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Kardinal Müller: Piusbruderschaft muss Konzil ganz anerkennen

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Bischof Bernard Fellay, der Obere der Priesterbruderschaft St. Pius X.

Die Piusbruderschaft muss die Glaubensfreiheit als Menschenrecht vorbehaltlos anerkennen, ebenso die Verpflichtung zur Ökumene. Das fordert der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, in der aktuellen Ausgabe der Herder-Korrespondenz. Papst Franziskus hatte in einem Interview mit der Zeitung La Croix von einem „guten Weg“ gesprochen, auf dem die Gespräche mit der schismatisch orientierten Gemeinschaft seien. Daran hatten sich Spekulationen in den Medien angeschlossen, der Papst wolle die Piusbruderschaft ohne Bedingungen wieder in die Kirche aufnehmen. Dieser Hypothese erteilt Kardinal Müller eine Absage.

„Wenn man voll und ganz katholisch sein will, muss man den Papst und auch das Zweite Vatikanische Konzil anerkennen“, so Kardinal Müller im Interview mit der Zeitschrift. Man könne nicht das eine annehmen und das andere ablehnen. Die Bilanz der zurückliegenden 50 Jahre sei für die katholische Kirche nicht durchweg positiv, so Müller weiter. Falsch sei es aber, die Vergangenheit zu verklären. „Wann immer man Zeitpunkte aus der Vergangenheit hernimmt und zur Norm erklärt, stellt man sich selbst ein Bein“, betonte der Präfekt der Glaubenskongregation.

(rv/pm 31.05.2016 ord)



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„Erinnern Sie sich, Dublin beginnt heute!“

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Pressekonferenz Weltfamilientag 2016 / © ZENIT – HSM

Pressekonferenz über den Weltfamilientag in Dublin
vom 22. bis 26. August 2016

Amoris laetitia erfordert nicht nur eine einfache Überholung der Familienpastoral, sondern sehr viel mehr“, stellte Msgr. Vincenzo Paglia, Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie, während der Pressekonferenz anlässlich des Weltfamilientags, der in Dublin vom 22. bis zum 26. August stattfinden wird, fest. Eine neue Weise, die Kirche zu leben, sei erforderlich. Dem Weltfamilientreffen komme daher in diesem wichtigen Moment im Leben der Kirche eine besondere Bedeutung zu, da das Treffen erneut in Europa stattfinde.

Im letzten Jahr wurde das Weltfamilientreffen in Philadelphia ausgetragen, und Papst Franziskus besuchte das Treffen während seiner USA-Reise. Das erste Treffen dieser Art wurde 1994 in Rom organisiert. Danach folgten Austragungsorte in der ganzen Welt.

In seiner Ansprache bezeichnete Msgr. Paglia die apostolische Exhortation „Amoris laetitia“ als Leitfaden der Begegnung und erinnerte an die bewegenden Worte von Papst Franziskus im Rahmen der Verleihung des Karls-Preises in Rom. Der Papst hatte in seiner Ansprache an die humanistischen Werte Europas appelliert und zum interkulturellen und interreligiösen Dialog aufgerufen. Unter den gesellschaftlichen, sozialen, religiösen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen nannte Msgr. Paglia die Förderung der Familie, die in Europa einen besonders schlechten Stand habe, als besonders wichtig und zitierte Papst Franziskus, der von einem jungen Europa träumt, das Mutter ist, das dem Armen hilft, zuhört, dem Bedürftigen und Migranten hilft.

Schon der Titel des diesjährigen Weltfamilientreffens, „Das Evangelium der Familie, Freude für die Welt.“, stelle das „Wir“ der Familie in den Mittelpunkt und das Bedürfnis nach Liebe eines jeden Menschen. Die Familien dienten als Vorbild für Politik und Gesellschaft, die von individualistischen Tendenzen beherrscht würden. Dem Weltfamilientreffen blickt Msgr. Paglia mit großem Enthusiasmus entgegen: „Ich würde beinahe sagen, (es ist) entscheidend für die Familien und die ganze Kirche, die Irländer, die Europäer, die ganze Welt“.

In gleicher Weise äußerte sich auch Msgr. Diarmuid Martin, Erzbischof von Dublin, über das Treffen im August und berichtete von einer Begegnung mit Papst Franziskus während der Familiensynode 2015. „… und während ich am ersten Morgen in den Synodensaal trat, sagte Papst Franziskus zu mir: ‚Erinnern Sie sich, Dublin beginnt heute!’“ Die Ermahnung des Papstes zeige, das Weltfamilientreffen stelle kein isoliertes Ereignis dar, sondern sei Teil eines Erneuerungs-, Ermutigungs- und Begleitprozesses in der Familienpstoral.

Auch wenn das Treffen in Dublin stattfinde, sei die gesamte Kirche eingebunden, erklärte der Erzbischof und gab einige Informationen zur Situation der Familien in Irland. Irland sei ein junges Land, es gebe viele Eheschließungen und wenige Scheidungen, die Geburtenrate liege bei zwei Kindern. Viele Familien litten aber unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen: Die Erneuerung der Familiepastoral sei dringlicher als je zuvor. Familien komme eine grundlegende Rolle in der Erneuerung und in der Weitergabe des Glaubens zu.

Erzbischof Martin erhofft sich, dass der Weltfamilientag die Familien ermutige. Die Kirche sei aufgerufen, ihnen in neuer Weise beizustehen und sie zu begleiten. „Die Hoffnung besteht darin, dass der Weltfamilientag in Dublin ein Fest vom Liebeszeugnis Gottes durch Jesus Christus ist.“

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Quelle


Am Sonntag erste Heiligsprechungsfeier im Heiligen Jahr

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Franziskus bei einer Heiligsprechung im September 2015

Die katholische Kirche bekommt im Verlauf des „Heiligen Jahres der Barmherzigkeit“ fünf neue Heilige, unter ihnen Mutter Teresa von Kalkutta (Heiligsprechung 4. September). Die ersten beiden Heiligsprechungen erfolgen kommenden Sonntag: Papst Franziskus wird die schwedische Ökumene-Pionierin und Judenretterin Maria Elisabeth Hesselblad (1870-1957) und den polnischen Ordensgründer Jan Papczynski (1631-1701) zur Ehre der Altäre erheben. Für 16. Oktober sind die Feiern zu Ehren des Mexikaners Jose Sanchez del Rio (1913-1928) und des argentinischen Priesters Jose Gabriel del Rosario Brochero (1840-1914) vorgesehen, die dann zu den höchsten Kirchenehren kommen.

Die vormalige Protestantin Maria Elisabeth Hesselblad versteckte während des Zweiten Weltkriegs Juden in der römischen Zentrale des von ihr gegründeten Ordens. Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem ehrte sie dafür 2005 als „Gerechte unter den Völkern“. Der Termin der Heiligsprechung liegt einen Tag vor ihrem Geburtstag.

Hesselblad wuchs in einer lutherischen Familie in Schweden auf und trat im Alter von 32 Jahren in Washington zum Katholizismus über. Sie gilt als Pionierin der Ökumene. Im Jahr 1911 gründete Hesselblad den Orden des Heiligsten Erlösers von der heiligen Birgitta, auch als „schwedischer Zweig“ des Birgittenordens bezeichnet. Damit belebte sie den im Mittelalter von der heiligen Birgitta (1303-1373) gegründeten Birgittenorden neu. Die Frauengemeinschaft wirkt vornehmlich im englischsprachigen Raum. Die einzige deutsche Niederlassung ist in Bremen. Papst Johannes Paul II. sprach die Schwedin im Jahr 2000 selig.

(kna 31.05.2016 mg)


Papst Franziskus: Um Gottes Barmherzigkeit betteln

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Papst Franziskus bei der Generalaudienz an diesem Mittwoch

Nicht das arrogante, sondern das demütige Gebet zieht die göttliche Barmherzigkeit auf sich. Das sagte Papst Franziskus an diesem Mittwoch bei seiner Generalaudienz auf dem Petersplatz. Er ging vom Gleichnis Jesu im 18. Kapitel des Lukasevangeliums aus, das das Gebet eines hochmütigen Pharisäers mit dem eines zerknirschten Zöllners vergleicht. Alles eine Frage der Haltung – diese Schlussfolgerung zog der Papst aus der vom Herrn geschilderten Szene.

„Beide kommen in den Tempel, um zu beten, aber sie tun es auf sehr unterschiedliche Weise und bekommen gegensätzliche Ergebnisse. Der Pharisäer betet stehend und braucht viele Worte; er streicht vor allem seine eigenen Verdienste heraus und fühlt sich anderen Menschen überlegen… zum Beispiel dem Zöllner. Aber hier liegt genau das Problem: Dieser Pharisäer betet zwar zu Gott, aber in Wirklichkeit denkt er nur an sich selbst. Er betet zu sich selbst! Statt den Herrn vor Augen zu haben, hat er da einen Spiegel.“

Das sei eigentlich gar kein richtiges Gebet, das dieser Pharisäer da spreche, beobachtete Franziskus – eher eine Aufzählung all der von ihm penibel eingehaltenen Gesetze. „Dieser Pharisäer, der sich für gerecht hält, vernachlässigt das wichtigste Gebot: die Liebe zu Gott und zum Nächsten! Es reicht also nicht, uns zu fragen, ob wir genug beten – wir sollten uns auch fragen, wie wir beten, oder besser, wie unser Herz beschaffen ist. Wir sollten unsere Gedanken und Gefühle untersuchen, um alle Arroganz und Scheinheiligkeit fahrenzulassen. Ich frage euch: Kann man mit Arroganz beten? Nein. Kann man mit Scheinheiligkeit beten? Nein. Wenn wir beten, dann stellen wir uns so vor Gott, wie wir sind.“

Das Gebet des Zöllners sei, im Unterschied zu dem des Pharisäers, ganz kurz und nicht besonders kunstvoll gewesen, fuhr Franziskus fort. „Oh Gott, sei mir armem Sünder gnädig – sonst nichts. Ein schönes Gebet! … Sein Gebet ist wesentlich. Er handelt demütig, seine einzige Sicherheit besteht darin, dass er ein Sünder ist, der Erbarmen braucht. Während der Pharisäer um nichts gebeten hat – er hatte ja auch schon alles –, bettelt der Zöllner um die Barmherzigkeit Gottes. Und das ist schön: um die Barmherzigkeit Gottes betteln! Sich mit leeren Händen vor ihn stellen, mit nacktem Herzen, und sich als Sünder anerkennen – so zeigt uns allen der Zöllner, was wir brauchen, um die Vergebung des Herrn zu erlangen. Ausgerechnet er, der so sehr Verachtete, wird dadurch zu einer Ikone des wahren Gläubigen!“

Gott habe eine Schwäche, betonte der Papst: „die Schwäche für die Demütigen“. Einem demütigen Herzen gegenüber öffne Gott sein Herz, ohne irgendetwas zurückzuhalten.

(rv 01.06.2016 sk)


Rom: Große Heilig-Jahr-Feier der Priester

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Auch Priester feiern in Rom das Jubiläum der Barmherzigkeit

Drei Tage lang feiern ab diesem Mittwoch Priester und Seminaristen aus aller Welt „ihr“ Heiliges Jahr in Rom. An diesem Nachmittag durchschreiten sie die Heilige Pforte von St. Peter. Ungewöhnlich ist, wie viel Zeit sich der Papst in den nächsten Tagen für sie nehmen wird.

Um 9 Uhr ging es los an diesem Mittwoch: In drei sogenannten Jubiläumskirchen haben Priester und solche, die es werden wollen, die Gelegenheit zu Beichte und Eucharistischer Anbetung. Am Abend dann, nach dem Gang durch die Heilige Pforte, stehen Katechesen und Gottesdienste in verschiedenen Sprachen auf dem Programm. Auf Deutsch wird Kurienerzbischof Georg Gänswein predigen und zelebrieren. Die italienische Sprachgruppe betreut Kardinal Gianfranco Ravasi vom Kulturrat, um die spanische kümmert sich ein Kardinal aus Panama.

„Papst Franziskus hat entschieden, dass sich bei diesen Heilig-Jahr-Feiern die Priester und auch Priesteramtskandidaten mal Zeit für sich selbst nehmen sollen“, erklärt uns Erzbischof Jorge Carlos Patrón Wong, Sekretär der Kleruskongregation. „Sie sollen sich einmal freinehmen von all den pastoralen Aktivitäten, sich ein bisschen ausruhen, sammeln und neue Kraft tanken am Herzen des Guten Hirten, in den Armen der göttlichen Barmherzigkeit. So dass sie dann wieder neu durchstarten können, von neuem großzügig auf den göttlichen Ruf antworten können.“

Am Donnerstag hält der Papst einen Einkehrtag für die Teilnehmer, die zum „Giubileo“ aus allen Teilen der Welt angereist sind. In den drei römischen Papstbasiliken wird Franziskus, über den Tag verteilt, Vorträge halten – etwas Derartiges hat es in dieser Ballung noch nicht gegeben. Um 10, um 12 und um 16 Uhr spricht der Papst in der Lateranbasilika, in Santa Maria Maggiore und Sankt Paul vor den Mauern; wir übertragen das übrigens jeweils mit deutscher Übersetzung. Am Freitag dann die Schlussveranstaltung, ein feierlicher Gottesdienst zum Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu.

(rv 01.06.2016 sk)


JOHANNES PAUL II. IN DER WALLFAHRTSKIRCHE VON GUADALUPE

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Sei gegrüßt, Mutter Lateinamerikas!

Homilie beim Gottesdienst in der Wallfahrtskirche von
Guadalupe am 27.1. 1979

1. Gruß dir, Maria!
Meine Freude ist groß, verehrte Brüder im Bischofsamt und geliebte Söhne und Töchter, daß die ersten Schritte meiner Wallfahrt als Nachfolger Pauls VI. und Johannes Pauls I. mich gerade hierher führen. Sie führen mich zu dir, Maria, in dieses Heiligtum des Volkes von Mexiko und von ganz La­teinamerika, in dem du dich seit so vielen Jahrhunderten als Mutter kund­getan hast.

Gruß dir, Maria!
Mit großer Liebe und Ehrfurcht spreche ich diese so schlichten und gleich­zeitig so wundervollen Worte aus. Niemand wird dich je in einer wunderba­ren Weise grüßen können, als es damals der Engel bei der Verkündigung getan hat! Gegrüßest seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. Diese Worte wiederhole ich, die so viele Herzen in aller Welt in sich tragen und so viele Lippen bekennen. Wir alle, die wir hier anwesend sind, wieder­holen sie zusammen im Bewußtsein, daß dies die Worte sind, mit denen Gott selbst durch seinen Boten dich begrüßt hat, dich, die Frau, im Garten Eden uns versprochen und von Ewigkeit her erwählt als Mutter des Wortes, Mutter der göttlichen Weisheit, Mutter des Gottessohnes.

2. Dein Sohn Jesus Christus ist unser Erlöser und Herr. Er ist unser Meister. Wir alle, die wir hier vereint sind, sind seine Jünger. Wir sind die Nachfolger der Apostel, denen der Herr gesagt hat: „Geht also zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen ‚Jüngern‘ und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles befolgen, was ich euch geboten habe. Und seht, ich bin bei euch alle Tage bis zur Voll­endung der Welt“ (Mt 28, 19-20).

Wir, der Nachfolger Petri und die Nachfolger der Apostel, die wir hier ver­sammelt sind, legen Zeugnis davon ab, daß sich diese Worte hier in diesem Land auf wunderbare Weise erfüllt haben.

Seitdem im Jahre 1492 die Verkündigung der Frohen Botschaft in der Neuen Welt begonnen hat, gelangt der Glaube schon gut 20 Jahre später nach Mexiko. Nur wenig später entsteht das erst Erzbistum unter der Lei­tung von Juan de Zumärraga, auf den andere große Gestalten von Verkün­dern der Frohen Botschaft folgen, die das Christentum bis in weit entfernte Gegenden verbreiten.

Andere nicht weniger glorreiche Lobgesänge werden in diesem Erdteil auf Männer angestimmt, wie auf den hl. Toribio von Mogroviejo und noch viele andere, die es verdienten, hier genannt zu werden. Die Verbreitung des Glaubens schreitet dann ohne Unterbrechung voran, und nach einem Jahr­hundert der Verkündigung der Frohbotschaft gibt es auf dem neuen Konti­nent mehr als 70 Bischofssitze mit 4 Millionen Christen. Ein einmaliger Vorgang, der sich über lange Zeit fortsetzt und bis zum heutigen Tag, nach fünf Jahrhunderten der Evangelisation, fast die Hälfte der ganzen katholi­schen Kirche umfaßt, die in der Kultur des lateinamerikanischen Volkes verwurzelt und Bestandteil seiner eigenen Identität ist.

Und in dem Maß, in dem sich in diesen Ländern der Auftrag Christi erfüllte, in dem Maß, in dem durch die Taufgnade überall die Zahl der Gotteskinder zunahm, erscheint auch die Mutter. In der Tat, dir, Maria, zeigte der Sohn Gottes und gleichzeitig dein Sohn von der Höhe des Kreuzes herab einen Mann und sagte: „Frau, da ist dein Sohn“ (Joh 19, 26). In diesem Mann hat er dir jeden Menschen anvertraut, hat er dir uns alle anvertraut. Und du, die du im Augenblick der Verkündigung mit diesen einfachen Worten: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mit mir geschehe, was du gesagt hast“ (Lk 1, 38), das ganze Programm ihres Lebens zusammengefaßt hast, umarmst alle, näherst dich allen und suchst alle wie eine Mutter. Auf diese Weise er­füllt sich, was das letzte Konzil über deine Gegenwart im Geheimnis Christi und der Kirche erklärt hat. Auf immer gehörst du in wunderbarer Weise zum Geheimnis Christi, deines eingeborenen Sohnes, weil du immer dort stehst, wo die Menschen, seine Brüder, stehen, wo die Kirche steht.

Tatsächlich lehrten die ersten Missionare, die in Amerika ankamen und aus Ländern mit einer hervorragenden marianischen Tradition stammten, mit den Grundlagen des christlichen Glaubens auch die Liebe zu dir, der Mutter Jesu und aller Menschen. Seitdem der Indio Juan Diego von der Lieben Frau von Tepeyac kündete, trittst du, Mutter von Guadalupe, in entschei­dender Weise in das christliche Leben des Volkes von Mexiko ein. Ebenso bedeutend ist deine Gegenwart an anderen Orten geworden, wo die Gläu­bigen dich unter verschiedenen Namen liebevoll verehren, wie Unsere Liebe Frau von der Hohen Gnade, von der Erscheinung, von Lujän und an­deren ebenso innigen Namen, um nicht eine endlose Reihe nennen zu müs­sen, mit denen in jeder Nation und sogar in jeder Gegend die Völker Latein­amerikas dir ihre tiefste Verehrung bekunden und wo du sie beschützt auf ihrer gläubigen Pilgerschaft.

Der Papst — der aus einem Land kommt, in dem deine Bilder, besonders je­nes von Jasna Góra, auch ein Zeichen deiner Gegenwart im Leben der Na­tion mit ihrer gefahrvollen Geschichte sind — hat ein besonderes Empfinden für dieses Zeichen deiner Gegenwart hier im Leben des Gottesvolkes von Mexiko, in seiner Geschichte, die auch nicht leicht und manchmal sogar dramatisch war. Aber du bist in gleicher Weise gegenwärtig im Leben so vieler anderer Völker und Nationen Lateinamerikas dadurch, daß du nicht nur seine fernere oder nähere Vergangenheit prägst und bestimmst, son­dern auch die Gegenwart mit ihren Unsicherheiten und Schatten. Dieser Papst nimmt im Innersten seines Herzens die besonderen Bindungen wahr, die dich mit diesem Volk einen und dieses Volk mit dir. Dieses Volk, das dich begeistert „La Morenita“ nennt. Dieses Volk — und mit ihm dieser ganze riesige Kontinent — lebt in einer geistlichen Einheit dank der Tatsa­che, daß du die Mutter bist. Eine Mutter, die mit ihrer Liebe wirkt, bewahrt und ihren Söhnen und Töchtern immer wieder Gelegenheit gibt, sich nä­hern zu können.

3. Wir treffen uns in einer außergewöhnlichen und eindrucksvollen Stunde der Weltgeschichte. Wir kommen zu diesem Ort im Bewußtsein, daß wir uns an einem entscheidenden Punkt der Entwicklung befinden. Mit dieser Bischofsversammlung wollen wir an die vorhergegangene Vollversamm­lung der lateinamerikanischen Bischöfe anknüpfen, die vor zehn Jahren in Medellin stattgefunden hat, in zeitlichem Zusammenhang mit dem Eucha­ristischen Weltkongreß von Bogotá, und an der der unvergessene Papst Paul VI. teilgenommen hat. Wir sind nicht so sehr deswegen hierherge­kommen, um nach Ablauf von zehn Jahren das gleiche Problem noch ein­mal zu behandeln, sondern eher, um es auf eine neue Weise, an einem neuen Ort und in einem neuen historischen Augenblick zu überprüfen. Wir wollen dabei das als Ausgangspunkt nehmen, was in den Dokumenten und Beschlüssen jener Konferenz enthalten ist. Gleichzeitig versuchen wir, auf der Basis der Erfahrung dieser zehn Jahre und der Entwicklung des Denkens sowie im Licht der Erfahrungen der ganzen Kirche einen richtigen und notwendigen Schritt nach vorne zu tun.

Die Konferenz von Medellin fand kurze Zeit nach Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils statt, des Konzils unseres Jahrhunderts, und hatte zum Gegenstand, die dadurch entstandenen neuen Fragestellungen und wesentlichen Inhalte des Konzils aufzugreifen, um sie auf die konkrete Si­tuation der lateinamerikanischen Kirche anzuwenden oder sie zur Orientie­rung zu nehmen.

Ohne das Konzil wäre die Versammlung von Medellin nicht möglich gewe­sen; diese wollte ein Impuls sein für die pastorale Erneuerung, ein neuer „Geist“, um der Zukunft ein neues Antlitz zu geben, und dies in voller kirchlicher Treue und in Auslegung der Zeichen der Zeit in Lateinamerika. Die Absicht der Evangelisation war sehr klar und trat in den behandelten 16 Themen offen zu Tage, die sich auf drei große, sich gegenseitig ergän­zende Themenkreise verteilten: menschlicher Fortschritt, Evangelisation und Wachstum im Glauben, die konkrete Kirche und ihre Strukturen. Mit einer Option für den Menschen Lateinamerikas, betrachtet in all seinen Lebensbereichen, mit seiner vorzugsweisen, aber nicht ausschließlichen Liebe für die Armen, mit seinem mutigen Einsatz für die vollständige Be­freiung der Menschen und Völker war Medellin — und die dort gegenwär­tige Kirche — ein Ruf der Hoffnung auf christlichere und menschlichere Ziele hin.

Aber es sind seitdem mehr als zehn Jahre vergangen. Und es entstanden In­terpretationen von zuweilen gegensätzlicher, nicht immer richtiger und für die Kirche brauchbarer Art. Deswegen sucht die Kirche nach Wegen, die es ihr ermöglichen, die von Jesus Christus erhaltene Sendung tiefer zu verste­hen und mit größerem Einsatz durchzuführen.

Eine große Bedeutung hatten in diesem Zusammenhang die Versammlun­gen der Bischofssynode, die in diesen Jahren stattfanden, vor allem die von 1974 über die Evangelisation, deren Ergebnisse dann in lebendiger und ermutigender Weise im Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi Pauls VI. zusammengefaßt wurden.

Das ist das Thema, das wir heute über unserem Arbeitstisch anbringen, das wir uns zum Studium vornehmen: „Die Evangelisation in der Gegenwart und für die Zukunft Lateinamerikas.“

Wenn wir uns an diesem heiligen Ort versammeln, um unsere Arbeit zu be­ginnen, tritt uns der Abendmahlssaal in Jerusalem vor Augen, der Ort der Einsetzung der hl. Eucharistie. Im gleichen Abendmahlssaal versammelten sich die Apostel nach der Himmelfahrt des Herrn, damit sie, mit Maria, der Mutter des Herrn, im Gebet vereint, ihr Herz bereiten konnten, um den Heiligen Geist zu empfangen im Augenblick der Geburtsstunde der Kirche. Wir kommen auch deshalb hierher; auch wir hoffen auf die Herabkunft des Heiligen Geistes, der uns die Wege der Evangelisierung erkennen läßt, auf denen die Kirche in unserem Kontinent wirken und sich erneuern muß. Auch wir wollen heute und in den nächsten Tagen im Gebet mit Maria, der Mutter unseres Herrn und Meisters, verweilen: mit dir, Mutter der Hoff­nung, Mutter von Guadalupe.

4. Gestatte also, daß wir, ich, Johannes Paul II., Bischof von Rom und Papst, zusammen mit meinen Brüdern im Bischofsamt, die die Kirche von Mexiko und von ganz Lateinamerika vertreten, in diesem feierlichen Au­genblick dir, der Magd des Herrn, das kostbare Erbe des Evangeliums, des Kreuzes, der Auferstehung, wofür wir alle Zeugen, Apostel, Lehrer und Bi­schöfe sind, anvertrauen und darbringen.

Du, unsere Mutter! Hilf uns, treue Ausspender der großen Geheimnisse Gottes zu sein. Hilf uns, die Wahrheit zu lehren, die dein Sohn verkündet hat, und die Liebe zu verbreiten, die das wichtigste Gebot und die erste Frucht des Heiligen Geistes ist. Hilf uns, unsere Brüder im Glauben zu be­stärken. Hilf uns, die Hoffnung auf das ewige Leben zu wecken. Hilf uns, die großen Schätze zu behüten, die in den Seelen des uns anvertrauten Vol­kes Gottes enthalten sind.

Dir bringen wir das ganze Gottesvolk hier dar. Dir weihen wir die Kirche von Mexiko und des ganzen Kontinents. Wir bieten sie dir an als dein Eigentum. Du, die du in den Herzen der Menschen Eingang gefunden hast durch das Zeichen deiner Gegenwart, dein Gnadenbild im Heiligtum von Guadalupe, mache diese Herzen zu deiner bleibenden Wohnstätte, jetzt und auch in Zukunft. Sei stets gegenwärtig in unseren Familien, in unseren Pfarreien, in unseren Missionen und Diözesen und in allen Völkern.

Dies geschehe durch die heilige Kirche, die, indem sie dich, die Mutter, nachahmt, selbst eine gute Mutter zu sein wünscht. Sie möchte den Gläubi­gen in allen ihren Nöten beistehen, dadurch, daß sie das Evangelium ver­kündet, die Sakramente spendet, das Leben der Familien durch das Sakra­ment der Ehe schützt, alle durch das Sakrament des Altares in der euchari­stischen Gemeinschaft vereint und sie von der Wiege bis zum Eintritt in die Ewigkeit in Liebe begleitet.

Du, unsere Mutter! Wecke in den jungen Generationen die Bereitschaft zum vorbehaltlosen Dienst für Gott. Erflehe uns auch in diesem Land ge­nügend Berufungen zum Priestertum und Ordensleben.

Unsere Mutter! Stärke den Glauben aller unserer Brüder und Schwestern im Laienstand, auf daß sie in allen Bereichen des sozialen, beruflichen, kul­turellen und politischen Lebens nach der Wahrheit und dem Gesetz han­deln, das dein Sohn der Menschheit verkündet hat, um alle zum ewigen Heil zu führen und gleichzeitig auch das Leben auf der Erde menschlicher und menschenwürdiger zu machen.

Die Kirche, die in den amerikanischen Nationen wirkt, die Kirche in Me­xiko will mit all ihren Kräften dieser erhabenen Sendung dienen mit einem erneuerten missionarischen Geist. Du, unsere Mutter! Mach, daß wir dir in Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen vermögen. Mach, daß wir selbst die­sem Weg folgen und andere darauf führen, ohne uns jemals auf Abwege zu verirren und die anderen mitzureißen.

Wir bringen sie dir dar und empfehlen dir alle und alles, was immer Gegen­stand unserer pastoralen Verantwortung ist, indem wir darauf vertrauen, daß du immer bei uns bist und uns verwirklichen hilfst, was dein Sohn uns aufgetragen hat (vgl. Joh 2, 5). Mit diesem grenzenlosen Vertrauen, das wir zu dir haben, wollen wir, ich, Johannes Paul II., zusammen mit allen meinen Brüdern im Bischofsamt von Mexiko und Lateinamerika, dich noch enger mit unserem Amt, mit der Kirche und dem Leben dieser unserer Nationen verbinden. Wir möchten unsere ganze Zukunft, die Zukunft der Evangeli­sierung in Lateinamerika in deine Hände legen.

Königin der Apostel! Nimm an unsere Bereitschaft, der Sache deines Soh­nes, der Sache des Evangeliums und des Friedens, die auf der Gerechtigkeit und der Liebe zwischen den Menschen und den Völkern gegründet ist, vor­behaltlos zu dienen.

Königin des Friedens! Bewahre die Nationen und Völker des ganzen Kon­tinents, die so sehr auf dich vertrauen, vor Kriegen, Haß und Gewalt. Mach, daß alle, Regierende und Staatsbürger, lernen, in Frieden zu leben, sich zum Frieden zu erziehen und zu tun, was die Gerechtigkeit und die Achtung der Rechte eines jeden Menschen fordern, damit sich der Friede festigt.

Nimm an diese unsere vertrauensvolle Hingabe, du Magd des Herrn. Möge deine mütterliche Gegenwart im Geheimnis Christi und der Kirche sich in eine Quelle der Freude und der Freiheit für jeden einzelnen und für alle verwandeln; Quelle jener Freiheit, zu der „Christus uns geführt hat“ (Gal 5, 1), und jenes Friedens, den die Welt nicht geben kann, den nur einer gibt, Christus (vgl. Joh 14, 27).

Schließlich erwähnen und bestätigen wir, o Mutter, den Akt meiner Vor­gänger, Benedikts XIV. und Pius‘ X., die dich zur Patronin Mexikos und ganz Lateinamerikas ausgerufen haben. Ich biete dir im Namen aller deiner mexikanischen und lateinamerikanischen Kinder ein Diadem an, damit du sie unter deinem Schutz bewahrst und ihre Eintracht im Glauben und ihre Treue zu Christus, deinem Sohn, behütest. Amen.

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Quelle: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls – 5 – Predigten und Ansprachen von Papst Johannes Paul II. bei seiner Reise in die Dominikanische Republik und nach Mexiko – 26. Jan. bis 4. Febr. 1979

(Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz)

Siehe ferner:


Kardinal Sarah: „Wenden wir uns gemeinsam dem kommenden Herrn zu“

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Kardinal Robert Sarah im Jahr 2011 Foto: Paval Hadzinski via Flickr; bearbeitet (CC BY-NC-ND 2.0)

Kardinal Robert Sarah, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, hat zu einem großen Nachdenken über die Eucharistie aufgerufen. Und er lädt Priester und Gläubige ein, sich nach Osten, zu Christus hin zu wenden. CNA dokumentiert das vollständige, von Aymeric Pourbaix geführte, Interview in „Famille chrétienne“ mit freundlicher Genehmigung des Kardinals und der französischen Kollegen. Das Original-Interview erschien in „Famille chrétienne“ Nr. 2002 des 28.05.2016.

Vor einigen Wochen haben Sie den Wunsch geäußert, das „Sakrament der Sakramente“, also die Eucharistie, „wieder im Zentrum“ zu sehen. Was ist der Grund dafür?

Ich möchte eine große Reflektion über diese Frage veranlassen, um die Eucharistie wieder in die Mitte unseres Lebens zu bringen. Ich stelle fest, dass viele unserer Liturgien den Charakter von Theatervorstellungen haben. Oft zelebriert der Priester nicht mehr die Liebe Christi durch sein Opfer, sondern eine Begegnung unter Freunden, ein Gemeinschaftsmahl, einen Moment brüderlichen Beisammenseins. Durch das Bemühen, kreative oder festliche Liturgien zu erfinden, entsteht für uns die Gefahr eines zu menschlichen Kultes, der auf der Höhe unserer Wünsche und der aktuellen Moden ist. Schritt für Schritt entfernen sich die Gläubigen von dem Geheimnis, das uns das LEBEN gibt. Für die Christen ist die Eucharistie eine Frage von Leben und Tod!

Wie kann Gott wieder ins Zentrum gerückt werden?

Die Liturgie ist die Tür zu unserer Vereinigung mit Gott. Wenn die eucharistischen Zelebrationen sich in menschliche Selbstzelebration transformieren, ist eine immense Gefahr im Verzug, denn Gott verschwindet. Wir müssen damit beginnen, Gott wieder in die Mitte der Liturgie zu rücken. Wenn ihr Zentrum der Mensch ist, dann wird die Kirche eine rein menschliche Gemeinschaft, eine schlichte NGO, wie es Papst Franziskus gesagt hat. Wenn umgekehrt Gott im Herzen der Liturgie ist, dann findet die Kirche wieder ihre Lebenskraft und ihren inneren Schwung. „In unserem Verhältnis zur Liturgie entscheidet sich das Schicksal der Kirche und des Glaubens“, schrieb in prophetischer Weise Kardinal Ratzinger.

Welches Heilmittel empfehlen Sie?

Die Wiederanerkennung der Liturgie als Werk Gottes setzt eine wahre Herzensbekehrung voraus. Das Zweite Vatikanische Konzil betonte einen Hauptpunkt: In diesem Bereich ist das Wichtige nicht das, was wir tun, sondern das, was Gott tut. Kein menschliches Tun kann jemals verwirklichen, was sich im Herzen der Messe befindet: das Opfer des Kreuzes.

Die Liturgie erlaubt uns, das Eingeschlossensein in den Mauern dieser Welt zu überwinden. Um die Sakralität und die Schönheit der Liturgie wiederzufinden, braucht es eine Arbeit an der Ausbildung der Laien, der Priester und der Bischöfe. Es handelt sich um eine innere Umkehr.

Um Gott wieder ins Zentrum der Liturgie zu rücken, braucht es auch die Stille: die Fähigkeit des Schweigens, um Gott und sein Wort zu hören. Ich bekräftige, dass wir Gott nur in der Stille und in der Betrachtung seines Wortes in den Tiefen unseres Herzens begegnen können.

Wie soll das konkret geschehen?

Bekehrung heißt sich Gott zuzuwenden. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass unser Leib an dieser Bekehrung Anteil haben muss. Das beste Mittel ist sicherlich, als Priester und Gläubige in gemeinsamer Gebetsrichtung zum kommenden Herrn hin zu zelebrieren. Dabei handelt es sich nicht, wie man manchmal hören kann, darum, mit dem Rücken oder mit dem Gesicht zum Volk hin zu zelebrieren. Das Problem liegt nicht dort. Es geht darum, sich gemeinsam zur Apsis zu wenden, die den Osten symbolisiert, wo das Kreuz des auferstandenen Herrn thront.

Durch diese Weise der Zelebration erfahren wir bis in den Leib hinein den Primat Gottes und der Anbetung. Wir begreifen, dass die Liturgie unsere Teilnahme am vollkommenen Opfer des Kreuzes ist. Ich habe persönlich diese Erfahrung gemacht: so zelebrierend wird die Gemeinde mit dem Priester als ihrem Haupt voran im Augenblick der Elevation wie angehaucht vom Mysterium des Kreuzes.

Aber ist denn diese Form erlaubt?

Sie ist legitim und entspricht dem Buchstaben und dem Geist des Konzils. Als Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung habe ich in Erinnerung zu rufen, dass die Zelebration versus orientem von den Rubriken des Meßbuches autorisiert ist, welche die Momente festlegen, wo der Zelebrant sich zum Volk hinzuwenden hat. Um zum Herrn hin zu zelebrieren, braucht es also keine besondere Erlaubnis. In diesem Sinne habe ich in einem Kommentar, der im Juni 2015 im „Osservatore Romano“ publiziert wurde, vorgeschlagen, dass die Priester und die Gläubigen sich wenigstens während des Bußritus‘, des Glorias, der Orationen und des eucharistischen Hochgebetes nach Osten wenden.

Im Bewußtsein vieler ist die Umwendung der Altäre mit dem ZweitenVatikanum verbunden? Ist das wahr?

Mehr als 50 Jahre nach Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils wird es dringend, dass wir seine Texte lesen! Das Konzil hat niemals verlangt, zum Volk hin zu zelebrieren. Diese Frage wird durch die Konstitution Sacrosanctum Concilium nicht einmal behandelt… Vielmehr wollten die Konzilsväter die Notwendigkeit für alle betonen, in die Teilnahme am gefeierten Mysterium einzutreten. In den auf das Zweite Vatikanum folgenden Jahren hat die Kirche nach Mitteln gesucht, diese Intuition ins Werk zu setzen.

So ist die Zelebration dem Volk gegenüber eine Möglichkeit, aber keine Verpflichtung geworden. Die Liturgie des Wortes rechtfertigt ein Gegenüber zwischen Lektor und Hörern, den Dialog und die Pädagogie zwischen dem Priester und seiner Gemeinde. Aber von dem Moment an, wo man sich an Gott wendet – vom Offertorium an  -, ist es wesentlich, dass der Priester und die Gläubigen sich gemeinsam nach Osten wenden. Das entspricht ganz und gar dem, was die Konzilsväter wollten.

Ich halte es für notwendig, dass man zu den Texten des Konzils zurückkehrt. Einige Anpassungen an die lokale Kultur sind wahrscheinlich nicht ausgereift genug gewesen. Ich denke an die Übersetzung des Römischen Meßbuches. In einigen Ländern wurden wesentliche Elemente ausgelassen, vor allem im Moment des Offertoriums. Im Französischen wurde die Übersetzung des Orate fratres verstümmelt. Der Priester müßte sagen: „Betet, Brüder, dass mein Opfer, das auch euer Opfer ist, Gott dem allmächtigen Vater wohlgefällig sei.“ Und die Gläubigen hätten zu antworten: „Der Herr nehme das Opfer an aus deinen Händen zum Lob und zur Verherrlichung Seines Namens, für unser Wohl und das der ganzen heiligen Kirche.“ [Anm. des Übers.: Diese Passage ist im deutschen Meßbuch korrekt übersetzt, allerdings sind hier alternative Gebetseinladungen eingefügt worden, welche den Opfercharakter nicht zum Ausdruck bringen, so daß viele Gläubige das genannte Gebet gar nicht mehr kennen.] Bei der Audienz, die mir am Samstag, dem 2. April, gewährt wurde, hat der Papst bestätigt, dass die neuen Übersetzungen des Römischen Meßbuchs den lateinischen Text unbedingt respektieren müssen.

Was bedeutet für Sie die Teilnahme der Gläubigen?

Die Teilnahme der Gläubigen ist äußerst wichtig. Sie besteht vor allem darin, sich von Christus in das Mysterium seines Todes und seiner Auferstehung hineinziehen zu lassen. „Man geht nicht zur Messe, um einer Vorstellung beizuwohnen. Man geht dorthin, um am Mysterium Gottes teilzunehmen“, hat Papst Franziskus erst kürzlich in Erinnerung gerufen. Die Orientierung der versammelten Gemeinde zum Herrn hin ist ein einfaches und konkretes Mittel zur Förderung der wahren Teilnahme aller an der Liturgie.

Die Teilnahme der Gläubigen könnte somit nicht verstanden werden als die Notwendigkeit, „irgend etwas“ zu tun. In diesem Punkt haben wir die Lehre des Konzils entstellt. Im Gegenteil handelt es sich darum, Christus uns ergreifen zu lassen und uns mit seinem Opfer zu verbinden. Nur ein vom kontemplativen Glauben durchtränktes Schauen wird uns davor bewahren, die Liturgie zu einer Aufführung zu machen, wo jeder seine Rolle zu spielen hätte. Die Eucharistie läßt uns eintreten in das Gebet Jesu und in sein Opfer, denn Er allein kann im Geist und in der Wahrheit anbeten.

Welche Bedeutung misst die Kirche dieser Frage nach der Orientierung zu?

Zuerst sei gesagt, dass wir nicht die Einzigen sind, die eine Orientierung beim Gebet kennen. Der jüdische Tempel und die Synagogen waren immer geostet. Durch die Wiederentdeckung dieser Ostung können wir zu unseren Ursprüngen zurückkehren. Ich stelle auch fest, dass Nicht-Christen, die Muslime insbesondere, beim Gebet orientiert sind [Anm. d. Übers.: Das heisst, dass sie in einer bestimmten geographischen Richtung beten].

Für uns ist Jesus Christus das Licht. Jede Kirche ist zu Christus hin orientiert. Ad Dominum. Eine Kirche des in sich verschlossenen Kreises hätte ihre Daseinsberechtigung verloren. Um sie selbst zu sein, muß die Kirche im Angesicht des Herrn leben. Unser Bezugspunkt, das ist der Herr! Wir wissen, dass Er unter uns gelebt hat und dass Er auf dem östlich von Jerusalem gelegenen Ölberg zum Vater heimgekehrt ist. Und dass er auf dieselbe Weise wiederkehren wird. Zum Herrn hin ausgerichtet zu bleiben, heißt Ihn täglich zu erwarten. Der Herr soll sich nicht fortwährend beklagen müssen: „Sie kehren mir den Rücken zu und nicht das Gesicht!“ (Jer 2, 27).

Drückt sich darin eine eschatologische Dimension aus, eine Weise, sich der Zukunft zuzuwenden?

Die Eucharistie ist eine Vorwegnahme der endzeitlichen Wiederkunft Christi auf diese Erde. Sie antizipiert, was wir sein werden, sie richtet uns auf das Kommende hin aus, wenn Gott alles in allem sein wird. Und doch ist Christus, wenn der Priester spricht: „Das ist mein Leib„, schon hier! Somit antizipieren wir diese Kommunion, die wir im Himmel leben werden. Die irdische Liturgie bereitet die himmlische Liturgie vor, wo uns geschenkt werden wird, Gott ohne Hülle zu betrachten, von Angesicht zu Angesicht.

Ich denke, das Wichtige ist nicht, den Priester zu sehen, sondern einen gemeinsamen Blick auf den Herrn zu werfen. Hier geht es nicht mehr um Dialog, sondern um gemeinsame Anbetung, um unseren Weg auf den hin, der am Kommen ist. Wie Joseph Ratzinger betont hat, ist ein geschlossener Kreis nicht geeignet, der gemeinsamen Bewegung Ausdruck zu geben, die sich in derselben Gebetsrichtung ausdrückt. Unglücklicherweise ist die Position des Priesters zur Versammlung hin mancherorts die Ursache dafür, dass die betende Gemeinde sich in sich selbst verschließt. Sie ist nicht mehr geöffnet, weder zur kommenden Welt hin noch zum Himmel. Es wäre verheerend, wenn der Priester das Zentrum würde, der Hauptprotagonist der eucharistischen Zelebration.

Welchen Sinn hat es, sich nach Osten zu wenden, wenn man überall im Geist und in der Wahrheit anbeten kann.

Natürlich können wir überall beten. Aber wir sind keine reinen Geister. Wir haben einen Leib. In der Liturgie kommt uns Christus mit seinem Leib entgegen. Wir richten uns nicht auf eine Idee aus, auf etwas Abstraktes, sondern zu einer Person hin, die inkarniert und sichtbar ist, unter uns bleibend. Am Kreuz offenbart Jesus das Angesicht Gottes. Meine Pflicht als Priester ist es, jeden Christen einzuladen, sich von den irdischen Götzen abzuwenden, um sich von Christus anschauen zu lassen. Heben wir die Augen hinauf zum Kreuz!

Das Konzil erinnert daran, dass Christus gegenwärtig ist in seinem Wort, in der Person des Priesters und in der betenden Versammlung. Um diese Gegenwart wahrzunehmen, ist es wichtig, ins Mysterium Gottes einzutreten; es gilt, sich vom Mysterium tragen zu lassen und im Mysterium zu sein.

Einige Kirchen sind aus praktischen, baulichen Gründen nicht nach Osten hin ausgerichtet – das ist der Fall in St. Peter in Rom. In diesen konkreten Fällen drängte Benedikt XVI. darauf, dass in der Mitte des Altars ein Kreuz aufgestellt würde, damit alle, Priester und Gläubige, den Blick auf das Kreuz hin ausrichten und nicht auf das Gesicht des Priesters. Es ist wünschenswert, dass überall da, wo es möglich ist, eine Darstellung des gekreuzigten und auferstandenen Herrn in der Apsis thront als „geistlicher Osten„, der unseren Liturgien und Kirchen eine Sinnrichtung gibt, als Zielpunkt, zu dem hin alle sich ausrichten.

Befürchten Sie nicht, dass dies als ein Rückschritt aufgefaßt wird?

Die Tatsache, sich der Wahrheit zuzuwenden, ist kein Rückschritt… Ich glaube, man muß feinfühlig und pädagogisch vorgehen, aber ich denke, es kann nicht schaden, einmal Bilanz zu ziehen: hat unsere Art und Weise der Zelebration den Glauben an die Eucharistie, an die Realpräsenz Gottes wachsen lassen? Hat sie die Christen in ihrer Gottesliebe voranschreiten und kirchenferne Menschen wieder zurückkehren lassen? Ich glaube, dass die Liturgie in Gefahr ist. Der Mensch versucht, den Platz Gottes einzunehmen. Die Liturgie riskiert, ein rein menschliches Spiel zu werden.

Warum nicht zur Intuition des Konzils zurückkehren: Gott wieder seinen Vorrang geben? Dies scheint mir um so wichtiger, als gerade viele junge Menschen eine größere Ehrfurcht vor dem Heiligen fordern; sie wollen den Sinn der Liturgie wiederentdecken.

Welche Früchte wären von der Umwendung des Altares [Anm. d. Übers.: Hier ist gemeint, dass der Priester vor dem Altar so betet, dass er zum Altar und nach Osten bzw. zur Apsis hin schaut] zu erwarten?

Der Papst hat betont, dass wir im Westen den Sinn für die Anbetung verloren haben, weil Gott in unseren Liturgien nicht im Zentrum steht. Dem gegenüber liegt in der Liturgie des Ostens die Herrlichkeit Gottes im Herzen jeder Geste. Die Zentralität Gottes ist eine wesentliche Bedingung, wenn wir den Geschmack an der Anbetung wiederfinden wollen. Ich bin zuinnerst davon überzeugt, dass die Liturgie eine mystische Realität ist. Derjenige, der Gott von Angesicht gegenübertritt, erfährt eine wirkliche und tiefe Änderung in sich selbst. Wenn Mose mit Gott spricht, von Angesicht zu Angesicht, wird er von einem göttlichen Schein geprägt: die Haut seines Gesichtes strahlt Licht aus. Wenn wir Gott feiern und Ihn so feiern, dass wir Ihm gegenübertreten, dann wird dieses Leuchten da sein. Sein Glanz wird uns durchdringen, denn die Kirche ist wie der Mond. Sie besitzt das Licht, wenn sie die Strahlen von der Sonne empfängt. Es geht um unsere Fähigkeit, das Licht Christi zu den Menschen zu bringen. Ohne den Geist der Anbetung gibt es keine Evangelisierung, sondern nur eine leere, weltliche Geschäftigkeit.

Natürlich ist das Licht Christi nicht einfach äußerlich. Dieses Leuchten muß unser Bewußtsein und unsere Seele durchdringen, damit es eine innerliche Veränderung bewirkt. Wenn wir nicht Mystiker und Heilige werden, wie könnte die Kirche dann leben?

Ist dies ein Thema, das besonders die Priester betrifft?

Viele Priester leiden darunter, nicht mehr zu wissen, was ihr tiefes Wesen ausmacht! So viele von ihnen verlieren die Ausdauer und die Begeisterung, denn sie haben weder ein innerliches Leben noch Bande der Freundschaft zu Jesus. Sie sichern aufrichtig ihre Funktion ab, jedoch ohne Verbindung zu Gott. Durch das Anschauen des Volkes und das Sprechen zu ihm läuft der Priester Gefahr, sich selbst als das Zentrum der Aufmerksamkeit zu empfinden. Gemeinsam mit dem Volk zum Herrn hingewandt zu sein, würde ihm erlauben, seine Identität wiederzuentdecken, welche darin besteht, das Volk zu Gott hin zu führen und selbst hinter Christus zu verschwinden; die Priester müssen transparent werden, um sein Licht durchscheinen zu lassen. Wir müssen wie die Hostie werden, uns „transsubstantiieren“ lassen und Ebenbilder Christi sein. Denn der Priester ist der, der sich vor Gott aufhält, der die Welt zu Ihm hin orientiert. Er ist ein Vermittler, ein Werkzeug in Seinen Händen und nicht der Hauptprotagonist der Liturgie. Ich denke auch, dass die Zelebration zu Gott hin die Bedeutung des Gebetes vor dem Tabernakel wiederentdecken lassen wird.

Was die Gläubigen betrifft, so sind sie nicht gekommen, um mit dem Priester zu sprechen, sondern mit Gott. Durch den Priester lassen sie die Opfergabe ihres Lebens, ihrer Leiden und ihrer Freuden zu Gott hin aufsteigen.

Worin besteht die Wichtigkeit der liturgischen Erneuerung für die ganze Kirche?

Wir sind dem Konzil nicht treu gewesen, denn wir haben nicht konkret die Messe zur Quelle und zum Gipfel unseres Lebens gemacht, zum Herrn hin gewendet! Über die Woche sind die Laien durch ihre Aktivitäten in Beschlag genommen. Wenn man ihnen nicht die Möglichkeit gibt, Gott während der Messe zu begegnen, gehen sie nach Hause und finden ihre Probleme wieder vor: nichts hat sich grundlegend geändert. Schlimmer noch, sie kehren in eine grausame Welt zurück, die unbarmherzig ist und ohne Gott, eine Welt, die sie schwächt und sie mit bloß materieller Nahrung überfüttert zum Schaden der spirituellen Dimension.

Der Glaube der Kirche wird zunehmen, wenn wir die sakrale Dimension der Eucharistie wachsen lassen. Um dies zu tun, entfernen wir alles, was schadet: namentlich während der großen Zeremonien oder in den touristischen Kirchen die Fotografen, die den Eindruck vermitteln, es handele sich um Bühnenballett.  Dann werden wir den Sinn der Kirche und den des Menschen wiederentdecken. Ich bin überzeugt, dass die ganze Krise, die die Kirche erfährt – die Krise der religiösen Praxis, die doktrinäre Krise, die moralische und die spirituelle – daher kommt, dass die Gegenwart Gottes in der Eucharistie nicht wahrgenommen, das heißt in der Praxis negiert wird. Wenden wir uns Ihm zu!

Gibt es eine liturgische Erziehung für die jungen Menschen?

Ich werde niemals das Vorbild der Missionare in meinem Heimatdorf vergessen. Die jungen Menschen brauchen wirklich geistliche Priester als Vorbilder.  Johannes Paul II. erklärte, ausgehend von seiner eigenen Erfahrung des Ostens: „Die Zukunft der Kirche und der Mission hängt von den Kontemplativen ab.“ Ich glaube, dass die Liturgie eine mystische Schule werden muß, ein Weg, um das Mysterium Gottes wiederzuentdecken. Als Afrikaner möchte ich der Jugend unsere freudige Ehrfurcht vor dem Heiligen überliefern, unsere Begeisterung, vor dem Angesicht Gottes zu stehen.

Es reicht nicht, intellektuell oder theologisch begründete liturgische Reformen durchzuführen; es ist notwendig, dass Heilige uns helfen, in das Mysterium einzutreten, das wir feiern. Schauen Sie, wie der Pfarrer von Ars oder Pater Pio die Heilige Messe zelebrierten. „Ich sah ihn mehrere Male Tränen vergießen, während er das heilige Opfer der Messe feierte„, sagte jemand über den Pfarrer von Ars, „zeitweise war er so sehr bewegt, dass die Gläubigen es wahrnehmen konnten. Ein solches Feuer brannte in seinem Blick.“

 

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Das Gespräch wurde aufgezeichnet von Aymeric Pourbaix. Publiziert bei CNA mit freundlicher Genehmigung von Kardinal Sarah und Famille chrétienne, NR 2002 des 28.05.2016.

PARIS , 30 May, 2016 / 3:35 PM (CNA Deutsch).-



Erstkommunion für irakische Flüchtlingskinder

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Flüchtlingskinder bei der Erstkommunion im Flüchtlingslager, 27. Mai 2016 Foto: Diakon Roni Momica

Am gestrigen Freitag haben Flüchtlingskinder in einem Lager in der Stadt Erbil zum ersten Mal die heilige Kommunion empfangen.

Über die Hälfte der rund 5,500 Menschen im Lager „Aishty 2“ sind Kinder. Von ihnen feiern 470 junge Christen, in drei Gruppen unterteilt, erhalten in den kommenden Wochen ihre Erstkommunion. Vergangenes Jahr waren es noch 400. Die erste der drei Gruppen war gestern, am Freitag 27. Mai, an der Reihe. Kommenden Freitag, 3. Juni, folgen ihnen etwa 145 Kinder, und am 10. Juni schließlich empfangen 150 weitere zum ersten Mal den Leib des Herrn.

Alle Kinder gehören dem syrisch-katholischen Ritus an, und die meisten sind aus der Stadt Karakosch, der ehemaligen Hauptstadt der Christen Kurdistans im Irak und Sitz ihrer Diözese, nachdem diese zuvor aus Mossul dorthin verlegt worden war. Am 6. August 2014 wurde es von Kämpfern des Islamischen Staates erobert; in jener Nacht flohen viele Christen aus ihrer Heimat vor dem Anmarsch der radikalen Muslime.

Die Messe am Freitag wurde vom syrisch-katholischen Erzbischof von Mossul gefeiert, Yohanno Petros Moshe. Als Kirche dient im Flüchtlingslager ein großer Fertigbau. Hier ist Platz für 800 Gläubige. Angefangen hat das Gotteshaus als ein kleines Zelt, das den ersten Christen im Flüchtlingslager angeboten wurde, als diese um einen Gebetsort baten.

Heute ist der Fertigbau die Pfarrkirche des Aishty Flüchtlingslagers, dem größten seiner Art in Erbil, das in drei kleinere Lager unterteilt ist: Aishty 1, 2 und 3.

Die chaldäischen Christen Erbils haben ihre katholischen Geschwister aufgenommen und ermöglicht, ihren Glauben zu leben. Dass 500 Kinder in diesen Tagen der Verfolgung und des Völkermords ihre Erstkommunion feiern können, ist ein Zeichen der Hoffnung für das Christentum im Nahen Osten.

Ein weiteres Zeichen war die Weihe von vier Diakonen im März, die ebenfalls im Flüchtlingslager stattfand. Die Seelsorger arbeiten nun rund um die Uhr für die Flüchtlinge, und sollen in wenigen Monaten zu Priestern geweiht werden.

Drei der Diakone, zusammen mit den dominikanischen Schwestern der heiligen Katharina von Siena – welche das Rückgrat der vertriebenen Christen von Erbil bilden – sind verantwortlich für die Katechese und Ausbildung der Kinder in der Heiligen Schrift und Liturgie.

ERBIL , 28 May, 2016 / 6:46 PM (CNA Deutsch).-


WIGRATZBAD: APPELL AN DEN BISCHOF VON AUGSBURG

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FOR THE GREATER HONOUR OF GOD AND HIS MOST HOLY MOTHER

Wigratzbad, 13. Mai 2016
Erster Erscheinungstag Unserer Lieben Frau in Fatima
Seine Exzellenz                  In Abdruck
Dr. Konrad Zdarsa                an S.E.
Bischof von Augsburg             Weihbischof Florian Wörner
- persönlich -                   Hoher Weg 18
Hoher Weg 18                     86152 Augsburg
86152 Augsburg                   m.d.B. um freundl. Kenntnisnahme

 

Erhaltung und Bewahrung der Lourdesgrotte von Wigratzbad

Eure Exzellenz/Your grace,

wir, die Gläubigen, die die Gebetsstätte Wigratzbad sehr hoch schätzen, freuen uns auf den Besuch S.E. Weihbischof Florian Wörner am Sonntag, 29. Mai 2016.

Im monatlichen Informationsblatt der Petrusbruderschaft (Ausgabe Mai 2016) habe ich das Vorwort von Herrn H. Pater Bernhard Gerstle gelesen. Ich zitiere die ersten Sätze:

„In diesem Jahr dürfen wir ein zweifaches Jubiläum an der Gebetsstete zu Wigratzbad begehen. Vor achtzig Jahren wurde die Lourdesgrotte in Wigratzbad eingeweiht, welche auf die Initiative von Antonie. Rädler (1889-1992) hin gebaut wurde. Seitdem versammeln sich täglich Beter in Wigratzbad im Allgäu bei Wangen. Vierzig Jahre später kam der Bau und die Weihe der Sühnekirche hinzu, weil die Gnaden­kapelle die vielen Beter nicht mehr fassen konnte. Aus diesem Anlass wird am 29. Mai der Augsburger Weihbischof Florian Wörner in Wigratzbad einen Festgottesdienst feiern.“

Wir sprechen nun für viele Menschen, die in großer Besorgnis sind: Man spricht davon, dass im Rahmen der Sanierung rund um die Gnadenkapelle nicht nur das ehemalige Pilgerheim, sondern auch die Kapelle, in der sich die Lourdesgrotte befindet, abgerissen werden soll

Unser aller Sorge ist aufgezeigt im beiliegenden Blatt, das von Mitunterzeichner Gottfried Berle stammt.

Die Demontage der Grotte vernichtet die Grundfeste des Heiligtums der Gebetsstätte Wigratzbad ein großer Frevel gegen Gott und Unserer Lieben Frau!

Wir bitten um Ihr Einschreiten, damit dieser Zerstörung Einhalt geboten wird.

Wir fragen uns, wie können die Verantwortlichen in Augsburg und hier in Wigratzbad einerseits den Plan haben, ein 80jähriges Jubiläum der Weihe der Lourdesgrotte zu feiern und andererseits dieselbe zu zerstören?

An dieser „Wiege des Heiligtums“ wurden so viele Gebete zum Himmel gesandt – und wie oft hat Gott sie erhört (>Votivtafeln).

Es sind nicht nur die weltlichen Architekten, auf die die Verantwortlichen hören sollten, sondern auch auf ihre gläubigen Katholiken, die das Erbe von Wigratzbad lieben.

Ja, die Kapelle, die die Lourdesgrotte beherbergt, sieht als Gebäude unscheinbar aus und hat keinen Denkmalschutz, obwohl sie es haben sollte. Aber ihre Bedeutung als Ort des stillen Gebetes, viele Jahrzehnte hindurch, bis zur Schließung im letzten Jahr, ist groß.

Die Verantwortlichen könnten hier argumentieren, dass auch eine Lourdesgrotte in der Krypta existiert – unterhalb der Gnadenkapelle –, und dass es keine Notwendigkeit sei, zwei Grotten zu haben. Aber damit tilgt man den historischen Ort, an dem der Himmel die Erde berührt hat, aus: Hier hat nun mal Frl. Antonie Rädler den Auftrag von der Gottesmutter erhalten, was zu einem dreifachen Vermächtnis, nämlich der „Immerwährenden Anbetung / dem Rosenkranzgebet“, der „Sühne für sich und andere“ und dem „Apostolat für Priester­berufungen“ , führte.

Der Nationalsozialismus in seinem Hass gegenüber der Katholischen Kirche hat es nicht verhindert, diese Bauten zu erstellen, noch haben sie diese in der Folge entweiht. Jedoch müssen wir, die Gläubigen, zusehen, wie die heutige Kirche eines dieser Bauten – hier die Lourdesgrotte – zerstören will. Das ist ungeheuerlich, ja skandalös.

Noch einmal bitten wir Sie gütigst, betreffend der o.a. Punkte einzuschreiten und die Zerstörung der Originalgrotte, so wie sie zu Lebzeiten von Antonie Rädler bestand, wie auch die Eliminierung des Ortes der übernatürlichen Geschehnisse und damit den Beginn der eigentlichen Mission für die Gebetsstätte, zu verhindern.

Viele Menschen bestürmen den Himmel! Möge die Sühne siegen!

Bitte veranlassen Sie, Eure Exzellenz, den Direktor der Gebetsstätte Herrn H. Nikolaus  Maier, zu gestatten, dass wir mit ihm und der Architektin zusammen kommen.  Wir würden gerne Einsicht in die Pläne erhalten.

Um Ihren Pontifikalsegen bittend und mit der Versicherung unserer Gebete grüßen wir Sie durch die Vereinten Herzen Jesu und Mariens und des HI. Josefs.

sig. Nigel Beaumont
Nigel Beaumont, Mywiler-Weg 7, 88145 Opfenbach, Tel.: 08385 – 9245313

 

„Wir schließen uns dem sehr entschlossenen Brief an und gehen, wie viele, viele Gläubige,
diesen  W e g  d e s  P r o t e s t e s  mit. Wir befürchten alle, dass in Kürze – mit dem Beginn der Sanierungsmaßnahmen – vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die 16 Nachweislisten mit 143 Unterschriften, adressiert an die zuständige Behörde für die Entsagung bzw. Erteilung von Abrissgenehmigungen, Gemeinde Opfenbach, die zeigen, wie der „Gebets- und Sühnegeist“ uns zusammenhält!

Die Unterschriften wurden bereits Ende August 2015 übergeben.“

sig. Gottfried Berle           sig. J. M. Haller
Gottfried Berle u. Inge-Maria Haller, Kirchstraße 22, 88138 Weißensberg, Tel.: 08389-99088

 

Anlagen:  -1- Flyer, -1- Bildnis der Gnadenmutter (DIN-A4)

 


 

St. Michael, St. Gabriel, St. Raphael und all Ihr Heiligen Erzengel und Engel, mit Eurem Licht umgebt und erleuchtet uns, mit Euren Flügeln beschirmt und beschützt uns, mit Euren Schwertern verteidigt und rettet uns!

Letzte stille Heilige Opfermesse in der heimeliger GNADENKAPELLE am Sonntag, 16. August 2015, 06:00 Uhr. Zelebrant: Dominikanerpater Rodrigo KAHL, Wigratzbad.

Am nächsten Tag wurden die Gnadenkapelle und die Krypta wegen der bevorstehenden Renovierung geschlossen.

Statische Probleme (hier: Leiblach/Hang) verhinderten offensichtlich bis zum heutigen Tag – Anfang Mai 2016 – den Arbeitsbeginn.

„Lourdesgrotte

… bald Geschichte?

im Volksmund als „Erscheinungskapelie“ bekannt.

Zitat aus „Wigratzbad“ Spendenflyer – Herbst 2015: „Man rührt an der Grotte!“):

 

Warum ist die Grotte und deren unversehrte Erhaltung an diesem Ort
so bedeutend und unaufgebbar – für alle Zeiten?

„Es war in der Oktav von Mariä Empfängnis 1936″ zwei Monate nach der feierlichen Einweihung der Lourdesgrotte in Wigratzbad. Frl. Antonie Rädler begab sich innerlich gedrängt am frühen Nachmittag zur Grotte und betete den schmerzhaften Rosenkranz. Den folgenden Bericht hat sie selbst im Jahre 1938 niedergeschrieben. Sie erzählt: „Beim 3. Geheimnis“ der für uns mit Dornen gekrönt worden ist, hörte ich auf einmal ein Rauschen, das immer mehr anschwoll. Es hörte sich an wie das Rauschen von unzähligen Flügelschlägen.
Ich schaute zum Gnadenbild empor, sah aber nichts. Dann hob ein Gesang an, der immer mächtiger anschwoll und schließlich so gewaltig und wuchtig wurde, als würden unzählige himmlische Heerscharen um die Grotte versammelt in wundervollen Akkorden zusammenstimmen. Sie sangen alle: ‚Unbefleckt empfangene Mutter vom Sieg, bitte für uns!‘ Wohl fünfzigmal hörte ich die Worte und begann dann unwillkürlich mitzusingen. Ich habe auf das Gnadenbild geschaut. Es hat sich nicht verändert, nur schien es mir, als würde Maria lächeln. Dann hob das Singen wieder an, wurde aber allmählich schwächer und verstummte schließlich. Ich kniete auf meinem Betschemel und wußte nicht, wie mir war. Ich war wie gebannt. Plötzlich aber fiel mir ein: ,Geh heim, die Arbeit wartet auf dich!‘ Das Erlebnis hatte 2-3 Stunden gedauert. Die Mutter empfing mich mit bitteren Vorwürfen über mein langes Ausbleiben. Ich schwieg und ging früh zu Bett. Mein Herz zersprang fast vor Freude.“

(Quelle:„Kathpedia“ http://www.kathpedia.com

 

Eine Information für interessierte Pilgerinnen und Pilger
der Gebetsstätte Wigratzbad – Mai 2016 –

 

I. Vorbemerkung:

Die Gebetsstätte Maria vom Sieg in Wigratzbad „lebt“ von der Intention Frl. Antonie RÄDLER’S! Der Sühneort blühte auf, vor allem dank der sorgfältigen diözesanen Prüfung und des Dekrets seitens S.E. Bischof Dr. Josef Stimpfle, der mehrfach Wigratzbad als echten Erscheinungsort bezeugte. – Dieser Ort  w a r  in der Tat jahrelang ein Anziehungspunkt, weil hier der „alte Glaube“ und die überlieferte Frömmigkeit praktiziert worden ist, während man in den Pfarreien die feierliche Liturgie samt Kircheneinrichtung gemeinhin veränderte, ja profanierte.

Man blieb in Wigratzbad dem Bewährten treu, zu einer Zeit, als dem Kirchenvolk die sogenannten neuen geistlichen Lieder präsentiert wurden und ein Zurückdrängen der Marienfrömmigkeit im Fokus stand. Der Gebetsstätte stand viele Jahre ein Passionistenpater (P. Johannes Schmid) vor, der ein Geistlicher mit einer tiefen Spiritualität war. Viele gute marianische Priester folgten ihm.

Inzwischen ist leider in die Gebetsstätte Wigratzbad ein „neuer Geist“ eingezogen! Es entging keinem Pilger, dass parallel zu den baulichen Umwälzungen und Veränderungen – hier: Sühnekirche – auch die geistlichen Ursprünge gezielt demontiert worden sind, z.B. das Zurückdrängen des Wigratzbader Gebets- und Gesangbüchleins. Die zeitlosen und tiefen Gebets- und Liedtexte hatten stets jeden tief erfreut und berührt! Das neu aufgelegte Büchlein findet offensichtlich keine Akzeptanz … –

Auf der Webseite http://www.[wigratzbad.de] sucht man – seit dem 12. Juli 2014, also nach der Wieder­eröffnung der Sühnekirche – vergeblich die vormals komplett eingestellte Predigt von S.E. Bischof Dr. Josef Stimpfle, v. 12.12.1991. Seine damalige Gedenkrede bei der Beisetzung von Antonie Rädler war klar und prägnant; sie hatte den Stellenwert eines „geistlichen Testamentes“! Selbst im Jubiläumsjahr 2016 wird uns diese Gedenkrede vorenthalten! Einfach traurig! Man ist gehalten, sie über www.kath.net bzw. unter ‚Antonie‘ Rädler‘ bei www.kathpedia.com im Internet abzurufen.

II. Gebetsanliegen:

In Kürze wird das Areal um die Gnadenkapelle saniert werden – über 8 Monate nach deren Schließung. Welche Fakten werden geschaffen, bzw. was wird nicht offen gelegt?

  1. Die Lourdeskapelle mit der beeindruckenden mystischen Aura der Grotte soll abgerissen werden.
    Warum wird jene Grotte beseitigt, die schlichtweg die Authentizität des „Geheimnisses von Wigratzbad“ in sich birgt? (siehe „Engelsgesang“: Rückseite). Egal welcher Platz im Umfeld ersatzweise vorgesehen ist, hier geht ein geschichtsträchtiges, ortsgebundenes Original verloren und das ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2016!
  1. Die Gnadenkapelle, als auch die Krypta wird saniert bzw. umgestaltet. Wo hat die „Strahlenkranz-Madonna“ ihren zukünftigen Platz? Wieder mittig in der Apsis über dem Tabernakel oder etwa am Nebenaltar – möglicherweise ohne Strahlenkranz?

Seit jener Zeit – ab der Schließung der Gnadenkapelle – beten viele Gläubige unerschütterlich um den Erhalt der Lourdesgrotte mit der Kapelle. Damalige Aktionen im August 2015:

  1. 143 Pilgerinnen und Pilger unterschrieben in der letzten Augustwoche 2015 einen Appell, gerichtet an die Gemeinde Opfenbach, dass der Bauausschuss bzw. der Gemeinderat eine Abrissgenehmigung der Grotte versagen möge. Auch der Ortsheimatpfleger Helmut Forster, Opfenbach-Göritz, wurde tangiert.
  2. Mitte August 2015 wurde – zweigleisig – sehr eindringlich auf das Denkmalschutzamt Lindau bzw. auf das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege in München eingewirkt.
  3. Dem bischöflichen Sekretär der Diözese Augsburg, Herrn Johannes Steber, wurden vier gleichlautende Schreiben zur Hand gegeben, adressiert an E. Bischof Dr. Konrad Zdarsa, an H.H. Generalvikar Msgr. Harald HEINRICH, an Herrn Dr. Klaus DONAUBAUER, sowie an H.H. Bischofsvikar Prälat Karlheinz KNEBEL. Bis heute: keinerlei Reaktion!

 


INFO-Blatt erstellt: 8.5.2016 v. Gottfried Berle, 88138 Weissensberg, Kirchstr. 22,
auf Initiative des Wigratzbad-Getreuen Nigel Beaumont (Buchautor u. Rechtsanwalt i.R.)

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Siehe ferner:


PAPSTEXERZITIEN FÜR PRIESTER: Teil 1 in voller Länge

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Franziskus, voranschreitend

Jubiläum der Priester: Papst Franziskus hält am Herz-Jesu-Fest 2016 Exerzitien in drei Teilen für Priester und Seminaristen. Hier die erste Meditation – gehalten in der Bischofskirche des Papstes, San Giovanni in Laterano – in amtlicher deutscher Übersetzung aus dem Vatikan.

Die Barmherzigkeit ist in ihrem mehr weiblichen Aspekt die innige Mutterliebe, die angesichts der Gebrechlichkeit ihres Neugeborenen gerührt ist, es in ihre Arme schließt und für alles aufkommt, was ihm fehlt, damit es leben und wachsen kann (rachamim); und in ihrem speziell männlichen Aspekt ist sie die starke Treue des Vaters, der seine Kinder immer unterstützt, ihnen verzeiht und sie wieder auf den Weg bringt. Die Barmherzigkeit ist sowohl die Frucht eines „Bundes“ – darum heißt es, dass Gott an seinen Bund der Barmherzigkeit (hesed) denkt – als auch eine ungeschuldete „Handlung“ des Wohlwollens und der Güte, die aus unserer tiefsten Seelenverfassung hervorgeht und in einem äußeren Werk zum Ausdruck kommt (eleos, von dem das Wort Almosen herrührt). Dieses umfassende Spektrum der Barmherzigkeit führt dazu, dass es immer allen möglich ist, sich zu „erbarmen“, Mitgefühl zu haben mit dem Leidenden, Rührung zu empfinden angesichts des Bedürftigen; dass man sich empört, dass einem eine offensichtliche Ungerechtigkeit auf den Magen schlägt und man unverzüglich beginnt, etwas Konkretes zu tun – respektvoll und einfühlsam –, um der Situation abzuhelfen. Und von diesem inneren Empfinden her ist es allen möglich, Gott unter dem Gesichtspunkt dieser ersten und letzten Eigenschaft zu betrachten, mit der Jesus ihn uns offenbart hat: Der Name Gottes ist Barmherzigkeit.

Wenn wir über die Barmherzigkeit nachsinnen, geschieht etwas Besonderes. Die Dynamik der Exerzitien wird von innen her gesteigert. Die Barmherzigkeit lässt erkennen, dass die objektiven Wege der klassischen Mystik – Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung – niemals aufeinander folgende Etappen sind, die man hinter sich lassen kann. Immer bedürfen wir einer neuen Umkehr, einer tieferen Betrachtung und einer erneuerten Liebe. Nichts vereint mehr mit Gott als eine Tat der Barmherzigkeit – ob es sich nun um die Barmherzigkeit handelt, mit der der Herr uns unsere Sünden vergibt, oder um die Gnade, die er uns schenkt, damit wir die Werke der Barmherzigkeit in seinem Namen vollbringen. Nichts erleuchtet den Glauben mehr als die Reinigung von unseren Sünden und nichts ist eindeutiger als Matthäus 25 und jenes » Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden « (Mt 5,7), um zu verstehen, was der Wille Gottes ist, die Mission, zu der er uns sendet. Auf die Barmherzigkeit kann man jene Lehre Jesu anwenden: » Nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden « (Mt 7,2). Die Barmherzigkeit erlaubt uns, von dem Gefühl, Empfänger des Erbarmens zu sein, zu dem Wunsch überzugehen, Erbarmen zu erweisen. In einer heilsamen Spannung können das Gefühl der Beschämung wegen der eigenen Sünden und das Gefühl für die Würde, zu der der Herr uns erhebt, nebeneinander existieren. Ohne Umschweife können wir von der Ferne übergehen zum Fest – wie in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn – und als Sammelbecken für die Barmherzigkeit unsere eigene Sünde benutzen. Die Barmherzigkeit veranlasst uns, vom Persönlichen zum Gemeinschaftlichen überzugehen. Wenn wir barmherzig handeln wie bei den Wundern der Brotvermehrung, die aus dem Mitleid Jesu mit seinem Volk und mit den Fremden geboren werden, vervielfältigt sich das Brot in dem Maß, wie es ausgeteilt wird.

 

Drei Anregungen

Die frohe und freie Vertrautheit, die sich auf allen Ebenen unter denen einstellt, die durch das Band der Barmherzigkeit Kontakte miteinander knüpfen – eine Vertrautheit des Gottesreiches, so wie Jesus es in seinen Gleichnissen beschreibt – veranlasst mich, euch für euer persönliches Gebet an diesem Tag drei Dinge vorzuschlagen.

Das erste hat mit zwei praktischen Ratschlägen zu tun, die der heilige Ignatius gibt. Er sagt: »Nicht das viele Wissen sättigt und befriedigt die Seele, sondern das innerliche Verspüren und Schmecken der Dinge« (Geistliche Übungen, Anmerkung 2). Und er fügt hinzu, dass jemand dort, wo er das findet, was er will, und wo es ihm gefällt, ruhig im Gebet verweilen soll, bis er befriedigt ist, »ohne ängstliche Sorge zu haben weiterzugehen«  (ebd., 76). Man kann also bei diesen Meditationen über die Barmherzigkeit beginnen, wo es einem am meisten gefällt, und dort verweilen, denn sicher wird ein Werk der Barmherzigkeit euch zu den anderen führen. Wenn wir damit beginnen, dem Herrn zu danken, der uns wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erlöst hat, wird uns das sicher dazu führen, uns über unsere Sünden zu grämen. Wenn wir damit beginnen, Mitleid zu empfinden mit den Ärmsten und Fernsten, werden sicher auch wir selbst die Notwendigkeit spüren, Erbarmen zu empfangen.

Die zweite Anregung für das Beten hängt mit einer neuen Weise zusammen, das Wort Barmherzigkeit zu gebrauchen. Wie ihr sicher festgestellt habt, gebrauche ich beim Reden über die Barmherzigkeit gerne die Verbform: „Man muss sich erbarmen (misericordiar), um Erbarmen zu empfangen (ser misericordiados).“ Die Barmherzigkeit bringt eine menschliche Erbärmlichkeit mit dem Herzen Gottes in Kontakt und das bewirkt, dass es unmittelbar zur Handlung kommt. Man kann nicht über Barmherzigkeit meditieren, ohne dass sich alles in die Tat umsetzt. Darum tut es beim Gebet nicht gut, zu intellektualisieren. Mit Hilfe der Gnade muss unser Gespräch mit dem Herrn ganz schnell konkret werden in der Frage: Welche meiner Sünden verlangt, dass deine Barmherzigkeit in mich eindringt; wo, Herr, empfinde ich am meisten Scham und den stärksten Wunsch zur Wiedergutmachung? Und sehr bald müssen wir von dem sprechen, was uns am meisten innerlich erschüttert, von jenen Gesichtern, die in uns das große Verlangen wecken, aktiv zu werden, um ihren Hunger und Durst nach Gott, nach Gerechtigkeit, nach liebevoller Zuneigung zu stillen. Die Barmherzigkeit betrachtet man im Tun, doch in einer Art des Tuns, die alles einschließt: Die Barmherzigkeit bezieht unser ganzes Sein ein – Herz und Geist – und alles Seiende.

Die letzte Anregung betrifft die Frucht der Exerzitien, das heißt die Gnade, die wir erbitten müssen und die ganz konkret die Gnade ist, uns in Priester zu verwandeln, die immer fähiger werden, Barmherzigkeit zu empfangen und selbst barmherzig zu sein. Wir können uns ganz auf die Barmherzigkeit ausrichten, weil sie das Wesentliche, das Endgültige ist. Über die Stufen der Barmherzigkeit (vgl. Enzyklika Laudato si’, 77) können wir absteigen bis in die tiefsten Tiefen des Menschseins – Hinfälligkeit und Sünde eingeschlossen – und aufsteigen bis zu den höchsten Höhen der göttlichen Vollkommenheit: »Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!« (Lk 6,36); »ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist« (Mt 5,48). Immer aber, um nur noch mehr Barmherzigkeit zu „ernten“. Daraus müssen Früchte der Umkehr unserer institutionellen Mentalität hervorgehen: Wenn unsere Strukturen nicht gelebt und genutzt werden, um die Barmherzigkeit Gottes besser zu empfangen und um barmherziger gegenüber den anderen zu sein, können sie sich in etwas sehr Befremdliches und Kontraproduktives verwandeln.

Dieser Einkehrtag wird also den Weg dieser „Einfachheit des Evangeliums“ einschlagen, die alles unter dem Gesichtspunkt der Barmherzigkeit versteht und vollbringt. Und zwar einer dynamischen Barmherzigkeit, die weder als ein dingfestes, genau definiertes Substantiv gesehen wird, noch als ein Adjektiv, welches das Leben ein wenig ausschmückt, sondern als ein Verb – sich erbarmen und Erbarmen empfangen –, das uns zum Handeln mitten in der Welt treibt. Und zudem als eine „immer noch größere“ Barmherzigkeit, als eine Barmherzigkeit, die wächst und zunimmt, indem sie vom Guten zum Besseren voranschreitet, von weniger zu mehr geht. Denn das Bild, das Jesus uns vorstellt, ist das des stets größeren Vaters, dessen unendliche Barmherzigkeit „wächst“ – wenn man das so sagen kann – und die weder in der Höhe noch in der Tiefe Grenzen kennt, weil sie seiner souveränen Freiheit entspringt.

 

ERSTE MEDITATION

Aus der Ferne zum Fest

Wenn die Barmherzigkeit des Evangeliums, wie wir sagten, ein Übermaß Gottes ist, ein unglaubliches Überborden, dann muss man als Erstes schauen, wo die Welt von heute und jeder Mensch ein solches Übermaß an Liebe am meisten braucht. Das Erste ist, uns zu fragen, welches das Sammelbecken für eine solche Barmherzigkeit ist; welches das öde, ausgetrocknete Erdreich ist für dieses Überfließen lebendigen Wassers; welches die Wunden sind für dieses Balsamöl; welches die Waisenschaft ist, die ein solches Sich-Aufopfern in Liebe und Zuwendung braucht; welches die Ferne ist, die so sehr nach Umarmung und Begegnung dürstet…

Das Gleichnis, das ich euch für diese Meditation vorschlage, ist das des barmherzigen Vaters (vgl. Lk 15,11-31). Wir versetzen uns in den Bereich des Geheimnisses des Vaters. Und ich möchte ganz spontan mit jenem Moment beginnen, in dem der verlorene Sohn mitten im Schweinestall ist, in dieser Hölle des Egoismus, wo er alles getan hat, was er wollte, und anstatt frei zu sein, sich als Sklave wiederfindet. Er schaut auf die Schweine, die Futterschoten essen…, er empfindet Neid und es steigt Heimweh in ihm auf. Heimweh nach dem frisch gebackenen Brot, das die Diener in seinem Hause, im Haus seines Vaters, zum Frühstück essen. Heimweh… Das Heimweh ist ein machtvolles Gefühl. Es hat etwas mit der Barmherzigkeit zu tun, denn es weitet unsere Seele aus. Es lässt uns an das erste Gut denken – die Heimat, aus der wir ausgezogen sind – und erweckt in uns die Hoffnung zurückzukehren. In diesem weiten Sinn des Heimwehs ging der junge Mann in sich – sagt das Evangelium – und fühlte sich elend.

Ohne uns jetzt dabei aufzuhalten, das Elend seines Zustands zu beschreiben, gehen wir zu jenem anderen Moment über, in dem er, nachdem sein Vater ihn herzlich umarmt und geküsst hat, sich schmutzig fühlt, aber festlich gekleidet ist. Am Finger trägt er den Ring wie sein Vater, an den Füßen neue Sandalen. Er steht mitten im Fest, unter den Leuten. Ungefähr wie wir, wenn es uns einmal passiert ist, dass wir vor der Messe gebeichtet hatten und uns gleich darauf mit den Paramenten bekleidet mitten in einer Zeremonie wiederfanden.

 

Beschämte Würde

Verweilen wir bei jener „beschämten Würde“ dieses verlorenen und bevorzugten Sohnes. Wenn wir uns mit innerer Gelassenheit darum bemühen, unser Herz zwischen diesen beiden Extremen – der Würde und der Beschämung – zu halten, ohne eines von ihnen zu vernachlässigen, können wir vielleicht spüren, wie das Herz unseres himmlischen Vaters schlägt. Dann können wir uns vorstellen, dass die Barmherzigkeit daraus hervorströmt wie Blut. Dass er aufbricht, uns zu suchen – uns Sünder –, dass er uns an sich zieht, uns reinigt und uns erneuert wieder aussendet an alle Peripherien, damit wir allen Barmherzigkeit erweisen. Sein Blut ist das Blut Christi, das Blut des neuen und ewigen Bundes der Barmherzigkeit, das für uns und für alle vergossen wurde zur Vergebung der Sünden. Dieses Blut betrachten wir, wie es in sein und des Vaters Herz hineinfließt und aus ihm hervorströmt. Es ist unser einziger Schatz, der einzige, den wir besitzen, um ihn der Welt zu geben: das Blut, das alles und alle reinigt und versöhnt. Das Blut des Herrn, der die Sünden vergibt. Das Blut, das wirklich ein Trank ist und das, was aufgrund der Sünde tot ist, auferweckt und ihm Leben gibt.

In unserem ruhigen Beten, das von der Beschämung zur Würde und von der Würde zur Beschämung geht, erbitten wir die Gnade, diese Barmherzigkeit als grundlegend für unser ganzes Leben zu empfinden; die Gnade, zu spüren, wie der Herzschlag des Vaters sich mit dem unsrigen verbindet. Es genügt nicht, die Barmherzigkeit Gottes wie eine Geste zu empfinden, die er hin und wieder tut, indem er uns irgendeine große Sünde vergibt, und im Übrigen bügeln wir die Dinge allein und selbständig wieder aus.

Der heilige Ignatius schlägt ein für seine Zeit typisches Bild aus der Welt des Rittertums vor; da aber die Loyalität unter Freunden ein immerwährender Wert ist, kann es uns hilfreich sein. Er sagt, dass wir, um »Verwirrung« und Beschämung wegen unserer Sünden zu empfinden (ohne das Gefühl für die Barmherzigkeit zu verlieren), uns eines Beispiels bedienen können: Stellen wir uns vor, dass »ein Ritter vor seinen König und dessen ganzen Hof tritt, beschämt und verwirrt, weil er ihn, von dem er zuvor viele Gaben und viele Gunsterweise empfangen hat, sehr beleidigt hat« (Geistliche Übungen, 74). Wenn wir aber der Dynamik des verlorenen Sohns auf dem Fest folgen, stellen wir uns diesen Ritter vor wie einen, der nicht etwa vor allen beschämt wird, sondern dem der König stattdessen überraschenderweise die Hand reicht und ihm seine Würde zurückgibt. Und wir sehen, dass er ihn nicht nur einlädt, ihm in seinem Kampf zu folgen, sondern dass er ihn an die Spitze seiner Kameraden setzt. Mit welcher Demut und welcher Treue wird dieser Ritter ihm von nun an folgen!

Ob man sich nun wie der gefeierte verlorene Sohn fühlt oder wie der untreue Ritter, der zum Vorgesetzten ernannt wurde – das Wichtige ist, dass jeder sich in die fruchtbare Spannung begibt, in die die Barmherzigkeit des Herrn uns stellt: nicht nur als Sünder, die Vergebung erlangt haben, sondern als Sünder, denen Würde verliehen wurde.

Simon Petrus bietet uns das hilfreiche Bild dieser heilsamen Spannung. Der Herr erzieht und formt ihn schrittweise und „trainiert“ ihn, Simon und Petrus zugleich zu bleiben: der gewöhnliche Mensch mit seinen Widersprüchen und Schwächen und derjenige, der ein Fels ist, der die Schlüssel besitzt und die anderen leitet. Als Andreas ihn so, wie er ist, in der Kleidung des Fischers zu Christus führt, gibt der Herr ihm den Namen „Fels“. Kaum hat er ihn gelobt für das Bekenntnis des Glaubens, das vom himmlischen Vater kam, tadelt er ihn schon hart für die Versuchung, auf die Stimme des bösen Geistes zu hören, die ihm nahelegt, sich vom Kreuz fernzuhalten. Er lädt ihn ein, über das Wasser zu gehen, und lässt zu, dass er beginnt, in seiner eigenen Angst zu versinken – um ihm dann sofort die Hand zu reichen; sobald Petrus sich als Sünder bekennt,  überträgt Jesus ihm die Aufgabe, Menschenfischer zu sein; er befragt ihn wiederholt über seine Liebe und lässt ihn Schmerz und Scham empfinden wegen seiner Untreue und Feigheit, und doch vertraut er ihm dreimal die Aufgabe an, seine Schafe zu weiden.

Hier müssen wir uns ansiedeln, in dem Raum, in dem unsere beschämendste Schwäche und unsere höchste Würde nebeneinander existieren. Schmutzig, unrein, kleinlich, selbstgefällig, egoistisch und zugleich mit gewaschenen Füßen, berufen und erwählt und damit beschäftigt, die vermehrten Brote auszuteilen; gepriesen, geliebt und umsorgt von unseren Leuten. Allein die Barmherzigkeit macht diese Lage erträglich. Ohne sie halten wir uns entweder für gerecht wie die Pharisäer oder wir entfernen uns wie jene, die sich nicht würdig fühlen. In beiden Fällen verhärtet sich unser Herz.

Vertiefen wir das noch ein wenig mehr. Wir fragen uns: Warum ist diese Spannung so fruchtbar? Ich würde sagen, sie ist fruchtbar, weil es aus einer freien Entscheidung hervorgeht, wenn man sie beibehält. Und der Herr handelt hauptsächlich aufgrund unserer Freiheit, auch wenn er uns in allem hilft. Die Barmherzigkeit ist eine Frage der Freiheit. Das Gefühl kommt spontan auf, und wenn wir sagen, dass es irrational ist, könnte es scheinen, als sei dies ein Synonym für „tierisch“. In Wirklichkeit aber kennen die Tiere die „moralische“ Barmherzigkeit nicht, auch wenn einige etwas von diesem Mitgefühl empfinden können, wie ein treuer Hund, der an der Seite seines kranken Herrn bleibt. Die Barmherzigkeit ist eine Ergriffenheit, die das Herz berührt, und dennoch kann sie auch aus einer scharfsinnigen intellektuellen Wahrnehmung entspringen – direkt wie ein Strahl, einfach, deswegen aber nicht weniger komplex –: Vieles nimmt man intuitiv wahr, wenn man Barmherzigkeit empfindet. Man begreift zum Beispiel, dass der andere sich in einer verzweifelten Grenzsituation befindet; dass ihm etwas widerfährt, was über seine Sünden oder seine Schuld hinausgeht; man begreift auch, dass der andere ein Mensch ist wie man selbst und dass man sich an seiner Stelle befinden könnte; und dass das Übel so groß und verheerend ist, dass man es nicht allein durch die Gerechtigkeit lösen kann… Im Grunde kommt man zu der Einsicht, dass es einer unendlichen Barmherzigkeit bedarf wie jener des Herzens Christi, um so viel Übel und so viel Leiden, wie wir es im Leben der Menschen feststellen, wieder gutzumachen… Weniger als diese reicht nicht aus. Vieles begreift unser Verstand erst, wenn er jemanden sieht, der an einem kalten Morgen mit bloßen Füßen auf die Straße hinausgeworfen ist, oder wenn er den Herrn sieht, ans Kreuz genagelt für mich!

Außerdem geschieht es aus freiem Entschluss, dass man die Barmherzigkeit annimmt und pflegt oder sie zurückweist. Wenn einer sich ergreifen lässt, zieht eine Geste die andere nach sich. Wenn einer vorbeigeht, wird das Herz kalt. Die Barmherzigkeit lässt uns unsere Freiheit erleben und in ihr ist es, dass wir die Freiheit Gottes erleben können, der barmherzig ist mit den Barmherzigen (vgl. Dtn 5,10), wie er zu Mose sagte. In seiner Barmherzigkeit drückt der Herr seine Freiheit aus. Und wir die unsere.

Wir können lange Zeit „ohne“ die Barmherzigkeit des Herrn leben. Das heißt, wir können leben, ohne uns ihrer bewusst zu sein und ohne sie ausdrücklich zu erbitten – bis man entdeckt, dass „alles Barmherzigkeit ist“, und bitterlich weint, dass man sie nicht vorher genutzt hat, da man ihrer so sehr bedurfte!

Die Erbärmlichkeit, von der wir sprechen, ist die moralische, nicht übertragbare Erbärmlichkeit, derentwegen man sich seiner selbst als einer Person bewusst wird, die in einem entscheidenden Moment des eigenen Lebens aus eigener Initiative gehandelt hat: Man hat eine Wahl getroffen und hat schlecht gewählt. Das ist der Tiefpunkt, den man erreichen muss, um Schmerz über seine Sünden zu empfinden und wirklich zu bereuen. Denn in anderen Bereichen fühlt man sich nicht so frei, noch spürt man, dass die Sünde das ganze eigene Leben negativ beeinflusst. Darum erfährt man nicht die eigene Erbärmlichkeit, und auf diese Weise entgeht einem die Barmherzigkeit, die eben nur unter dieser Voraussetzung wirkt. Man geht nicht in die Apotheke und sagt: „Haben Sie Erbarmen und geben mir Aspirin-Tabletten.“ Um der Barmherzigkeit willen erbittet man Morphium für einen Menschen, der von den furchtbaren Schmerzen einer tödlichen Krankheit geplagt wird.

Das Herz, das Gott mit dieser unserer moralischen Erbärmlichkeit verbindet, ist das Herz Christi, seines geliebten Sohnes, das wie ein einziges Herz mit dem des Vaters und dem des Heiligen Geistes schlägt. Es ist ein Herz, das den nächsten Weg wählt und sich ganz und gar in ihn hineinziehen lässt. Das ist typisch für die Barmherzigkeit, dass sie sich die Hände schmutzig macht, berührt, sich selbst ins Spiel bringt, sich auf den anderen einlassen will, dass sie sich an das Persönliche mit dem noch Persönlicheren wendet, dass sie nicht „einen Fall behandelt“, sondern sich mit einem Menschen beschäftigt, mit seiner Wunde. Die Barmherzigkeit geht über die Gerechtigkeit hinaus, und sie gibt das zu verstehen und lässt es spüren; man bleibt auf Gegenseitigkeit in die Angelegenheit des anderen einbezogen. Indem sie Würde verleiht, hebt die Barmherzigkeit den empor, zu dem man sich niederbeugt, und bringt beide auf die gleiche Höhe, den Barmherzigen und den, der Barmherzigkeit empfangen hat.

Darum muss der Vater ein Fest feiern, damit alles auf einmal wiederhergestellt wird, indem er seinem Sohn die verlorene Würde zurückgibt. Das gestattet, in neuer Weise auf die Zukunft zu schauen. Nicht, dass die Barmherzigkeit die Objektivität des vom Bösen verursachten Schadens nicht in Betracht zöge. Doch sie nimmt ihr die Macht über die Zukunft, sie nimmt ihr die Macht über das Leben, das weitergeht. Die Barmherzigkeit ist die wahre Lebenshaltung, die sich dem Tod, der bitteren Frucht der Sünde, widersetzt. Darin ist sie von klarem Verstand geleitet; die Barmherzigkeit ist keineswegs naiv. Nicht, dass sie die Sünde nicht sähe, aber sie achtet darauf, wie kurz das Leben ist, und auf all das Gute, das noch zu tun bleibt. Deshalb muss man vollkommen verzeihen, damit der andere voranschaut und keine Zeit mit Schuldgefühlen und Selbstmitleid verliert und damit, dem Verlorenen nachzutrauern. Auf dem Weg zu den anderen, um sie zu heilen, wird man auch sein eigenes Gewissen erforschen, und in dem Maß, in dem man den anderen hilft, wird man das Schlechte, das man getan hat, wiedergutmachen. Die Barmherzigkeit ist grundsätzlich hoffnungsvoll.

Sich von der Bewegung des Herzens des himmlischen Vaters anziehen und aussenden zu lassen bedeutet, sich in dieser heilsamen Spannung der beschämten Würde zu halten. Es bedeutet, sich von der Mitte seines Herzens anziehen zu lassen wie Blut, das sich auf dem Weg, um den entferntesten Gliedern Leben zu geben, beschmutzt hat – sich anziehen zu lassen, damit der Herr uns reinigt und uns die Füße wäscht. Und es bedeutet, sich aussenden zu lassen, angefüllt mit dem Sauerstoff des Heiligen Geistes, um allen Gliedern, besonders den entferntesten, anfälligsten und am meisten verwundeten Leben zu bringen.

Ein Priester erzählte von einem Menschen, der auf der Straße lebte und am Ende in einer Herberge unterkam. Es war einer, der in seiner Bitterkeit verschlossen war und in keinerlei Beziehung mit den anderen trat. Ein gebildeter Mensch, wie man später merkte. Nach einiger Zeit wurde dieser Mann wegen einer tödlichen Krankheit ins Krankenhaus eingeliefert. Da erzählte er dem Priester, dass sein Bettnachbar, als er selbst dort im Gefühl seiner Nichtigkeit und seiner Lebensenttäuschung versunken war, ihn bat, ihm den Spucknapf herüberzureichen, und diesen dann ausleerte. Und er sagte, dass diese Bitte, die von einem kam, der ihn wirklich brauchte und der schlechter daran war als er, ihm die Augen und das Herz öffneten für ein übermächtiges Gefühl der Menschlichkeit und für ein Verlangen, dem anderen zu helfen und sich selbst von Gott helfen zu lassen. So brachte eine einfache Tat der Barmherzigkeit ihn in Verbindung mit der unendlichen Barmherzigkeit; er fasste Mut, dem anderen zu helfen, und ließ sich dann selber helfen: Er starb in Frieden, nachdem er gebeichtet hatte.

So lasse ich euch nun mit dem Gleichnis vom barmherzigen Vater, nachdem wir uns in dem Moment „niedergelassen“ haben, in dem der Sohn sich schmutzig und neu bekleidet fühlt – ein Sünder, dem die Würde zurückgegeben wurde, beschämt über sich selbst und stolz auf seinen Vater. Das Zeichen, um zu wissen, ob man richtig liegt, ist der Wunsch, von nun an allen gegenüber barmherzig zu sein. Darin liegt das Feuer, das auf die Erde zu bringen Jesus gekommen ist, jenes Feuer, das andere Feuer entzündet. Wenn der Funke nicht überspringt, bedeutet das, dass einer der beiden Pole den Kontakt nicht zulässt. Entweder die übertriebene Beschämung, die „die Kabel nicht freilegt“ und anstatt offen zu bekennen: „Das und das habe ich getan“, sich bedeckt; oder die übertriebene Würde, die die Dinge mit Handschuhen berührt.

 

Das „Masslosigkeiten“ der Barmherzigkeit

Die einzige Maßlosigkeit angesichts der maßlosen Barmherzigkeit Gottes besteht darin, im Empfangen dieser Barmherzigkeit und in dem Wunsch, sie an die anderen weiterzugeben, maßlos zu sein. Das Evangelium zeigt uns viele schöne Beispiele derer, die das Maß überschreiten, um sie zu empfangen:  Da ist der Gelähmte, dessen Freunde ihn durch das Dach in die Mitte des Raumes hinunterlassen, in dem Jesus predigte; der Aussätzige, der seine neun Gefährten verlässt und zurückkehrt, Gott mit lauter Stimme lobt und dankt und zu Füßen des Herrn niederkniet; der blinde Bartimäus, dem es mit seinem Schreien gelingt, Jesus anzuhalten; die Frau, die unter Blutungen leidet und die sich in ihrer Schüchternheit bemüht, dem Herrn so nahe wie möglich zu kommen, und – wie das Evangelium berichtet – als sie seinen Mantel berührte, spürte der Herr, dass eine dynamis von ihm ausging… Das sind alles Beispiele für jenen Kontakt, der ein Feuer entzündet und die Dynamik auslöst, die positive Kraft der Barmherzigkeit. Da ist auch die Sünderin, die dem Herrn in maßloser Weise ihre Liebe zeigt, indem sie seine Füße mit ihren Tränen wäscht und mit ihren Haaren trocknet: Darin sieht der Herr ein Zeichen dafür, dass sie viel Barmherzigkeit empfangen hat und sie deshalb auf diese Art zum Ausdruck bringt. Die einfachsten Menschen – die Sünder, die Kranken, die Besessenen… – werden unverzüglich vom Herrn geehrt, der sie vom Ausgeschlossensein in die vollkommene Einbezogenheit übergehen lässt, von der Ferne zum Fest. Das ist der Ausdruck: Die Barmherzigkeit lässt uns von der Ferne zum Fest übergehen. Und das versteht man nur unter dem Gesichtspunkt der Hoffnung, in apostolischer Hinsicht, unter dem Gesichtspunkt dessen, der Erbarmen gefunden hat, um sich seinerseits zu erbarmen.

Wir können schließen, indem wir das Magnificat der Barmherzigkeit, den Psalm 51 [50] des Königs David beten, den wir jeden Freitag in den Laudes rezitieren. Es ist das Magnificat des zerbrochenen und zerschlagenen Herzens, das in seiner Sünde die Größe besitzt, den treuen Gott zu bekennen, der größer ist als die Sünde. Wenn wir uns in den Moment versetzen, in dem der verlorene Sohn erwartete, mit Kälte behandelt zu werden, und der Vater ihn stattdessen mitten in ein Fest stellt, können wir uns ihn vorstellen, wie er den Psalm 51 spricht, und ihn wechselseitig mit ihm beten. Wir können hören, wie er sagt: »Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen!« Und wir können sagen: Ja, auch ich, »ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen.« Und einstimmig sprechen wir: Gegen dich, Vater, »gegen dich allein habe ich gesündigt.«

Beten wir von dieser inneren Spannung aus, welche die Barmherzigkeit entzündet, aus jener Spannung zwischen der Beschämung, die bittet: »Verbirg dein Gesicht vor meinen Sünden, tilge all meine Frevel!« und jener Zuversicht, die sagt: »Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich, dann werde ich weißer als Schnee.« Einer Zuversicht, die apostolisch wird: »Mach mich wieder froh mit deinem Heil, mit einem willigen Geist rüste mich aus! Dann lehre ich Abtrünnige deine Wege und die Sünder kehren um zu dir.«

(rv 02.06.2016 rv)


Papst Franziskus: Videobotschaft für Alte und Kranke

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Alte und Kranke: Betet für sie, bittet der Papst

Vernachlässigung von Alten und Kranken: Darum geht es im Gebetsanliegen von Papst Franziskus im Monat Juni, das an diesem Donnerstag veröffentlicht wurde. „Unsere Städte sollten sich vor allem durch Solidarität auszeichnen, die nicht bloß im Geben an Bedürftige besteht, sondern im gegenseitigen Verantwortungsbewusstsein und im Schaffen einer Begegnungskultur.“

Im Video sieht man Straßenkünstler, die für einen alten Obdachlosen spielen und ihm das gesammelte Geld überreichen. „Begleitest Du mich in meinem Bittgesuch?“, bittet der Papst: „Dass Alte, ausgegrenzte und einsame Leute, auch in den Großstädten, Gelegenheiten zu Begegnung und Solidarität erfahren.“

Papst Franziskus veröffentlicht im Rahmen des Heiligen Jahres zu Beginn jeden Monats zusammen mit dem Gebetsnetzwerk ein Video mit einem speziellen Anliegen.

(rv 02.05.2016 pdy)


Papstmeditation für Priester: Teil 2 in voller Länge

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2. Meditation — Santa Maria Maggiore, 2. Juni 2016

Jubiläum der Priester: Papst Franziskus hält am Herz-Jesu-Fest 2016 einen Einkehrtag in drei Teilen für Priester und Seminaristen. Hier die zweite Meditation – gehalten in der Papstbasilika Santa Maria Maggiore – in amtlicher deutscher Übersetzung aus dem Vatikan.

 

ZWEITE MEDITATION

Das Sammelbecken für die Barmherzigkeit

Das Sammelbecken für die Barmherzigkeit ist unsere Sünde. Doch häufig kommt es vor, dass unsere Sünde wie ein Sieb ist, wie ein durchlöcherter Krug, aus dem die Gnade in kurzer Zeit abfließt: »Denn mein Volk hat doppeltes Unrecht verübt: Mich hat es verlassen, den Quell des lebendigen Wassers, um sich Zisternen zu graben, Zisternen mit Rissen, die das Wasser nicht halten« (Jer 2,13). Daher ergibt sich die Notwendigkeit, die der Herr dem Petrus verdeutlicht, »siebzigmal siebenmal« zu vergeben. Gott wird nicht müde zu vergeben, auch wenn er sieht, dass es seiner Gnade anscheinend nicht gelingt, starke Wurzeln im Erdreich unseres Herzens zu schlagen; wenn er sieht, dass die Straße hart und steinig ist und voller Unkraut. Er sät immer wieder neu seine Barmherzigkeit und seine Vergebung aus.

Neu erschaffene Herzen

Dennoch können wir bei dieser Barmherzigkeit Gottes, die immer „größer ist als unser Sündenbewusstsein“, einen weiteren Schritt tun. Der Herr wird nicht nur nicht müde, uns zu vergeben, sondern er erneuert auch den „Schlauch“, in dem wir seine Vergebung empfangen. Für den neuen Wein seiner Barmherzigkeit benutzt er einen neuen Schlauch, damit dieser sich nicht wie ein geflicktes Kleid oder wie ein alter Schlauch verhält (vgl. Mt 9, 16-17). Und dieser Schlauch ist seine Barmherzigkeit selbst: seine Barmherzigkeit, insofern sie in uns selbst erfahren wird und insofern wir sie in die Tat umsetzen, wenn wir den anderen helfen. Das Herz, das Barmherzigkeit empfangen hat, ist nicht ein geflicktes Herz, sondern ein neues, neu erschaffenes Herz. Das, von dem David sagt: »Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist!« (Ps 51 [50], 12). Dieses neue, neu erschaffene Herz ist ein guter Behälter. Die Liturgie bringt das innere Empfinden der Kirche zum Ausdruck, wenn sie uns jenes schöne Gebet sprechen lässt: »Allmächtiger Gott, du hast den Menschen wunderbar nach deinem Bild erschaffen und noch wunderbarer erneuert und erlöst« (vgl. Osternacht, Gebet nach der ersten Lesung). Diese zweite Schöpfung ist also noch wunderbarer als die erste. Es ist ein Herz, das weiß, dass es dank der Verschmelzung seiner Erbärmlichkeit mit der Vergebung Gottes neu erschaffen worden ist, und darum ist es „ein Herz, das Barmherzigkeit empfangen hat und Barmherzigkeit schenkt“. Und so erfährt es die Wohltaten der Gnade auf seiner Wunde und seiner Sünde und spürt, dass die Barmherzigkeit seine Schuld aussöhnt, seine Trockenheit mit Liebe überflutet und seine Hoffnung neu entflammt. Wenn es darum dem vergibt, der ihm etwas schuldet, und sich gleichzeitig und mit ein und derselben Gnade derer erbarmt, die wie er Sünder sind, dann verwurzelt sich diese Barmherzigkeit in einem guten Boden, in dem das Wasser nicht verrinnt, sondern Leben spendet. Bei der Übung dieser Barmherzigkeit, die das Böse des anderen wiedergutmacht, kann niemand besser zu dessen Heilung beitragen als derjenige, der die Erfahrung lebendig hält, in Bezug auf das gleiche Böse selbst Barmherzigkeit empfangen zu haben. Wir sehen, dass unter den in der Suchtbekämpfung Tätigen diejenigen, die sich selbst von der Abhängigkeit befreit haben, gewöhnlich die sind, welche die anderen am besten verstehen, ihnen helfen und sie zu fordern wissen. Und der beste Beichtvater ist gewöhnlich der, der selbst am besten beichtet. Fast alle großen Heiligen waren [zuvor] große Sünder, oder sie waren sich wie die kleine heilige Theresia bewusst, dass sie es nur dank der zuvorkommenden Gnade nicht gewesen sind.

Das wirkliche Gefäß für die Barmherzigkeit ist also die Barmherzigkeit selbst, die jeder empfangen hat und die sein Herz neu geschaffen hat – das ist der „neue Schlauch“, von dem Jesus spricht (vgl. Lk 5,37), der „sanierte Brunnen“.

So betreten wir den Bereich des Geheimnisses des Sohnes – Jesus –, der die fleischgewordene Barmherzigkeit des Vaters ist. Das endgültige Bild des Sammelbeckens für die Barmherzigkeit finden wir mittels der Wundmale des auferstandenen Herrn. Dieser Abdruck der durch Gott gesühnten Sünde kann nicht völlig ausheilen, er entzündet sich aber auch nicht: Es ist eine Narbe, nicht eine eitrige Wunde. In jener den Narben eigenen „Sensibilität“, die uns ohne starken Schmerz an die Wunde erinnert und an die Heilung, ohne dass wir die Verletzlichkeit vergessen – dort hat die göttliche Barmherzigkeit ihren Sitz. In der Sensibilität des auferstandenen Christus, der seine Wundmale behält, und zwar nicht nur an den Füßen und den Händen, sondern an seinem Herzen, das ein verwundetes Herz ist, finden wir den rechten Sinn der Sünde und der Gnade. Wenn wir das verwundete Herz des Herrn betrachten, spiegeln wir uns in Ihm. Unser Herz und das seine sind einander ähnlich, da beide verwundet und auferstanden sind. Wir wissen aber, dass sein Herz lauter Liebe war und verwundet wurde, weil es bereit war, sich verletzen zu lassen; das unsere war hingegen lauter Verwundung, die geheilt wurde, weil es bereit war, sich lieben zu lassen.

Unsere Heiligen haben die Barmherzigkeit empfangen

Es kann uns gut tun, auf andere zu schauen, die sich ihr Herz durch die Barmherzigkeit haben neu erschaffen lassen, und zu sehen, in welchem „Sammelbecken“ sie die Barmherzigkeit empfangen haben.

Paulus empfängt sie in dem harten und unflexiblen Behälter seines vom Gesetz geprägten Urteils. Seine Härte im Urteil trieb ihn dazu, ein Verfolger zu sein. Die Barmherzigkeit verwandelt ihn so, dass er einer wird, der sich auf die Suche nach den Fernsten begibt – nach denen mit der heidnischen Mentalität – und zugleich der Verständnisvollste und Barmherzigste gegenüber denen ist, die so sind, wie er war. Paulus wünschte sich, als verflucht zu gelten, wenn er nur die Seinen retten könnte. Sein Urteil festigt sich, indem er „nicht einmal über sich selbst urteilt“, sondern sich von einem Gott rechtfertigen lässt, der größer ist als sein Gewissen, und indem er sich auf Jesus Christus beruft, der ein treuer Fürsprecher ist und von dessen Liebe nichts und niemand ihn trennen kann. Paulus hat eine ausgesprochen radikale Auffassung von der bedingungslosen Barmherzigkeit Gottes: Sie überwindet die grundlegende Verwundung, durch die wir zwei Gesetzen unterliegen (dem des Fleisches und dem des Geistes). In dieser Radikalität drückt sich ein Geist aus, der ein feines Empfinden für die Absolutheit der Wahrheit hat und gerade dort verletzt ist, wo das Gesetz und das Licht zur Falle werden. Der berühmte „Stachel“, von dem der Herr ihn nicht befreit, ist das Sammelbecken, in dem Paulus die Barmherzigkeit Gottes empfängt (vgl. 2 Kor 12,7).

Petrus empfängt die Barmherzigkeit in seiner Anmaßung eines vernünftigen Mannes. Er war vernünftig mit dem soliden und erprobten gesunden Menschenverstand eines Fischers, der aus Erfahrung weiß, wann man fischen kann und wann nicht. Es ist die Vernunft dessen, der, wenn er beim Gang über das Wasser und angesichts des wunderbaren Fischfangs in Begeisterung gerät und zu sehr auf sich selber schaut, den Einzigen um Hilfe zu bitten weiß, der ihn retten kann. Dieser Petrus ist in der tiefsten Wunde geheilt worden, die man haben kann: derjenigen, den Freund zu verleugnen. Vielleicht steht die Zurechtweisung des Paulus, als er ihm seine Heuchelei vorwirft, damit im Zusammenhang. Es mag so scheinen, als habe Paulus das Gefühl gehabt, der Schlimmste gewesen zu sein, bevor er Christus kannte; Petrus aber hatte Christus verleugnet, nachdem er ihn gekannt hatte… Doch die Tatsache, gerade darin geheilt worden zu sein, verwandelte Petrus in einen barmherzigen Hirten, in einen tragfähigen Felsen, auf den man immer bauen kann, denn es ist ein schwacher Fels, der geheilt wurde, nicht ein Fels, der in seiner Kraft den Schwächeren stolpern lässt. Petrus ist der Jünger, den der Herr im Evangelium am meisten korrigiert. Er korrigiert ihn ständig, bis zu diesem letzten »Was geht das dich an? Du aber folge mir nach!« (Joh 21,22). Die Überlieferung erzählt, dass der Herr ihm erneut erscheint, als Petrus gerade aus Rom flieht. Das Zeichen des kopfunter gekreuzigten Petrus ist vielleicht das vielsagendste für diesen „Behälter“ in Form eines Dickschädels, der sich, um Barmherzigkeit zu empfangen, nach unten begibt, sogar als er das erhabenste Zeugnis für seine Liebe zum Herrn ablegt. Petrus will sein Leben nicht beenden mit den Worten: „Ich habe die Lektion gelernt“, sondern indem er sagt: „Da mein Kopf es nie lernen wird, bringe ich ihn nach unten.“ Über allem die Füße, die der Herr gewaschen hatte. Diese Füße sind für Petrus das Sammelbecken, über das er die Barmherzigkeit seines Freundes und Herrn empfängt.

Johannes wird in seinem Hochmut, dem Übel durch Feuer abhelfen zu wollen, geheilt und ist am Ende derjenige, der schreibt: „meine Kinder…“. Er erscheint als einer jener guten Großväter, die nur von der Liebe sprechen – er, der der „Donnersohn“ gewesen war (vgl.  Mk 3,17).

Augustinus wird in seiner Wehmut geheilt, erst spät zur Begegnung gelangt zu sein – »Spät habe ich dich geliebt« –, und findet jenen kreativen Weg, die verlorene Zeit aufzufüllen, indem er seine „Bekenntnisse“ schreibt.

Franziskus empfängt in vielen Momenten seines Lebens von Mal zu Mal mehr Barmherzigkeit. Vielleicht wird das endgültige Sammelbecken dafür, das zu echten Wundmalen wurde, nicht so sehr das Küssen des Aussätzigen, die Heirat mit Frau Armut und das Empfinden eines jeden Geschöpfes als Schwester oder Bruder gewesen sein, sondern vielmehr die Pflicht, den Orden, den er gegründet hatte, in barmherzigem Schweigen zu hüten. Franziskus sieht, dass seine Brüder sich voneinander trennen, und das unter dem Banner der Armut selbst. Der Dämon lässt uns miteinander in Streit geraten, indem wir die heiligsten Dinge verteidigen, jedoch in „schlechter Gesinnung“.

Ignatius wird in seiner Eitelkeit geheilt, und wenn dies das Gefäß war, können wir erahnen, wie groß die Ehrsucht war, die in ein solches Streben nach der größeren Ehre Gottes verwandelt wurde.

Im Tagebuch eines Landpfarrers stellt Bernanos uns das Leben eines Dorfpfarrers vor Augen, indem er sich von dem Leben des heiligen Pfarrers von Ars inspirieren lässt. Es gibt dort zwei sehr schöne Abschnitte, welche die innersten Gedanken des Priesters in der letzten Zeit seiner unerwarteten Krankheit wiedergeben: »Während der letzten Wochen und Monate, die Gott mir noch lassen wird, solange ich die Aufgabe eines Pfarrers erfüllen kann, werde ich versuchen, […] weniger Sorge um die Zukunft [zu] haben; ich werde nur für die Gegenwart arbeiten. Solche Art Arbeit scheint mir auf mich zugeschnitten zu sein […] Denn nur im Kleinen habe ich Erfolg, und nachdem ich so oft von Unsicherheit heimgesucht wurde, muss ich erkennen, dass ich in den kleinen Freuden den Sieg davontrage.« Ein winziges Gefäß für die Barmherzigkeit; es hat etwas mit den kleinen Freuden unseres pastoralen Lebens zu tun, dort, wo wir die endlose Barmherzigkeit des himmlischen Vaters empfangen und in kleinen Gesten ausüben können.

In dem anderen Abschnitt heißt es: »Es ist vorbei. Diese Art von Misstrauen, das ich gegen mich, gegen meine Person hegte, verflüchtigt sich, glaube ich, für immer. Dieser Kampf ist zu Ende. Ich verstehe ihn nicht mehr. Ich bin mit mir selbst versöhnt, mit dieser armen sterblichen Hülle. Sich zu hassen ist leichter, als man glaubt. Die Gnade besteht darin, sich zu vergessen. Wenn aber aller Stolz in uns gestorben wäre, dann wäre die Gnade der Gnaden, demütig sich selbst zu lieben als irgendeines der leidenden Glieder Jesu Christi.« Das ist das Gefäß: „demütig sich selbst zu lieben als irgendeines der leidenden Glieder Jesu Christi“. Es ist ein gewöhnliches Gefäß wie ein alter Krug, den wir uns als Leihgabe von den Ärmsten erbitten können.

Der Pfarrer Brochero, der argentinische Selige, der bald heiliggesprochen wird, „ließ sein Herz von der Barmherzigkeit Gottes bearbeiten“. Sein Sammelbecken war am Ende sein eigener aussätziger Leib. Er, der sich erträumte, „im Galopp“ zu sterben, beim Durchwaten irgendeines Gebirgsflusses, auf dem Weg, um einem Kranken die Krankensalbung zu spenden. Eine seiner letzten Aussagen war: »Es gibt keine vollkommene Herrlichkeit in diesem Leben.« – »Ich bin sehr einverstanden mit dem, was er [der Herr] in Bezug auf mein Sehvermögen mit mir gemacht hat, und ich danke ihm sehr dafür. Als ich imstande war, der Menschheit zu dienen, hat er alle meine Sinne unversehrt und kraftvoll bewahrt. Heute, da ich nicht mehr kann, hat er mir einen der leiblichen Sinne genommen. In dieser Welt gibt es keine vollkommene Herrlichkeit, und wir sind voller Erbärmlichkeiten.« Oft bleiben unsere Dinge auf halbem Wege liegen, und darum ist es immer eine Gnade, aus sich selbst herauszugehen. Es wird uns gewährt, „die Dinge loszulassen“, damit der Herr sie segnet und vollendet. Wir müssen nicht allzu besorgt sein. Das erlaubt uns, uns für die Leiden und die Freuden unserer Mitmenschen zu öffnen. Kardinal Van Thuan sagte einmal, im Kerker habe ihn der Herr gelehrt zu unterscheiden zwischen „den Werken Gottes“, denen er sich in seinem Leben als Priester und Bischof gewidmet hatte, als er in Freiheit war, und Gott selbst, dem er sich widmete, während er gefangen war (vgl. Van Thuan, Fünf Brote und zwei Fische, Turin 1997).

Maria als Gefäß und Quelle der Barmherzigkeit

Wenn wir auf der Suche nach Gefäßen für die Barmherzigkeit über die Leiter der Heiligen aufsteigen, kommen wir zur Muttergottes. Sie ist das einfache und vollkommene Gefäß für das Empfangen und das Austeilen der Barmherzigkeit. Ihr freies „Ja“ zur Gnade ist das Gegenbild zu der Sünde, die den verlorenen Sohn ins Nichts führte. Sie trägt eine Barmherzigkeit in sich, die zugleich in hohem Maß die ihre, in hohem Maß die unserer Seele und in hohem Maß die der Kirche ist. Wie das Magnificat bekräftigt, weiß sie sich in ihrer Kleinheit gütig angeschaut und weiß zu schauen, wie die Barmherzigkeit Gottes alle Generationen erreicht. Sie versteht die Werke zu sehen, welche diese Barmherzigkeit entfaltet, und fühlt sich zusammen mit ganz Israel von dieser Barmherzigkeit „angenommen“. Sie bewahrt das Gedächtnis und die Verheißung der unendlichen Barmherzigkeit Gottes gegenüber seinem Volk. Ihr Magnificat ist das eines unversehrten, nicht „durchlöcherten“ Herzens, das die Geschichte und jeden Menschen mit seiner mütterlichen Barmherzigkeit betrachtet.

In jenem mit Maria allein verbrachten Moment, der mir vom mexikanischen Volk geschenkt wurde – da ich den Blick auf die Gottesmutter, die Jungfrau von Guadalupe richtete und mich von ihr anschauen ließ –, habe ich für euch, liebe Priester, zu ihr gebetet, dass ihr gute Priester sein sollt. Und in der Ansprache an die Bischöfe habe ich zu ihnen gesagt, dass ich lange über das Geheimnis nachgedacht habe, das in Marias Blick liegt, über seine Zärtlichkeit und seine Freundlichkeit, die uns Mut machen, uns von der Barmherzigkeit Gottes erreichen zu lassen. Ich möchte euch jetzt an einige „Aspekte“ des Blickes der Gottesmutter erinnern: in welcher Weise Maria schaut – und speziell auf ihre Priester schaut –, denn durch uns möchte sie auf ihr Volk schauen.

Maria schaut in einer Weise auf uns, dass man sich in ihrem Schoß geborgen fühlt. Sie lehrt uns, dass »die einzige Kraft, die fähig ist, das Herz der Menschen zu gewinnen, die Zärtlichkeit Gottes ist. Das, was begeistert und anzieht, was nachgiebig macht und überwältigt, was öffnet und Fesseln löst, ist nicht die Kraft der Mittel oder die Härte des Gesetzes, sondern die allmächtige Schwachheit der göttlichen Liebe, das heißt die unwiderstehliche Kraft seiner Sanftmut und die unwiderrufliche Verheißung seiner Barmherzigkeit« (Ansprache an die Bischöfe Mexikos, 13. Februar 2016). Das, was eure Leute in den Augen Marias zu finden hoffen, ist ein »Schoß, in dem die immer noch verwaisten und verstoßenen Menschen eine Sicherheit, ein Zuhause suchen« (ebd.). Und das hängt mit der Art und Weise zusammen, wie sie schaut: Der Raum, den ihre Augen öffnen, ist der eines Schoßes, nicht der eines Gerichtes oder einer „professionellen“ Beratungsstelle. Wenn ihr gelegentlich merkt, dass euer Blick hart geworden ist, dass ihr, wenn ihr zu den Leuten kommt, Überdruss empfindet oder gar nichts empfindet, dann schaut wieder auf Maria, betrachtet sie mit den Augen der Geringsten aus eurem Volk, die um einen Schoß betteln, und sie wird euren Blick von jedem „grauen Star“ läutern, der verhindert, Christus in den Menschen zu sehen; sie wird euch von jeder Kurzsichtigkeit heilen, die die Bedürfnisse der Leute – welche die Bedürfnisse des menschgewordenen Herrn sind – lästig erscheinen lässt, und von jeder Alterssichtigkeit, der die Einzelheiten entgehen, das „Kleingedruckte“, wo die wichtigen Dinge des Lebens der Kirche und der Familie auf dem Spiel stehen.

Eine andere „Art und Weise, wie Maria schaut“, steht im Zusammenhang mit einem Gewebe: Maria schaut „webend“, indem sie sieht, wie sie alles, was euer Volk ihr bringt, zum Guten zusammenfügen kann. Zu den mexikanischen Bischöfen habe ich gesagt: »In den Mantel der mexikanischen Seele hat Gott mit dem Faden der mestizischen Spuren eures Volkes das Antlitz seiner Erscheinung in der „Morenita” eingewebt« (ebd.). Ein geistlicher Lehrer weist darauf hin, dass das, was über Maria im besonderen Sinn ausgesagt wird, für die Kirche im umfassenden und für jede glaubende Seele im einzelnen Sinn zutrifft (vgl. Isaak von Stella, Serm. 51: PL 194, 1863). Wenn wir sehen, wie Gott das Antlitz und die Gestalt der Guadalupana in die Tilma [als Umhang getragene Baumwolldecke] von Juan Diego eingeflochten hat, können wir im Gebet betrachten, wie er unsere Seele und das Leben der Kirche gewebt hat. Es wird gesagt, dass man nicht sehen kann, wie das Bild „gemalt“ wurde. Es ist, als sei es gedruckt. Mir gefällt der Gedanke, dass das Wunder nicht nur darin bestand, „das Bild zu drucken oder mit einem Pinsel zu malen“, sondern, dass „der ganze Umhang neu geschaffen wurde“, von oben bis unten verwandelt, und dass jeder Faden – jene Fäden, welche die Frauen von klein an zu verweben lernen; und für die feinsten Kleidungsstücke bedienen sie sich des Herzstücks der Maguey-Pflanze (aus dessen Blättern sie die Fäden gewinnen) –, dass also jeder Faden an seinem Platz verwandelt wurde und dabei jene Nuancen annahm, die an dem ihnen bestimmten Ort hervortreten. Und mit den anderen, auf die gleiche Weise verwandelten Fäden verwebt, lassen sie das Angesicht der Muttergottes und ihre ganze Gestalt erscheinen sowie alles, was sie umgibt. Dasselbe tut die Barmherzigkeit: Sie „malt“ uns nicht von außen das Gesicht eines guten Menschen auf, sie macht für uns nicht den Photoshop, sondern mit ebendiesen Fäden unserer Erbärmlichkeiten und unserer Sünden, die mit väterlicher Liebe verflochten werden, „webt“ sie uns so, dass unsere Seele sich erneuert und ihr wahres Bild, das Bild Jesu, zurückgewinnt. Seid also Priester, »die fähig sind, diese Freiheit Gottes nachzuahmen, indem ihr das Ärmlich-Bescheidene wählt, um die Majestät seines Antlitzes sichtbar zu machen; fähig, diese göttliche Geduld nachzuahmen, indem ihr mit dem feinen Faden der Menschheit, der ihr begegnet, jenen neuen Menschen webt, den euer Land erwartet. Lasst euch nicht von dem nutzlosen Streben leiten, das Volk „auszutauschen”, als hätte die Liebe Gottes nicht  genügend Kraft, um es zu verwandeln« (Ansprache an die Bischöfe Mexikos, 13. Februar 2016).

Die dritte Art und Weise ist die der Aufmerksamkeit: Maria schaut aufmerksam, sie widmet sich uneingeschränkt und lässt sich ganz auf den Menschen ein, den sie vor sich hat, wie eine Mutter, wenn sie ganz Ohr ist für ihr kleines Kind, das ihr etwas erzählt. »Wie die schöne Überlieferung von Guadalupe lehrt, bewahrt die „Morenita” die Blicke derer, die sie betrachten, spiegelt das Gesicht derer wider, die ihr begegnen. Es ist notwendig zu lernen, dass es in jedem von denen, die uns auf der Suche nach Gott anschauen, etwas Unwiederholbares gibt. Unsere Aufgabe ist es, für diese Blicke nicht undurchdringlich zu werden. Jeden von ihnen in uns zu hüten, in unserem Herzen zu bewahren und zu schützen. Nur eine Kirche, die fähig ist, das Gesicht der Menschen, die an ihre Tür klopfen, zu hüten und zu schützen, ist fähig, ihnen von Gott zu sprechen. Wenn wir nicht ihre Leiden enträtseln, wenn wir ihre Bedürfnisse nicht bemerken, können wir ihnen nichts bieten. Der Reichtum, den wir besitzen, fließt nur, wenn wir der Zaghaftigkeit derer, die betteln, entgegengehen und ebendiese Begegnung sich in unserem Hirtenherzen vollzieht« (ebd.). Euren Bischöfen habe ich gesagt, dass sie auf euch, ihre Priester, aufpassen sollen: »Lasst nicht zu, dass sie der Einsamkeit und der Verlassenheit ausgesetzt sind, eine Beute der Weltlichkeit, die das Herz verschlingt« (ebd.). Die Welt beobachtet uns aufmerksam, aber um uns zu „verschlingen“, um uns in Verbraucher zu verwandeln… Wir alle haben es nötig, aufmerksam betrachtet zu werden, mit einem Interesse, sagen wir, das keine Gegenleistung erwartet. »Seid aufmerksam«, sagte ich zu ihnen, »und lernt, [die Blicke eurer Priester] zu deuten, um euch mit ihnen zu freuen, wenn sie die Befriedigung empfinden zu erzählen, „was sie getan und gelehrt“ haben (Mk 6,30), und auch um euch nicht zurückzuziehen, wenn sie sich ein wenig gedemütigt fühlen und nicht anders können, als weinen, weil sie den Herrn verleugnet haben (vgl. Lk 22,61-62), und auch […], um in Gemeinschaft mit Christus Unterstützung zu bieten, wenn jemand, der schon niedergeschlagen ist, mit Judas in die Nacht hinausgeht (vgl. Joh 13,30). Möge es in diesen Situationen, liebe Bischöfe, niemals an eurer Väterlichkeit gegenüber euren Priestern fehlen! Ermutigt sie zur Gemeinschaft untereinander, lasst sie ihre Gaben vervollkommnen, bezieht sie in die großen Angelegenheiten ein, denn das Herz des Apostels wurde nicht für kleine Dinge geschaffen« (ebd.).

Und schließlich schaut Maria „vollständig“, indem sie alles zusammen im Blick hat: unsere Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Sie hat keinen aufgesplitterten Blick: Die Barmherzigkeit versteht die Gesamtheit zu sehen und erfasst, was am nötigsten ist. Wie Maria in Kana fähig ist, im Voraus Mitleid zu empfinden für das, was der Mangel an Wein beim Hochzeitsfest verursachen wird, und Jesus bittet, Abhilfe zu schaffen, ohne dass jemand es bemerkt, so können wir unser gesamtes Priesterleben sehen, als sei Maria ihm mit ihrer „Barmherzigkeit zuvorgekommen“; und da sie unsere Mängel voraussah, hat sie für alles gesorgt, was wir haben. Wenn es in unserem Leben ein wenig „guten Wein“ gibt, dann nicht aufgrund unserer Verdienste, sondern dank ihrer „zuvorgekommenen Barmherzigkeit“. Diese besingt sie schon im Magnificat: Denn der Herr hat gütig „auf ihre Niedrigkeit geschaut“ und „(seines Bundes) der Barmherzigkeit gedacht“, eines Erbarmens, das sich „von Generation zu Generation“ auf die Armen und die Unterdrückten erstreckt (Lk 1,46-55). Die Interpretation, die Maria vollzieht, ist eine Interpretation der Geschichte als Barmherzigkeit.

Wir können mit dem Gebet des Salve Regina schließen, in dessen Anrufungen der Geist des Magnificat widerhallt. Maria ist die Mutter der Barmherzigkeit, unser Leben, unsere Wonne und unsere Hoffnung. Ihre barmherzigen Augen betrachten wir als das beste Gefäß der Barmherzigkeit in dem Sinn, dass wir uns in ihnen an ihrem milden und guten Blick laben können, nach dem wir dürsten, wie man nur nach einem Blick dürsten kann. Diese barmherzigen Augen sind es auch, die uns die Werke der Barmherzigkeit Gottes in der Geschichte der Menschen sehen und in ihren Gesichtern Jesus entdecken lassen. In Maria finden wir das gelobte Land – das von unserem Herrn errichtete Reich der Barmherzigkeit –, das schon in diesem Leben nach jedem Exil kommt, in das uns die Sünde treibt. Von ihr an die Hand genommen und unter ihrem Blick können wir froh die Größe des Herrn besingen. Wir können ihm sagen: Meine Seele besingt dich, Herr, weil du gütig auf die Niedrigkeit und Kleinheit deines Knechtes geschaut hast. Ich Glücklicher, dass mir verziehen wurde! Deine Barmherzigkeit, die du allen deinen Heiligen und deinem ganzen gläubigen Volk erwiesen hast, hat auch mich erreicht. Ich habe mich verirrt, indem ich mir selber folgte, wegen des Hochmuts meines Herzens, doch ich habe auf keinem Thron gesessen, Herr, und meine einzige „Erhöhung“ besteht darin, dass deine Mutter mich in den Arm nehmen, mich mit ihrem Mantel bedecken und mich nah an ihrem Herzen halten möge. Ich wünsche mir, von dir geliebt zu werden wie einer der Niedrigsten deines Volkes und mit deinem Brot die zu sättigen, die hungern nach dir. Gedenke, Herr, deines Bundes der Barmherzigkeit mit deinen Kindern, den Priestern und deinem Volk. Dass wir mit Maria Zeichen und Sakrament deiner Barmherzigkeit sein mögen.

 

Den ersten Teil der Papstmeditation für Priester können Sie hier nachlesen, den dritten Teil hier.

(rv 02.06.2016 rv)


Papstmeditation für Priester: Teil 3 in voller Länge

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3. Meditation — Sankt Paul Vor Den Mauern, 2. Juni 2016

Jubiläum der Priester: Papst Franziskus hält am Herz-Jesu-Fest 2016 einen Einkehrtag in drei Teilen für Priester und Seminaristen. Hier die dritte Meditation – gehalten in der Papstbasilika Sankt Paul vor den Mauern – in amtlicher deutscher Übersetzung aus dem Vatikan.

 

DRITTE MEDITATION

Der Duft Christi und das Licht seiner Barmherzigkeit

In unserer dritten Begegnung schlage ich euch vor, über die Werke der Barmherzigkeit zu meditieren. Wir können sowohl eines herausgreifen, das unserem Empfinden nach am besten unserem eigenen Charisma entspricht, als auch sie alle zusammen betrachten und sie mit den Augen Marias sehen, die uns „den fehlenden Wein“ entdecken lassen und uns ermutigen, „alles zu tun, was Jesus uns sagt“ (vgl. Joh 2,1-12), damit seine Barmherzigkeit die Wunder vollbringt, die unser Volk nötig hat.

Die Werke der Barmherzigkeit sind sehr an die „geistlichen Sinne“ gebunden. Im Gebet erbitten wir die Gnade, das Evangelium so „zu hören und zu verkosten“, dass es uns sensibel macht für das Leben. Vom Heiligen Geist bewegt und von Jesus geführt können wir mit den Augen der Barmherzigkeit schon von weitem sehen, wer am Straßenrand am Boden liegt; können wir die Rufe des Bartimäus hören; können wir fühlen wie der Herr, der am Saum seines Gewandes die schüchterne, aber entschlossene Berührung durch die an Blutungen leidende Frau fühlt; können wir die Gnade erbitten, mit ihm am Kreuz den bitteren Gallegeschmack aller Gekreuzigten zu kosten, um so den starken Geruch des Elends wahrzunehmen – in Feldlazaretten, in Zügen und Kähnen voller Menschen – diesen Geruch, den das Öl der Barmherzigkeit nicht überdeckt; doch wenn es ihn salbt, lässt es wieder Hoffnung aufkommen.

Der Katechismus der Katholischen Kirche erzählt uns im Zusammenhang mit den Werken der Barmherzigkeit, dass die heilige Rosa von Lima, als ihre Mutter sie eines Tages tadelte, weil sie zu Hause Arme und Kranke beherbergte, dieser ohne Zögern antwortete: »Wenn wir den Armen und Kranken dienen, sind wir der Wohlgeruch Christi« (vgl. Nr. 2449). Dieser Wohlgeruch Christi – die Sorge für die Armen – ist und war immer kennzeichnend für die Kirche. Paulus sah darin den Schwerpunkt seiner Begegnung mit den »Säulen«, wie er sie nennt, mit Petrus, Jakobus und Johannes, wenn er schreibt: Von ihnen »wurde mir nichts auferlegt […] Nur sollten wir an ihre Armen denken«  (Gal 2,6.10). Auch der Katechismus betont mit eindrucksvollen Worten: »Darum richtet sich auf alle, die [vom Elend] bedrückt sind, auch eine vorrangige Liebe der Kirche, die seit ihren Anfängen, ungeachtet der Schwächen vieler ihrer Glieder, unaufhörlich dafür gewirkt hat, die Bedrückten zu stützen, zu verteidigen und zu befreien« (Nr. 2448).

In der Kirche hatten und haben wir vieles, was nicht sehr gut ist, und viele Sünden; doch darin, den Armen mit den Werken der Barmherzigkeit zu dienen, sind wir als Kirche immer dem Heiligen Geist gefolgt, und unsere Heiligen haben es auf sehr kreative und wirkungsvolle Weise getan. Die Liebe zu den Armen ist das Zeichen gewesen, das Licht, das die Menschen veranlasst hat, Gott den Vater zu preisen. Unsere Leute wissen das zu schätzen: den Priester, der sich um die Armen und die Kranken kümmert, der den Sündern vergibt, der geduldig unterweist und korrigiert… Unser Volk sieht dem Priester viele Fehler nach, nur nicht den, am Geld zu hängen. Und das nicht so sehr wegen des Reichtums an sich, sondern weil das Geld uns den Reichtum der Barmherzigkeit verlieren lässt. Unser Volk hat ein feines Gespür dafür, welche Sünden für den Hirten schwerwiegend sind, welche seinen Dienst zunichtemachen, weil sie ihn zum Funktionär oder noch schlimmer: zum Söldling werden lassen, und welche hingegen, ich würde nicht sagen zweitrangige, aber doch erträgliche Sünden sind, die man wie ein Kreuz auf sich nimmt, bis der Herr sie am Ende reinigt, wie er es mit dem Unkraut tut. Was jedoch gegen die Barmherzigkeit verstößt, ist ein grundsätzlicher Widerspruch. Es verstößt gegen die Heilsdynamik, gegen Christus, der unseretwegen arm wurde, um uns durch seine Armut reich zu machen (vgl. 2 Kor 8,9). Und das ist so, weil die Barmherzigkeit umsorgt und pflegt, indem sie „etwas von sich verliert“: Ein Stückchen des Herzens bleibt beim Verwundeten; eine Zeit unseres Lebens, in der wir Lust hatten, etwas zu tun, verlieren wir, wenn wir sie dem anderen schenken.

Daher geht es nicht darum, dass Gott mir gegenüber in Bezug auf irgendeinen Fehler Barmherzigkeit erweist, als sei ich im Übrigen selbständig; oder darum, dass ich ab und zu irgendeinem Bedürftigen irgendeine besondere Tat der Barmherzigkeit erweise. Die Gnade, um die wir in diesem Gebet bitten, ist die, dass wir uns von Gott Barmherzigkeit erweisen lassen in allen Aspekten unseres Lebens und dass wir mit den anderen barmherzig sind in all unserem Tun. Für uns Priester und Bischöfe, die wir mit den Sakramenten arbeiten, indem wir  taufen, Beichte hören, Eucharistie feiern…, ist die Barmherzigkeit die Weise, das ganze Leben des Gottesvolkes in ein Sakrament zu verwandeln. Barmherzig sein ist nicht nur eine Wesensart, sondern die Wesensart. Es gibt keine andere Möglichkeit, Priester zu sein. Der Pfarrer Brochero, der – so Gott will – in diesem Jahr heiliggesprochen wird, sagte: »Der Priester, der nicht viel Mitleid mit den Sündern hat, ist ein halber Priester. Diese gesegneten Klamotten, die ich am Leibe trage, sind nicht das, was mich zum Priester macht; wenn ich in meinem Herzen keine Liebe trage, bin ich nicht einmal ein Christ.«

Zu sehen, was fehlt, und unverzüglich Abhilfe zu schaffen und noch besser: es vorauszusehen, ist typisch für den Blick eines Vaters. Dieser priesterliche Blick – der Blick dessen, der im Innern der Mutter Kirche die Stelle des Vaters vertritt –, dieser Blick, der uns dazu führt, die Menschen aus der Perspektive der Barmherzigkeit zu sehen, ist das, was vom Seminar an zu pflegen gelehrt werden muss und was alle pastoralen Pläne zu inspirieren hat. Wir wünschen und erbitten vom Herrn einen Blick, der die Zeichen der Zeit zu unterscheiden lernt unter dem Gesichtspunkt, „welche Werke der Barmherzigkeit heute für unser Volk notwendig sind“, damit die Menschen den Gott der Geschichte, der mitten unter ihnen unterwegs ist, spüren und an ihm Gefallen finden können. Denn – wie es das Dokument von Aparecida mit den Worten des heiligen Alberto Hurtado sagt – »an unseren Taten erkennt unser Volk, dass wir sein Leid verstehen« (Nr. 386), an unseren Taten…

Der Beweis für dieses Verständnis gegenüber unserem Volk besteht darin, dass wir in unseren Werken der Barmherzigkeit immer von Gott gesegnet sind und bei unseren Leuten Hilfe und Mitarbeit finden. Das trifft nicht für andere Arten von Projekten zu, die manchmal gut gehen und manchmal nicht. Und manche merken nicht, warum es nicht funktioniert, und zerbrechen sich den Kopf, indem sie nach einem neuen, zigsten Pastoralplan suchen, während man doch einfach – ohne in Einzelheiten gehen zu müssen – sagen könnte: Es funktioniert nicht, weil ihm die Barmherzigkeit fehlt. Wenn es nicht gesegnet ist, dann weil ihm Barmherzigkeit fehlt. Es fehlt jene Barmherzigkeit, die mehr zu einem Feldlazarett gehört als zu einer Luxusklinik; jene Barmherzigkeit, die, indem sie etwas Gutes würdigt, den Boden bereitet für eine spätere Begegnung des Menschen mit Gott, anstatt ihn durch eine gezielte Kritik zu entfernen…

Ich schlage euch ein Gebet mit der Sünderin vor, der vergeben wurde (vgl. Joh 8,3-11), um die Gnade zu erbitten, in der Beichte barmherzig zu sein, und ein weiteres über die soziale Dimension der Werke der Barmherzigkeit.

Es rührt mich immer diese Schriftstelle vom Herrn mit der Ehebrecherin, wie der Herr, als er sie nicht verurteilte, gegen das Gesetz „verstieß“. In dem Punkt, zu dem sie seine Stellungnahme forderten – „muss man sie steinigen oder nicht?“ – äußerte er sich nicht, wendete er das Gesetz nicht an. Er tat, als verstehe er nicht, und in dem Moment packte er etwas anderes aus. So leitete er einen Prozess im Herzen der Frau ein, die diese Worte: »auch ich verurteile dich nicht« brauchte. Indem er ihr die Hand reichte, ließ er sie aufstehen, und das erlaubte ihr, einem Blick voller Liebe und Freundlichkeit zu begegnen, der ihr Herz verwandelte. Manchmal erzeugt es in mir eine Mischung aus Pein und Empörung, wenn jemand sich beeilt, die letzte Ermahnung, das »sündige nicht mehr«, zu erklären und diesen Satz gebraucht, um Jesus zu „verteidigen“ und damit bloß nicht die Sache im Raum stehen bleibt, dass das Gesetz übergangen wurde. Ich denke, dass die Worte, die der Herr gebraucht, eine Einheit bilden mit dem, was er tut. Die Tatsache, dass er sich bückt, um zweimal mit dem Finger auf die Erde zu schreiben, und so eine Pause schafft vor dem, was er zu denen sagt, welche die Frau steinigen wollen, und dann vor dem, was er zu der Frau sagt, spricht uns von einer Zeit, die der Herr sich nimmt, um zu urteilen und zu verzeihen. Eine Zeit, die jeden an sein eigenes Inneres verweist und bewirkt, dass diejenigen, die urteilen, sich zurückziehen. In seinem Dialog mit der Frau eröffnet der Herr weitere Räume: Einer ist der Raum der Nicht-Verurteilung. Das Evangelium beharrt auf diesem Raum, der frei geblieben ist. Es versetzt uns in den Blick Jesu und sagt uns, dass er ringsum niemanden mehr sieht, nur noch die Frau. Und dann veranlasst Jesus selbst die Frau, sich umzuschauen mit der Frage: „Wo sind jene, die dich klassifizierten?“ (Das Wort ist wichtig, denn es bringt das zur Sprache, was wir so schlecht vertragen wie die Sache, dass man uns etikettiert und uns zur Karikatur macht…). Und nachdem er sie erst einmal jenen Raum sehen lässt, der frei ist vom Urteil anderer, sagt er ihr, dass nicht einmal er mit seinen Steinen in ihn eindringt: »Auch ich verurteile dich nicht.« Und in demselben Augenblick öffnet er ihr einen weiteren Freiraum: »Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!« Das Gebot wird für die Zukunft gegeben, als Gehhilfe, um „in der Liebe voranzuschreiten“. Das ist das Feingefühl der Barmherzigkeit, die erbarmungsvoll auf die Vergangenheit schaut und Mut macht für die Zukunft. Dieses „sündige nicht mehr“ ist nicht etwas  Selbstverständliches. Der Herr sagt es „gemeinsam mit ihr“; er hilft ihr, in Worte zu fassen, was sie selbst empfindet, dieses freie „Nein“ zur Sünde, das wie das „Ja“ Marias zur Gnade ist. Das „Nein“ wird in Bezug auf die Wurzel der Sünde eines jeden gesagt. Bei der Frau handelte es sich um eine gesellschaftliche Sünde, um die Sünde von einer, auf die die Menschen zugingen, um sich entweder mit ihr zu vergnügen oder sie zu steinigen. Darum räumt der Herr ihr nicht nur den Weg frei, sondern er bringt sie auf den Weg, damit sie aufhört, „Objekt“ des Blickes anderer zu sein, und selbständig handelndes „Subjekt“ ist. Das „nicht sündigen“ bezieht sich nicht nur auf den moralischen Aspekt, glaube ich, sondern auf eine Art von Sünde, die sie daran hindert, ihr eigenes Leben zu leben. Zum Gelähmten von Bethesda sagt Jesus ebenfalls: »Sündige nicht mehr« (Joh 5,14). Doch ihn, der sich rechtfertigte für die traurigen Dinge, die ihm geschahen, und der eine Opfermentalität besaß, stachelt er ein wenig an mit den Worten: »damit dir nicht noch Schlimmeres zustößt« (ebd.). Der Herr nutzt die Denkweise des Gelähmten, das, wovor er sich fürchtet, um ihn aus seiner Lähmung herauszuziehen. Sagen wir: Mit der Angst bringt er ihn in Bewegung. So müssen wir – jeder von uns – dieses „sündige nicht mehr“ tiefgreifend und ganz persönlich hören.

Dieses Bild des Herrn, der die Menschen in Bewegung bringt, ist sehr treffend: Er ist der Gott, der sich mit seinem Volk auf den Weg macht, der unsere Geschichte weiterführt und begleitet. Darum ist das Objekt, auf das die Barmherzigkeit gerichtet ist, genau bestimmt: Sie wendet sich an das, was einen Menschen veranlasst, sich nicht dort zu bewegen, wo sein Platz ist, nämlich mit seinen Lieben, in dem ihm eigenen Rhythmus, zu dem Ziel, zu dem Gott ihn einlädt. Die Sorge, das, was zutiefst beunruhigt, ist, dass einer auf Abwege gerät oder zurückbleibt oder aus Anmaßung fehlgeht; dass er – sagen wir – desorientiert ist; dass er nicht für den Herrn bereit ist, verfügbar für die Aufgabe, die er ihm übertragen möchte; dass einer sich nicht in Ehrfurcht in der Gegenwart Gottes bewegt (vgl. Mi 6,8), dass er nicht in Liebe seinen Weg geht (vgl. Eph 5,2).

Der Raum des Beichtstuhls, wo die Wahrheit uns frei macht

Und da wir vom Raum sprechen, gehen wir zu dem des Beichtstuhls. Der Katechismus der Katholischen Kirche zeigt uns den Beichtstuhl als einen Ort, an dem die Wahrheit uns frei macht für eine Begegnung: »Wenn der Priester das Bußsakrament spendet, versieht er den Dienst des Guten Hirten, der nach dem verlorenen Schaf sucht; den des barmherzigen Samariters, der die Wunden verbindet; den des Vaters, der auf den verlorenen Sohn wartet und ihn bei dessen Rückkehr liebevoll aufnimmt; den des gerechten Richters, der ohne Ansehen der Person ein zugleich gerechtes und barmherziges Urteil fällt. Kurz, der Priester ist Zeichen und Werkzeug der barmherzigen Liebe Gottes zum Sünder« (Nr. 1465). Und er erinnert uns daran, dass »der Beichtvater […] nicht Herr, sondern Diener der Vergebung Gottes [ist]. Der Diener dieses Sakramentes soll sich mit der Absicht und der Liebe Christi vereinen« (Nr. 1466).

Zeichen und Werkzeug einer Begegnung. Das sind wir. Eine wirkungsvolle Anziehungskraft für eine Begegnung. „Zeichen“ bedeutet, dass wir Anziehung ausüben müssen wie jemand, der winkt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ein Zeichen muss stimmig und eindeutig sein, vor allem aber verständlich. Denn es gibt Zeichen, die nur für die Spezialisten eindeutig sind. Zeichen und Werkzeug. Für das Werkzeug hängt alles davon ab, ob es wirksam ist, ob es greifbar ist und ob es genau und in geeigneter Weise auf die Wirklichkeit einwirkt. Wir sind ein Werkzeug, wenn die Menschen wirklich dem barmherzigen Gott begegnen. Uns obliegt es, „dafür zu sorgen, dass sie einander begegnen“, von Angesicht zu Angesicht einander gegenüberstehen. Was sie dann tun, ist ihre Angelegenheit. Es gibt einen verlorenen Sohn im Schweinestall und einen Vater, der jeden Abend auf die Dachterrasse steigt, um zu sehen, ob er kommt; es gibt ein verlorenes Schaf und einen Hirten, der sich auf die Suche nach ihm begeben hat; es gibt einen am Straßenrand liegengelassenen Verwundeten und einen Samariter, der ein gutes Herz hat. Was ist also unser Dienst? Zeichen und Werkzeug zu sein, damit diese einander begegnen. Machen wir uns ganz klar, dass wir weder der Vater, noch der Hirte, noch der Samariter sind. Wir befinden uns vielmehr an der Seite der anderen drei, insofern wir Sünder sind. Unser Dienst muss Zeichen und Werkzeug dieser Begegnung sein. Versetzen wir uns daher in den Bereich des Geheimnisses des Heiligen Geistes: Er ist es, der die Kirche schafft, der die Einheit herstellt, der jedes Mal die Begegnung belebt.

Die andere besondere Eigenschaft eines Zeichens und eines Werkzeugs ist, dass sie nicht selbstbezogen sind. Niemand bleibt beim Zeichen stehen, wenn er die Sache selbst verstanden hat; niemand hält inne, um den Schraubenzieher oder den Hammer zu betrachten, sondern er betrachtet das Bild, das sicher aufgehängt ist. Wir sind „unnütze Sklaven“. Das ist es: Werkzeuge und Zeichen, die sehr nützlich waren für zwei andere, die sich in einer Umarmung vereint haben wie der Vater und der Sohn.

Das dritte besondere Merkmal des Zeichens und des Werkzeugs ist ihre Verfügbarkeit: dass das Werkzeug gebrauchsbereit und das Zeichen sichtbar ist. Das Wesen des Zeichens und des Werkzeug ist, dass sie Mittler sind. Vielleicht liegt hier der Schlüssel für unsere Aufgabe bei dieser Begegnung der Barmherzigkeit Gottes mit dem Menschen. Möglicherweise ist es deutlicher, wenn man es negativ ausdrückt. Der heilige Ignatius sprach davon, „kein Hindernis zu sein“. Ein guter Mittler ist derjenige, welcher die Dinge vereinfacht und keine Hindernisse aufstellt. In meinem Land gab es einen großen Beichtvater, Pater Cullen. Er setzte sich in den Beichtstuhl und tat zwei Dinge: Das eine war, Lederbälle zu flicken für die Jungen, die Fußball spielten, und das andere, in einem großen chinesischen Wörterbuch zu lesen. Er sagte, wenn die Leute ihn bei Beschäftigungen sahen, die so nutzlos waren wie das Reparieren alter Bälle und so langfristig wie das Lesen in einem chinesischen Wörterbuch, dann dachten sie: „Zu diesem Priester kann ich gehen und ein wenig mit ihm sprechen, denn wie man sieht, hat er nichts zu tun.“ Er stand zur Verfügung für das Wesentliche. Er vermied die Hürde, immer das Aussehen eines stark Beschäftigten zu haben.

Jeder von uns hat gute Beichtväter kennengelernt. Wir müssen von unseren guten Beichtvätern lernen, von denen, auf die die Leute zugehen, von denen, die die Menschen nicht erschrecken und die es verstehen, sich so lange mit dem anderen zu unterhalten, bis er erzählt, was passiert ist – wie Jesus mit Nikodemus. Wenn jemand zum Beichtstuhl kommt, dann tut er das, weil er etwas bereut, es gibt bereits Reue. Und wenn er kommt, tut er das, weil er den Wunsch hat, sich zu ändern. Oder er wünscht sich wenigstens diesen Wunsch, wenn die Situation ihm unmöglich erscheint (ad impossibilia nemo tenetur – wie der Rechtssatz sagt – zum Unmöglichen ist niemand verpflichtet).

Man muss von den guten Beichtvätern lernen, die Feinfühligkeit gegenüber den Sündern besitzen und denen ein halbes Wort genügt, um alles zu verstehen – wie Jesus mit der unter Blutungen leidenden Frau –, und genau in dem Moment geht von ihnen die Kraft der Vergebung aus. Die Vollständigkeit der Beichte ist keine mathematische Frage. Manchmal löst die Anzahl der Sünden im Verborgenen mehr Beschämung aus als die Sünde selbst. Aber deshalb muss man sich innerlich anrühren lassen angesichts der Situation der Menschen, die manchmal eine Mischung aus Ereignissen, Krankheit, Sünde und unüberwindlichen Konditionierungen ist – wie Jesus, der beim Anblick der Menschen Mitleid empfand; es ging ihm zu Herzen, er spürte es bis ins Mark, und deshalb heilte er; und er heilte sogar, wenn der andere „nicht ausdrücklich darum bat“ wie jener Aussätzige, oder wenn er darum herumredete wie die samaritische Frau, die sich wie ein Kiebitz verhielt: Sie „lockte“ in die eine Richtung, hatte das Nest aber in der anderen.

Man muss von den Beichtvätern lernen, die sich so zu verhalten wissen, dass der Beichtende die Zurechtweisung spürt und einen kleinen Schritt voran tut – wie Jesus, der eine Bußübung aufgab, die genügte, und den zu würdigen wusste, der zurückkehrte, um zu danken, der sich noch weiter bessern konnte. Jesus ließ den Gelähmten seine Bahre tragen oder er ließ sich von den Blinden und von der kanaanäischen Frau ein wenig bitten. Es störte ihn nicht, wenn sie sich danach nicht mehr um ihn kümmerten wie der Gelähmte von Bethesda, oder wenn sie Dinge erzählten, die nicht zu erzählen er ihnen geboten hatte, und es dann schien, als sei er selbst der Aussätzige, weil er nicht mehr in die Dörfer gehen konnte, oder seine Feinde Gründe fanden, ihn zu verurteilen. Er heilte, verzieh, schenkte Erleichterung, Ruhe, ließ die Menschen einen Hauch des Tröster-Geistes einatmen.

In Buenos Aires habe ich einen Kapuziner-Pater kennengelernt – wenig jünger als ich –, der ein großer Beichtvater ist. Vor dem Beichtstuhl hat er immer eine Warteschlange, viele Leute, ja, eine endlose Folge von Menschen, deren Beichte er hört, den ganzen Tag lang. Und er ist ein großer Verzeihender. Er vergibt, aber manchmal kommt ihm der Zweifel, zu viel vergeben zu haben. Und da hat er einmal im Gespräch zu mir gesagt: „Manchmal habe ich diesen Zweifel.“ Und ich habe ihn gefragt: „Und was tust du mit diesem Zweifel?“ – „Ich begebe mich vor den Tabernakel, schaue auf den Herrn und sage ihm: Herr, verzeih mir, heute habe ich viel vergeben. Doch dass das ganz klar ist: Es ist deine Schuld, denn du hast mir das schlechte Beispiel gegeben!“ Die Barmherzigkeit machte er wett mit noch mehr Barmherzigkeit.

Als Letztes zu diesem Thema der Beichte zwei Ratschläge. Zum einen: Habt niemals den Blick des Justizbeamten, den Blick dessen, der nur „Fälle“ sieht und sie abschüttelt. Die Barmherzigkeit befreit uns davon, ein Priester zu sein, der – sagen wir: wie ein Richter mit der Sturheit eines Beamten – durch das viele Beurteilen von „Fällen“ das Gespür für die Menschen, für die Gesichter verliert. Die Regel Jesu ist: „beurteilen, wie wir beurteilt sein möchten“. In jenem inneren Maßstab, den man hat, um zu beurteilen, ob man würdevoll behandelt wird, ob man ignoriert oder misshandelt wird, ob einem geholfen wurde aufzustehen…, liegt der Schlüssel, um die anderen zu beurteilen – beachten wir, dass der Herr diesem so subjektiv persönlichen Maßstab vertraut! Nicht so sehr, weil dieser Maßstab „der beste“ ist, sondern weil er ehrlich ist und man von ihm aus eine gute Beziehung aufbauen kann. Der zweite Ratschlag: Seid nicht neugierig im Beichtstuhl. Die heilige Theresia [vom Kinde Jesu] erzählt, dass sie, wenn sie die vertraulichen Mitteilungen ihrer Novizinnen empfing, sich hütete zu fragen, wie sich die Dinge dann weiterentwickelt hatten. Sie schnüffelte nicht in der Seele der anderen herum (vgl. Geschichte einer Seele, Manuskript C. An Mutter Gonzaga, c. XI 32 r). Es ist typisch für die Barmherzigkeit, dass sie die Sünde „mit ihrem Mantel bedeckt“, um die Würde nicht zu verletzen. Wie die beiden Söhne Noahs mit dem Mantel die Blöße ihres Vaters bedeckten, der sich betrunken hatte (vgl. Gen 9,23).

Die soziale Dimension der Werke der Barmherzigkeit

An das Ende der Geistlichen Übungen setzt der heilige Ignatius die »Betrachtung, um Liebe zu erlangen«, die das, was man im Gebet erlebt hat, mit dem Alltagsleben verbindet. Und er lässt uns darüber nachdenken, wie die Liebe mehr in die Werke als in die Worte gelegt werden muss. Diese Werke sind die Werke der Barmherzigkeit, die der himmlische Vater im Voraus bereitet hat, damit wir sie tun (vgl. Eph 2,10), und die der Heilige Geist jedem Einzelnen eingibt zum Wohl aller (vgl. 1 Kor  12,7). Während wir dem Herrn für die vielen Wohltaten danken, die wir von seiner Güte empfangen haben, bitten wir ihn um die Gnade, allen Menschen die Barmherzigkeit zu überbringen, die uns gerettet hat.

Ich schlage euch vor, über einige Abschnitte zu meditieren, mit denen die Evangelien schließen. Dort stellt der Herr selbst die Verbindung her zwischen dem, was wir empfangen haben, und dem, was wir geben müssen. Wir können diese Schlussworte im Hinblick auf die „Werke der Barmherzigkeit“ lesen; sie machen die Zeit der Kirche fruchtbar, in der der auferstandene Christus lebt, uns begleitet, uns aussendet und unsere Freiheit an sich zieht, die sich in ihm konkret und täglich neu verwirklicht.

Matthäus berichtet uns, dass der Herr die Apostel aussendet und ihnen sagt: »Lehrt […], alles zu befolgen, was ich euch geboten habe« (28,20). Dieses „die Unwissenden lehren“ ist in sich selbst ein Werk der Barmherzigkeit. Und wie das Licht sich bricht, so spaltet es sich auf in die anderen Werke: in die aus Matthäus 25, wo es eher um die sogenannten leiblichen Werke geht, und in alle Gebote und Ratschläge des Evangeliums wie zu verzeihen, brüderlich zurechtzuweisen, die Traurigen zu trösten, Verfolgungen zu ertragen…

Markus schließt mit dem Bild des Herrn, der mit den Aposteln „zusammenarbeitet“ und „die Verkündigung bekräftigt durch die Zeichen, die sie begleiten“ (vgl. 16,20). Diese „Zeichen“ haben das Merkmal der Werke der Barmherzigkeit. Markus spricht unter anderem davon, die Kranken zu heilen und Dämonen auszutreiben (vgl. 16,17-18).

Lukas setzt sein Evangelium fort mit der Apostelgeschichte, dem Buch der „Taten – praxeis – der Apostel“ und erzählt ihre Vorgehensweise und die Werke, die sie vom Heiligen Geist geführt vollbringen.

Johannes schließt, indem er sagt, dass es »viele andere Zeichen« (20,30) bzw. »noch vieles andere [gibt], was Jesus getan hat« (21,25). Die Taten des Herrn, seine Werke, sind nicht einfache Tatsachen, sondern es sind Zeichen, in denen sich – in einer für jeden persönlichen und einmaligen Weise – seine Liebe und seine Barmherzigkeit zeigen.

Wir können den Herrn, der uns zu dieser Arbeit aussendet, in dem Bild des barmherzigen Jesus betrachten, so wie es der Schwester Faustina offenbart wurde. In jenem Bild können wir die göttliche Barmherzigkeit sehen wie ein einziges Licht, das aus dem Innern Gottes kommend den Weg über das Herz Jesu nimmt und vielgestaltig gebrochen herausströmt mit einer eigenen Farbe für jedes Werk der Barmherzigkeit.

Die Werke der Barmherzigkeit sind zahllos, jedes mit seiner persönlichen Prägung, mit der Geschichte eines jeden Gesichtes. Es sind nicht nur die sieben leiblichen und die sieben geistigen Werke ganz allgemein. Oder besser gesagt: So aufgezählt sind diese wie die „Rohstoffe“ – die des Lebens selbst –, und wenn sie von der Hand der Barmherzigkeit berührt und geformt werden, verwandelt sich jedes von ihnen in ein persönlich gestaltetes Werk. Ein Werk, das sich vervielfacht wie das Brot in den Körben, das sich vermehrt und gleich dem Senfkorn übermäßig wächst. Denn die Barmherzigkeit ist fruchtbar und inklusiv. Es ist wahr, dass wir gewöhnlich an die Werke der Barmherzigkeit denken, indem wir sie einzeln betrachten und in Verbindung mit einer Einrichtung sehen: Krankenhäuser für die Kranken, Mittagstische für die Hungrigen, Herbergen für die Obdachlosen, Schulen für die, welche eine Ausbildung brauchen, und Beichtstuhl und geistliche Leitung für die, welche Rat und Vergebung nötig haben… Wenn wir sie aber gemeinsam betrachten, dann lautet die Botschaft, dass der Gegenstand der Barmherzigkeit das menschliche Leben selbst ist und zwar in seiner Ganzheit. Unser eigenes Leben in seiner Eigenschaft als „Fleisch“ ist hungrig, durstig, bedarf der Kleidung, einer Wohnung, des Kontaktes mit anderen Menschen wie auch eines würdigen Begräbnisses, das niemand sich selber geben kann. Auch der Reichste wird, wenn er stirbt, zu einem Häufchen Elend, und niemand führt in seinem Trauerzug den Umzugswagen mit. Insofern es „Geist“ ist, bedarf unser eigenes Leben der Erziehung, der Zurechtweisung und der Ermutigung (des Trostes). Wir haben es nötig, dass andere uns beraten, uns verzeihen, uns unterstützen und für uns beten. Die Familie ist der Ort, wo diese Werke der Barmherzigkeit in so angemessener Form und so uneigennützig praktiziert werden, dass man es gar nicht merkt; doch es genügt, dass in einer Familie mit kleinen Kindern die Mutter fehlt, und alles gerät in Not. Das vollkommenste und grausamste Elend ist das eines Straßenkindes, ohne Eltern und den Aasgeiern ausgesetzt.

Wir haben die Gnade erbeten, Zeichen und Werkzeug zu sein; jetzt geht es darum, zu „handeln“, und zwar nicht nur Gesten zu tun, sondern Werke zu vollbringen, eine Kultur der Barmherzigkeit zu schaffen und zu „institutionalisieren“. Wenn wir uns an die Arbeit machen, spüren wir sofort, dass es der Heilige Geist ist, der diese Werke in Gang bringt und vorantreibt. Und er tut es, indem er sich der Zeichen und der Werkzeuge bedient, die er will, auch wenn sie manchmal an sich nicht die geeignetsten sind. Mehr noch, man könnte sagen, dass der Geist zur Ausübung der Werke der Barmherzigkeit eher die ärmlichsten Werkzeuge auswählt, die am demütigsten und unbedeutendsten sind und selbst am meisten jenes ersten Strahles der göttlichen Barmherzigkeit bedürfen. Das sind diejenigen, die sich am besten formen und vorbereiten lassen, um einen wirklich wirksamen und hochwertigen Dienst zu leisten. Die Freude, sich als „unnütze Sklaven“ zu fühlen, die der Herr mit der Fruchtbarkeit seiner Gnade segnet und die er persönlich an seinem Tisch Platz nehmen lässt und ihnen die Eucharistie schenkt, ist eine Bestätigung, dass man an seinen Werken der Barmherzigkeit arbeitet.

Unserem Volk der Gläubigen gefällt es, sich um die Werke der Barmherzigkeit zu scharen. Sowohl in den liturgischen Feiern – Bußandachten und Festmessen – als auch in solidarischem Tun und in der Glaubensvertiefung lassen unsere Leute sich zusammenführen und „weiden“. Dies geschieht in einer Weise, die nicht alle kennen und zu schätzen wissen, obwohl viele andere, auf abstraktere Dynamiken ausgerichtete Pastoralpläne scheitern. Die massenhafte Anwesenheit unseres gläubigen Volkes in unseren Heiligtümern und bei unseren Wallfahrten – eine anonyme Anwesenheit aufgrund der Überzahl an Gesichtern und wegen des Wunsches, sich allein von Demjenigen und Derjenigen sehen zu lassen, die voller Barmherzigkeit auf sie schauen, wie auch aufgrund der vielen Mitarbeiter, die mit ihrem Einsatz viele solidarische Werke unterstützen –, diese massenhafte Anwesenheit muss unsere Aufmerksamkeit erregen und uns anregen, dies zu würdigen und zu fördern.

Als Priester erbitten wir vom Guten Hirten zwei Gnaden: uns vom sensus fidei unseres gläubigen Volkes und auch von seinem „Empfinden des Armen“ leiten zu lassen. Beide „Sinne“ sind mit dem „sensus Christi“ verbunden, mit der Liebe und dem Glauben, die unsere Leute für Jesus hegen.

Schließen wir, indem wir das Anima Christi beten. Es ist ein schönes Gebet, um den im Fleisch gekommenen Herrn um Barmherzigkeit zu bitten; mit seinem eigenen Leib und seiner Seele selbst schenkt er uns sein Erbarmen. Wir bitten ihn, dass er uns gemeinsam mit seinem Volk Barmherzigkeit erweist: Seine Seele bitten wir: „Heilige uns!“; seinen Leib flehen wir an: „Rette uns!“; sein Blut bitten wir inständig: „Tränke uns!“, nimm uns jeden anderen Durst, der nicht Durst nach dir ist; das Wasser aus seiner Seite bitten wir: „Wasche uns rein!“; von seinem Leiden erflehen wir: „Stärke uns!“. Tröste dein Volk, oh gekreuzigter Herr; in deinen Wunden, so bitten wir, „birg uns“… Lass nicht zu, dass dein Volk sich von dir trennt, oh Herr! Nichts und niemand trenne uns von deiner Barmherzigkeit, die uns vor den Verlockungen des bösen Feindes schützt. So werden wir mit allen deinen Heiligen deine Barmherzigkeit besingen können, wenn du uns einst zu dir rufst.

Den ersten Teil der Papstmeditation für Priester können Sie hier nachlesen, den zweiten Teil hier.

(rv 02.06.2016 rv)


Schweden: Kleines, großes Haus Gottes

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Maria Elisabeth Hesselblad, Neugründerin des Birgittenordens

Mutter Teresa von Kalkutta kennen alle. Weniger bekannt ist die Schwedin Elisabeth Hesselblad. Dabei werden beide Ordensgründerinnen in diesem Jahr, dem Jubiläum der Barmherzigkeit, von Papst Franziskus heiliggesprochen. Mutter Hesselblad bereits am Sonntag. Die Schwedin wurde 1870 in einer kleinen Ortschaft im südlichen Schweden geboren. Mit ihren 12 Geschwistern und Eltern lebte sie in recht ärmlichen Verhältnissen. Sie reiste nach Amerika, um dort ein Medizinstudium zu beginnen. Dieses musste sie jedoch aus gesundheitlichen Gründen abbrechen und schloss daher „nur“ eine Ausbildung zu Krankenschwester ab. Sie wurde evangelisch erzogen, fühlte sich aber im Katholizismus zu Hause. So konvertierte sie schließlich in den USA. Sie reiste nach Italien und schloss sich in Rom den Karmeliten-Schwestern im Haus der heiligen Birgitta von Schweden an. Ihr Ziel war es, den Birgitten-Orden wieder zum Leben zu erwecken. Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges bot sie verfolgten und vom Holocaust bedrohten jüdischen Familien Obdach und sorgte für sie.

Doch wenn wir heute auf diese Heilige blicken – was ist es, das sie auszeichnete? „Eine unglaubliche Willensstärke!“, sagt ohne Umschweife Kaj Engelhart. Der engagierte schwedische Katholik, nach vielen Berufsjahren bei der Caritas heute im Ruhestand, doch Mitglied in der Kommission für interreligiösen Dialog, besuchte uns jüngst bei Radio Vatikan. Wir nutzten die Gelegenheit, mit ihm über die neue Heilige und die Kirche in Schweden zu sprechen. Maria Elisabeth Hesselblad also:

„Eine unglaubliche Willensstärke! Ein schwedisches Mädchen, das konvertiert, in einer Zeit, wo die Kirche in Schweden fast nicht präsent ist … Sie konvertiert allerdings in den USA und nicht in Schweden … aber dann mit einem festen Entschluss, der Kirche und Gott zu dienen und diese schwedische Tradition der Brigitta-Schwestern, der heiligen Brigitta, die erste Heilige Schwedens, wieder aufzunehmen  – das ist etwas Einzigartiges, finde ich. Und mit einer Selbstsicherheit und einer Zielbewusstheit!“

RV: Welche Bedeutung hat diese Heilige in der Kirche Schwedens heute?

„Sie war eigentlich nicht sehr bekannt. Leute, die die heilige Brigitta kennen und verehren, konnten natürlich auch einiges über Elisabeth Hesselblad lesen. Es gibt aber nicht so viel Geschriebenes. Es gibt ein paar Aufsätze, es gibt ein Buch, das vor 80 Jahren geschrieben wurde, aber sonst begegnete man ihr eigentlich erst hier in Rom bei den Birgittinnen in der Piazza Farnese, dort, wo das Zimmer der heiligen Brigitta ist. Da ist auch das Grab von Mutter Elisabeth. Ich habe es gestern besucht. Es ist ein schönes Grab mit Blumen und jetzt erwarten natürlich wir schwedische Katholiken mit Freude den 5. Juni, an dem sie heiliggesprochen wird.“

RV: Viele schwedische Katholiken – das meint viele Katholiken in der Diaspora. Nur knapp 2 Prozent der schwedischen Bevölkerung gehören der katholischen Kirche an. Heute ist die katholische Kirche in Schweden besonders gekennzeichnet durch Ein- und Auswanderung. Wir wirkt sich das aus?

„Die Kirche in Schweden ist eine unheimlich bunte Kirche mit ein paar hundert Nationalitäten, unter denen die Schweden eigentlich eine Minderheit sind. Die größten Gruppen sind jetzt wohl im Augenblick die orientalischen Katholiken – also Chaldäer, syrische Katholiken, Maroniten, Melkiten, auch sehr viel Polen sind bei uns. In den 70er, 80er kamen viele Lateinamerikaner. Wir haben auch manche Afrikaner und natürlich kamen auch aus dem Balkan – in der Zeit der Balkankriege – viele Katholiken aus Bosnien, aus Kroatien. Es ist eine unheimlich bunte, vielfältige Mischung von Kulturen und Sprachen. In Städten wie Stockholm, Malmö und Göteborg werden jeden Sonntag Gottesdienste in bis zu acht Sprachen gehalten.“

„Säkularisierte Schweden wissen weniger über die Kirche und mehr über den Papst“

RV: Wie ist in einer säkularisierten Gesellschaft das Verhältnis eines Schweden, der keiner Kirche angehört, zur katholischen Kirche?

„Das ist verschieden, also auch von Zeit zu Zeit verschieden. In meiner Jugend war die katholische Kirche noch recht klein. Nonnen zum Beispiel wurden mit etwas Fremdheit betrachtet, so ungefähr wie die verschleierten Muslimas heute. Heute ist das Bild anders. Das hat auch damit zu tun, dass einige der letzten Päpste in Schweden einen guten Ruf hatten und beliebt waren: zum Beispiel Johannes Paul II. durch seine zum Teil auch politisch gefärbten oder erfolgreichen Aktivitäten, die auch den Sturz des Kommunismus im Osten von Europa unterstützen. Und auch die Tätigkeit der Kirche in Lateinamerika, die sozialen Arbeiten der Kirche. Nicht zuletzt ist auch der heutige Papst Franziskus sehr beliebt und trägt wirklich zur Popularität der Kirche bei. Ich glaube, säkularisierte Schweden wissen weniger über die Kirche, dafür mehr über den jeweiligen Papst. Und es ist interessant, wenn ich in Stockholm mit nicht-katholischen Schweden spreche, dann höre ich manchmal, dass sie von „unserem Papst“ sprechen – ob sie nun Christen sind oder nicht. Das ist etwas Neues. Dieser Papst macht große Schlagzeilen bei uns und ist sehr beliebt.“

RV: Was genau macht denn Papst Franziskus in Schweden so beliebt?

„Was man an diesem Papst gern hat, ist sein volkstümliches Wesen, seine volkstümliche Art Kirche zu wollen und zu sein, und sein Interesse für die Armen und für die Marginalisierten, für die Heimatlosen, für die Arbeitslosen. Er spricht ja immer wieder von der Kirche als Feldlazarett. Dieses soziale Engagement mag man in Schweden. Es ist gewissermaßen eine Tradition in Schweden, sowohl im Land wie auch international. Und diese ganze Ausrichtung dieses Papstes stimmt insofern mit unserer Tradition überein und macht ihn eben so populär, auch bei Leuten, die sonst für die Kirche eher wenig übrig haben.“

RV: Stichwort soziales Engagement: Wir denken an die Herausforderungen des Flüchtlingsstromes in Europa derzeit. Wie stellt sich die Frage im Moment in Schweden? Was wird auch im Bereich des interreligiösen Dialogs unternommen?

„Wir haben ja seit einigen Jahrzehnten eine diözesane Kommission für den interreligiösen Dialog. Eine Gruppe, mit der wir natürlich sehr viel zu tun haben, das sind die Moslems; eine sehr verschiedenartige Gruppe – nicht so, wie in Deutschland oder Österreich hauptsächlich Türken, sondern eine sehr gemischte Gruppe. Viele Leute kommen aus Nordafrika, aus Somalia, natürlich aus dem Irak und aus Syrien. Und es gilt natürlich immer Leute aus diesen Gruppen und Imame aus diesen Gruppen kennenzulernen, die für einen Dialog und für eine Zusammenarbeit konkret ein Interesse haben. Das ist nicht überall zu vermerken, aber es gibt gute Erfahrungen und – auch auf lokaler Ebene – aktive Fortschritte, die sich auch stark bei der Bevölkerung Ort auswirken: als freundschaftliche und positive Beziehungen. Das ist eine gute Entwicklung. Natürlich sind viele Leute und vor allem auch katholische Christen aus Ländern mit einer muslimischen Mehrheit etwas kritisch und etwas abwartend dieser Zusammenarbeit gegenüber. Aber wir müssen ja bei uns sehen, dass wir in unserem Milieu, in unserer Umwelt gute Bedingungen schaffen, sodass man eine neue Art von multikultureller Gesellschaft aufbauen kann, die jetzt einfach in Europa da ist.“

RV: Sie sprachen von einem konkreten Projekt des interreligiösen Dialogs …

„Ja, es ist das „Haus Gottes“. Das ist der Name des Projekts in einem Vorort von Stockholm, wo die evangelische Kirche eine Kirche hat und die Initiative ergriff – zusammen mit dem katholischen Pfarrer der lokalen Gemeinde und dem lokalen Imam – eine Zusammenarbeit zu starten, die eine gute, lokale Stimmung in der Bevölkerung schaffen soll. Es gibt in diesem Teil von Stockholm viele Flüchtlinge, auch Leute ohne Identität – also Papierlose, wie wir sie nennen -, aber auch schon vor langer Zeit eingereiste ausländische Familien. Und hier arbeiten diese drei religiösen Gemeinschaften zusammen, um freundschaftliche, positive und aktive Arbeit zu leisten; vor allem unter den Jugendlichen und Kindern. Das ist ja wichtig, dass man ganz von Anfang an mit diesen Leuten einen Grund legt für eine freundschaftliche Zusammenarbeit. Und das weitere Ziel ist: an diesem Kirchenbau, den es schon gibt, einen weiteren Teil anzubauen, der eine Moschee beinhalten soll. Das liegt noch in weiter Ferne, aber das Ziel ist eben, dass man dieses Haus Gottes auch konkret auf diese Weise darstellen will.“

(rv 02.06.2016 mk)

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Siehe ferner:



Stellt bereitwillig Zeit, Hand und Herz zur Verfügung

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Papst Franziskus wollte in seiner Ansprache keine systematische Reflexion über die Gestalt des Priesters vorlegen. Er versuchte vielmehr, die Perspektive umzukehren und sich in eine Haltung des Hörens, der Betrachtung zu versetzen.

Audienz für die Teilnehmer an der
Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz

Ansprache von Papst Franziskus am 16. Mai

 

Liebe Brüder!
Diese Versammlung mit euch gemeinsam zu eröffnen freut mich besonders aufgrund des Themas, das ihr als Leitmotiv der Arbeiten gewählt habt: »Die Erneuerung des Klerus« – mit der Absicht, die Weiterbildung im Laufe der verschiedenen Lebensphasen zu fördern.

Das Pfingstfest, das wir gerade gefeiert haben, rückt dieses euer Ziel ins rechte Licht. Denn der Heilige Geist bleibt der Hauptakteur der Kirchengeschichte: Es ist der Heilige Geist, der in Fülle in der Person Jesu wohnt und uns in das Geheimnis des lebendigen Gottes einführt. Es ist der Heilige Geist, der die großherzige Antwort Mariens und der Heiligen beseelt hat. Es ist der Heilige Geist, der in den Gläubigen und den Menschen des Friedens am Werk ist und die großherzige Verfügbarkeit und die Freude der Verkündigung so vieler Priester weckt. Ohne den Heiligen Geist – das wissen wir – ist weder ein gutes Leben noch eine Reform möglich. Beten wir und bemühen wir uns, seine Kraft zu bewahren: »Die Welt von heute […] möge die Frohbotschaft […] von Dienern des Evangeliums [hören], deren Leben voller Glut erstrahlt« (Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 80).

Ich möchte euch heute Abend keine systematische Reflexion über die Gestalt des Priesters vorlegen. Versuchen wir vielmehr, die Perspektive umzukehren und uns in eine Haltung des Hörens, der Betrachtung zu versetzen. Nähern wir uns gleichsam auf Zehenspitzen einem jener zahlreichen Pfarrer, die sich in unseren Gemeinden hingeben. Lassen wir das Gesicht eines von ihnen vor den Augen unseres Herzens vorbeiziehen und fragen wir uns in aller Einfachheit: Was verleiht seinem Leben Geschmack? Für wen und für was setzt er seinen Dienst ein? Was ist der letzte Grund seiner Hingabe?

Ich wünsche euch, dass diese Fragen in der Stille in eurem Inneren ruhen können, im stillen Gebet, im offenen und brüderlichen Dialog: die aufsteigenden Antworten werden euch helfen, auch die Bildungsangebote zu erkennen, in die man mutig investieren muss.

1. Was verleiht also dem Leben »unseres« Priesters Geschmack? Der kulturelle Kontext ist ein ganz anderer als der, in dem er seine ersten Schritte im Priesteramt getan hat. Auch in Italien wurden viele Traditionen, Bräuche und Lebens­auffassungen von einem tiefgreifenden epochalen Wandel erschüttert. Wir, die wir häufig in bitterem und anprangerndem Ton über diese Zeit klagen, müssen auch ihre Härte wahrnehmen: Wie vielen Menschen begegnen wir in unserem Dienst, die in Angst und Sorge sind, weil ihnen Bezugspunkte fehlen, auf die sie blicken könnten! Wie viele verletzte Beziehungen! In einer Welt, in der sich jeder selbst als das Maß aller Dinge ansieht, ist kein Platz mehr für den Bruder und die Schwester.

Vor diesem Hintergrund spricht das Leben unseres Priesters eine deutliche Sprache, weil es anders ist, eine Alternative darstellt. Wie Mose ist er jemand, der sich dem Feuer genähert und zugelassen hat, dass die Flammen sein Karriere- und Machtstreben verbrennen. Er hat auch die Versuchung ins Feuer geworfen, sich als ein »Frommer« zu verstehen, der sich in eine religiöse Innerlichkeit flüchtet, die sehr wenig mit Spiritualität gemeinsam hat.

Er geht barfuß, unser Priester, hinsichtlich eines Grund und Bodens, an dessen Heiligkeit er hartnäckig glaubt und festhält. Er nimmt keinen Anstoß an den Schwächen, die den menschlichen Geist erschüttern: Er ist sich bewusst, dass er selbst ein geheilter Gelähmter ist. Er ist von der Kälte des Rigoristen ebenso weit entfernt wie von der Oberflächlichkeit dessen, der sich in billiger Weise entgegenkommend zeigen will. Er ist dagegen bereit, sich des anderen anzunehmen, weil er spürt, dass er an seinem Schicksal teilhat und Verantwortung dafür trägt.

Mit dem Öl der Hoffnung und des Trostes wird er jedem nahe sein, indem er aufmerksam Verlassenheit und Leid teilt. Da er akzeptiert hat, nicht über sich selbst zu verfügen, hat er keinen Terminplan zu verteidigen, sondern übergibt seine Zeit jeden Morgen dem Herrn, damit die Menschen ihm begegnen können und er auf sie zugehen kann. So ist unser Priester kein Bürokrat oder anonymer Beamter einer Institution. Er ist weder zu einem Angestelltenverhältnis geweiht noch lässt er sich von Kriterien der Effizienz leiten.

Er weiß, dass die Liebe alles ist. Er sucht keine irdischen Absicherungen oder Ehrentitel, die dazu führen, sein Vertrauen in die Menschen zu setzen. In seinem Dienst erbittet er für sich selbst nichts, was über seine realen Bedürfnisse hinausgeht. Und er ist auch nicht darauf bedacht, die ihm anvertrauten Menschen an sich zu binden. Sein einfacher und essentieller Lebensstil und seine beständige Verfügbarkeit machen ihn in den Augen der Menschen glaubwürdig und bringen ihn den Einfachen nahe in einer pastoralen Liebe, die frei und solidarisch macht. Dem Leben dienend, geht er mit dem Herzen und dem Schritt der Armen voran. Er wird von dem Umgang mit ihnen bereichert. Er ist ein Mann des Friedens und der Versöhnung, Zeichen und Werkzeug der Zärtlichkeit Gottes, darauf achtend, das Gute mit derselben Leidenschaft zu verbreiten, mit der andere für ihre eigenen Interessen sorgen.

Das Geheimnis unseres Priesters – das wisst ihr sehr wohl! – liegt in jenem brennenden Dornbusch, der seine Existenz mit einem Brandzeichen versieht, der sein Leben ergreift und es dem Jesu Christi gleichgestaltet, der endgültigen Wahrheit seines Lebens. Die Beziehung zu Jesus ist es, die ihn behütet, ihn der geistlichen Weltlichkeit, die verdirbt, ebenso fremd sein lässt wie jeder Art von falschem Kompromiss und Engstirnigkeit. Es ist die Freundschaft mit seinem Herrn, die ihn dazu führt, die alltägliche Realität zu umarmen mit dem Vertrauen dessen, der glaubt, dass das für Menschen Unmögliche bei Gott nicht unmöglich ist.

2. So ist es auch einfacher, die anderen Fragen, von denen wir ausgegangen sind, zu behandeln. Für wen setzt unser Priester seinen Dienst ein? Die Frage sollte vielleicht präzisiert werden. Denn noch bevor wir nach den Empfängern seines Dienstes fragen, müssen wir anerkennen, dass er insoweit Priester ist, als er sich als Teil der Kirche fühlt, als Teil einer konkreten Gemeinschaft, deren Weg er teilt. Das gläubige Gottesvolk bleibt der Schoß, aus dem er genommen ist, die Familie, in die er einbezogen ist, das Haus, zu dem er gesandt ist. Diese gemeinsame Zugehörigkeit, die der Taufe entspringt, ist der Atem, der von Selbstbezogenheit befreit, die isoliert und ein Gefängnis ist. Dom Hélder Camara pflegte zu sagen: »Wenn dein Boot in der Unbeweglichkeit des Hafens Wurzeln zu schlagen beginnt, dann fahre hinaus!« Brich auf! Und zunächst nicht, weil du eine Mission zu erfüllen hättest, sondern weil du strukturell ein Missionar bist: In der Begegnung mit Jesus hast du die Fülle des Lebens erfahren und deshalb wünschst du mit deinem ganzen Selbst, dass andere sich in Ihm erkennen und seine Freundschaft bewahren, sich von seinem Wort nähren und Ihn in der Gemeinschaft feiern können.

Wer aus dem Evangelium lebt, tritt so in einen positiven Prozess des Teilens ein: Der Hirte wird bekehrt und bestätigt vom einfachen Glauben des heiligen Gottesvolkes, mit dem er arbeitete und in dessen Mitte er lebt. Diese Zugehörigkeit ist das Salz im Leben des Priesters. Sie bewirkt, dass sein Identitätsmerkmal die Gemeinschaft ist, gelebt mit den Laien in Beziehungen, die das Mitwirken eines jeden wertzuschätzen wissen. In diesen an sozialer Freundschaft armen Zeiten besteht unsere erste Aufgabe darin, Gemeinschaft aufzubauen. Die Beziehungsfähigkeit ist daher ein entscheidendes Kriterium für die Unterscheidung einer Berufung.

Gleichermaßen ist es für Priester lebensnotwendig, einander im Kreis des Presbyteriums zu begegnen. Wird diese Erfahrung nicht nur gelegentlich und auch nicht nur aufgrund einer instrumentalen Zusammenarbeit gelebt, dann kann sie von Narzissmus und klerikaler Eifersucht befreien. Sie lässt die gegenseitige Wertschätzung, Unterstützung und das Wohlwollen wachsen. Sie fördert eine nicht nur sakramentale oder juridische, sondern eine brüderliche und konkrete Gemeinschaft. Die Weggemeinschaft von Priestern, die nach Alter und Sensibilität sehr verschieden sind, verbreitet einen prophetischen Wohlgeruch, der erstaunen lässt und fasziniert. Gemeinschaft ist wirklich ein Name der Barmherzigkeit. Zu eurer Reflexion über die Erneuerung des Klerus gehört auch das Kapitel, das die Verwaltung der Strukturen und Güter betrifft. Der dem Evangelium entsprechenden Perspektive gemäß vermeidet ihr, euch mit einer Pastoral des Bewahrens zu belasten, die die Öffnung für das immer Neue des Heiligen Geistes behindert. Behaltet nur das, was dem Gottesvolk helfen kann, Glauben und Liebe zu erfahren.

3. Schließlich haben wir uns gefragt, was der letzte Grund der Hingabe unseres Priesters ist. Wie traurig machen doch all jene, die im Leben immer ein wenig bei der Hälfte stehenbleiben, mit einem Fuß zum Weggehen bereit! Sie berechnen, wägen ab, sie riskieren nichts, aus Angst etwas zu verlieren… Das sind die unglücklichsten Menschen!

Unser Priester mit seinen Grenzen dagegen ist jemand, der sein ganzes Leben bis zuletzt ins Spiel bringt: Unter den konkreten Bedingungen, in die das Leben und sein Dienst ihn gestellt haben, gibt er sich umsonst, demütig und freudig hin. Auch wenn niemand dies zu bemerken scheint. Auch wenn er ahnt, dass menschlich gesehen ihm vielleicht niemand genug danken wird für seine grenzenlose Hingabe.

Aber er weiß, dass er nicht anders handeln kann: Er liebt das Land, das – wie er sieht – jeden Morgen von der Gegenwart Gottes besucht wird. Er ist ein österlicher Mensch und richtet den Blick auf das Reich Gottes, auf das, wie er spürt, die menschliche Geschichte trotz aller Verzögerungen, Dunkelheiten und Widersprüche zugeht. Das Reich Gottes – die Sicht, die Jesus vom Menschen hat – ist seine Freude, der Horizont, der ihm erlaubt, alles andere zu relativieren, Ängste und Sorgen zu zerstreuen, frei zu bleiben von Illusionen und Pessimismus, den Frieden im Herzen zu bewahren und ihn mit seinen Gesten, Worten und Haltungen zu verbreiten.

Damit, liebe Brüder, haben wir die dreifache Zugehörigkeit umrissen, die uns auszeichnet: die Zugehörigkeit zum Herrn, zur Kirche, zum Reich Gottes. Dieser Schatz in zerbrechlichen Gefäßen muss bewahrt und gefördert werden! Nehmt diese Verantwortung ganz wahr, übernehmt sie geduldig und indem ihr bereitwillig, Zeit, Hand und Herz zur Verfügung stellt.

Ich bitte gemeinsam mit euch die allerseligsten Jungfrau, auf dass ihre Fürsprache euch in der Aufnahmebereitschaft und Treue bewahre. Mögt ihr gemeinsam mit euren Priestern den Lauf vollenden, den Dienst, der euch anvertraut worden ist und mit dem ihr am Geheimnis der Mutter Kirche teilhabt. Danke.

(Orig. ital. in O.R. 18.5.2016)

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Quelle: O.R. 22/2016


Franziskus: „Suchen, Einbeziehen und Sich Freuen“

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Papstmesse mit und für Priester

Suchen, Einbeziehen, sich freuen: so zeichnen sich Priester aus. Papst Franziskus predigte an diesem Freitag abschließend zur Priesterversammlung anlässlich des Heiligen Jahres, nach den Meditationen von diesem Donnerstag noch einmal eine kurze und bezeichnende Skizze des Priesteramtes. Der Papst feierte die Schlussmesse zum Priestertreffen anlässlich des Heiligen Jahres auf dem Petersplatz. Er forderte sie auf, noch einmal in sich zu gehen und sich auf das eigene Herz, den Kern der Gefühle und die Mitte der Person zu konzentrieren.

Inmitten all der Aktivitäten eines Priesters, von der Katechese, der Liturgie, zum karitativen Einsatz, zu den pastoralen und sogar zu den administrativen Verpflichtungen, müsse sich dieser immer wieder fragen: Wo ist mein Herz verankert? Eine Frage, die sich auch auf das Hochfest bezieht, das die Kirche an diesem Freitag feiert: Das Heiligste Herz Jesu. „Jesus hat nur zwei Schätze: den Vater und uns“, so der Papst. „Seine Tage verliefen zwischen dem Gebet zum Vater und der Begegnung mit den Menschen. Begegnung mit den Menschen – nicht Abstand. Auch das Herz des Hirten Christi kennt nur zwei Richtungen: den Herrn und die Menschen. Das Herz des Priesters ist ein von der Liebe des Herrn durchbohrtes Herz. Deshalb schaut er nicht mehr auf sich selbst (er sollte nicht mehr auf sich selbst schauen), sondern ist Gott und den Mitmenschen zugewandt.“

Franziskus ging von drei Handlungen aus, die er den Priestern mit auf den Weg geben wollte: Suchen, Einbeziehen und Sich Freuen.

Suchen:

Der Prophet Ezechiel habe daran erinnert, dass Gott selber seine Schafe suche. Unermüdlich, ohne sich „Überstunden bezahlen zu lassen“, wie Franziskus salopp sagte, suche Gott nach seinen Schafen und sein Herz sei erst ruhig, wenn er sie gefunden habe. „Das ist das suchende Herz: Es ist ein Herz, das Zeiten und Räume nicht „privatisiert“ – wehe den Hirten, die ihren Dienst privatisieren! –, nicht eifersüchtig über seine legitime Ruhe wacht und niemals den Anspruch erhebt, nicht gestört zu werden … Der Hirt, der Jesus gemäß ist, besitzt ein Herz, das frei ist, die eigenen Dinge loszulassen…Er ist ein Hirte, nicht ein Inspekteur der Herde, und widmet sich seiner Sendung nicht fünfzig- oder sechzigprozentig, sondern mit seinem ganzen Sein. Wenn er auf die Suche geht, findet er, und er findet, weil er riskiert. Wenn der Hirte nichts riskiert, findet er auch nichts…“

Einbeziehen:

Christus liebe und kenne seine Schafe, für sie gebe er sein Leben hin und keines sei ihm fremd. So ist auch der Priester Christi: „Niemanden verachtet er, sondern für alle ist er bereit, sich die Hände schmutzig zu machen. Der gute Hirte hat keine Handschuhe an! Als Diener der Communio, der Gemeinschaft, die er zelebriert und die er lebt, erwartet er nicht den Gruß und die Komplimente der anderen, sondern reicht als Erster die Hand und verwirft Tratsch, Urteile und Gift. Geduldig hört er die Probleme an und begleitet die Schritte der Menschen, indem er mit großherzigem Mitgefühl die göttliche Vergebung spendet. Er schimpft den nicht aus, der den Weg verlässt oder verliert, sondern ist immer bereit, wieder einzugliedern und Streit zu schlichten. Ein Mann, der andere einzubeziehen weiß.“

Sich freuen:

Gott ist „voll Freude“ (Lk 15,5), so Franziskus. Die Freude Jesu, des Guten Hirten, sei keine Freude über sich, sondern eine Freude über die anderen und mit den anderen, die wahre Freude der Liebe. Das sei auch die Freude des Priesters.

„Er wird verwandelt durch die Barmherzigkeit, die er gegenleistungsfrei erweist. Gegenleistungsfrei! Im Gebet entdeckt er den Trost Gottes und erfährt, dass nichts stärker ist als seine Liebe. Darum ist er innerlich ausgeglichen und ist glücklich, ein Kanal der Barmherzigkeit zu sein und den Menschen dem Herzen Gottes nahezubringen. Traurigkeit ist für ihn nicht normal, sondern vorübergehend; Härte ist ihm fremd, denn er ist ein Hirte gemäß dem milden Herzen Gottes.“

Mit diesen Worten schloss Papst Franziskus seine Predigt. Mit der Messe auf dem Petersplatz endete die dreitägige Versammlung zum Heiligen Jahr der Priester in Rom. Rund 6.000 Priester und Seminaristen waren am Mittwoch nach Rom gekommen, um die Heilige Pforte zu durchschreiten, mit dem Papst Exerzitien zu feiern, zu beichten und zu beten und Kraft zu tanken.

(rv 03.06.2016 cz)


Papstpredigt an Priester: Volltext

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Einzug des Papstes zur Messe mit Priestern

Papst Franziskus hat am Freitag eine Messe für Priester auf dem Petersplatz gefeiert. Hier finden Sie seine Predigt im offiziellen Wortlaut; spontane Hinzufügungen des Papstes zum Text haben wir in eigener Übersetzung eingefügt.

Da wir das Jubiläum der Priester am Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu feiern, sind wir aufgerufen, uns auf das Herz bzw. die Innerlichkeit zu konzentrieren, auf die kräftigsten Wurzeln des Lebens, auf den Kern der Gefühle – in einem Wort: auf die Mitte der Person. Und heute richten wir den Blick auf zwei Herzen: auf das Herz des Guten Hirten und auf unser Hirtenherz.

Das Herz des Guten Hirten ist nicht nur das Herz, das Erbarmen mit uns hat, sondern es ist die Barmherzigkeit selbst. Dort erstrahlt die Liebe des Vaters; dort habe ich das sichere Gefühl, angenommen und verstanden zu werden, wie ich bin; dort genieße ich die Gewissheit, mit allen meinen Grenzen und Sünden doch erwählt und geliebt zu sein. Indem ich auf dieses Herz blicke, erneuere ich meine erste Liebe: die Erinnerung an den Moment, als der Herr mich im Innersten angerührt und mich berufen hat, ihm nachzufolgen, die Freude, auf sein Wort hin die Netze des Lebens ausgeworfen zu haben (vgl. Lk 5,5).

Das Herz des Guten Hirten sagt uns, dass seine Liebe keine Grenzen kennt, dass es nicht müde wird und niemals aufgibt. Dort sehen wir seine ständige, uneingeschränkte Selbsthingabe; dort finden wir die Quelle der treuen und sanften Liebe, die frei lässt und frei macht; dort entdecken wir jedes Mal neu, dass Jesus uns liebt » bis zur Vollendung « (Joh 13,1) – er bleibt nicht vorher stehen, sondern bis zur Vollendung! –, ohne sich jemals aufzudrängen.

Das Herz des Guten Hirten streckt sich uns entgegen, es ist auf den „gepolt“, der am weitesten entfernt ist; hartnäckig zeigt die Nadel seines Kompasses dorthin, dort offenbart es eine besondere Schwäche der Liebe, denn es möchte alle erreichen und niemanden verlieren.

Vor dem Herzen Jesu kommt die grundlegende Frage unseres Priesterlebens auf: Wohin ist mein Herz ausgerichtet? Eine Frage, die wir Priester uns ganz oft stellen müssen, jeden Tag, jede Woche: Wohin ist mein Herz ausgerichtet? Der Dienst ist oft angefüllt mit vielerlei Initiativen, die ihn an viele Fronten stellen: von der Katechese zur Liturgie, zum karitativen Einsatz, zu den pastoralen und sogar zu den administrativen Verpflichtungen. Inmitten so vieler Aktivitäten bleibt die Frage: Wo ist mein Herz verankert – da fällt mir dieses schöne Gebet der Liturgie ein: fixa sunt gaudia… , worauf zielt es ab, welches ist der Schatz, den es sucht? Denn – sagt Jesus – »wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz« (Mt 6,21).

Wir haben Schwächen, auch Sünden. Aber wir gehen an die Wurzeln unserer Schwächen, unserer Sünden – wo ist der Schatz, der uns vom Herrn entfernt?

Die unersetzlichen Schätze des Herzens Jesu sind zwei, Jesus hat nur zwei Schätze: der Vater und wir. Seine Tage verliefen zwischen dem Gebet zum Vater und der Begegnung mit den Menschen. Begegnung mit den Menschen – nicht Abstand. Auch das Herz des Hirten Christi kennt nur zwei Richtungen: den Herrn und die Menschen. Das Herz des Priesters ist ein von der Liebe des Herrn durchbohrtes Herz. Deshalb schaut er nicht mehr auf sich selbst (er sollte nicht mehr auf sich selbst schauen), sondern ist Gott und den Mitmenschen zugewandt. Es ist kein „wankendes Herz“ mehr, das sich vom Reiz des Augenblicks anziehen lässt oder das hin- und herzieht auf der Suche nach Zustimmung und kleinen Befriedigungen. Es ist sündhaft… Es ist stattdessen ein Herz, das im Herrn gefestigt, vom Heiligen Geist gefesselt und für die Mitmenschen offen und verfügbar ist. Und hier löst es das Problem seiner Sünden.

Um unserem Herz zu helfen, von der Liebe Jesu, des Guten Hirten, zu brennen, können wir uns üben, uns drei Handlungen zu Eigen zu machen, welche die Lesungen von heute uns vorschlagen: suchen, einbeziehen und uns freuen.

Suchen. Der Prophet Ezechiel hat uns daran erinnert, dass Gott selber seine Schafe sucht (34,11.16). Er »geht dem verlorenen nach«, sagt das Evangelium (Lk 15,4), ohne sich von den Gefahren erschrecken zu lassen; ohne Zögern dringt er wagemutig in Gebiete außerhalb des Weidelands und in Zonen außerhalb der Arbeitszeiten vor. Und er lässt sich keine Überstunden bezahlen! Er schiebt die Suche nicht auf. Er denkt nicht: „Heute habe ich meine Pflicht bereits erledigt, ich werde mich morgen darum kümmern“, sondern er macht sich sofort an die Arbeit. Sein Herz ist unruhig, bis er das eine verlorene Schaf wiederfindet. Und wenn er es gefunden hat, vergisst er die Mühe und lädt es ganz zufrieden auf seine Schultern. Er muss rausgehen, um es zu suchen, mit ihm zu sprechen, es zu überreden. Manchmal muss er auch vor dem Tabernakel bleiben und mit dem Herrn um dieses Schaf ringen.

Das ist das suchende Herz: Es ist ein Herz, das Zeiten und Räume nicht „privatisiert“ – wehe den Hirten, die ihren Dienst privatisieren! –, nicht eifersüchtig über seine legitime Ruhe wacht und niemals den Anspruch erhebt, nicht gestört zu werden. Der Hirt nach dem Herzen Gottes verteidigt nicht die eigenen Bequemlichkeiten, ist nicht besorgt, den eigenen guten Ruf zu schützen – möge man ihn ruhig verleumden wie Jesus! –, ja, ohne jede Furcht vor Kritik ist es bereit zum Risiko, nur um seinen Herrn nachzuahmen. „Selig wenn sie euch verfolgen“ usw.

Der Hirt, der Jesus gemäß ist, besitzt ein Herz, das frei ist, die eigenen Dinge loszulassen. Es lebt nicht, indem es sein Eigentum und seine Dienststunden „abrechnet“: Es ist kein Buchhalter des Geistes, sondern ein barmherziger Samariter auf der Suche nach den Bedürftigen. Er ist ein Hirte, nicht ein Inspekteur der Herde, und widmet sich seiner Sendung nicht fünfzig- oder sechzigprozentig, sondern mit seinem ganzen Sein. Wenn er auf die Suche geht, findet er, und er findet, weil er riskiert. Wenn der Hirte nichts riskiert, findet er auch nichts… Er bleibt nach Enttäuschungen nicht stehen und gibt in Mühen nicht auf. Er ist tatsächlich hartnäckig im Guten, gesalbt von der göttlichen Hartnäckigkeit, dass niemand verlorengehen soll. Deshalb hält er nicht nur die Türen offen, sondern geht hinaus auf die Suche nach denen, die nicht mehr durch die Tür eintreten wollen. Wie jeder gute Christ und als Vorbild für jeden Christen geht er ständig aus sich selbst heraus. Der Schwerpunkt seines Herzens befindet sich außerhalb seiner selbst: Es ist dezentriert, nur auf Jesus zentriert – nicht von seinem Ich angezogen, sondern von dem Du Gottes und vom Wir der Menschen.

Einbeziehen. Christus liebt und kennt seine Schafe, für sie gibt er sein Leben hin und keines ist ihm fremd (vgl. Joh 10.11-14). Seine Herde ist seine Familie und sein Leben. Er ist kein von den Schafen gefürchteter Vorgesetzter, sondern der Hirt, der mit ihnen geht und sie beim Namen ruft (vgl. Joh 10, 3-4). Und er möchte die Schafe versammeln, die noch nicht bei ihm wohnen (vgl. Joh 10,16).

So ist auch der Priester Christi: Er ist gesalbt für das Volk, nicht um sich für seine eigenen Pläne zu entscheiden, sondern um den konkreten Menschen nahe zu sein, die Gott ihm durch die Kirche anvertraut hat. Niemand ist aus seinem Herzen, aus seinem Gebet und aus seinem Lächeln ausgeschlossen. Mit liebevollem Blick und einem Vaterherzen nimmt er auf und bezieht ein; und wenn er zurechtweisen muss, dann stets, um in die Nähe zu holen. Niemanden verachtet er, sondern für alle ist er bereit, sich die Hände schmutzig zu machen. Der gute Hirte hat keine Handschuhe an! Als Diener der Communio, die er zelebriert und die er lebt, erwartet er nicht den Gruß und die Komplimente der anderen, sondern reicht als Erster die Hand und verwirft Tratsch, Urteile und Gift. Geduldig hört er die Probleme an und begleitet die Schritte der Menschen, indem er mit großherzigem Mitgefühl die göttliche Vergebung spendet. Er schimpft den nicht aus, der den Weg verlässt oder verliert, sondern ist immer bereit, wieder einzugliedern und Streit zu schlichten. Ein Mann, der andere einzubeziehen weiß.

Sich freuen. Gott ist » voll Freude« (Lk 15,5): Seine Freude hat ihren Grund in der Vergebung; in dem Leben, das neu ersteht; in dem Sohn, der wieder die Luft des Elternhauses atmet. Die Freude Jesu, des Guten Hirten, ist keine Freude über sich, sondern eine Freude über die anderen und mit den anderen, die wahre Freude der Liebe. Das ist auch die Freude des Priesters. Er wird verwandelt durch die Barmherzigkeit, die er gegenleistungsfrei erweist. Gegenleistungsfrei! Im Gebet entdeckt er den Trost Gottes und erfährt, dass nichts stärker ist als seine Liebe. Darum ist er innerlich ausgeglichen und ist glücklich, ein Kanal der Barmherzigkeit zu sein und den Menschen dem Herzen Gottes nahezubringen. Traurigkeit ist für ihn nicht normal, sondern vorübergehend; Härte ist ihm fremd, denn er ist ein Hirte gemäß dem milden Herzen Gottes.

Liebe Priester, in der Eucharistiefeier finden wir jeden Tag diese unsere Identität des Hirten wieder. Jedes Mal können wir uns seine Worte: »Dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird« wirklich zu eigen machen. Das ist der Sinn unseres Lebens, das sind die Worte, mit denen wir in gewisser Weise täglich unsere Weiheversprechen erneuern können. Ich danke euch für euer „Ja“, und für so viele verborgene „Jas“ jeden Tag, die nur der Herr kennt, und für eure Bereitschaft, das Leben vereint mit Jesus hinzugeben: Hier liegt die reine Quelle unserer Freude.

(rv 03.06.2016 sk)


DIE DORNENKRONE IN DER KATHEDRALE NOTRE-DAME IN PARIS

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Des chevaliers du Saint Sépulcre veillent sur la Sainte couronne d'Epines en la cathédrale Notre Dame de Paris. Paris (75), France.

Die Ritter vom Heiligen Grab wachen über die Heilige Dornenkrone in der Kathedrale Notre Dame von Paris. Paris (75), Frankreich.

Die Reliquien werden den Gläubigen an jedem ersten Freitag des Monats um 15 Uhr, der Sterbestunde Jesu Christi, gezeigt.

Siehe dazu diesen Artikel von ALETEIA in Französisch!

 


Großimam: „Religionsführer tragen eine große Verantwortung“

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Es war ein Gipfeltreffen ohne Tam-Tam und mit einer Umarmung am Ende: Die Begegnung von Montagmittag gilt als historisch. Nach zehn Jahren Unterbrechung trafen sich die höchsten geistlichen Autoritäten des sunnitischen Islam und der katholischen Kirche im Vatikan. Nach dem Treffen mit dem Papst sprach der Großimam Ahmad Al-Tayyib von der Al-Azhar-Universität in Kairo mit Radio Vatikan. Er sei dem Papst sehr dankbar für dieses Treffen. „Der Papst ist ein Mann des Friedens, ein Mann, der die Lehre des Christentums folgt und die eine Religion der Liebe und des Friedens ist“, so Al-Tayyib. Er würdigte den Papst auch als „Mann des Dialogs“, der sich um die Benachteiligten der Welt kümmere.

„Wer eine Religionsgemeinschaft leitet, trägt eine große Verantwortung. Wir wissen auch, dass alle Philosophien und sozialen Ideologien der Moderne, die die Menschheit versucht haben zu leiten und von der Religion entfernt waren, kläglich gescheitert sind und sogar zu Blutvergießen geführt haben“, so der Großimam weiter. Der Mensch ohne Religion sei eine Gefahr für seine Mitmenschen, fügt er an. Das gelte auch im Islam selber. Deshalb verfolge die Al-Azhar-Universität eine klare Linie und setze viel auf Bildung.

Die Weltgemeinschaft müsse „sich zusammentun und die Reihen schließen, um gegen den Terrorismus vorzugehen und ihm ein Ende zu setzen“, sagte der Großimam. Die Religionen selbst seien nicht für Extremismus haftbar zu machen. In jeder Glaubensrichtung gebe es eine irregeleitete Gruppe, „die das Banner der Religion erhebt, um in ihrem Namen zu töten“. Mit Blick auf die Konflikte und Krisen weltweit sprach sich der Großimam für ein gemeinsames Friedensengagement der Religionen aus. Die Zeit für die Vertreter der großen Glaubensrichtungen sei gekommen, „entschieden und konkret“ für Humanität und Frieden zusammenzuarbeiten. Alle religionsfernen modernen Weltanschauungen seien gescheitert. Die Menschen des 21. Jahrhunderts suchten wieder nach „weisen Führern, die sie in die richtige Richtung leiten können.“

„Ich befinde mich im Herzen Europas und will die Gelegenheit nutzen, hier im Vatikan – dem wichtigsten Ort für die Katholiken – alle dazu aufzurufen, gemeinsam gegen den Terrorismus jeglicher Art einzustehen. Falls wir uns nicht mit dem Terrorismus auseinandersetzen, dann wird es nicht nur für die Menschen im Nahen Osten tragisch sein. … Gestatten Sie mir noch einen Zusatz: Ja, es gibt den Terrorismus, aber es hat nichts mit dem Islam zu tun.“

Regulären Dialog wieder aufnehmen

Weiter sagte der Großimam, dass die sunnitische Al-Azhar-Universität und der Vatikan wieder einen regulären Dialog aufnehmen wollten. Man habe „einen richtigen Schritt in die richtige Richtung“ vereinbart, so Al-Tayyib im Interview mit Radio Vatikan. Einzelheiten für einen institutionellen Austausch nannte er nicht.

Ein 1998 begonnener theologischer Austausch zwischen der Al-Azhar-Universität in Kairo und dem Vatikan brach 2011 ab. Grund waren Forderungen von Benedikt XVI. nach einem besseren Schutz für koptische Christen vor Terror und Gewalt. Ohne den Sachverhalt zu konkretisieren, sagte Al-Tayyib, die Kommissionsarbeit sei „aufgrund bestimmter Umstände“ ausgesetzt worden. „Da diese Umstände nicht mehr vorliegen, nehmen wir den Dialog wieder auf, und wir hoffen, dass er besser wird als vorher“, sagte er der arabischen Sektion von Radio Vatikan.

Wichtige Umarmung

Das für den interreligiösen Dialog wichtige Treffen von Papst Franziskus mit dem sunnitischen Großimam Ahmad Muhammad al-Tayyib zeigt, wie wichtig eine Umarmung und ein Handschlag sein können. Das betont der Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran, im Gespräch mit Radio Vatikan. Am Montag fand das Treffen im Vatikan statt und es kam auch dank des Einsatzes von Kardinal Tauran zustande. Doch die wahren Anstifter seien der Papst und der Großimam selber gewesen, unterstreicht Tauran. Beide seien „Lehrmeister des Dialogs“.

Freundliches Klima

„Das Treffen fand in einem sehr freundlichen Klima statt. Sie haben nicht über die Vergangenheit gesprochen, sondern über die Gegenwart und die Zukunft. Es gibt einen lebhaften Wunsch von unseren Gesprächspartnern, den Dialog wieder aufzunehmen. Und falls wir es schaffen, die Gesprächskommission von 1998 wieder ins Leben zu rufen, dann verdanken wir das den zahlreichen Austauschmomenten, die es bisher gab. Ich persönlich habe mir nicht so viel erwartet.“

Sowohl der Imam als auch der Papst wünschten sich, dass dieses Treffen vor allem dem Dialog zwischen Christen und Muslime im Nahen Osten viel bringen werde, so Kardinal Tauran weiter. Dort sei die Lage der Gläubigen auf beiden Seiten sehr prekär. Dialog und Bildung seien die beiden Schlüsselbegriffe, um sich gegen Terrorismus zu wappnen, fügt der französische Kurienkardinal an.

Unwissenheit besiegen

„Die erste Sache, die wir angehen sollten, ist die Unwissenheit. Viele Christen fürchten sich vor den Muslimen, obwohl sie vielleicht noch nie wirklich welche getroffen oder den Koran aufgeschlagen haben. Dasselbe gilt auf muslimischer Seite, die wohl selber kein tiefgründiges Bewusstsein über das Evangelium haben. Dies bedeutet nichts anderes, als kohärent mit dem eigenen Glauben zu sein.“

Anders ausgedrückt: keine der beiden Religionen stehe für Gewalt oder Zerstörung der anderen Glaubensgemeinschaft. Vielmehr müsse jeder auf den anderen Zugehen und auf diese Weise die andere Seite respektieren, so der für den Vatikan zuständige Beauftragte für den interreligiösen Dialog.

(rv 24.05.2016 mg)


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