergang mit Pater Juan Bosco Estrada um den Petersplatz. Wir denken an so vieles aus der Geschichte, woran die Namen Petrus und Paulus in Rom erinnern.

Donnerstag, den 29.

Ich treffe die Vorbereitungen für meine Rückreise. Ich besuche den Petersdom. Das feierliche Hochamt am Morgen ist beeindruckend. Viele Leute betreten und verlassen den Platz und die angrenzenden Straßen: ein wahres Patronatsfest, aber mit universalem Charakter. Wie bei uns die Patronatsfeste ein Treffpunkt für viele Menschen aus allen Gemeinden und Dörfern der Umgebung sind, so ist dieses Fest des heiligen Petrus ökumenisch. Statt Gemeinden sind es hier Länder: wir sehen hier Menschen aus allen Nationen der Welt. Doch der Geist ist derselbe: ein Volksfest, ein fröhliches Fest, das vom christlichen Glauben und von der christlichen Hoffnung inspiriert ist; man kauft, verkauft, ein Wirrwarr von Menschen, eine große Freude; dies ist das Ergebnis des Zusammenseins mit jenen Helden, die bereits gesiegt haben und in der Ewigkeit herrschen, während wir noch auf dem Weg sind und uns bemühen, ihr Beispiel nachzuahmen.
Nachts Fahrt zum Flughafen und Rückreise in mein Land. Wenn ich auch in meine Heimat zurückkehre, verlasse ich Rom mit Heimweh. Rom ist das Zuhause für alle, die Glauben und kirchlichen Sinn haben. Rom ist die Heimat aller Christen. Dort ist der Papst, der wahre Vater aller. Ich habe ihn so nah gespürt, bin ihm so dankbar, daß Herz, Glaube, Geist sich weiterhin von diesem Felsen nähren, an dem die Einheit der Kirche so greifbar zu erfahren ist.
Morgen, am 30. Juni, dem 15. Jahrestag der Krönung des Papstes, werden wir unterwegs sein, heimkommen, Koffer auspacken, usw. Rom wird für unsere Herzen immer Mutter, Lehrerin und Heimat sein.

Mai 1979

Donnerstag, den 3.

Danach besuchte ich an diesem Frühlingsnachmittag die Kirche der zwölf Apostel, wo sich unter einem Altar das Grab der Heiligen Apostel Philippus und Jakobus des Jüngeren befindet, deren Fest liturgisch an diesem 3. Mai gefeiert wird.
Ich vergaß zu sagen, daß ich in der Frühe wieder einen Besuch in der Petersbasilika machte und bei den hochverehrten Altären des heiligen Petrus und seiner Nachfolger in diesem Jahrhundert viel um die Treue zu meinem Glauben betete und um den Mut, wenn notwendig, zu sterben, wie alle diese Märtyrer gestorben sind, oder aber zu leben und mein Leben einzusetzen, wie diese modernen Nachfolger Petri das ihre eingesetzt haben. Mehr als all die Gräber hat mich die Schlichtheit des Grabes Papst Pauls VI. beeindruckt.

Freitag, den 4.

In Sorge wegen des wichtigsten Punktes meines Rombesuchs fuhr ich erneut zur Präfektur des Päpstlichen Hauses, um die Gewährung der Audienz beim Heiligen Vater zu beschleunigen. […] Dieser Umgang mit einem Diözesanbischof bereitet mir Kummer und Ärger; immerhin habe ich die Audienz frühzeitig beantragt, aber man schiebt die Antwort hinaus. Ich fürchte sogar, daß man sie mir nicht gewährt, denn viele Bischöfe sind zum Ad-limina-Besuch hier, und es gibt Maßstäbe, anderen Anliegen den Vorrang zu geben. Ich habe alles in Gottes Hand gelegt und sage ihm, daß ich von mir aus alles Mögliche getan habe und daß ich trotz allem an die heilige Kirche glaube und sie liebe und mit Gottes Gnade immer dem Heiligen Stuhl, dem Lehramt des Papstes treu sein werde.[…]

Montag, den 7.

Am frühen Morgen war ich mit der Vorbereitung der Dokumente fertig, die ich dem Heiligen Vater bei der Audienz übergeben will. Es handelt sich um vier Informationen ausländischer Kommissionen, die nach El Salvador kamen, um die Situation des Landes zu studieren. Es sind Dokumente der Solidarität, der Anklage, auch meiner Kandidatur für den Nobelpreis und andere, die sich nach der apostolischen Visitation von Bischof Quarracino (jenes argentinischen Bischofs, den der Vatikan als Apostolischen Visitator nach El Salvador sandte, A. d. R.) als Ergänzung zu diesem Besuch ergaben. Ich nehme auch meinen Brief vom November mit, weil ich bezweifle, daß er den Papst erreicht hat.
Um 12 Uhr 20 wurde ich vom Heiligen Vater in Privataudienz empfangen. Er saß an einem Schreibtisch und bot mir einen Stuhl an. Er sagte mir, ich solle den Pileolus wieder aufsetzen, den ich abgenommen hatte und in der Hand hielt. Er begann, mich nach der Situation des Landes zu fragen. Ich bat ihn höflich, wir möchten uns an das schriftliche Memorandum halten. Dem stimmte er gern zu. […] Nachdem ich ihm alle sieben Aktenordner mit einer kurzen Erklärung übergeben habe, begann der Papst seinen Kommentar […]. Er empfahl, große Ausgewogenheit und Klugheit zu zeigen, vor allem bei konkreten Anklagen. Es sei besser, sich an die Prinzipien zu halten, weil man bei konkreten Anklagen Gefahr laufe, Irrtümern und Fehleinschätzungen zu verfallen. Ich erklärte ihm, und er gab mir recht, daß es Umstände gebe – ich erwähnte zum Beispiel den Fall von Pater Octavio (eines Priesters, der von einem Todesschwadron ermordet wurde, A. d. R.) -, bei denen man konkret sein muß, weil das Unrecht, das heißt der Mordanschlag, auch sehr konkret war. Er erinnerte mich an seine Situation in Polen, wo er es mit einer nichtkatholischen Regierung zu tun hatte, angesichts deren sich die Kirche trotz aller Schwierigkeiten entwickeln mußte. Der Einheit der Bischöfe maß er große Bedeutung bei. Er kam wieder auf seine Seelsorgezeit in Polen zurück und meinte, das Hauptproblem sei dies: die Einheit der Bischöfe zu wahren. Ich erklärte ihm, dies sei auch mein wichtigster Wunsch, doch möge er bedenken, daß die Einheit nicht vorgespielt sein darf, sondern auf dem Evangelium und der Wahrheit beruhen muß. Er bezog sich auf den Bericht über die apostolische Visitation von Bischof Quarracino, der eine aufs höchste gespannte Situation feststellte und als Lösung für die Mängel in der Seelsorge und für die fehlende Einheit unter den Bischöfen einen Apostolischen Administrator „sede plena“ vorschlug.
Am Ende des Besuches, bei dem er mir Gelegenheit gab, meine Auffassung darzulegen, und er selbst seine Einstellung deutlich machte, lud er mich zu einem gemeinsamen Foto ein. Danach übergab er mir ein paar religiöse Geschenke. Er legte die Aktenordner auf die Seite, um die Reihe der Audienzen fortzusetzen. Ich ging hinaus, dankbar und besorgt zugleich, spürte ich doch den Einfluß einer negativen Information über meine Seelsorge. Allerdings erinnere ich mich daran, was er mir im Grunde empfohlen hatte: „Mut und Tapferkeit, gemäßigt durch die notwendige Klugheit und Ausgewogenheit.“

Dienstag, den 8.

Danach ging ich zum Petersplatz, um mich den großen Päpsten zu empfehlen, die in der Vatikankrypta ruhen und meinem Leben so viel Klarheit und Richtung gegeben haben. Ich hielt einen Augenblick inne, um mich zu sammeln und um dann wichtige Dinge bei der Kongregation für die Bischöfe zu besprechen, der Kardinal Baggio vorsteht. […]
Die Unterredung mit Kardinal Baggio war sehr herzlich. […] Dann bezog er sich auf die apostolische Visitation und den Vorschlag, den schon der Papst in seinem gestrigen Gespräch vorgetragen hatte, nämlich die Situation mit der Ernennung eines Apostolischen Administrators „sede plena“ zu regeln: Kardinal Baggio analysierte diesen Vorschlag mit dem Hinweis, daß er wenig praktisch sei, weil er unter den derzeitigen Bischöfen keinen sehe, der dieser Apostolische Administrator sein könnte und sich mit mir verstünde. […] Ich bezog mich auf die dem Papst mitgebrachten Informationen, die unparteiisch sind und von einer Situation wirklicher Kirchenverfolgung zeugen. Ich bezog mich besonders auf die Information der Organisation amerikanischer Staaten. Diese empfiehlt der Regierung eindringlich, etwas gegen die systematische Verfolgung der katholischen Kirche und ihrer evangelisierenden Sendung zu tun. […] Zufrieden ging ich fort, und es fügte sich, daß ich beim Hinausgehen meinen guten Freund Monsignore De Niccolò traf. […] Vor allem sollte ich mich vor einer spektakulären Reaktion hüten, denn vielleicht stecke hinter der vom Heiligen Vater und Kardinal Baggio vorgetragenen Idee eines Apostolischen Administrators die Absicht, meine Reaktion zu testen, und wäre meine Reaktion negativ, könnte leicht alles verloren sein. […]

Mittwoch, 9.

Daraufhin machte ich mich auf den Weg, um Kardinal Pironio zu besuchen […] Er empfing mich so brüderlich und herzlich, daß schon diese Begegnung allein genügt hätte, mir Trost und Mut zu geben. Ich legte ihm meine Situation in meinem Bistum und gegenüber dem Heiligen Stuhl vertrauensvoll dar. Er öffnete mir sein Herz und sagte mir, daß auch er leiden muß, da er die Probleme Lateinamerikas tief mitempfindet und diese vom höchsten Amt der Kirche nicht in vollem Maße verstanden würden. […] Auch sagte er mir: „Das Schlimmste, was du tun kannst, ist, den Mut zu verlieren. Habe Mut, Romero!“ Das sagte er mehrmals. Dankbar auch noch für andere Ratschläge verließ ich ihn nach einem langen brüderlichen Gespräch mit neuer Kraft im Herzen, die mir meine Romreise gab. […]
Danach schlug ich den Weg zum Generalat der Jesuiten ein, wo mir der gute Pater Juan Bosco die Höflichkeit erwies, Bischof Urioste in San Salvador anzurufen, mit dem wir den Dialog aufgenommen haben; er wurde aufgezeichnet, um dann im Ysax (dem Radiosender des Bistums, A. d. R.) ausgestrahlt zu werden. Bischof Urioste berichtete mir telefonisch von der schwierigen Situation der Gewalt im Land. Am schlimmsten war das Gefecht zwischen dem revolutionären Volksblock und den Sicherheitskräften in der Nähe der Kathedrale. Und wie er sagte, befänden sich in der Kathedrale von San Salvador die Leichen von neun Leuten, die in diesem Gefecht getötet wurden. […] Nach dem Telefongespräch machte ich meinen letzten Besuch in der Petersbasilika. Ich dachte an die Informationen, die ich von Bischof Urioste erhalten hatte, und richtete meine Gebetsintentionen auf die derzeitig tragische Situation in der Kathedrale von San Salvador. Am Grab des heiligen Pius X. betete ich inständig und dachte dabei an alle die Fürsprecher, an die mich besonders die Gräber des heiligen Petrus und der letzten Päpste erinnern.

Januar 1980

Montag, den 28.

Gegen neun Uhr, nach einer Zwischenlandung auf dem Flughafen von Madrid, starteten wir wieder zum letzten Abschnitt des Flugs nach Rom. Ich empfand dieselben Gefühle wie immer. Denn Rom bedeutet für mich die Heimkehr in die Wiege, nach Hause, zur Quelle, zum Herzen, zum Zentrum unserer Kirche. Ich habe den Herrn gebeten, diesen Glauben und diese Anhänglichkeit an jenes Rom zu bewahren, das Christus zum Sitz des universalen Hirten, des Papstes, erwählt hat. […] Nach dem Mittagessen galt unser erster Besuch der Basilika Sankt Peter, wo ich den Weg zurücklegte, der mir schon immer gefallen hat: der Besuch des Allerheiligsten, der Besuch am Grab des heiligen Apostels Petrus, am Grab des heiligen Pius X. und an den Gräbern der Päpste: hier hat mich sehr bewegt, daß ich am Grab von Paul VI. beten konnte. Ich erinnere mich an so viele Worte aus den Gesprächen mit ihm, als ich die Ehre hatte, bei meinen früheren Besuchen von ihm in Privataudienz empfangen zu werden.

Mittwoch, 30.

Als ich auf dem Weg zu Kardinal Pironio war, ging ich beim Staatssekretariat vorbei, um mich vor allem zu vergewissern, daß es mir möglich sein werde, an der Generalaudienz mit dem Heiligen Vater teilzunehmen. […] Ich sprach mit Kardinal Pironio. Es war für mich eine kurze, aber sehr ermutigende Unterhaltung. Er sprach selbst den Wunsch aus, daß er mich sehen wollte, um mir erfreut mitzuteilen, daß der Besuch von Kardinal Lorscheider sehr positiv gewesen ist und der Papst selbst einen sehr guten Bericht über mich hat. Kardinal Lorscheider hatte Kardinal Pironio gesagt, daß ich in El Salvador recht hätte; die Sache sei sehr schwierig, und ich sei es, der die Umstände und die Rolle der Kirche klar sehe, mich müsse man unterstützen. Ich vermute, daß dies eine Zusammenfassung dessen ist, was Kardinal Lorscheider über seine Reise durch El Salvador gesagt hat. Ich dankte Kardinal Pironio sehr und ermutigte ihn gleichfalls, denn auch er sagte mir, daß er viel leide; gerade wegen dieser Mühe um die Völker in Lateinamerika, und er begreife mich durchaus. Er erinnerte mich an einen Satz des Evangeliums: „Fürchtet nicht die, die Leib den töten, dem Geist aber nichts tun können.“ Er legt das so aus: Wenn die Mörder des Leibes schrecklich sind, dann sind solche schrecklicher, die einen Anschlag auf den Geist verüben, indem sie verleumden, den Ruf schädigen, eine Person fertigmachen: und er glaubte, das sei gerade mein Martyrium, sogar innerhalb der Kirche selbst, und ich solle Mut haben. [….] Der Papst setzte in seiner Ansprache bei der Generalaudienz an diesem Mittwoch, den 30. Januar, die Meditation über das Buch Genesis fort, die er derzeit bei diesen Audienzen hielt. […] Eine Meditation, die mir sehr schön, aber auch sehr tief vorkam, denn ich glaube, daß viele Leute Schwierigkeiten empfinden, ihn zu begreifen. Jemand sagte mir, der Papst spreche das Volk bei seinen Worten zur Einführung und bei seinen persönlichen Grüßen sehr an, während der Rede aber spüre man eine Fremdheit, ein Unverständnis. Das tut einem leid, denn in solchen Augenblicken sind die Leute sehr aufmerksam, jede Idee, und wäre sie noch so schlicht, kann den Hörern sehr gut tun, wenn sie nur verstanden wird. Am Ende der Audienz rief er die Bischöfe, mit ihm zusammen das Volk zu segnen. Ich hatte das Glück, direkt rechts von ihm zu stehen. Als wir Bischöfe anschließend den Papst begrüßten, sagte er, daß er nach der Audienz mit mir eigens sprechen wolle. [….] Er empfing mich mit großer Liebenswürdigkeit und sagte mir, er begreife vollkommen, wie schwierig die politische Lage in meiner Heimat sei; die Rolle der Kirche mache ihm Sorge, wir sollten nicht nur die Verteidigung der sozialen Gerechtigkeit und die Liebe zu den Armen bedenken, sondern auch, was das Ergebnis eines Volksumsturzes der Linken sein könnte, auch er könnte zu einem Übel für die Kirche führen. Ich sagte ihm: „Heiliger Vater, das ist genau das Gleichgewicht, das ich zu halten versuche, denn einerseits verteidige ich die soziale Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die Liebe zum Armen, und andererseits macht mir auch die Rolle der Kirche viel Sorge, damit wir nicht bei unserer Verteidigung der Menschenrechte in irgendwelche Ideologien geraten, welche die menschlichen Gefühle und Werte zerstören.“ [….] Ich habe gespürt, daß der Papst sehr mit dem einverstanden ist, was ich sage, und am Ende umarmte er mich brüderlich und sagte, er bete täglich für El Salvador.

Donnerstag, den 31.

Ich begab mich zum Staatssekretariat, wo ich einen Termin bei Kardinal Casaroli hatte. […] Er vertraute mir an, daß der Botschafter der Vereinigten Staaten ihn besucht und eine gewisse Sorge darüber geäußert habe, daß ich mich auf einer volksrevolutionären Linie befände, während die Vereinigten Staaten die Christdemokraten unterstützten. Ich klärte Herrn Kardinalstaatssekretär auf, daß es nicht um eine politische Opposition gehe, sondern einfach darum, bei der Lösung der Probleme meines Volkes die Gerechtigkeit zu suchen. Kardinal Casaroli sagte mir, daß er darauf nicht bestehe, denn der Besuch des Botschafters habe keinen offiziellen Charakter gehabt, und überhaupt müsse die Kirche sich nicht danach richten, ob sie den Mächten der Erde gefällt, sondern in Glauben und Gewissen dem Evangelium folgen. Der Kardinal sorgte sich auch darum, ob die Verteidigung der Menschenrechte und die Ansprüche des Volkes nicht eine Hypothek für die Kirche und die christliche Einstellung den Ideologien gegenüber bedeuten. Daraufhin sagte ich ihm, wie gestern dem Heiligen Vater, es sei auch meine Sorge, die soziale Gerechtigkeit zu predigen, die Verteidigung der Menschenrechte, zugleich aber die revolutionären Volkskräfte auf die Gefahr hinzuweisen, in seltsame Ideologien zu verfallen. Ich erklärte ihm auch, daß wir nicht von Antikommunismus sprechen dürfen, ohne die Gefahr, daß man uns zu Komplizen der Ungerechtigkeiten der Reichen machen möchte, die von Antikommunismus reden, aber nicht um christliche Prinzipien zu verteidigen, sondern ihre materialistischen Interessen. Ich spürte, daß Herr Kardinal mit unserem Gespräch zufrieden war; er versicherte mir, daß auch er viel für El Salvador bete.

 

Auszüge aus Oscar Arnulfo Romero, In meiner Bedrängnis:
Tagebuch eines Märtyrerbischofs 1978 – 1980, Freiburg – Basel – Wien 1993

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KARDINAL SCHÖNBORN ZUR 50-JAHR-FEIER DER BISCHOFSSYNODE

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VORTRAG VON KARDINAL DR. CHRISTOPH SCHÖNBORN,
ERZBISCHOF VON WIEN UND
VORSITZENDER DER ÖSTERREICHISCHEN BISCHOFSKONFERENZ,
ZUR 50-JAHR-FEIER DER BISCHOFSSYNODE

 

Heiliger Vater!
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Inzwischen sind zwei Drittel der diesjährigen Sitzung der Synode vorbei. Es fügt sich schön, dass wir heute innehalten können, um Gott zu danken für die Schaffung der Bischofssynode durch den Seligen Papst Paul VI. vor 50 Jahren, zu Beginn der letzten Sitzungsperiode des Konzils, mit dem Apostolischen Schreiben Motu Proprio „Apostolica sollicitudo“ über die Errichtung der Bischofssynode für die ganze Kirche vom 15. September 1965.

Das große, weltweite Interesse, das die laufende Synode ausgelöst hat, zeigt nicht nur, wie intensiv das Thema Ehe und Familie viele Menschen bewegt, weit über den Raum der Katholischen Kirche hinaus. Es zeigt auch, wie lebendig die Institution der Bischofssynode auch nach fünfzig Jahren ist, von der der heilige Papst Johannes Paul II. sagen konnte, sie sei „hervorgesprossen aus dem fruchtbaren Boden des II. Vatikanischen Konzils“.[1]

Bischofssynode und Konzil sind untrennbar verbunden. Fünfzig Jahre nach dem Ende des Konzils kann noch überzeugter gesagt werden, was Papst Johannes Paul II. schon 1983 feststellte: „Die Bischofssynode hat in bemerkenswerter Weise die Einbindung der Lehre und ihre Orientierung an den Glaubenswahrheiten und Pastoralen Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils im Leben der ganzen universalen Kirche beigetragen.“ Diese Aktualisierung ist noch im Gange, wie es meistens nach einem Konzil der Fall ist.

Tatsächlich gab es nach jedem großen Konzil in der langen Geschichte der Kirche die Phase der Rezeption, der Interpretation und der Umsetzung der Lehren und Bestimmungen des Konzils. Denken wir nur daran, wie lange es gedauert hat, bis das erste Ökumenische Konzil, das von Nicea (325), voll im Denken, Lehren und in der Praxis der Kirche umgesetzt war. In gewisser Weise kann man sagen, dass dieser Prozess bis zum Zweiten Konzil von Nicea, also bis 787, bis zum Abschluss des Zyklus der sieben ersten großen ökumenischen Konzilien gedauert hat.[2] Denn erst mit dem Zweiten Konzil von Nicea (über die heiligen Bilder und ihre Berechtigung) war das Christusgeheimnis in seinen wesentlichen Dimensionen ausgeleuchtet. Dazu waren immerhin 450 Jahre notwendig!

Oder denken wir an das Trienter Konzil, das große Reformkonzil in der Krise der Reformation. An manchen Orten hat es bis zu 200 Jahre gedauert, bis die Reformen von Trient wirklich umgesetzt wurden. In der Erzdiözese Wien wurde erst 200 Jahre nach dem Ende des Konzils die Reform der Priesterziehung umgesetzt und ein Priesterseminar gegründet (1758). Wien hatte eben keinen hl. Karl Borromäus, um die vom Konzil gewünschten Reformen gleichumzusetzen!

In den vergangenen fünfzig Jahren war die Bischofssynode sicher eines der privilegierten Instrumente zur Umsetzung des Zweiten Vatikanums. Papst Johannes Paul II. konnte 1983 sagen: „Der synodale Schlüssel für die Lektüre der Konzilstexte wurde gleichsam zu einem Ort der Interpretation, der Anwendung und der Weiterentwicklung des Zweiten Vatikanums. Schon die lange Liste der Themen, die in den verschiedenen Synoden behandelt wurden, zeigt die Bedeutung der Sitzungen für die Kirche und für die Umsetzung der Reformen, die das Konzil wollte“ (ebd.).

Die Bischofssynode als privilegierter Ort der Konzilsinterpretation

Gewiss, die Bischofssynode ist nur einer der Orte der Interpretation und der Umsetzung der vom Konzil gewollten Reformen. Die ganze reiche Vielfalt der Lebensäußerungen der Kirche trägt zu der vom Konzil gewünschten Erneuerung bei. Die Bischofssynode ist ein privilegierter Ort der Konzilsinterpretation.

In den fünfzig Jahren ihres Bestehens hat es auch nie an Kritik gefehlt betreffend die Bischofssynode und ihre Effizienz. Ich brauche hier nicht die diversen Kritikpunkte nennen, die immer wieder vorgebracht wurden. So war und ist ein Thema, das häufig besprochen wurde, die Frage der Autorität der Bischofssynode, ob sie ein beratendes Organ ist, das den Dienst des Petrusamtes unterstützt, oder ob sie auch Entscheidungsvollmacht hat. Ist die Bischofssynode eine Form der Mitregierung der Universalkirche? Oder dient sie vor allem, die Kollegialität zu pflegen, die effektive und die affektive Kollegialität unter den Bischöfen cum et sub Petro? Viel wurde auch über die Methode der Bischofssynode debattiert. Immer wieder wurden Aspekte der Arbeitsmethode kritisiert, und manches auch im Lauf der Jahre aus den Erfahrungen gelernt und verbessert. Dankbar sehen wir die Erneuerungen der Methoden unter Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus.

Was soll die Bischofssynode? Was ist ihr Sinn? Ihr Ziel? Was sind ihre theologischen Grundlagen? Über die kirchenrechtlichen und vor allem die ekklesiologischen Grundlagen der Bischofssynode ist viel Wichtiges und Gültiges geschrieben worden. Ich denke vor allem an die lectio magistralis des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger, über „Ziele und Methoden der Bischofssynode“.[3] In seiner gewohnten Klarheit hat er sich hier zur rechtlichen und theologischen Einordnung der Bischofssynode im Ganzen der Kirche geäußert. Seine Ausführungen haben nichts an Gültigkeit eingebüßt. (Ich werde auf zwei wichtige Ergebnisse seiner Darlegungen noch zurückkommen).

Schon damals, als die Institution der Bischofssynode noch keine zwanzig Jahre alt war, bewegten vor allem zwei Fragen, die bis heute aktuell geblieben sind, und die Kardinal Ratzinger in seinem Vortrag wie folgt formuliert hat: „Es steht zur Diskussion, ob die aktuelle rechtliche Gestalt der Synode für deren Zweck perfekt geeignet ist, der im Umfeld einer bestimmten theologischen Wirklichkeit, die sich im Zweiten Vatikanischen Konzil findet, dargestellt ist: … nämlich innerhalb des Verhältnisses der Sendung des Nachfolgers des Heiligen Petrus und der gemeinsamen Verantwortung des gesamten Bischofskollegiums, dem – mit und unter Petrus – die Sorge für die Weltkirche anvertraut ist.“ Die erste Frage also lautet: Dient die Bischofssynode in angemessener Weise der bischöflichen Kollegialität cum Petro et sub Petro in der Verantwortung für die Kirche?

Die 2. Frage formulierte Kardinal Ratzinger wie folgt: „Wir müssen auch prüfen, ob die bisher verwendeten Methoden für den Zweck der Synode wirklich geeignet sind.“[4]

Die Frage der Methode bewegt den Weg der Bischofssynode von Anfang an. So sagte der hl. Papst Johannes Paul II am Schluss der sechsten Generalversammlung der Bischofssynode am 29. Oktober 1983: „Möglicherweise kann dieses Instrument noch verbessert und die kollegiale pastorale Verantwortung in einer Synode noch vollkommener zum Ausdruck gebracht werden.“

Und Papst Franziskus: „Beinahe 50 Jahre sind seit der Einführung der Institution der Bischofssynode vergangen, ich habe selber die Zeichen der Zeit geprüft und ich bin mir bewusst, dass es notwendig ist, um mein Petrusamt ausüben zu können, mehr denn je die direkte Verbindung mit allen Hirten der Kirche noch mehr zu beleben, es drängt mich sehr, dieses wertvolle Erbe des Konzils wieder zu würdigen.“[5]

Synodos heißt „gemeinsamer Weg“. Synodalität heißt „gemeinsam auf dem Weg sein“. Wer gemeinsam auf dem Weg ist, braucht ein klares Ziel. Methode kommt von Methodos: „Weg zu etwas hin“. Soll der Syn-odos gelingen, ist dermeth-odos ganz entscheidend. Die Debatten über die Methode der Synode sind keine nebensächlichen Fragen der Organisation. Sie bestimmen sehr prägend mit, ob der Syn-odos zum Ziel führt.

Dieses untrennbare Miteinander und Ineinander von synodos und methodos steht bereits klar am Anfang der Institution der Bischofssynode, in den Worten, mit denen der selige Papst Paul VI. die Bischofssynode eingesetzt hat: „Die apostolische Sorge, in der Wir, die Zeichen der Zeit aufmerksam durchforschend, die Wege und Methoden des geistlichen Apostolates den wachsenden Notwendigkeiten unserer Tage sowie den veränderten Verhältnissen der Gesellschaft anzupassen suchen, drängt Uns dazu, Unsere Verbindung mit den Bischöfen, ‚die der Heilige Geist dazu bestimmt hat …, die Kirche Gottes zu leiten‘ (Apg 20,28), mit noch engeren Banden zu bestärken.“[6].

Das Apostelkonzil – Modell für die synodale Methode

Um dieses Ineinander von synodos und methodos zu bedenken, schlage ich vor, auf die „Ursynode“, das Urmodell der Synode zu blicken, auf das sogenannte „Apostelkonzil“ von Jerusalem. Mir scheint nämlich gerade die Methode, die damals angewandt wurde, für den weiteren Weg der Bischofssynode wegweisend zu sein. Und wir können durchaus im Rückblick sagen: diese erste Synode war so erfolgreich, dass wir heute noch von ihren Früchten leben.

Alles begann mit einem dramatischen Konflikt: „Es kamen einige Leute von Judäa herab und lehrten die Brüder: Wenn ihr euch nicht nach dem Brauch des Mose beschneiden lasst, könnt ihr nicht gerettet werden“ (Apg 15,1). Das war keine harmlose Sache. Es ging um Heil oder Unheil. Es ging ums Ganze des christlichen Weges. Nicht nur um die Lehre, sondern ums Leben. Kein Wunder, dass die Frage großen Streit auslöste: „Nach großer Aufregung und heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und Paulus und Barnabas beschloss man, Paulus und Barnabas und einige andere von ihnen sollten wegen dieser Streitfrage zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufgehen“ (Apg 15,2). Es ist daher nicht verwunderlich, dass dann auch in Jerusalem „ein heftiger Streit entstand“ (Apg 15,7). Denn als sie alle beisammen waren, „erhoben sich einige aus dem Kreis der Pharisäer, die gläubig geworden waren, und sagten: Man muss sie beschneiden und von ihnen fordern, am Gesetz des Mose festzuhalten“ (Apg 15,5).

Der Konflikt um den Weg der Heidenchristen zeigt etwas ganz Wichtiges: Er wurde ausgesprochen. Er wurde offenbenannt und offen ausgetragen. Diese Parrhesia erinnert mich an zwei Worte von Papst Franziskus, die er am Anfang und am Ende der außerordentlichen Synodensitzung vom vergangenen Oktober den Synodalen sagte: „Eine Grundbedingung dafür ist es, offen zu sprechen. Keiner soll sagen: ‚Das kann man nicht sagen, sonst könnte man ja schlecht über mich denken…‘ Alles, was sich jemand zu sagen gedrängt fühlt, darf mit Parrhesia [Freimut] ausgesprochen werden. Nach dem letzten Konsistorium (Februar 2014), bei dem über die Familie gesprochen wurde, hat mir ein Kardinal geschrieben: ‚Schade, dass einige Kardinäle aus Respekt vor dem Papst nicht den Mut gehabt haben, gewisse Dinge zu sagen, weil sie meinten, dass der Papst vielleicht anders denken könnte.‘ Das ist nicht in Ordnung, das ist keine Synodalität, weil man alles sagen soll, wozu man sich im Herrn zu sprechen gedrängt fühlt: ohne menschliche Rücksichten, ohne Furcht! Und zugleich soll man in Demut zuhören und offenen Herzens annehmen, was die Brüder sagen. Mit diesen beiden Geisteshaltungen üben wir die Synodalität aus.“.

Mit diesen beiden Haltungen kann es auch zu „heftigen Auseinandersetzungen“ kommen. So war es beim „Konzil von Jerusalem“, dem Apostelkonzil. So war es auch bei der Synode im vergangenen Oktober. In seiner Schlussansprache am 18. Oktober 2014 ist Papst Franziskus auch ausdrücklich auf diese durchaus spannungsgeladenen Diskussionen eingegangen:

„Ich persönlich wäre sehr besorgt und betrübt,hätte es diese Versuchungen [der Papst hatte fünf solche Versuchungen genannt] und diese emotionalen Diskussionen nicht gegeben; das sind Bewegungen des Geistes, wie sie der Heilige Ignatius nennt. Wir hätten alle einverstanden oder schweigsam in einem falschen und ruhigen Frieden bleiben können. Stattdessen habe ich mit Dank und Freude Beiträge und Diskussionen gehört, die voller Glauben sind, voller Einsatz für Pastoral und Lehre, voller Weisheit, Offenheit, Mut und Parrhesia (Freiheit des Wortes). Und ich habe wahrgenommen, dass uns das Wohl der Kirche, der Familien und das ‚höchste Gesetz‘ (suprema lex), das ‚Heil der Seelen‘ (salus animarum), vor Augen stand“ (cf. CIC Can. 1752).

Papst Franziskus ermutigt uns, die Auseinandersetzungen nicht zu fürchten, sie als dieses „movimento degli spiriti“ zu leben, als die treibende Kraft, die die Unterscheidung der Geister reifen lässt und die Herzen bereitet, das zu erkennen, was der Herr selber uns sagt, ja was er schon entschieden hat (vgl. Apg 15,7), was wir aber noch durch Gebet und durch die Mühen unserer Auseinandersetzung erkennen müssen.

Damit wende ich mich wieder der „Ursynode“, dem „Jerusalemer Konzil“ zu. Die wichtigste Lehre über den „synodalen Weg“ der Urkirche sehe ich im methodos, in der Art und Weise, wie die junge Kirche diesen dramatischen Konflikt gelöst hat. Sie haben nicht theologische Gutachten geschrieben, gegen die dann theologische Gegengutachten verfasst und vorgelegt würden. Die theologische Debatte ist wichtig und unerlässlich. Es gehört zum synodos, den Papst Franziskus begonnen hat, indem er das Thema „Ehe und Familie“ gewählt hat, dass eine intensive theologische Debatte in der ganzen Kirche ausgelöst wurde. Ich sehe darin einen echten Gewinn für die „organische Entwicklung“ der Lehre der Kirche. So heißt es im Katechismus der Katholischen Kirche:

„Dank des Beistands des Heiligen Geistes kann das Verständnis der Wirklichkeiten wie auch der Formulierungen des Glaubenserbes  im  Leben der Kirche wachsen:

– aufgrund des Nachsinnens und des Studiums der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen (DV 8); insbesondere die theologische Forschung soll sich … um eine tiefe Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheiten bemühen (GS 62,7);

– aufgrund der inneren Einsicht in die geistlichen Dinge, die sie erfahren (DV 8); die göttlichen Worte wachsen mit den Lesenden (Gregor d. Gr., hom. Ez. 1,7,8);

– aufgrund der Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt die sichere Gnadengabe der Wahrheit empfangen haben (DV 8)“ (KKK 94).

So ist die theologische Debatte der letzten Monate ein wichtiger Beitrag zum Weg der Synode, wie ja auch das Werk des Zweiten Vatikanums nicht denkbar gewesen wäre, ohne die große Arbeit der Theologen in den Jahrzehnten vor dem Konzil und während des Konzils. Dass diese theologischen Debatten bisweilen auch mit einiger Verbissenheit, ja Verbitterung und nicht immer im Geist des aufeinander-Hörens und des sich-Bemühens, den anderen in seinen Anliegen zu verstehen geführt wurden und auch heute noch werden, gehört zu den klassischen Versuchungen, von denen Papst Franziskus am Schluss der außerordentlichen Sitzung der Synode gesprochen hat.

Die Urkirche hat aber eine andere Methode verwendet, um zu einer Entscheidung zu finden, um den Konflikt zu lösen. Diese Methode ist sicher auch für die theologische Debatte wichtig. Sie ist es noch mehr für das Gelingen des Synodalen Weges. Hören wir den Bericht der Apostelgeschichte:

„Die Apostel und die Ältesten traten zusammen, um die Frage zu prüfen. Als ein heftiger Streit entstand, erhob sich Petrus und sagte zu ihnen: Brüder, wie ihr wisst, hat Gott schon längst hier bei euch die Entscheidung getroffen, dass die Heiden durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören und zum Glauben gelangen sollen. Und Gott, der die Herzen kennt, bestätigte dies, indem er ihnen ebenso wie uns den Heiligen Geist gab. Er machte keinerlei Unterschied zwischen uns und ihnen; denn er hat ihre Herzen durch den Glauben gereinigt. Warum stellt ihr also jetzt Gott auf die Probe und legt den Jüngern ein Joch auf den Nacken, das weder unsere Väter noch wir tragen konnten? Wir glauben im Gegenteil, durch die Gnade Jesu, des Herrn, gerettet zu werden, auf die gleiche Weise wie jene.“ (Apg 15, 6-11)

Kurz gesagt: Petrus berichtet, was Gott selber getan und damit entschieden hat: Die Methode, die Petrus verwendet, ist das Erzählen der Taten Gottes. Wir können auch sagen: er berichtet, was er als Wirken Gottes erfahren hat. Daraus zieht er die Folgerungen. Sie sind nicht das Ergebnis theologischer Reflexionen, sondern aufmerksames Hinschauen und Hinhören auf Gottes Wirken.

Wie reagiert die „Synode“, die Versammlung, auf die Rede des Petrus? „Da schwieg die ganze Versammlung“ (Apg 15,12). Sie tun genau das, was Papst Franziskus uns in der Synode des vergangenen Jahres zu tun gebeten hatte: Petrus sprach mit Parrhesia. Und die Versammlung hörte zu „in Demut“. Das Zeugnis des Petrus wird nicht gleich in einer großen Debatte „zerpflückt“ und kritisiert. Sein Wort wird mit Schweigen aufgenommen, und kann somit „im Herzen erwogen“ werden (vgl. Lk 2,19.51). Wie wichtig ist dieses Schweigen und mit dem Herzen Hören! In dieser Haltung sind sie dann auch bereit, das Zeugnis von Paulus und Barnabas zu empfangen: „Da schwieg die ganze Versammlung. Und sie hörten Paulus und Barnabas zu, wie sie erzählten, welch große Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte“ (Apg 15,12).

Sie erzählten! Sie gaben keine theologische Abhandlung. Sie haben nicht abstrakt theoretisiert über das Heil der Heiden, sondern sie legten dar, was sie „gesehen und gehört“ haben (vgl. Apg 4,20). Was Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat sagten, gilt umso mehr für die Versammlung der Kirche in Jerusalem: „Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“ (Apg 4,20).

Auch das Zeugnis von Paulus und Barnabas lässt die Gemeinde zuerst einmal stehen: Es wird nicht gleich diskutiert, sondern gehört und im Herzen aufgenommen. „Als sie geendet hatten, nahm Jakobus das Wort und sagte: Brüder, hört mich an! Simon hat berichtet, dass Gott selbst zuerst eingegriffen hat, um aus den Heiden ein Volk für seinen Namen zu gewinnen“ (Apg 15,13f). Jakobus bestätigt, was bereits Petrus gesagt hat: Gott selber hat eingegriffen und die Sache entscheiden.

Als Autorität führt Jakobus Worte aus den Propheten an, die im Voraus bestätigen, was der Herr in diesen Tagen tut, „um aus den Heiden ein Volk für seinen Namen zu gewinnen“ (Apg 15,14). So stimmen Schrift und Erfahrung überein. Im Hören auf beide, die Schrift und die Erfahrung, erkennt die Versammlung den Weg und den Willen Gottes. So kommt es zum gemeinsamen Beschluss „der Apostel und der Ältesten zusammen mit der ganzen Gemeinde“ (Apg 15,22). Im Schreiben heißt es dann: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen, euch keine weiteren Lasten aufzuerlegen als diese notwendigen Ginge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und Unzucht zu meiden“ (Apg 15,28f).

Die Apostelgeschichte berichtet nun auch von der Rezeption der Beschlüsse von Jerusalem: „Die Brüder lasen den Brief und freuten sich über die Ermutigung (paraklêsei)“ (Apg 15,31). Schön, wenn das Ergebnis einer Synode die Gläubigen ermutigt! Nicht immer wurde das, was schließlich aus einer Synode hervorging, mit solcher Freude aufgenommen.

 

Die Schlussfolgerungen: Mission, Zeugnis, Unterscheidung

Ich bitte um Nachsicht, dass ich mich länger bei der Jerusalemer „Ursynode“ aufgehalten habe. Ich will versuchen, zum Schluss daraus drei Gedanken über den Weg der Bischofssynode zu formulieren. Die Orientierung an der Heiligen Schrift ist ja wesentlich für unseren „Synodos“, unseren gemeinsamen Weg. Ich fasse sie in drei Stichworte zusammen: Mission, Zeugnis, Unterscheidung.

1. Das innerste Ziel der Synode als Instrument der Umsetzung des II. Vatikanums kann nur die Mission sein. Die „Ursynode“ von Jerusalem hat die missionarische Dynamik der Urkirche ermöglicht, gefördert, ja gewaltig zum Blühen gebracht. Die fundamentale Erkenntnis, dass wir alle, Juden und Heiden, „durch die Gnade Jesu, des Herrn, gerettet wurden“ (Apg 15,11), hat den Heiden das Tor zur Kirche geöffnet.

Der Erfolg der Institution „Bischofssynode“ wird vor allem daran zu messen sein, ob sie „das Leben der Kirche und seinen missionarischen Geist“ (EG n.32) fördert. Die Bischofssynode kann einen fruchtbaren Anstoß geben für den anstehenden Übergang von einer „einfach erhaltenden Seelsorge“ zu einer „explizit missionarischen Seelsorge“ auf allen Ebenen der Kirche“ (EG n.15). Gewiss, die Bischofssynode ist kein Konzil. Sie soll dem Papst bei seinem Dienst für die Kirche unterstützen und gemeinsam mit ihm in der „Begeisterung für die Mission“ fördern, betonten sowohl der hl. Papst Johannes Paul II. (Redemptoris missio, 45), als auch Papst Franziskus (EG, 265).

2. Wie aber kann die Bischofssynode den Papst unterstützen in der gemeinsamen missionarischen Dynamik? Auch hier kann uns der Blick auf die „Ursynode“ von Jerusalem helfen. Seit fünfzig Jahren wurde immer wieder die Frage gestellt, ob die Synode nicht nur ein „voto consultativo“ (beratende Stimme) haben sollte, sondern auch ein „voto deliberativo“ (entscheidende Stimme). Papst Franziskus hat immer wieder betont, die Synode sei kein Parlament. Sie sei anderer Natur.

Der selige Papst Paul VI. hat die Bischofssynode als ein neues beratendes Organ auf der Ebene der ganzen Weltkirche eingesetzt. Gewiss, die Bischöfe als Mitglieder der Synode, repräsentieren ihre Ortskirchen, deren Leben, deren Freuden und Sorgen. In den Hirten ist immer auch das ganze Volk Gottes gegenwärtig. Aber die Bischöfe sind nicht Repräsentanten wie die Abgeordneten im Parlament. Diese Vertretung hat eine wesentlich andere Bedeutung in der kirchlichen Struktur und ist nach dem Prinzip der Gemeinschaft und des Glaubens bestimmt. Nun kann aber der Glaube nicht repräsentiert, sondern nur bezeugt werden.

Genau das aber geschah damals in Jerusalem. Die Apostel haben Zeugnis gegeben von dem, was sie gesehen und gehört haben. Wenn ich einen Wunsch an den zukünftigen Weg der Bischofssynode äußern darf: Bitte nehmen wir Maß am Apostelkonzil! Reden wir weniger abstrakt und distanziert. Bezeugen wir einander, was der Herr uns zeigt und wie wir sein Wirken erfahren.

Ich durfte an der Synode über die Neuevangelisierung teilnehmen. Es gab viele interessante Beiträge. Aber kaum jemand hat davon Zeugnis gegeben, wie wir selber Mission und Evangelisierung erfahren. In Jerusalem haben Petrus, Paulus, Barnabas von ihren Zeugnissen und Erfahrungen gesprochen. Wir bleiben allzu oft in der Theorie, im „man sollte“ und „man müsste“, kaum einmal reden wir persönlich von unseren Missionserfahrungen. Darauf aber warten unsere Gläubigen!

3. Und genau das ist der entscheidende Punkt: In Jerusalem ging es nicht um Beratung oder Entscheidung, sondern um das Unterscheidende des Willens und Weges Gottes. Natürlich gehören heftige Diskussionen, ja sogar Streit und intensives Ringen zum synodalen Weg. So war es schon in Jerusalem. Aber Ziel der Debatten, Ziel der Zeugnisse ist das gemeinsame Unterscheiden des Willens Gottes. Auch dort, wo abgestimmt wird (wie am Ende jeder Synode), geht es nicht um Machtkämpfe, Parteibildungen (über die die Medien dann gerne berichten), sondern um diesen gemeinschaftlichen Prozess zur Bildung eines Urteils, wie wir es in Jerusalem gesehen haben. Im Ende kommt, so hoffen wir, nicht ein politischer Kompromiss heraus, auf einem niedrigen gemeinsamen Nenner, sondern dieser „Mehr-Wert“, den der Heilige Geist schenkt, sodass es am Schluss heißen kann: „Der Heilige Geist und wir haben beschlossen“ (Apg 15,28).

Ich schließe: Papst Franziskus hat von Anfang an gesagt, „die Reform der Strukturen, die für die pastorale Neuausrichtung erforderlich ist, kann nur in diesem Sinn verstanden werden: dafür zu sorgen, dass sie alle missionarischer werden, dass die gewöhnliche Seelsorge in all ihren Bereichen expansiver und offener ist, dass sie die in der Seelsorge Tätigen in eine ständige Haltung des „Aufbruchs“ versetzt und so die positive Antwort all derer begünstigt, denen Jesus seine Freundschaft anbietet. Wie Johannes Paul II. zu den Bischöfen Ozeaniens sagte, muss „jede Erneuerung in der Kirche […] auf Mission abzielen, um nicht in eine Art kirchlicher Introversion zu verfallen.“[7] Die Bischofssynode ist aus diesem Grunde da, um auf diesem Weg die Reifung im Dienste der Nachfolge Petri und ein überaus wertvolles Geschenk wofür wir den Heiligen Geist danken müssen, auf den der selige Papst Paul VI hingewiesen hat. Nun ist es fünfzig Jahre her.

 


[1] Johannes Paul II., Discorso Consiglio della Segretaria Generale del Sinodo dei Vescovi, 30. April 1983.
[2] Vgl. Christoph Schönborn, Die Christusikone. Eine theologische Hinführung, Wien 41998.
[3]Kard. Joseph Ratzinger, Scopi e metodi del Sinodo dei Vescovi. In: Josef Tomko (ed.), Il Sinodo dei Vescovi. Natura – metodo – prospettive, Città del Vaticano 1985, 45-58; gekürzte deutsche Ausgabe: Fragen zu Struktur und Aufgaben der Bischofssynode. In: Gesammelte Schriften 8/1, Freiburg/Br. 2010, 556-572.
[4] Loc. cit,. p. 45.
[5] Papst Franziskus, Lettera al Card. Baldisseri, 1 April 2014
[6]Papst Paul VI., Apostolisches Schreiben Apostolica sollicitudo, 15. Sept. 1965.
[7] Papst Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Ecclesia in Oceania. 22. November 2001, n.19; Papst Franziskus, Evangelii gaudium n.27.
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Aus: Alfons Sarrach: SIEG DER SÜHNE – Wigratzbad: Marias Botschaft an den Menschen

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Kapitel III

Die Grotte – Maria vom Sieg

 

„Beginne mit dem Bau!”

Der Rückzug ins Elternhaus veränderte Antonies Leben nur äußerlich. Der Vater übertrug ihr im Hause und im Ge­schäft, was sie zu leisten vermochte. Das und die Erinnerung an den fluchtartigen Rückzug aus Lindau konnten in ihr nicht eine tiefe Sehnsucht nach Einsamkeit und Gebet auslöschen. Eines Tages trat sie an ihren Vater heran und machte ihm fol­genden Vorschlag:

„Vater, ich muss einen einsamen Ort haben, wo ich unge­stört beten kann. Der Weg in die Pfarrkirche ist zu weit. Du weißt um die Notwendigkeit des Gebetes gerade jetzt. Erlau­be mir, auf unserem Grund eine Lourdesgrotte zu bauen! Es soll unser Dank sein für meine wunderbare Rettung. Ich bin überzeugt, dass jener geheimnisvolle Radfahrer in der Nacht in Lindau mein Schutzengel war.“

Der Vater stimmte zu, aber die Familie äußerte Bedenken. Sie befürchtete, dass Antonie mit diesem Bau erneut ihre Geg­ner auf sich aufmerksam machen würde und ihr Leben da­mit wieder in Gefahr geriete.

Antonie überlegte und wartete einen Monat ab. Das zeigt, dass sie in keiner Weise unbedacht war und einfach sponta­nen Neigungen folgte. Sie vertraute sich ihrem seinerzeitigen Seelenführer an. Es war Georg Weiß (1901-1977), der damali­ge Pfarrverweser von Ratzenried, ein sehr vergeistigter, ganz marianischer Priester. Und es ist bemerkenswert, wie er da­rauf einging. Er unternahm seinerseits eine Wallfahrt nach Altötting, betete, fastete, rutschte auf den Knien, das Buß­kreuz auf den Schultern, um die Gnadenkapelle, bis er über den Vorschlag volle innere Klarheit und Sicherheit gewonnen hatte. Die Antwort, die er für Antonie mitbrachte, als er wie­der daheim war, zeigt ein für Wigratzbad bezeichnendes Phä­nomen. Er sagte zu ihr: „Beginne sofort mit dem Bau, oder ich ziehe mich von deiner Leitung zurück!“ Das war beinahe wie ein Befehl. Es zeigt aber auch, dass der Himmel in Wi­gratzbad keine einsame Einzelgängerin auf einen dornenrei­chen Weg berufen hat. Mehrere Menschen erhielten beinahe unerklärliche Anstöße, ihr zu helfen oder ihr beratend zur Seite zu stehen. Antonie war zwar der menschliche Brenn­punkt, aber daneben tauchten immer wieder Personen auf, denen bei der Entstehung eines noch „fiktiven“ Gnadenortes eine ergänzende Rolle zugefallen war.

Die Antwort, die ihr Georg Weiß gab, muss sie sehr glück­lich gemacht haben. Der Geistliche hat übrigens das Aufblü­hen der Gnadenstätte noch miterlebt. Der Bau wurde sofort in Angriff genommen. Nun aber kamen neue Probleme auf, die es zu lösen galt.

Antonies leiblicher Bruder Martin begann die nötigen Stei­ne aus dem nahe gelegenen Fluss, der Laiblach, zu heben und auf den Bauplatz zu karren. Da ließ ein gewaltiges Unwetter den Fluss anschwellen; er trat über die Ufer, vernichtete die Ernte und riss eine eiserne Brücke hinweg, über den die Stei­ne transportiert wurden.

Dann kam ein weiteres Unglück hinzu. Die sechs Metz­gergehilfen und Stallknechte des Hauses, die ab und zu bei den Bauarbeiten mitgeholfen hatten, streikten. Für eine sol­che Arbeit seien sie nicht angestellt worden. Der Bau einer Grotte sei nicht ihre Sache. Sie verließen am gleichen Tag das Haus, ohne die Kündigungsfrist abzuwarten. Die Familie stand mit der ganzen Arbeit allein da.

Das wahre Motiv der Streikenden war jedoch ein anderes. Es überrascht, wie schnell der eigentlich erst geplante Bau der Grotte bereits Antonies Gegner auf den Plan gerufen hatte. Sie streuten in der ganzen Umgebung ein niederträchtiges Gerücht, das eigentlich ihr moralisches Ende hätte sein können. Sie habe – so hieß es – in Lindau von drei Herren 50 000 Mark für den Bau einer Kapelle bekommen. Das Geld habe sie je­doch vertan oder ins Geschäft gesteckt. Mit dem Bau einer Grotte wolle sie nur ihr Gewissen beruhigen. Außerdem hätte sie sündigen Umgang gehabt – in der Sprache von heute wür­de es heißen, sie hätte sexuelle Beziehungen gehabt, die nicht ohne Folgen geblieben seien. Um das Kind abtreiben zu lassen, sei sie zum Schein auf eine Wallfahrt ins Ausland gegangen. Nun erkühne sie sich, hier ein Heiligtum der Unbefleckten Empfängnis zu errichten.

Zu allem Leid kam hinzu, dass ihr Bruder Martin sich im kühlen Wasser erkältet hatte. Der Arzt stellte eine galoppieren­de Kehlkopfschwindsucht fest. Der Hals schwoll an, er konn­te kein Wort mehr reden, nur etwas Flüssigkeit zu sich neh­men, auch das Augenlicht erlosch. Der Arzt meinte, innerhalb von zwei Wochen könnte der Tod eintreten. Martins Frau er­wartete ihr erstes Kind. Die Trauer im ganzen Hause war groß und Antonie musste als Blitzableiter herhalten. Eigensinnig habe sie den Bau der Grotte erzwingen wollen.

Was lag für Antonie näher, als sich in dieser Situation an je­ne Mutter zu wenden, die ihr vor einem Jahrzehnt gesagt hatte: „Komm und diene mir!“, zu der sie ein so inniges Verhältnis besaß. Im Garten betete sie vor einem Bild der Unbefleckten eine Nacht hindurch auf Kieselsteinen kniend, bis die Knie bluteten. „Ich wollte ja nur deine Ehre fördern“, flehte sie, „ich wollte helfen, Sünder zu bekehren, das Vaterland zu retten.“

Es soll schon 4 Uhr in der Frühe gewesen sein, als sie das Haus wieder betrat. Leise klopfte sie an die Tür des kranken Bruders. Die Schwägerin machte auf und erzählte, Martin hätte sie vor einer halben Stunde gerufen, was er vorher gar nicht konnte. Eine Stunde später verlangte er zu essen und zu trinken. Die Geschwulst hatte sich zurückgebildet. Gegen 7 Uhr war auch das Fieber weg.

„Siehst du, was die Mutter Gottes kann“, meinte Antonie lächelnd zu ihrem Bruder. „Du hast recht“, antwortete dieser. „Wenn ich wieder gesund bin, hole ich noch die letzten Stei­ne aus der Laiblach heraus. Ich fürchte mich nicht.“ Als der Arzt, Dr. Frewitz, aus Bregenz kam, zeigte er sich überrascht und machte dann eine Bemerkung, die in diesen Mauern nicht das erste Mal fallen sollte: „Das ist ein wirkliches Wunder! Das ist nur in diesem Hause möglich.“ Es war der unerschüt­terliche Glaube einer jungen Frau, der das alles bewirkte.

Das Standbild

Das Material zum Bau kam zusammen, und der Steinmetz­meister Thronsberg von Wangen begann mit dem Aufbau. Was noch fehlte, war das entsprechende Standbild der Unbe­fleckten Empfängnis von Lourdes. Die Entdeckung dieses Bil­des für Wigratzbad zeigt das Ineinandergreifen verschiede­ner Lebensschicksale, die auf ein Ziel ausgerichtet waren: die Entstehung einer großen Gebetsstätte.

Am 31. Mai 1936 erhielt Antonie in einer inneren Erfah­rung in der hl. Messe, während der Wandlung, und zwar in der kurzen Pause zwischen den Erhebungen der Hostie und des Kelches, einen Hinweis. Sie hörte die Worte: „1,50 Meter. Hole mich!“ Sie konnte damit zunächst nichts anfangen, gab aber dem Steinmetz den Auftrag, eine entsprechende Nische vorzubereiten.

Eine Woche später schickte der Vater sie in einer geschäft­lichen Angelegenheit mit dem Fahrrad nach Wasserburg. Es war ein unfreundlicher, regnerischer Tag, sie wäre lieber daheim geblieben, aber der Vater drängte. In Wasserburg traf sie die gesuchten Leute nicht an und machte sich auf den Heim­weg. Sie hatte den Ort jedoch noch nicht ganz verlassen, da war ihr, als zupfe sie jemand am Mantel und sage ihr: „Steig ab. Hier hole mich!“

Sie stieg ab und schaute sich um. Es war niemand zu sehen, außer einem Mann, der in einem Wiesengraben arbeitete. Deshalb wollte sie weiterfahren, aber das Fahrrad bremste und war nicht in Gang zu bringen. Da erinnerte sie sich an ihre Zeit in Lindau, als sie dort an den Bau einer Grotte dachte, was ihr eine Frau erzählt hatte. Verwandte in Wasserburg wür­den eine große Statue im Hause haben, die für eine Lourdes­grotte bestimmt sei. Das Standbild würde jedes Jahr bei der Fronleichnamsprozession vor das Haus gestellt werden.

So fragte sie den Mann im Graben, ob hier irgendwo eine große Statue der Madonna stehe. Der Angesprochene konn­te ihr das Haus sofort zeigen. Die Familie hieß Hagen. Man nahm sie freundlich auf und sie konnte ihr Anliegen vorbrin­gen. Als man die Tür zur Kammer öffnete, in der die Statue stand, durchfuhr Antonie ein Schauer. Es war genau das Stand­bild, das ihr während der hl. Messe gezeigt worden war: 1,50 Meter groß! Dann erfuhr sie aus dem Munde des Sohnes die Geschichte der Statue.

Der Vater sei ein sehr frommer Mann gewesen. Mehrfach hätte er Lourdes besucht. Nach der letzten Pilgerreise erzähl­te er daheim, er habe auf geheimnisvolle Weise den Auftrag erhalten, in seiner Heimat eine Marienstätte zu errichten. Der Plan wurde ausgearbeitet. Die Grotte sollte in Naturgröße auf­gebaut werden. Gleichzeitig verfasste er eine Broschüre, 188 Seiten, in der er von zwei seiner Wallfahrten nach Lourdes berichtete und die Vorzüge der Andacht zur Unbefleckten Empfängnis schilderte. Ein Gebets- und Liederteil wurde beigefügt. Der Erlös der Schrift sollte den Bau finanzieren. Hin­zu kam eine Spende von 20 000 Mark von einem protestan­tischen Christen.

300 Fuhren Steine waren schon beisammen, die Behörden hatten bereits die Baugenehmigung erteilt. Da widersetzte sich der damalige Pfarrer von Wasserburg dem Vorhaben, erhob bei den Behörden Einspruch und erreichte, dass die Geneh­migung zurückgezogen wurde. Der vorgesehene Platz wurde später für ein Strandbad verwendet. Vater Hagen starb bald darauf an einem Herzschlag, wahrscheinlich aus Kummer über den gescheiterten Plan.

Vor seinem Tode hatte der Mann bei einem italienischen Künstler eine Marmorstatue der Unbefleckten Empfängnis in Auftrag gegeben. Dieser fertigte aber zunächst ein Modell an, und dieses hat die Familie Hagen als Andenken aufbewahrt und verehrt.

Als Antonie ihre Bitte vortrug, das Standbild zu erwerben, stieß sie auf entschiedenen Widerstand der Familie. Sechs­mal fuhr sie hin, sechsmal unternahm sie den Versuch, die Fa­milie umzustimmen, bot ihr sogar einen kostbaren Brillant­schmuck an. Vergeblich. Daraufhin vertraute sie alles der Got­tesmutter an: „Nun übergebe ich dir die Sache. Wenn du willst, dass diese Statue nach Wigratzbad kommt und hier verehrt wird, dann sorge nun du dafür! Ich habe getan, was in mei­nen Kräften lag.“

Einweihung

Trotz der enttäuschenden Absagen überkam sie plötzlich ein gewaltiges Vertrauen. Sie unternahm etwas, was die Fa­milie als Wahnsinn bezeichnete. Sie ging am Sonntag zum Pfarrer von Wohmbrechts und bat ihn, von der Kanzel zu ver­künden, dass am nächsten Sonntag, am Rosenkranzfest, die Grotte eingeweiht werde. „Entwerfen Sie bitte ein Programm für die Feier!“ bat sie ihn. Und der stimmte seltsamerweise zu. Nicht nur das. Er zeigte sich begeistert: „Das muss feierlich gemacht werden. Ich lade die ganze Gemeinde ein. Die Kom­munionkinder erscheinen in weißen Kleidern. Der Kirchen­chor wird singen. Ich freue mich selbst darauf.“

Im Hauptgottesdienst am Sonntag wurde die Weihe an­gekündigt. Antonies Mutter und die Schwägerin, die in der Kirche anwesend waren, trauten ihren Ohren nicht. Daheim überschütteten sie die Tochter mit heftigsten Vorwürfen: „Du lässt die Weihe verkünden und hast noch keine Statue für die Grotte. Man sagt immer, du spinnst. Nun glauben wir es bald selber.“ Sie sollten schon am nächsten Tag eines Besseren be­lehrt werden.

Am Montagmorgen half Antonie beim Einkochen von Äp­feln. Da klingelte das Telefon und die Schwägerin nahm ab. Sie traute ihren Ohren kaum. Angerufen hatte Frau Hagen, die Besitzerin jenes Standbildes, das Antonie so dringend erbeten hatte: „Holt die Statue sofort ab. Mein verstorbener Mann lässt mir keine Ruhe mehr. Ich kann nicht mehr schlafen. Tag und Nacht drängt er mich ohne Unterlass, ich soll die Statue her­geben. Ich habe genug. Holt sie ab und zwar sofort!“

Noch am gleichen Nachmittag holte Antonie die Mariensta­tue ab. Der Frau übergab sie einen kostbaren Brillantschmuck. Er war dem Vater einmal als Pfand für eine Geldanleihe hin­terlegt und nie eingelöst worden. Er hatte ihn Antonie zum Geschenk gemacht. Jetzt gab sie ihn weiter. Die Madonna war ihr unendlich viel mehr wert.

Daheim wurde das Standbild der Gottesmutter in ein Meer von Blumen gestellt und bis zum Sonntag von der ganzen Fa­milie verehrt. Mit ausgebreiteten Armen haben alle den Ro­senkranz gebetet.

In feierlicher Prozession wurde die Statue am Rosenkranz­sonntag 1936 aus dem Hause der Familie zur Grotte hinaufge­tragen. Den Gesang gestaltete der Kirchenchor von Primiswei­ler, die Festpredigt hielt Pfarrer Bernhard von Maria Thann, die Weihe vollzog Ortspfarrer Basch, und eine große Schar von Menschen war dabei, wie sie Wigratzbad noch nie gesehen hatte. Diese festliche Umrahmung für die Weihe einer Grotte auf privatem Boden muss erstaunen. Hier kündigte sich be­reits Größeres an. Eine Gebetsstätte, die einmal über den gan­zen deutschsprachigen Raum und darüber hinaus über Eu­ropa ausstrahlen sollte, zeichnete sich am Horizont ab.

Es galt nun, sie mit Leben zu füllen. Antonie nahm vor der Statue ihre nächtlichen Anbetungsstunden wieder auf. Wäh­rend eine ganze Nation im politischen Rausch versank – wo­für die Olympiade in Berlin ein Beispiel bot – gelobten eini­ge Mädchen, täglich an dieser Grotte den Rosenkranz zu be­ten. Jeden Samstagabend kam die Gruppe zusammen, oft die Nacht hindurch, bis es Zeit wurde, zur Frühmesse nach Wan­gen zu wandern. Man wollte vor allem die Arbeit der Pries­ter in dieser schweren Zeit unterstützen. Man betete auch in der Hoffnung, dass hier einmal die hl. Messe gefeiert und das Allerheiligste verehrt werde.

Und das Ganze blieb nicht nur Frauensache. Am Sonntag­abend fanden sich Männer ein, um die Nacht hindurch zu be­ten. Unter ihnen war der Landwirt Krug aus Kisslegg, dessen Tochter Maria sich nach dem Zweiten Weltkrieg Antonie an­schloss und in ihre Dienste trat. 25 Jahre hat sie entscheidend am Aufbau der Stätte mitgewirkt.

Erzbischof Josef Stimpfle sagte einmal gegenüber dem Ver­fasser, für ihn sei Wigratzbad ein Beispiel dafür, was das Gebet und das Opfer einiger weniger bewirken könne, wenn dahin­ter der Geist totaler Hingabe an die Sache stehe. Die Entwick­lung um die Grotte ist tatsächlich eine Bestätigung dafür. Immer häufiger erzählten Leute, dass ihre Gebete erhört wurden, andere sprachen von außerordentlichen Gnaden, die sie empfangen hätten. Das machte im Volke die Runde. Im­mer mehr Leute kamen, um vor der Grotte ihr Herz auszu­schütten, erst aus der näheren Umgebung, dann aber auch aus der weiteren. Sehr bald zeigte sich, dass man ein bescheide­nes Dach über der Stätte errichten musste, um die Pilger – das waren sie bereits – vor der Witterung zu schützen.

Es ist wie bei einem Arzt, der ein besonderes Charisma hat, Menschen zu heilen. Das spricht sich wie ein Lauffeuer hrum, auch heute noch. In Wigratzbad war eine geheimnis­volle Kraft am Werke, weit mehr als ein Arzt. Das sollte bald eine weitere Bestätigung finden.

Engelchöre

Es war ein paar Tage nach dem Fest Mariä Empfängnis. Um die Mittagszeit drängte es Antonie zur Grotte und einen schmerzhaften Rosenkranz zu beten. Beim dritten Geheim­nis, „der für uns mit Dornen gekrönt worden ist“, hörte sie auf einmal ein Rauschen, das immer stärker wurde. Es hörte sich an, als käme es von unzähligen Flügelschlägen. Die jun ge Frau schaute zum Standbild, sah aber nichts. Dann hob ein Gesang an, der immer mächtiger wurde und schließlich gewaltig und wuchtig wurde, als würden unzählige himmli­sche Heerscharen um die Grotte versammelt in wundervol­len Akkorden zusammenstimmen. Sie sangen alle: „Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg, bitte für uns!“ Um die fünfzig Mal hörte Antonie die Worte und begann schließlich unwill­kürlich mitzusingen. Wieder schaute sie auf die Statue, aber es hatte sich nichts verändert. Allerdings hatte sie den Ein­druck, als würde Maria lächeln. Dann hob das Singen wieder an, wurde aber allmählich schwächer und verstummte schließ­lich. Antonie kniete auf ihrem Betschemel und wusste nicht, wie ihr war. Sie war wie gebannt. Plötzlich fiel ihr ein, dass man daheim wohl auf sie wartete.

Tatsächlich empfing die Mutter sie mit bitteren Vorwürfen. „Ich war in der Grotte“, antwortete die Tochter, „dort habe ich ein Erlebnis gehabt. Ich war wie gebannt, ich konnte nicht weg.“ Aber wie so oft stieß die Tochter damit bei ihrer eigenen Mutter auf kein Verständnis. „Immer hast du so eigenartige Sachen im Kopf. Du meinst, du wärest etwas Besonderes. Du bist ein dummes Mädchen, hast Grillen im Kopf, sonst nichts.“ Immerhin hatte die Mutter schon einiges mit ihr erlebt, was sie hätte nachdenklich machen müssen. Aber warum soll es Mystikern anders ergehen als ihrem Meister, der in Nazareth lange von Verwandten verkannt und abgelehnt wurde. Anto­nie schwieg, das Beste, was sie tun konnte, ging früh zu Bett, aber ihr Herz zersprang fast vor Freude.

Es ist nicht zu übersehen, dass Antonie bei ihren entschei­denden Erlebnissen instinktiv den Rat mystisch erfahrener Priester gesucht hat. So war es auch in diesem Fall. Ein paar Wochen nach ihrem Erlebnis in der Grotte erfuhr sie von ei­nem sehr vergeistigten Priester. Es war Pfarrer Norbert Feiel, der damals die Gemeinde Eglofs betreute, drei Wegstunden von Wigratzbad entfernt. Er war selber ein von den Nazis Ver­folgter. Eine Zeitlang verbrachte er im Gefängnis, weil er die Gemeinde aufgefordert hatte, nicht mit „Heil Hitler“, sondern weiterhin mit „Grüß Gott“ und „Gelobt sei Jesus Christus“ zu grüßen. Ein ehemaliger Mitarbeiter, B. Dobler, schilderte ihn später als einen Mann mit großem Wissen, als einen unge­wöhnlichen Pädagogen und Menschenkenner. Die hl. Messe hat er stets in tiefer Ergriffenheit gefeiert und eine besonde­re Verehrung für die kleine Theresia von Lisieux gehabt, die, so wird vermutet, ihm auch erschienen sein soll.

Bei diesem nüchternen, aber doch sehr gläubigen Priester suchte Antonie Rat und ein Urteil über ihre innere Erfahrung. Sie sollte nicht enttäuscht werden.

„Ein Teufelsspuk ist es sicher nicht gewesen“, meinte er im Sinne theologischer Logik, „denn dieser wird sich nie mit einer solchen Formulierung anfreunden: Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg. Was Sie erlebten, war eine gottgewollte Be­gegnung. Gott hat sie mit der Gnade verbunden, Engelchöre zu senden, die der gottfernen, sinkenden Welt andeuten, Maria wolle hier als Siegerin über Welt und Teufel thronen, Siege­rin heißen und sein und als solche große Gnaden in und um dieses Heiligtum verknüpfen und den Menschen schenken. Schon im Uranfang, an der Wiege des Menschengeschlechtes, hat der Schöpfer Maria als Siegerin verheißen, die der hölli­schen Schlange den Kopf zertreten werde. Maria will also, um es Ihnen kurz zu sagen, an diesem Ort genannt werden, wie Sie es gehört haben: ,Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg‘.“

Im Anschluss machte er einen Vorschlag, der beinahe ver­messen hätte erscheinen können, der aber aus dem Leben großer, heiligmäßiger Persönlichkeiten nicht unbekannt ist. Damit sie ganz sicher gehe, solle sie die Gottesmutter in die­sem jungen Heiligtum bitten, binnen acht Tagen drei große Gebetserhörungen zu gewähren. Er wolle das als Zeichen von ihr. Sollte es eintreten, möge sie ihm berichten. Wenn sich nichts ereigne, brauchte sie gar nicht erst zu kommen.

Und was geschah? Daheim steuerte sie gleich auf die Grot­te zu. Sie wollte den Auftrag des Priesters an die Gottesmutter sofort weitergeben. Vor der Grotte traf sie auf den ehemaligen Bürgermeister von Wangen, Geray, und seine Frau. Tränen­überströmt erzählten sie, ihr einziger Sohn sei von der Ge­heimen Staatspolizei abgeholt worden. Seit Wochen hätten sie nichts von ihm gehört. Sie wüssten nicht, ob er überhaupt noch lebe oder wo er gefangen gehalten werde. Antonie trös­tete und forderte sie auf, mit ihr den Psalter, also drei Rosen­kränze zu beten. Nach jedem Zehner fügten sie hinzu „Unbe­fleckt empfangene Mutter vom Sieg, bitte für uns!“

Schon am nächsten Tag fand sich das Paar wieder ein. Das Gebet war umgehend erhört worden. Am Abend sei der Sohn heimgekommen. Er war in einem Stall eingesperrt gewesen und plötzlich freigelassen worden. Man könne nicht genug danken, beteuerten sie.

Antonie erbat eine schriftliche Erklärung über den Vor­gang, die ihr auch gegeben wurde. Außerdem brachte das Paar eine Reliquie mit und hing sie in der Grotte als Votivgeschenk mit der Inschrift auf: „Unser Dank an die Mutter Gottes, weil sie uns so schnell und wunderbar erhört hat!“ Bei dieser Er­hörung sollte es nicht bleiben.

Schon am anderen Tag kam eine Frau Stadelmann von Scheidegg mit zwei Nachbarinnen zu Antonie. Sie waren auf dem Heimweg vom Krankenhaus Hoyren in Lindau. Dort lag ihr Mann im Sterben, Leberkrebs im letzten Stadium. Zwei Ärzte und die Krankenschwester hatten die Ehefrau kom­men lassen, um ihr mitzuteilen, dass der Mann den nächsten Tag wahrscheinlich nicht überleben werde. Die Schmerzen seien unerträglich. Weinend baten die Frauen, Antonie mö­ge doch für ihn beten: „Wir hätten den Vater noch so bitter notwendig.“

„Bei Gott ist nichts unmöglich“, antwortete Antonie und forderte die Frauen ebenfalls auf, sofort mit ihr drei Rosenkränze zu beten, mit dem Einschub „Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg, bitte für uns!“ Noch am gleichen Abend er­reichte Antonie ein Anruf, aus Hoyren sei eine Nachricht ge­kommen, dem Mann würde es besser gehen. Zu der Zeit, da in Wigratzbad gebetet wurde, seien Fieber und Schmerz gewi­chen. Er habe sich erholt und wenn die Besserung anhalte, könnte er am nächsten Tag entlassen werden. Das geschah auch. Zur Überwachung begleitete ihn eine Krankenschwester.

Auch in diesem Fall erbat Antonie eine schriftliche Erklä­rung und legte sie zu den Akten.

Noch in der gleichen Woche rief eine verzweifelte Frau aus Opfenbach an. Die Mutter, eine Frau Milz, liege im Sterben. Sie bat dringend, Antonie möge ihr doch Wasser aus der Si­ckerquelle in Wigratzbad bringen. Sie wolle sofort aufbrechen und Antonie entgegenkommen. Auf halbem Wege trafen sie zusammen. Mit der Flasche eilte die Tochter an das Sterbe­bett der Mutter und reichte ihr das Wasser. Die Kranke trank sie ganz leer. Daraufhin erholte sie sich zusehends und konn­te am nächsten Tag aufstehen. Alle sprachen von einem Wun­der. Das war nun Fall drei.

Bald danach kam eine Frau aus Wigratzbad selber. Rönt­genaufnahmen hätten bei ihrem Mann Magenkrebs im letzten Stadium erkannt. Eine Operation erschien den Ärzten sinnlos. Der Mann war zum Skelett abgemagert. Antonie sollte für ihn beten. Aber die machte es der Bittstellerin nicht zu leicht. „Schicken Sie mir am Samstagabend Ihre beiden Töchter. Wir werden die Nacht hindurch beten.“ Aber das war für die Frau zu viel des Guten. Dazu würden ihre Kinder kaum be­reit sein. Antonie gab nicht nach: „Wenn ich durchhalte, wer­den auch sie durchhalten. Wenn es ernst ist, dann müsst ihr eben beten.“ Und sie beteten, die ganze Nacht hindurch, zur „Unbefleckt empfangenen Mutter vom Sieg“. Am darauf fol­genden Mittag, es war Sonntag, verlangte der todkranke Mann zu essen, aß mit großem Appetit und spürte keine Schmer­zen mehr. Bei der Röntgenaufnahme stellte man eine völlige Heilung fest. Der Mann lebte danach noch 18 Jahre. Antonie hatte eine weitere schriftliche Erklärung in der Hand.

Die Stätte wird groß werden

Mit diesen Dokumenten machte sie sich eine Woche spä­ter auf den Weg nach Eglofs. Pfarrer Norbert Feiel zeigte sich tief betroffen und betete mit Antonie das „Magnificat“. Dann sagte er zu Antonie ein paar Worte, die man heute als pro­phetisch bezeichnen kann:

„Liebes Marienkind! Diese Stätte wird groß werden. Es wird ein Gnadenort erster Güte werden und bleiben. Bleiben Sie de­mütig! Dienen Sie Maria mit noch größerem Eifer! Ich werde bald sterben und den Triumph Mariens über ihre Feinde, die so zahlreich in unserem Lande geworden sind, nicht mehr er­leben. Ich werde aber vom Himmel aus dieses Heiligtum seg­nen. Meine Füße tragen mich nicht mehr hin zu dieser Stätte, wo ich gerne den Boden küssen wollte aus Ehrfurcht vor der göttlichen Heimsuchung, die dort stattfand. Ich werde eine Predigt halten über Maria vom Sieg und diese Ihnen zuschi­cken. Beten Sie den Rosenkranz immer mit großer Andacht. Dann wird Maria bald die engen Wände sprengen.“

Die Predigt hat er tatsächlich am 23. Mai 1937 in Bühl, das zur Pfarrei Eglofs gehört, gehalten. Darin sagte er u.a.: „Im Allgäu ist ein mutiges Mädchen, das zusammen mit Männern und Frauen, jungen Männern und jungen Frauen, stundenlang vor einer Lourdesgrotte den Rosenkranz betet mit der Anru­fung: 0 Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg, bitte für uns! Einzig mit dieser Waffe des Gebetes wollen sie die Welt über­winden.“ Mit diesen Worten schloss er auch die Predigt.

Ein hochsensibler Priester war ein großes Wagnis einge­gangen. Er hatte den Himmel herausgefordert und drei Zei­chen erbeten. Das erinnert an Lourdes, wo der zuständige Seelsorger über die Seherin Bernadette ebenfalls einen Beweis haben wollte. Die Madonna sollte im Februar in der Grotte einen Rosenstrauch erblühen lassen. Statt der Rosen bekam er eine Quelle. Maria lässt sich ihr Handeln nicht vorschrei­ben. Der Geistliche in Eglofs war vorsichtiger, er erbat nur Zeichen, die Art überließ er dem Himmel. Und er erhielt in der Tat Beweise für den übernatürlichen Ursprung der Visio­nen von Antonie Rädler, auch für den Wunsch des Himmels, Maria an dieser Stätte als „Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg“ zu verehren.

Der Sieg Jesu am Kreuze, das war der Sühnetod. Auch in Wigratzbad spielt der Gedanke an Sühne von Anfang an ei­ne entscheidende Rolle. Maria fordert zur Sühne für die ei­genen und für die Verfehlungen und Verirrungen anderer auf. Sühne für andere. Das ist ihr großer Sieg in einer Zeit, die sich darin überschlägt, sich und die eigene Schuld ständig zu rechtfertigen, Sünde nicht mehr als Sünde zu beteichnen, son­dern als Tugend, als Ausdruck seiner persönlichen Freiheit, Sünde als Freiheit. Diese Freiheit hat den Sünder, einsam ge­macht, einsamer denn je, und muss am Ende seinen geistigen Tod bedeuten. Das ist die große Botschaft von Wigratzbad.

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Quelle: Eigener Scan aus meinem persönlichen Exemplar des im Titel genannten (neu nicht mehr erhältlichen) Buches

Siehe ferner:


„DSpecht“: Partielle Widerlegung bzw. Korrektur der herkömmlichen Sedisvakanzthese aufgrund der Berücksichtigung von „Ecclesia supplet“

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Kommentator-Beitrag (vorgelegt von dspecht)

I. Ich neigte – und neige ja gerade unter Bergoglio immer noch – der Sedisvakanzthese zu, gehe also sicher unvoreingenommen an die Sache heran, ja wenn voreingenommen, dann sogar proSedisvakanz(these). Und hätte daher auch nichts dagegen, dass durch substantielle, sachliche Kritik sich meine Thesen hier als widerlegbar

II. Es sind aber gerade sachliche und wie ich meine eindeutige, geradezu zwingende Gründe, die mich eben zwingen das zu schreiben, was ich nun schreibe – und eben neue Erkenntnisse, die bisher in der ganzen Debatte nicht ventiliert wurden, ja offenbar übersehen wurden, obgleich sie so klar und eindeutig sind, dass dies geradezu verwunderlich ist.

III. Es ist kurz gesagt der Umstand des error communis (und c. 209) wie auch der Umstand fehlender amtlicher (Feststellungs-)Urteile (und cc. 2264/65) [CIC 1917- im Folgenden immer dieser; parallel-analog dazu aber im CIC1983].

IV. Wie kam ich darauf? Nun, zuerst wurde ich auf den Gedanken des error communis in unserem Zush. durch Schriften des sog. „Sedisprivationismus“ („Cassiciacum-These“) aufmerksam, welchem ich ebenfalls zuneigte (was aber nicht mehr der Fall ist, zumindest nicht in allen seinen Punkten, weil ich diesen inwzischen als – zumindest eben in einigen Punkten, aber in Wesentlichen – als unhaltbar ansehe). Und auch der Sedisvakantist John Lane berücksichtig etwa den error communis.
Dort wird der error communis jedoch nur am Rande erwähnt und gemeint, über diesen würde nur für einige wenige Akte der vermeintlichen Amtsträger die fehlende Jurisdiktion suppliert,  sodass die Akte gültig wären, aber mitnichten für alle schlechthin. Mir selbst wurde dann durch Studium des c. 209 bzw. der katholischen Suppletionslehre dazu bald klar, dass diese Ansicht nicht haltbar ist: Denn entweder liegt kein error communis vor und dann wird eben gar nicht suppliert (bzw. zumindest nicht aufgrund von error communis) – oder aber ein solcher liegt vor, dann wird schlicht für alle Amtsakte suppliert bzw. alle fehlende Jurisdiktion wird suppliert. Der Wortlaut von c. 209 ist klar und ohne Einschränkung: Im Fall eines errror communis wird die fehlende Amtsgewalt pro foro interno wie auch por foro externo suppliert. Punkt. Ohne Einschränkung. –

Daher vertrat ich schon länger die Auffassung, dass die Amtsakte resp. die Jursidiktion der (nach)konziliaren Päpste (und Bischöfe), wenn man von Sedisvakanz bzw. Verlust der Amtsgewalt ausgeht, an sich suppliert würde, also alle Akte bzw. alle fehlende Jurisdiktion in allen Fällen — ausgenommen die unter die Unfehlbarkeit fallenden. Mit letzterer Ausnahme konnte ich den Sedisvakantismus als Lösung für die ekklesiologischen Probleme noch retten und dachte, diese Ausnahme sei auch inhaltlich angezeigt und somit rechtfertigbar (auch wenn c. 209 nicht darüber spricht), weil ich dachte, der Aspekt der Unfehlbarkeit wäre kein Aspekt der Jurisdikition selbst und würde daher eben nicht mitsuppliert.

Ich kam aber dann darauf, dass die Unfehlbarkeit doch ein solcher Aspekt der Jursidiktion selbst ist, ja einfach in der plena iurisdictio mit eingeschlossen ist – also die höchste Jurisditkionsgewalt mit der Unfehlbarkeit in eins fällt bzw. letztere wesenhaft mit dieser verbunden ist, von dieser ausgeht. Würde also die Jurisdiktion ersetzt, dann auch jene, die Unfehlbarkeit zur Folge hat. Damit wäre dann aber die Sedisvakanztheorie plötzlich als Problemlösung der ekklesiologischen Problem in sich zusammengebrochen und völlig untauglich, ja unhaltbar.
Dazu kam, dass ich auch auf die cc.2264/65 bzw. weitere rund um sie herum aufmerksam wurde, welche zum Thema die unterschiedlichen Rechtsfolgen bei ipso facto Exkommunikationen, welche amtlich festgestellt sind einerseits und ipso facto Exkommunikationen, welche amtliche (noch) nicht festgestellt sind andererseits haben – und besagen, dass die Amtsakte letzterer, wenn auch unerlaubt, so dochgültig sind.
Und mir fiel auf, dass diese cc. ja in bester Harmonie zu meiner Erkenntnis bzgl. c. 209 standen, dass die betreffenden Amtsakte eben auch aufgrund von error communis allfenfalls unerlaubt, aber dennoch/jedenfalls gültig wären.
V. Was macht mich (inzwischen) so sicher? Nun, zunächst sind eben die soeben dargelegten Überlegungen an sich schon überzeugend, geradezu zwingend – und eben der Wortlaut der cc.
Dazu kommt aber – inzwischen – noch, dass ich auch auf (mein Auffassung) bestätigende Auslegungen von Kanonisten, und eben von mehreren und hervorragenden bzw. aus Standardwerken, gestoßen bin.
So etwa Miaskiewicz in seiner Doktorarbeit zu Eccl. supplet, dann stieß ich jüngst auf den Artikel „Excommuncation“ der Catholic Encyclopedia von 1913 und schließlich noch auf Laymann und Billuart.
Auch wurde mir – inzwischen – klar, dass auch Bellarmin und andere dem nicht widersprechen, wenn nicht sogar in völliger Harmonie damit argumentieren, zumindest was den error communis betrifft.

VI. Was ist denn nun kurz und prägnant zusammengefasst die neue Erkenntnis (aufgrund der genannten cc. und deren klarem Wortlaut wie auch der  Auslegung der besagtem Kanonisten)?

Nun, wie schon oben unter IV. angerissen, dass gleich aus zweifachem Grund bzw. unter zweifachem Aspekt die Amtsakte der (nach-)konziliaren Päpste, wenn denn Sedisvakanz herrschte bzw. sie ihr Amt verloren (resp. nie rechtsgültig angetreten) hätten, zwar (allenfalls) unerlaubt, aber (dennoch/jedenfalls) gültig wären:
Sowohl aufgrund des ohne Zweifels vorliegenden error communis (nach c. 209) als auch des Umstandes der ebenso sicher fehlenden amtlichen Urteile (nach den cc. 2264/65) – weil die an sich fehlende Jurisdiktion suppliert/rechtlich delegiert würde.
Also egal auf welchen Rechtsgrund man sich für den Verlust der Amtsgewalt (resp. die nie rechtsgültige Erlangung derselben) stützen wollte, sei es auf den Kirchenausschluss und somit den Verlust der Mitgliedschaft bzw. der Mitgliedschaftsrechte in der Kirche aufgrund einer Strafe, nämlich der Exkommunikation aufgrund von Häresie/Apostasie (nach c. 2314) oder aber den Verlust der Kirchenmitgliedschaft bzw. der Kirchenmitgliedschaftsrechte und der Amtsinhabe aufgrund eines stillschweigenden Amtsverzichtes aufgrund von Häresie/Apostasie (nach c. 188) – beides mal würde c. 209 greifen und die Amtsgewalt/Jursidiktionsgewalt suppliert werden und im ersteren Fall würde auch noch c. 2264/65 greifen (wahrscheinlich würden diese cc. indirekt / in zweiter Linie auch im zweiten Fall greifen, weil der stillschweigende Amtsverzicht nach c. 188 zugleich eine Exkommunkation nach c. 2314 nach sich zöge und der Betreffenden dann ebenfalls unter die Bestimmungen der cc. 2264 u. 2265 fallen würde).
So oder so wären jedenfalls die Amtsakte gültig (wenn auch – evtl – unerlaubt).
Bestätigend sei hier als ein Beispiel Laymann zitiert (nach http://www.trueorfalsepope.com/p/sedevacantist-watch-renowned.html):

„But note that, although we affirm that the Supreme Pontiff, as a private person, might become a heretic … nevertheless, for as long as he is tolerated by the Church, and is publicly recognized as the universal pastor, he is still endowed, in fact, with the pontifical power, in such a way that all his decrees have no less force and authority than they would if he were a truly faithful, as Dominic Barnes notes well (q.1, a. 10, doubt 2, ad. 3) Suarez bk 4, on laws, ch. 7.“

Das sind genau die beiden Punkte/Aspekte, die auch ich bisher genannt habe und wie sie in den cc.2264 u. 2265 resp. dem c. 209 festgehalten sind:
Die Amts- bzw. Jurisditkionsakte wären gültig und verpflichtend
1. solange der betreffende von der Kirche toleriert – weil nicht (hinreichend) amtlich verurteilt und daher auch nicht, zumindest was die Gültigkeit betrifft, aus dem Amt entfernt – würde (wie das nun im Codex von 1917 nach den cc. 2264 und 2265 der Fall ist)
und 2. solange eine error communis herrschte, der Betreffende also allgemein, wenn auch irrtümlich, als Amtsinhaber angesehen würde (wie das nun nach c.209 der Fall ist).

VII. Warum ist damit aber die Sedisvakanzthese a) widerlegt bzw. b) zumindest als untauglich zur Lösung der ekklesiologischen Probleme erwiesen?

– Nun, weil diese These eben sagt – und darin der Kern ihrer Argumentation besteht -, dass die Amtsakte der (nach)konziliaren – vermeintlichen – Amtsträger aufgrund von Amtsverlust (resp. nicht rechtsgültigem Amtsantritt) alle ungültig (gewesen) seien.

Nun, wie eben dargelegt und bisher von allen übersehen (! – ein fundamentales, schwerwiegendes Übersehen!) wären die Amtsakte aber selbst unter der Annahme dieses Amtsverlustes (resp. nicht-Antritts) gar nicht ungültig, sondern vielmehr gültig!
Damit bricht die Argumentation der Sedisvakanzthese in sich zusammen.
Die Sedisvakanzthese kann v.a. das nicht einlösen, was sie verspricht, nämlich das Problem der offenbar unfehlbaren bzw. mit dem Anspruch der Unfehlbarkeit auftretenden / unter diese Unfehlbarkeit fallenden, aber in sich schlechten / irrigen (nach)konziliaren – vermeintlichen – Amtsakte zu lösen.
VIII. Welches ist denn näherin die Argumentation des „Sedisvakantismus“ und warum ist diese also als gescheitert anzusehen?
Nun, die „Sedisvakantisten“ geben meist selbst zu, dass ein direkter Beweis für die Sedisvakanz nur schwer (bis unmöglich) sei, also der direkte Nachweis des Amtsverlustes aufgrund von Häresie/Apostasie (oder noch weiterer Umstände bzw. Gründe) – weil eben schwierig (bis unmöglich) ist, den (nach)konziliaren – vermeintlichen – Amtsinhabern eine klare, eindeutige materielle und dann v.a. auch nochhartnäckige (bzw. formelle) Häresie/Apostasie nachzuweisen.
Sie argumentieren, dass dies aber durch einen indirekten Beweis gehe, nämlich dass der Amtsverlust (resp. nicht-Antritt) die logisch einzig mögliche Lösung für das ekklesiologische Problem der – anscheindend – unfehlbaren, aber in sich schlechten / irrigen Akte der (nach)konzilaren Päpste sei.
Sie argumentieren nämlich so, dass diese Akte ungültig sein müssen und dass die einzig logische oder zumindest faktische Möglichkeit dafür die Sedisvakanz sei, also dass die vermeintlichen Amtsinhaberkeine wahren (gewesen) seien, dass sie ihr Amt verloren (resp. nie rechtsgültig angetreten) hätten.
Nun, abgesehen von der Problematik, die Sedisvakanz als logisch oder doch faktisch (und somit doch dann logisch in ihrem Syllogismus) einzige Möglichkeit der Lösung des ekklesiologischen Problems, alseinzige Möglichkeit des Nachweises der Ungültigkeit der Amtsakte hinzustellen:
Gerade faktisch hat sich nun das genaue Gegenteil ergeben, dass nämlich, die Sedisvakanzthese vom Amtsverlust (resp. nicht-Antritt) einmal angenommen, – unter den faktisch gegebenen Umständen – immer noch die Gültigkeit der Amts- bzw. Jurisdiktionsakte gegeben wäre.
Somit hat sich die Sedisvakanzthese also zumindest b) als untauglich zur Lösung der ekklesiologischen Probleme erwiesen – die Akte wären ja doch gültig (anders als von den „Sedis“ vermeint – weil sie eben die cc. 209 und 2264/65 übersehen bzw. in ihrer Tragweite nicht erkannt haben!), die Probleme also weiter da!
Und da somit der indirekte Beweis scheitert und wenn es richtig ist, dass der direkte schwer bis unmöglich ist, wäre damit a) auch die (gesamte) Sedisvakanzthese widerlegt.
Oder nochmal anders verdeutlicht:
Die Sedisvakantisten stellen normalerweise folgenden Syllogismus auf:
(1.) Viele vermeintlichen (nach-)konziliaren Amtsakte (Promulgation der Konzilstexte, der Neuen Messe, des Neuen Kirchenrechts, Kanonisationen, etc.) sind (in sich) schlecht / verderblich / unkatholisch / irrig, ja häretisch / falsch
(2.) Die heilige und unfehlbare Mutter Kirche – das (unfehlbare) Lehr- und Hirtenamt der Kirche – kann uns aber keine schlechten / verderblichen / unkatholischen / irrigen Lehren / Liturgien / Gesetze etc. vorlegen
(3.) Ergo: können es keine wahren Amtsakte des Lehr- und Hirtenamtes sein, keine gültigen.
(4.) Ergo: können die vermeintlichen Amtsträger, die sie promulgiert/vorgelegt haben,  keine wahren sein, müssen also ihr Amt verloren oder nie rechtsgültig angetreten haben.
Nun, der logische Fehler liegt beim Übergang von (3.) zu (4.) (wenn man denn mal die Prämisse (1.) „kauft“; Prämisse (2.) scheint unproblematisch): (4.) ist eben nicht die einzige mögliche Lösung um (3.), also die Ungültigkeit / nicht Rechtsverbindlichkeit der Akte zu, zu begründen. (4.) folgt also logisch nicht aus (3.).
Zudem hat nun unsere Arbeit hier gezeigt, dass sogar das Gegenteil der Fall ist und dieser indirekte Beweis für die Sedisvakanz sogar widerlegt ist (Die Sedisvkanzthese (4.) ist also nicht nur nicht die einzige mögliche Lösung für das ekklesiologische Problem welches sich aus (1.) und (2.) ergibt (und in (3.) mündet), sondern positiv erwiesener maßen keine Lösung dafür!):
Denn auch unter Annahme der Sedisvakanz, also (4.), wären die Akte wie gezeigt eben doch gültig (aufgrund zumindest supplierter Jurisdiktion – nach c. 209 bzw. c. 2264/65)!
Aus (4.) würde also – unter den gegebenen Umständen – nicht nur nicht zwingend (3.) folgen, sondern (3.) folgte sogar tatsächlich gar nicht daraus, ja  vielmehr sogar das kontradiktorische Gegenteil von (3.), nämlich das die Akte gültig wären!!
Damit ist also der Sedisvakantismus a) widerlegt bzw. b) zumindest als gerade nicht die Lösung des ekklesiologischen Problems seiend erwiesen, also als unhaltbar zur Lösung dieses ekklesilogischen Problems, was er versprach zu lösen (und damit eben, falls ein direkter Beweis nicht möglich wäre, indirekt widerlegt, s.o.).
Nur wenn ein direkter Beweis möglich wäre – und bei Bergoglio-Franz neige auch ich dazu, dass dem so ist – wäre die Sedisvakanzthese doch haltbar. Die ekklesiologischen Probleme könnte sie jedenfalls aber nicht lösen!
IX. Erneute Darstellung des soeben in VI. Dargelegten, nochmal in Thesenform zweier Hauptthesen:
Thesen des Sedisvakantismus:
1. These (welche, wie selbst Sedisvakantisten zugeben, nur schwer bis unmöglich direkt zu beweisen ist):
Die (nach)konziliaren – vermeintlichen – Amtsinhaber haben aufgrund von Häresie/Apostasie ihr Amt verloren (resp. nie gültig angetreten).
2. These (welche (i) die ekklesiologischen Probleme / das ekklesiologische Problem der (nach)konziliraren – offenbar – schlechten – vermeintlichen – Amtsakte lösen soll und (ii) zugleich als indirekter Beweis für obige 1. These gilt):
Die 1. These muss stimmen, weil dies die einzig mögliche Lösung für das ekklesiologische Problem der offenkundig irrigen, in sich schlechten – vermeintlichen – (unfehlbaren) Amtsakte dieser – vermeintlichen – Amtsträger ist, weil dies Akte dadurch als ungültig erwiesen wären weil nicht von wahren Amtsträgern, Amtsinhabern herrührend.
Da wie gezeigt die Amts- bzw. Jurisdiktionsakte aber doch gültig wären, selbst unter Annahme der 1. These, so erweist sich die 2. These als falsch, als unhaltbar.
Sie macht den Fehler vom Umstand, dass die vermeintlichen Amtsträger keine wahren (gewesen) wären, darauf zu schließen, dass deren Amts- bzw. Jurisdiktionsakte – zwingend – ungültig (gewesen) wären (was eben, wie oben gezeigt, nicht der Fall ist, aufgrund von mind. supplierter Jurisdiktion!).
Der Sedisvakantismus schließt zwar richtig, dass scheinbare Amtsträger, die in Wirklichkeit keine sind, keine ordentliche Jurisdiktionsgewalt besäßen.
Sie schließen aber voreilig und unrichtig, dass daraus auch schon die Ungültigkeit der von diesen gesetzten Amtsakte folgte, weil sie, die „Sedis“, übersehen, dass die vermeintlichen Amtsträger doch wenigstens außerordentliche, supplierte Jurisdiktion besitzen würden, welche die Gültigkeit der Amtsakte zur Folge hätte!
Der Sedisvakantismus ist also zumindest b) bzw. (i) keine Lösung für die ekklesiologischen Probleme.
Da dies aber den eigentlichen Grund der Aufstellung und Begründung der Sedisvakanzthese überhaupt betrifft und diese These – die 1. These – eben nur schwer bis gar nicht direkt beweisbar, daher ist der Sedisvakantismus a) (bzw. über (ii) die Widerlegung des indirekten Beweises dafür) auch an sich widerlegt  (es sei denn im Einzelfall glückte eben ein direkter Beweis. Die ekklesiologischen Probleme wären damit aber immer noch nicht gelöst, dafür könnte die Sedisvakanzthese also jedenfalls nicht dienen, man muss sich also jedenfalls nach einer anderen Lösung dieser Probleme umschauen).
X. Fazit: Neben dem Fazit, dass die Sedisvakanzthese a) widerlegt (zumindest nach dem indirekten Beweis für sie) oder b) zumindest eben untauglich zur Lösung der ekklesiologischen Probleme ist, das soeben schon in der Klammer genannte: Die Lösung dieser Probleme (Promulgation der Neuen Liturgie etc. bis hin zu den jüngsten Heiligsprechungen bzw. „Heiligsprechungen“ [bzw. „Eiligsprechungen“], welche in der Tat unkatholisch scheinen, ja unserer Ansicht auch sind) muss anderweitig gesucht werden. Dazu dann in einer späteren Abhandlung.

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