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PAPST FRANZISKUS: KATECHESEN IM JAHR DES GLAUBENS / ANNUS FIDEI

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Mittwoch, 3. April 2013

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute nehmen wir die Katechesen zum Jahr des Glaubens wieder auf. Im Glaubensbekenntnis sagen wir immer wieder dieses Wort: Er »ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift«. Eben dieses Ereignis feiern wir: die Auferstehung Jesu, das Zentrum der christlichen Botschaft, die von Anfang an zu hören war und weitergegeben wurde, um bis zu uns zu gelangen. Der hl. Paulus schreibt an die Christen von Korinth: »Vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf« (1 Kor 15,3–5).

Dieses kurze Glaubensbekenntnis verkündigt das Ostergeheimnis, mit den ersten Erscheinungen des Auferstandenen vor Petrus und dann vor den Zwölf: Der Tod und die Auferstehung Jesu sind der Kern unserer Hoffnung. Ohne diesen Glauben an den Tod und die Auferstehung Jesu wäre unsere Hoffnung schwach, wäre sie nicht einmal Hoffnung, und gerade der Tod und die Auferstehung Jesu sind der Kern unserer Hoffnung. Der Apostel sagt: »Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden« (V. 17).

Leider hat man oft versucht, den Glauben an die Auferstehung Jesu zu verdunkeln, und auch bei den Gläubigen selbst haben sich Zweifel eingeschlichen. Ein bisschen »Rosenwasser«-Glaube, wie wir sagen, ein verwässerter Glaube: Das ist kein starker Glaube. Und das aus Oberflächlichkeit, manchmal aus Gleichgültigkeit, beschäftigt mit tausend Dingen, die man für wichtiger hält als den Glauben, oder aus einer nur horizontalen Sichtweise des Lebens heraus.

Aber gerade die Auferstehung öffnet uns auf die größere Hoffnung hin, weil sie unser Leben und das Leben der Welt auf die ewige Zukunft Gottes hin öffnet, auf die vollkommene Glückseligkeit, auf die Gewissheit, dass das Böse, die Sünde, der Tod überwunden werden können. Und das führt dazu, die täglichen Wirklichkeiten mit mehr Vertrauen zu leben, ihnen mit Mut und Einsatz zu begegnen. Die Auferstehung Christi erleuchtet diese täglichen Wirklichkeiten mit einem neuen Licht. Die Auferstehung Christi ist unsere Kraft!

Aber wie ist uns die Glaubenswahrheit der Auferstehung Christi weitergegeben worden? Im Neuen Testament gibt es zwei Arten von Zeugnissen: einige in der Form eines Glaubensbekenntnisses, also kurze Formeln, die auf den Kern des Glaubens verweisen; andere wiederum haben die Form eines Berichts über das Ereignis der Auferstehung und der damit verbundenen Tatsachen. Die erste, die Form des Glaubensbekenntnisses, ist zum Beispiel die, die wir gerade vernommen haben, oder die im Brief an die Römer, wo der hl. Paulus schreibt: »Wenn du mit deinem Mund bekennst: ›Jesus ist der Herr‹ und in deinem Herzen glaubst: ›Gott hat ihn von den Toten auferweckt‹, so wirst du gerettet werden« (10,9).

Von den ersten Schritten der Kirche an ist der Glaube an das Geheimnis von Tod und Auferstehung Jesu felsenfest und ganz deutlich. Heute möchte ich jedoch bei der zweiten Form verweilen, die wir in den Evangelien finden, beim Zeugnis in Form eines Berichts. Vor allem sehen wir, dass die ersten Zeuginnen dieses Ereignisses die Frauen waren. Als eben die Sonne aufgeht, kommen sie zum Grab, um den Leib Jesu zu salben, und finden das erste Zeichen: das leere Grab (vgl. Mk 16,1). Dann folgt die Begegnung mit einem Boten Gottes, der verkündigt: Jesus von Nazaret, der Gekreuzigte, ist nicht hier; er ist auferstanden (vgl. V. 5–6). Die Frauen sind von der Liebe getrieben und können diese Verkündigung mit Freude annehmen: Sie glauben und geben es sofort weiter. Sie behalten es nicht für sich, sie geben es weiter. Die Freude zu wissen, dass Jesus lebt, die Hoffnung, die das Herz erfüllt, lässt sich nicht im Zaum halten. Das sollte auch in unserem Leben geschehen. Wir müssen die Freude spüren, Christen zu sein! Wir glauben an einen Auferstandenen, der das Böse und den Tod überwunden hat! Wir müssen den Mut haben »hinauszugehen«, um diese Freude und dieses Licht an alle Orte unseres Lebens zu bringen! Die Auferstehung Christi ist unsere größte Gewissheit; sie ist der kostbarste Schatz! Wie sollten wir diesen Schatz, diese Gewissheit nicht mit den anderen teilen? Sie ist nicht nur für uns da, sie ist da, um weitergegeben zu werden, um sie den anderen zu schenken, um sie mit den anderen zu teilen. Gerade das ist unser Zeugnis.

Ein weiteres Element: In den Glaubensbekenntnissen des Neuen Testaments werden als Zeugen der Auferstehung nur Männer erwähnt, die Apostel, aber nicht die Frauen. Das liegt daran, dass nach dem jüdischen Gesetz jener Zeit Frauen und Kinder kein verlässliches, glaubwürdiges Zeugnis geben konnten. In den Evangelien dagegen haben die Frauen eine erstrangige, grundlegende Rolle. Hier können wir ein Element erblicken, das für die Geschichtlichkeit der Auferstehung spricht: Wenn sie eine erfundene Tatsache wäre, dann wäre sie im Kontext jener Zeit nicht mit dem Zeugnis von Frauen verbunden worden. Die Evangelisten berichten jedoch einfach das, was geschehen ist: Die Frauen sind die ersten Zeuginnen. Das heißt, dass Gott nicht nach menschlichen Maßstäben auserwählt: Die ersten Zeugen der Geburt Jesu sind die Hirten, einfache und bescheidene Menschen; die ersten Zeuginnen der Auferstehung sind die Frauen.

Und das ist schön. Und das ist ein bisschen die Sendung der Frauen: der Mütter, der Frauen! Den Kindern, den Enkeln Zeugnis geben, dass Jesus lebt, dass er der Lebendige ist, dass er auferstanden ist! Mütter und Frauen, gebt weiter dieses Zeugnis! Für Gott zählt das Herz, es zählt, wie offen wir für ihn sind, ob wir wie Kinder sind, die Vertrauen haben. Das bringt uns jedoch auch zum Nachdenken darüber, dass die Frauen in der Kirche und auf dem Glaubensweg eine besondere Rolle gehabt haben und auch heute haben, um dem Herrn die Türen zu öffnen, ihm nachzufolgen und sein Antlitz zu vermitteln, denn der Blick des Glaubens bedarf immer des schlichten und tiefen Blicks der Liebe. Die Apostel und die Jünger tun sich schwerer zu glauben. Die Frauen nicht. Petrus läuft zum Grab, bleibt aber beim leeren Grab stehen; Thomas muss mit seinen Händen die Wunden des Leibes Jesu berühren. Auch auf unserem Glaubensweg ist es wichtig zu wissen und zu spüren, dass Gott uns liebt, und keine Angst zu haben, ihn zu lieben: Den Glauben bekennt man mit Mund und Herz, mit Worten und mit Liebe.

Nach den Erscheinungen vor den Frauen folgen weitere. Jesus wird auf neue Weise gegenwärtig: Er ist der Gekreuzigte, aber sein Leib ist verherrlicht; er ist nicht zum irdischen Leben zurückgekehrt, sondern in einem neuen Zustand. Anfangs erkennen sie ihn nicht wieder, und nur durch seine Worte und seine Gesten werden die Augen geöffnet: Die Begegnung mit dem Auferstandenen verwandelt, gibt dem Glauben eine neue Kraft, eine unerschütterliche Grundlage. Auch für uns gibt es viele Zeichen, in denen der Auferstandene sich zu erkennen gibt: die Heilige Schrift, die Eucharistie, die anderen Sakramente, die Nächstenliebe, jene Gesten der Liebe, die einen Strahl des Auferstandenen bringen. Lassen wir uns erleuchten von der Auferstehung Christi, lassen wir uns von seiner Kraft verwandeln, damit auch durch uns in der Welt die Zeichen des Todes den Zeichen des Lebens weichen.

Ich habe gesehen, dass auf dem Platz viele junge Menschen sind. Da sind sie! Zu euch sage ich: Tragt diese Gewissheit voran: Der Herr lebt und geht an eurer Seite im Leben. Das ist eure Sendung! Tragt diese Hoffnung voran. Bleibt in dieser Hoffnung verankert: mit diesem Anker, der im Himmel ist. Haltet das Seil fest, bleibt in dieser Hoffnung verankert und tragt sie weiter. Ihr, die Zeugen Jesu, tragt das Zeugnis voran, dass Jesus lebt, und das wird uns Hoffnung schenken, es wird dieser Welt Hoffnung schenken, die ein bisschen gealtert ist durch die Kriege, durch das Böse, durch die Sünde. Voran, ihr jungen Menschen!



Mittwoch, 10. April 2013

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

In der letzten Katechese haben wir beim Ereignis der Auferstehung Jesu verweilt, bei dem die Frauen eine besondere Rolle hatten. Heute möchte ich über die Heilsbedeutung der Auferstehung nachdenken. Was bedeutet die Auferstehung für unser Leben? Und warum ist ohne sie unser Glaube sinnlos? Unser Glaube gründet auf dem Tod und der Auferstehung Christi, genau wie ein Haus auf den Fundamenten ruht: Wenn diese nachgeben, stürzt das ganze Haus ein. Am Kreuz hat Jesus sich selbst dargebracht, indem er unsere Sünden auf sich genommen hat und in den Abgrund des Todes hinabgestiegen ist, und in der Auferstehung überwindet er sie, nimmt sie hinweg und öffnet uns den Weg, um zu neuem Leben neu geboren zu werden. Der hl. Petrus bringt dies zusammenfassend am Anfang seines Ersten Briefes zum Ausdruck, wie wir gehört haben: »Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen « (1,3–4).

Der Apostel sagt, dass durch die Auferstehung Jesu etwas absolut Neues geschieht: Wir sind von der Knechtschaft der Sünde befreit und werden zu Kindern Gottes, sind also zu neuem Leben geboren. Wann wird uns das zuteil? Im Sakrament der Taufe. In der frühen Kirche empfing man diese gewöhnlich durch Eintauchen. Der Täufling stieg in das große Taufbecken hinab und ließ seine Kleidung zurück. Der Bischof oder der Priester goss ihm dreimal Wasser über das Haupt und taufte ihn im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Dann stieg der Getaufte aus dem Becken und zog das neue, weiße Gewand an: Er war also zu neuem Leben geboren, indem er in den Tod und die Auferstehung Christi eingetaucht war. Er war zum Kind Gottes geworden. Im Brief an die Römer schreibt der hl. Paulus: »Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater!« (Röm 8,15). Und der Geist, den wir in der Taufe empfangen haben, lehrt uns, spornt uns an, zu Gott »Vater« zu sagen, oder besser: »Abba«, was »Papa« bedeutet. So ist unser Gott: Er ist ein liebevoller Vater, ein »Papa«, für uns. Der Heilige Geist wirkt in uns dieses neue Sein als Kinder Gottes. Und das ist das größte Geschenk, das wir vom Ostergeheimnis Jesu empfangen. Und Gott nimmt uns als Kinder an, er versteht uns, er vergibt uns, er umarmt uns, er liebt uns auch dann, wenn wir Fehler machen. Schon im Alten Testament sagte der Prophet Jesaja, dass selbst wenn eine Mutter ihren Sohn vergessen würde, Gott uns nicht vergisst, nicht einen Augenblick (vgl. 49,15). Und das ist schön!

Doch diese Beziehung zu Gott als seine Söhne und Töchter ist nicht wie ein Schatz, den wir in einer Ecke unseres Lebens hüten, sondern er muss wachsen, er muss Tag für Tag genährt werden durch das Hören des Wortes Gottes, das Gebet, die Teilnahme an den Sakramenten, insbesondere der Beichte und der Eucharistie, und durch die Nächstenliebe. Wir können als Kinder Gottes leben! Und darin besteht unsere Würde – wir besitzen die Würde der Kinder Gottes. Wir müssen uns als wahre Kinder Gottes verhalten!

Das heißt, wir müssen uns täglich von Christus verwandeln lassen, um zu werden wie er; es heißt sich zu bemühen, als Christen zu leben, zu versuchen, ihm nachzufolgen, auch wenn wir unsere Grenzen und unsere Schwächen sehen. Die Versuchung, Gott beiseite zu schieben, um uns selbst in den Mittelpunkt zu stellen, lauert stets vor der Tür, und die Erfahrung der Sünde verletzt unser christliches Leben, unsere Gotteskindschaft. Wir müssen daher den Mut des Glaubens haben und dürfen uns nicht von der Denkweise verleiten lassen, die zu uns sagt: »Du brauchst Gott nicht, er ist nicht wichtig für dich« und so weiter. Genau das Gegenteil ist der Fall: Nur wenn wir uns als Kinder Gottes verhalten, ohne uns von unserem Fallen, unseren Sünden entmutigen zu lassen, und uns von ihm geliebt fühlen, wird unser Leben neu, unbeschwert und voller Freude. Gott ist unsere Stärke! Gott ist unsere Hoffnung!

Liebe Brüder und Schwestern, wir müssen als erste an dieser Hoffnung festhalten und allen ein sichtbares, deutliches, leuchtendes Zeichen dafür sein! Der auferstandene Herr ist die unvergängliche Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt (Röm 5,5). Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen. Die Hoffnung des Herrn! Wie oft in unserem Leben schwinden die Hoffnungen, wie oft werden die Erwartungen, die wir im Herzen tragen, nicht erfüllt! Die Hoffnung, die wir Christen haben, ist wahr, stark, sicher, auf dieser Erde, wohin Gott uns berufen hat, um unseren Weg zu gehen, und sie ist offen auf die Ewigkeit hin, weil sie auf Gott gründet, der immer treu ist. Wir dürfen nicht vergessen: Gott ist immer treu; Gott ist uns immer treu. Mit Christus auferstanden zu sein durch die Taufe, durch das Geschenk des Glaubens, für ein unzerstörbares Erbe, möge uns dazu bringen, vermehrt die Dinge Gottes zu suchen, mehr an ihn zu denken, mehr zu ihm zu beten.

Christ sein heißt nicht bloß, die Gebote befolgen, sondern in Christus sein, wie er denken, wie er handeln, wie er lieben; es bedeutet zuzulassen, dass er von unserem Leben Besitz ergreift und es verwandelt und frei macht vom Dunkel des Bösen und der Sünde.

Liebe Brüder und Schwestern, wer nach der Hoffnung fragt, die uns erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15), den wollen wir auf den auferstandenen Christus verweisen. Wir wollen auf ihn verweisen durch die Verkündigung des Wortes, vor allem aber durch unser Leben als Auferstandene. Wir wollen die Freude zeigen, Kinder Gottes zu sein, die Freiheit, die uns das Leben in Christus schenkt, das die wahre Freiheit ist, die uns aus der Knechtschaft des Bösen, der Sünde, des Todes erlöst!

Wenn wir auf das himmlische Vaterland schauen, werden wir auch in unserem Tun und in unseren täglichen Mühen neues Licht und neue Kraft haben. Es ist ein wertvoller Dienst, den wir dieser unserer Welt leisten müssen, die es oft nicht mehr schafft, den Blick in die Höhe zu erheben, die es oft nicht mehr schafft, den Blick zu Gott zu erheben.



 Mittwoch, 17. April 2013

Er ist aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Im Glaubensbekenntnis finden wir den Satz: Jesus ist »aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters«. Das irdische Leben Jesu mündet in das Ereignis der Himmelfahrt, das heißt dass er von dieser Welt zum Vater geht und zu seiner Rechten erhoben wird. Welche Bedeutung hat dieses Ereignis? Welche Folgen hat es für unser Leben? Was bedeutet es, Jesus zu betrachten, der zur Rechten des Vaters sitzt? Lassen wir uns dazu vom Evangelisten Lukas leiten.

Wir wollen bei dem Augenblick beginnen, in dem Jesus sich entschließt, seine letzte Pilgerreise nach Jerusalem zu unternehmen. Der hl. Lukas schreibt: »Als die Zeit herankam, in der er (in den Himmel) aufgenommen werden sollte, entschloss sich Jesus, nach Jerusalem zu gehen« (Lk 9,51). Als er zur heiligen Stadt »hinaufgeht«, wo sein »Auszug« aus diesem Leben stattfinden wird, sieht Jesus bereits das Ziel, den Himmel, aber er weiß sehr wohl, dass der Weg, der ihn in die Herrlichkeit des Vaters zurückbringt, über das Kreuz führt, über den Gehorsam gegenüber dem göttlichen Liebesplan für die Menschheit.

Der Katechismus der Katholischen Kirche sagt: »Das Erhöhtwerden am Kreuz bedeutet das Erhöhtwerden bei der Himmelfahrt und kündigt es an« (Nr. 662). Auch uns muss in unserem christlichen Leben klar sein, dass das Eingehen in die Herrlichkeit Gottes die tägliche Treue gegenüber seinem Willen erfordert, auch wenn dies Opfer verlangt, wenn es manchmal verlangt, unsere Pläne zu ändern. Die Himmelfahrt Jesu geschah konkret auf dem Ölberg, in der Nähe des Ortes, an den er sich vor dem Leiden zum Gebet zurückgezogen hatte, um tief mit dem Vater vereint zu bleiben: Wieder einmal sehen wir, dass das Gebet uns die Gnade schenkt, in Treue zum Plan Gottes zu leben.

Am Ende seines Evangeliums berichtet der hl. Lukas in sehr synthetischer Form vom Ereignis der Himmelfahrt. Jesus führte die Jünger »hinaus in die Nähe von Betanien. Dort erhob er seine Hände und segnete sie. Und während er sie segnete, verließ er sie und wurde zum Himmel emporgehoben; sie aber fielen vor ihm nieder. Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück. Und sie waren immer im Tempel und priesen Gott« (24,50–53), so der hl. Lukas.

Ich möchte auf zwei Elemente des Berichtes hinweisen. Zunächst vollzieht Jesus bei der Himmelfahrt die priesterliche Geste des Segnens, und gewiss bringen die Jünger durch das Niederfallen ihren Glauben zum Ausdruck. Sie knien nieder und beugen das Haupt. Das ist ein erster wichtiger Punkt: Jesus ist der einzige und ewige Priester, der in seinem Leiden durch Tod und Grab hindurchgegangen und der auferstanden und zum Himmel aufgefahren ist; er ist bei Gott, dem Vater, wo er für immer für uns Fürsprache hält (vgl. Hebr 9,24). Wie der hl. Johannes in seinem Ersten Brief sagt, ist er unser Fürsprecher: Wie schön, das zu hören! Wenn jemand vor den Richter gerufen wird oder einen Prozess anstrengt, dann sucht er sich als Erstes einen Fürsprecher, einen Anwalt, der ihn verteidigt. Wir haben einen Fürsprecher, der uns immer verteidigt, der uns gegen die List des Teufels verteidigt, der uns gegen uns selbst, gegen unsere Sünden verteidigt!

Liebe Brüder und Schwestern, wir haben diesen Fürsprecher: Wir dürfen keine Angst haben, zu ihm zu gehen und um Vergebung zu bitten, um Segen zu bitten, um Barmherzigkeit zu bitten! Er vergibt uns immer, er ist unser Fürsprecher: Er verteidigt uns immer! Vergesst das nicht! Die Himmelfahrt Jesu lässt uns also diese Wirklichkeit erkennen, die so tröstlich ist für unseren Weg: In Christus, dem wahren Gott und wahren Menschen, wurde unser Menschsein zu Gott getragen; er hat uns den Übergang eröffnet; er ist gleichsam wie der Führer einer Seilschaft beim Bergsteigen: Er ist auf dem Gipfel angekommen, zieht uns zu sich und führt uns zu Gott. Wenn wir unser Leben ihm anvertrauen, wenn wir uns von ihm führen lassen, dann sind wir gewiss, in sicheren Händen zu sein, in der Hand unseres Retters, unseres Fürsprechers. Ein zweites Element: Der hl. Lukas berichtet, dass die Apostel, nachdem sie gesehen hatten, wie Jesus zum Himmel auffuhr, »in großer Freude« nach Jerusalem zurückkehrten.

Das kommt uns etwas seltsam vor. Wenn wir von unseren Angehörigen, von unseren Freunden getrennt werden und endgültig Abschied nehmen müssen, vor allem aufgrund des Todes, dann empfinden wir im Allgemeinen eine natürliche Traurigkeit, weil wir ihr Angesicht nicht mehr sehen, ihre Stimme nicht mehr hören werden, uns ihrer Zuneigung, ihrer Gegenwart nicht mehr erfreuen können. Der Evangelist hebt dagegen die tiefe Freude der Apostel hervor. Aber wieso? Weil sie mit dem Blick des Glaubens verstehen, dass Jesus zwar ihren Augen entzogen wird, aber immer bei ihnen bleibt, sie nie verlässt und sie in der Herrlichkeit des Vaters unterstützt, führt und für sie Fürsprache hält.

Der hl. Lukas berichtet auch am Anfang der Apostelgeschichte über die Himmelfahrt, um hervorzuheben, dass dieses Ereignis wie das Glied einer Ketten das irdische Leben Jesu mit dem der Kirche verbindet. Hier erwähnt der hl. Lukas auch die Wolke, die Jesus dem Blick der Jünger entzieht, während sie Christus, der zu Gott auffährt, nachschauen (vgl. Apg 1,9–10). Dann tauchen zwei Männer in weißen Gewändern auf, die sie auffordern, nicht dazustehen und zum Himmel emporzuschauen, sondern ihr Leben und ihr Zeugnis aus der Gewissheit zu nähren, dass Jesus ebenso wiederkommen wird, wie sie ihn haben zum Himmel hingehen sehen (vgl. Apg 1,10–11). Das ist eine Einladung, von der Betrachtung der Herrschaft Christi auszugehen, um von ihm die Kraft zu erhalten, im täglichen Leben das Evangelium zu verkündigen und zu bezeugen. Betend betrachten und handeln, »ora et labora«, lehrt der hl. Benedikt: Beides ist in unserem Leben als Christen notwendig.

Liebe Brüder und Schwestern, die Himmelfahrt zeigt nicht die Abwesenheit Jesu an, sondern sie sagt uns, dass er auf neue Weise unter uns lebendig ist; er ist nicht mehr an einem bestimmten Ort der Welt wie vor der Himmelfahrt; jetzt ist er in der Herrschaft Gottes, in jedem Raum und in jeder Zeit gegenwärtig, einem jeden von uns nahe. In unserem Leben sind wir nie allein: Wir haben diesen Fürsprecher, der uns erwartet, der uns verteidigt. Wir sind nie allein: Der gekreuzigte und auferstandene Herr führt uns; bei uns sind viele Brüder und Schwestern, die in der Stille und in der Verborgenheit, in ihrem Familien- und Arbeitsleben, in ihren Problemen und Schwierigkeiten, in ihren Freuden und Hoffnungen täglich den Glauben leben und gemeinsam mit uns die Herrschaft der Liebe Gottes in die Welt tragen, im auferstandenen Christus, der zum Himmel aufgefahren und unser Fürsprecher ist. Danke


Mittwoch, 24. April 2013

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Im Credo bekennen wir: Jesus »wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten«. Die menschliche Geschichte beginnt mit der Schöpfung von Mann und Frau als Abbild Gottes, ihm ähnlich, und schließt mit dem Jüngsten Gericht Christi. Oft werden diese beiden Pole der Geschichte vergessen, und vor allem der Glaube an die Wiederkunft Christi und an das Jüngste Gericht ist im Herzen der Christen manchmal nicht so fest und klar. Während seines öffentlichen Wirkens hat Jesus oft über die Wirklichkeit seines endgültigen Kommens gesprochen. Heute möchte ich über drei Abschnitte aus dem Evangelium nachdenken, die uns helfen, in dieses Geheimnis einzutreten: die zehn Jungfrauen, die Talente und das Jüngste Gericht. Alle drei Texte gehören zur Rede Jesu über die Endzeit im Evangelium des hl. Matthäus.

Zunächst erinnern wir uns, dass der Sohn Gottes durch die Himmelfahrt unsere von ihm angenommene Menschennatur zum Vater gebracht hat und alle zu sich ziehen will, die ganze Welt aufrufen will, sich in die offenen Arme Gottes aufnehmen zu lassen, damit am Ende der Geschichte die ganze Wirklichkeit dem Vater übergeben wird. Es gibt jedoch diese »augenblickliche Zeit« zwischen dem ersten und dem endgültigen Kommen Christi – die Zeit, in der wir leben. Im Kontext dieser »augenblicklichen Zeit« steht das Gleichnis von den zehn Jungfrauen (vgl. Mt 25,1–13). Es handelt sich um zehn Mädchen, die auf die Ankunft des Bräutigams warten, aber dieser kommt lange nicht, und sie schlafen ein. Als plötzlich angekündigt wird, dass der Bräutigam kommt, bereiten alle sich darauf vor, ihn zu empfangen. Während aber fünf von ihnen, die klugen, Öl haben, um ihre Lampen zu füllen, bleiben die anderen, die törichten, mit erloschenen Lampen zurück, weil sie kein Öl haben; und während sie danach suchen, kommt der Bräutigam, und die törichten Jungfrauen finden die Tür zum Hochzeitsfest verschlossen. Sie klopfen inständig, aber es ist bereits zu spät, der Bräutigam antwortet: Ich kenne euch nicht. Der Bräutigam ist der Herr, und die Zeit des Wartens auf seine Ankunft ist die Zeit, die er uns, uns allen, mit Barmherzigkeit und Geduld vor seinem endgültigen Kommen schenkt. Es ist eine Zeit des Wachens, eine Zeit, in der wir die Lampen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe am Brennen halten müssen, in der wir das Herz offen halten müssen für das Gute, die Schönheit und die Wahrheit; eine Zeit, die nach dem Willen Gottes gelebt werden muss, denn wir wissen weder den Tag noch die Stunde der Wiederkunft Christi. An uns ist es, für die Begegnung bereit zu sein – bereit zu sein für eine Begegnung, eine schöne Begegnung, die Begegnung mit Jesus –, das heißt die Zeichen seiner Gegenwart sehen zu können, unseren Glauben lebendig zu erhalten, durch das Gebet, durch die Sakramente, wachsam zu sein, um nicht einzuschlafen, um Gott nicht zu vergessen. Das Leben der schlafenden Christen ist ein trauriges Leben; es ist kein glückliches Leben. Der Christ muss glücklich sein, die Freude Jesu. Schlafen wir nicht ein!

Das zweite Gleichnis, das von den Talenten, lässt uns nachdenken über die Beziehung zwischen unserem Einsatz der Gaben, die wir von Gott erhalten haben, und seiner Wiederkunft, bei der er uns fragen wird, wie wir sie gebraucht haben (vgl. Mt 25,14–30). Wir kennen das Gleichnis gut: Vor seiner Abreise gibt der Herr jedem Diener einige Talente, um sie während seiner Abwesenheit gut zu gebrauchen. Dem ersten gibt er fünf, dem zweiten zwei und dem dritten eines. Während seiner Abwesenheit vervielfachen die ersten beiden Diener ihre Talente, – das sind antike Münzen–, während der dritte sein Talent lieber vergräbt, um es dem Herrn unversehrt zurückzugeben. Nach seiner Rückkehr richtet der Herr über ihr Tun: Er lobt die ersten beiden, während der dritte hinausgeworfen wird in die Finsternis, weil er das Talent aus Angst verborgen gehalten und sich in sich selbst verschlossen hat. Ein Christ, der sich in sich selbst verschließt, der all das versteckt, was der Herr ihm gegeben hat, ist ein Christ… ist kein Christ! Er ist ein Christ, der Gott nicht für all das dankt, was er ihm geschenkt hat! Das sagt uns, dass das Warten auf die Wiederkunft des Herrn die Zeit des Handelns ist – wir sind in der Zeit des Handelns –, die Zeit, in der wir die Gaben Gottes Frucht bringen lassen sollen, nicht für uns selbst, sondern für ihn, für die Kirche, für die Mitmenschen, die Zeit, in der wir stets danach streben müssen, das Gute in der Welt wachsen zu lassen. Und insbesondere in dieser Zeit der Krise heute ist es wichtig, sich nicht in sich selbst zu verschließen und das eigene Talent, den eigenen geistlichen, intellektuellen, materiellen Reichtum – all das, was Gott uns geschenkt hat – zu vergraben, sondern sich zu öffnen, solidarisch zu sein, auf den Mitmenschen zu achten.

Ich habe gesehen, dass auf dem Platz viele Jugendliche sind: Stimmt das? Sind viele Jugendliche hier? Wo sind sie? Euch, die ihr am Beginn des Lebensweges steht, frage ich: Habt ihr über die Talente nachgedacht, die Gott euch gegeben hat? Habt ihr darüber nachgedacht, wie ihr sie in den Dienst der anderen stellen könnt? Vergrabt die Talente nicht! Setzt auf die großen Ideale, auf jene Ideale, die das Herz weit werden lassen, die Ideale des Dienstes, die eure Talente fruchtbar machen werden. Das Leben ist uns nicht geschenkt worden, damit wir es eifersüchtig für uns selbst bewahren, sondern es ist uns geschenkt worden, damit wir es hingeben. Liebe Jugendliche, habt ein großes Herz! Habt keine Angst, von großen Dingen zu träumen!

Abschließend ein Wort zum Abschnitt über das Jüngste Gericht, in dem das zweite Kommen des Herrn beschrieben wird, wenn er alle Menschen, die Lebenden und die Toten, richten wird (vgl. Mt 25,31–46). Das Bild, das der Evangelist gebraucht, ist das des Hirten, der die Schafe von den Böcken scheidet. Zur Rechten werden jene versammelt, die nach dem Willen Gottes gehandelt haben und ihrem hungrigen, durstigen, fremden, nackten, kranken, gefangenen Nächsten zu Hilfe gekommen sind – ich habe »fremd« gesagt und denke an die vielen Fremden, die hier in der Diözese Rom sind: Was tun wir für sie? –, während zur Linken jene versammelt werden, die dem Nächsten nicht zu Hilfe gekommen sind. Das sagt uns, dass Gott uns nach der Liebe richten wird, danach, wie sehr wir ihn in unseren Brüdern geliebt haben, vor allem den Schwachen und Notleidenden. Sicher, wir müssen uns stets bewusst sein, dass wir gerechtfertigt sind, dass wir aus Gnade gerettet sind, durch einen unentgeltlichen Akt der Liebe Gottes, der uns stets zuvorkommt; aus uns selbst können wir nichts tun.

Der Glaube ist vor allem ein Geschenk, das wir empfangen haben. Aber um Früchte zu tragen, erfordert die Gnade Gottes immer unsere Offenheit gegenüber Gott, unsere freie und konkrete Antwort. Christus kommt, um uns die rettende Barmherzigkeit Gottes zu bringen. An uns ist es, uns ihm anzuvertrauen, dem Geschenk seiner Liebe mit einem guten Leben zu entsprechen, in dem unser Handeln vom Glauben und von der Liebe beseelt ist.

Liebe Brüder und Schwestern, der Blick auf das Jüngste Gericht darf uns keine Angst machen. Vielmehr sollte er uns anspornen, die Gegenwart besser zu leben. Mit Barmherzigkeit und Geduld schenkt Gott uns diese Zeit, damit wir täglich lernen, ihn in den Armen und Geringen zu erkennen, damit wir uns für das Gute einsetzen und wachsam sind im Gebet und in der Liebe. Möge der Herr uns am Ende unseres Lebens und der Geschichte als gute und treue Diener erkennen. Danke.


 Mittwoch, 1. Mai 2013

Liebe Brüder und Schwestern,
guten Tag!

Heute, am 1. Mai, feiern wir den hl. Josef den Arbeiter und beginnen den Monat, der traditionell der Gottesmutter Maria geweiht ist. In dieser unserer Begegnung möchte ich also bei diesen beiden Gestalten verweilen, die so wichtig sind im Leben Jesu, der Kirche und in unserem Leben, mit zwei kurzen Gedanken: dem ersten über die Arbeit, dem zweiten über die Betrachtung Jesu.

1. Im Evangelium des hl. Matthäus, in einem der Augenblicke, in denen Jesus in seine Heimat, nach Nazaret, zurückkehrt, wo er in der Synagoge spricht, wird das Staunen seiner Landsleute über seine Weisheit unterstrichen sowie die Frage, die sie sich stellen: »Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns?« (13,55). Jesus tritt in unsere Geschichte ein, er kommt zu uns, wird aus Maria geboren – durch das Wirken Gottes, aber mit der Gegenwart des hl. Josef, des Nährvaters, der ihn behütet und ihn auch sein Handwerk lehrt. Jesus wird in eine Familie, die Heilige Familie, hineingeboren und wächst in ihr auf. Er lernt vom hl. Josef den Beruf des Zimmermanns, in der Werkstatt von Nazaret, und teilt mit ihm die Arbeit, die Mühe, die Freude und auch die Schwierigkeiten des Alltags.

Das ruft uns die Würde und die Bedeutung der Arbeit ins Gedächtnis. Das Buch Genesis berichtet, dass Gott den Mann und die Frau geschaffen und ihnen die Aufgabe anvertraut hat, die Erde zu bevölkern und sie sich zu unterwerfen, was nicht bedeutet, sie auszubeuten, sondern sie zu bebauen und zu hüten, durch das eigene Werk für sie Sorge zu tragen (vgl. Gen 1,28; 2,15). Die Arbeit gehört zum Plan der Liebe Gottes; wir sind aufgerufen, alle Güter der Schöpfung zu pflegen und zu hüten, und auf diese Weise nehmen wir teil am Werk der Schöpfung! Die Arbeit ist ein wesentliches Element für die Würde einer Person. Die Arbeit, um ein Bild zu gebrauchen, »salbt« uns mit Würde, erfüllt uns mit Würde; sie macht uns Gott ähnlich, der gewirkt hat und wirkt, der immer am Werk ist (vgl. Joh 5,17); sie verleiht die Fähigkeit, für den eigenen Unterhalt und den seiner Familie zu sorgen, zum Wachstum der eigenen Nation beizutragen. Und hier denke ich an die Schwierigkeiten, denen die Welt der Arbeit und der Unternehmen in verschiedenen Ländern heute gegenübersteht; ich denke an jene – nicht nur junge – Menschen, die arbeitslos sind, oft aufgrund einer ökonomistischen Auffassung von der Gesellschaft, die nach egoistischem Profit strebt, außerhalb der Kriterien sozialer Gerechtigkeit.

Ich möchte alle zur Solidarität einladen und die öffentlichen Verantwortungsträger ermutigen, keine Mühe zu scheuen, der Beschäftigung neuen Aufschwung zu geben. Das bedeutet, sich um die Würde der Person zu kümmern. Vor allem aber möchte ich dazu aufrufen, nicht die Hoffnung zu verlieren; auch der hl. Josef hatte schwierige Augenblicke, aber er hat nie das Vertrauen verloren und hat sie überwinden können, in der Gewissheit, dass Gott uns nicht verlässt. Und dann möchte ich mich besonders an euch Jungen und Mädchen, an euch Jugendliche wenden: Engagiert euch in eurer täglichen Pflicht, beim Studium, bei der Arbeit, in den freundschaftlichen Beziehungen, bei der Unterstützung anderer; eure Zukunft hängt auch davon ab, wie ihr diese wertvollen Jahre des Lebens zu leben wisst. Habt keine Angst vor dem Einsatz, dem Opfer, und blickt der Zukunft nicht ängstlich entgegen; haltet die Hoffnung lebendig: Es gibt immer ein Licht am Horizont. Ich füge ein Wort hinzu über eine weitere besondere Situation der Arbeit, die mir Sorge bereitet. Ich meine das, was wir als »Sklavenarbeit« bezeichnen könnten: Arbeit, die versklavt. Wie viele Menschen auf der ganzen Welt sind Opfer dieser Art von Sklaverei, in der die Person der Arbeit dient, während es die Arbeit sein muss, die den Personen einen Dienst erweist, um ihnen Würde zu verleihen. Ich bitte die Brüder und Schwestern im Glauben sowie alle Männer und Frauen guten Willens um einen entschiedenen Einsatz gegen den Menschenhandel, zu dem auch die »Sklavenarbeit« gehört.

2. Kurz zum zweiten Gedanken. In der Stille des täglichen Tuns hat Josef, zusammen mit Maria, nur eine gemeinsame Mitte der Aufmerksamkeit: Jesus. Sie begleiten und behüten mühevoll und zärtlich das Heranwachsen des Sohnes Gottes, der für uns Mensch geworden ist, und denken über alles nach, was geschieht. In den Evangelien hebt der hl. Lukas zweimal die Haltung Marias hervor, die auch die des hl. Josef ist: Sie »bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach« (2,19.51). Um den Herrn zu hören, muss man lernen, ihn zu betrachten, seine beständige Gegenwart in unserem Leben wahrzunehmen; muss man innehalten, um mit ihm zu sprechen, ihm durch das Gebet Raum geben. Jeder von uns – auch ihr Jungen und Mädchen, ihr Jugendlichen, die ihr an diesem Vormittag so zahlreich hier versammelt seid, –sollte sich fragen: Welchen Raum gebe ich dem Herrn? Halte ich inne, um mit ihm zu sprechen? Von klein auf haben unsere Eltern uns die Gewohnheit vermittelt, den Tag mit einem Gebet zu beginnen und zu enden, damit wir lernen zu spüren, dass die Freundschaft und die Liebe Gottes uns begleiten. Wir wollen in unserem Tageslauf mehr an den Herrn denken!

Und jetzt im Monat Mai möchte ich die Bedeutung und die Schönheit des Rosenkranzgebetes in Erinnerung rufen. Durch das Beten des »Ave Maria« werden wir dahin geführt, die Geheimnisse Jesu zu betrachten, also über die zentralen Augenblicke seines Lebens nachzudenken, damit er, wie für Maria und für den hl. Josef, die Mitte unseres Denkens, unserer Aufmerksamkeit und unseres Handelns sein kann. Es wäre schön, wenn wir vor allem jetzt im Monat Mai gemeinsam in der Familie, mit Freunden, in der Pfarrgemeinde den heiligen Rosenkranz beten oder ein Gebet an Jesus und an die Jungfrau Maria richten würden! Das gemeinsame Gebet ist ein kostbarer Augenblick, um das Familienleben, die Freundschaft noch stärker zu machen! Wir wollen lernen, mehr in der Familie und als Familie zu beten!

Liebe Brüder und Schwestern, bitten wir den hl. Josef und die Jungfrau Maria, dass sie uns lehren mögen, unseren täglichen Verpflichtungen treu zu sein, unseren Glauben im Alltag zu leben und dem Herrn in unserem Leben mehr Raum zu geben und innezuhalten, um sein Antlitz zu betrachten. Danke.


Mittwoch, 8. Mai 2013

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die Osterzeit, die wir mit Freude leben, geleitet von der Liturgie der Kirche, ist die Zeit des Heiligen Geistes schlechthin, der vom gekreuzigten und auferstandenen Jesus »unbegrenzt« gegeben wird (vgl. Joh 3,34). Diese Zeit der Gnade schließt mit dem Pfingstfest, in der die Kirche die Ausgießung des Heiligen Geistes auf Maria und die Apostel, die im Abendmahlssaal im Gebet verweilen, neu durchlebt.

Wer aber ist der Heilige Geist? Im Credo bekennen wir gläubig: »Ich glaube an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht.« Die erste Wahrheit, der wir im Credo zustimmen, ist: Der Heilige Geist ist »Kyrios«, Herr. Das bedeutet, dass er wirklich Gott ist, wie der Vater und der Sohn es sind, dass ihm unsererseits dieselbe Anbetung und Verherrlichung zukommt wie dem Vater und dem Sohn. Denn der Heilige Geist ist die dritte Person der heiligsten Dreifaltigkeit; er ist die große Gabe des auferstandenen Christus, der unseren Verstand und unser Herz für den Glauben an Jesus als den vom Vater gesandten Sohn öffnet, der uns zur Freundschaft, zur Gemeinschaft mit Gott führt.

Ich möchte aber vor allem bei der Tatsache verweilen, dass der Heilige Geist die unerschöpfliche Quelle des Lebens Gottes in uns ist. Der Mensch aller Orte und Zeiten sehnt sich nach einem erfüllten und schönen, gerechten und guten Leben, nach einem Leben, das nicht vom Tod bedroht ist, sondern das bis zu seiner Fülle reifen und wachsen kann. Der Mensch ist wie ein Wanderer, der die Wüsten des Lebens durchquert und nach lebendigem, sprudelndem und frischem Wasser dürstet, das in der Lage ist, sein tiefes Verlangen nach Licht, nach Liebe, nach Schönheit und nach Frieden zu stillen. Alle verspüren wir dieses Verlangen! Und Jesus schenkt uns dieses lebendige Wasser: Es ist der Heilige Geist, der aus dem Vater hervorgeht und den Jesus in unsere Herzen ausgießt. »Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben«, sagt uns Jesus (Joh 10,10).

Jesus verspricht der Samariterin, allen in Überfülle und für immer (vgl. Joh 4,5–26; 3,17) »lebendiges Wasser« zu schenken, die ihn als den Sohn erkennen, der vom Vater gesandt ist, um uns zu retten. Jesus ist gekommen, um uns dieses »lebendige Wasser« zu schenken, das der Heilige Geist ist, damit unser Leben von Gott geleitet wird, von Gott beseelt wird, von Gott genährt wird. Wenn wir sagen, dass der Christ ein geistlicher Mensch ist, dann meinen wir genau das: Der Christ ist eine Person, die gottgemäß, dem Heiligen Geist gemäß denkt und handelt. Ich frage mich jedoch: Und wir, denken wir gottgemäß, handeln wir gottgemäß? Oder lassen wir uns von anderen Dingen leiten, die nicht wirklich Gott sind? Jeder von uns muss in der Tiefe seines Herzens darauf antworten.

An diesem Punkt können wir uns fragen: Warum kann dieses Wasser unseren Durst bis ins Tiefste stillen? Wir wissen, dass das Wasser wesentlich ist für das Leben; ohne Wasser stirbt man; es stillt den Durst, reinigt, macht die Erde fruchtbar. Im Brief an die Römer finden wir dieses Wort: »Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.« Das »lebendige Wasser«, der Heilige Geist, Gabe des Auferstandenen, der in uns seine Wohnung nimmt, reinigt uns, erleuchtet uns, erneuert uns, verwandelt uns, denn es schenkt uns Anteil am Leben Gottes, der die Liebe ist. Daher sagt der Apostel Paulus, dass das Leben des Christen vom Heiligen Geist und seinen Früchten beseelt ist: »Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung« (Gal 5,22–23). Der Heilige Geist führt uns in das göttliche Leben ein als »Söhne im eingeborenen Sohn«. In einem anderen Abschnitt des Briefes an die Römer, den wir mehrmals in Erinnerung gerufen haben, fasst der hl. Paulus dies mit den folgenden Worten zusammen: »Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes. Denn ihr … habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden « (8,14–17). Das ist die kostbare Gabe, die der Heilige Geist in unsere Herzen bringt: das Leben Gottes, das Leben wahrer Kinder, ein Verhältnis der Vertrautheit, der Freiheit und des Vertrauens auf die Liebe und auf die Barmherzigkeit Gottes, das als Auswirkung auch einen neuen Blick auf die anderen hat, die Nahen und die Fernen, die stets als Brüder und Schwestern in Jesus gesehen werden, die geachtet und geliebt werden müssen.

Der Heilige Geist lehrt uns, mit den Augen Christi zu schauen, das Leben zu leben, wie Christus es gelebt hat; das Leben so zu verstehen, wie Christus es verstanden hat. Daher stillt das lebendige Wasser, das der Heilige Geist ist, den Durst unseres Lebens, weil es uns sagt, dass wir von Gott als Kinder geliebt werden, dass wir Gott als seine Kinder lieben können und dass wir mit seiner Gnade als Kinder Gottes leben können, wie Jesus. Und wir, hören wir auf den Heiligen Geist? Was sagt uns der Heilige Geist? Er sagt: Gott liebt dich. Das sagt er uns. Gott liebt dich, Gott hat dich lieb. Lieben wir Gott und die anderen wirklich, wie Jesus? Lassen wir uns vom Heiligen Geist leiten, lassen wir ihn zu unserem Herzen sprechen und ihn dies zu uns sagen: dass Gott die Liebe ist, dass Gott auf uns wartet, dass Gott der Vater ist, dass er uns liebt wie ein echter Vater, dass er uns wirklich liebt. Und das sagt nur der Heilige Geist dem Herzen. Hören wir den Heiligen Geist, hören wir auf den Heiligen Geist, und gehen wir voran auf diesem Weg der Liebe, der Barmherzigkeit und der Vergebung. Danke.


Mittwoch, 15. Mai 2013

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute möchte ich über das Wirken des Heiligen Geistes sprechen, der die Kirche und einen jeden von uns zur Wahrheit führt. Jesus selbst sagt zu den Jüngern: Der Heilige Geist »wird euch in die ganze Wahrheit führen« (Joh 16,13), da er »der Geist der Wahrheit« ist (vgl. Joh 14,17; 15,26; 16,13).

Wir leben in einer Zeit, in der man gegenüber der Wahrheit ziemlich skeptisch ist. Benedikt XVI. hat oft von Relativismus gesprochen, also von der Tendenz zu glauben, es gäbe nichts Endgültiges, und zu meinen, die Wahrheit käme aus der Übereinkunft oder aus dem, was wir wollen. Es kommt die Frage auf: Gibt es »die« Wahrheit wirklich? Was ist »die« Wahrheit? Können wir sie erkennen? Können wir sie finden? Hier kommt mir die Frage des römischen Statthalters Pontius Pilatus in den Sinn, als Jesus ihm den tiefen Sinn seiner Sendung offenbart: »Was ist Wahrheit?« (Joh 18,37.38). Pilatus kann nicht verstehen, dass »die« Wahrheit vor ihm steht, er kann in Jesus nicht das Antlitz der Wahrheit sehen, das Antlitz Gottes. Und dennoch ist Jesus genau das: Die Wahrheit, die in der Fülle der Zeit »Fleisch geworden« ist (Joh 1,14), ist zu uns gekommen, damit wir sie erkennen. Die Wahrheit begreift man nicht wie eine Sache, der Wahrheit begegnet man. Sie ist kein Besitz, sie ist eine Begegnung mit einer Person.

Wer aber lässt uns erkennen, dass Jesus »das« Wort der Wahrheit ist, der eingeborene Sohn Gottes, des Vaters? Der hl. Paulus lehrt: »Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet« (1 Kor 12,3). Der Heilige Geist, die Gabe des auferstandenen Herrn, lässt uns die Wahrheit erkennen. Jesus bezeichnet ihn als den »Parakleten«, also als denjenigen, der »uns zu Hilfe kommt«, der uns zur Seite steht, um uns auf diesem Weg der Erkenntnis zu stützen; und beim Letzten Abendmahl versichert Jesus den Jüngern, dass der Heilige Geist sie alles lehren und sie an seine Worte erinnern wird (vgl. Joh 14,26).

Wie also wirkt der Heilige Geist in unserem Leben und im Leben der Kirche, um uns zur Wahrheit zu führen? Vor allem erinnert er an die Worte, die Jesus gesagt hat, und prägt sie in die Herzen der Gläubigen ein, und eben durch diese Worte wird Gottes Gesetz – wie die Propheten des Altes Testaments angekündigt hatten – in unser Herz eingeschrieben und wird in uns zum Beurteilungsprinzip in den Entscheidungen und zur Leitlinie im täglichen Handeln, wird es zum Lebensprinzip.

Es erfüllt sich die große Prophezeiung des Ezechiel: »Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen. Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch … Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, dass ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt« (36,25–27). Denn unser Handeln kommt aus unserem Inneren: Das Herz muss sich zu Gott bekehren, und der Heilige Geist verwandelt es, wenn wir uns ihm öffnen. Dann führt uns der Heilige Geist, wie Jesus verheißt, »in die ganze Wahrheit« (Joh 16,3); er führt uns nicht nur hin zur Begegnung mit Jesus, der Fülle der Wahrheit, sondern er führt uns auch »in« die Wahrheit hinein, er lässt uns also in eine immer tiefere Gemeinschaft mit Jesus eintreten und schenkt uns das Verständnis der Dinge Gottes. Und dieses können wir nicht aus eigener Kraft erlangen.

Wenn Gott uns nicht innerlich erleuchtet, ist unser Christsein oberflächlich. Die Überlieferung der Kirche sagt, dass der Geist der Wahrheit in unserem Herzen wirkt und jenen »Glaubenssinn« (»sensus fidei«) hervorbringt, durch den das Gottesvolk, wie das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigt, unter der Leitung des Lehramts den übergebenen Glauben unverlierbar festhält, mit rechtem Urteil immer tiefer darin eindringt und ihn im Leben voller anwendet (vgl. Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 12). Versuchen wir, uns zu fragen: Bin ich offen für das Wirken des Heiligen Geistes, bete ich zu ihm, auf dass er mir Licht schenke, mich empfänglicher mache für die Dinge Gottes? Dieses Gebet müssen wir jeden Tag sprechen: »Heiliger Geist, lass mein Herz offen sein für das Wort Gottes, lass mein Herz offen sein für das Gute, lass mein Herz jeden Tag offen sein für die Schönheit Gottes.« Ich möchte allen eine Frage stellen: Wie viele von euch beten täglich zum Heiligen Geist? Es werden wenige sein, aber wir müssen diesen Wunsch Jesu erfüllen und jeden Tag zum Heiligen Geist beten, auf dass er uns das Herz für Jesus öffnen möge. Denken wir an Maria: Sie »bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach« (Lk 2,19.51). Die Annahme der Worte und der Wahrheiten des Glaubens verwirklicht sich und wächst, damit diese Leben werden, unter dem Wirken des Heiligen Geistes. In diesem Sinne müssen wir von Maria lernen, müssen ihr »Ja« erneut leben, ihre völlige Bereitschaft, den Sohn Gottes in ihr Leben aufzunehmen, das von jenem Augenblick an verwandelt wird. Durch den Heiligen Geist nehmen der Vater und der Sohn in uns Wohnung: Wir leben in Gott und aus Gott. Aber ist unser Leben wirklich von Gott beseelt? Wie viele Dinge ziehe ich Gott vor?

Liebe Brüder und Schwestern, wir müssen uns vom Licht des Heiligen Geistes durchfluten lassen, damit er uns in die Wahrheit Gottes führt, der der einzige Herr unseres Lebens ist. In diesem Jahr des Glaubens wollen wir uns fragen, ob wir irgendeinen konkreten Schritt getan haben, um Christus und die Glaubenswahrheiten besser kennenzulernen, indem wir die Heilige Schrift lesen und betrachten, den Katechismus studieren, regelmäßig die Sakramente empfangen. Gleichzeitig wollen wir uns jedoch fragen, welche Schritte wir tun, damit der Glaube unserem ganzen Dasein Orientierung gebe. Christ ist man nicht »auf Zeit«, nur in einigen Augenblicken, unter einigen Umständen, bei einigen Entscheidungen.

So kann man nicht Christ sein, Christ ist man in jedem Augenblick! Ganz! Die Wahrheit Christi, die der Heilige Geist uns lehrt und schenkt, betrifft unser tägliches Leben für immer und in vollem Umfang. Wir wollen öfter zu ihm beten, damit er uns auf dem Weg der Jünger Christi leite. Wir wollen jeden Tag zu ihm beten. Ich mache euch diesen Vorschlag: Beten wir jeden Tag zum Heiligen Geist, so wird der Heilige Geist uns Christus näher bringen.


 Mittwoch, 22. Mai 2013

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Im Credo sprechen wir, gleich nachdem wir den Glauben an den Heiligen Geist bekannt haben: Ich glaube »an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche«. Es besteht eine enge Verbindung zwischen diesen beiden Wirklichkeiten des Glaubens: Denn der Heilige Geist macht die Kirche lebendig, leitet ihre Schritte. Ohne die Gegenwart und das unablässige Wirken des Heiligen Geistes könnte die Kirche nicht leben und nicht die Aufgabe erfüllen, die der auferstandene Jesus ihr anvertraut hat: zu allen Völkern zu gehen und alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen (vgl. Mt 28,19). Evangelisieren ist die Sendung der Kirche, nicht nur einiger Menschen, sondern meine, deine, unsere Sendung. Der Apostel Paulus rief aus: »Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9,16). Jeder muss Evangelisierer sein, vor allem mit dem Leben! Paul VI. hob hervor: »Evangelisieren ist … die Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität. Sie ist da, um zu evangelisieren« (Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 14).

Wer ist die wahre Triebkraft der Evangelisierung in unserem Leben und in der Kirche? Paul VI. schrieb ganz deutlich: Er, der Heilige Geist, »ist derjenige, der heute wie in den Anfängen der Kirche in all jenen am Werk ist, die das Evangelium verkünden und sich von ihm ergreifen und führen lassen; er legt ihnen Worte in den Mund, die sie allein niemals finden könnten, und bereitet zugleich die Seele des Hörers auf den Empfang der Frohbotschaft und der Verkündigung des Gottesreiches vor« (ebd., 75). Um zu evangelisieren ist es also wiederum notwendig, sich dem Horizont des Geistes Gottes zu öffnen, ohne Angst zu haben vor dem, worum er uns bitten und wohin er uns führen mag. Vertrauen wir uns ihm an! Er wird uns befähigen, unseren Glauben zu leben und zu bezeugen, und er wird das Herz derer erleuchten, denen wir begegnen. Das war die Erfahrung von Pfingsten: Den Aposteln, die zusammen mit Maria im Abendmahlssaal vereint waren, »erschienen … Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab« (Apg 2,3–4). Als der Heilige Geist auf die Apostel herabkommt, lässt er sie herausgehen aus dem Raum, in dem sie sich aus Furcht eingeschlossen hatten, er lässt sie aus sich selbst herausgehen, und er verwandelt sie in Verkündiger und Zeugen von »Gottes großen Taten« (V. 11). Und diese vom Heiligen Geist gewirkte Verwandlung spiegelt sich in der Menge wider, die »aus allen Völkern unter dem Himmel« (V. 5) zusammengeströmt ist, damit jeder die Worte der Apostel hört, als seien sie in der eigenen Sprache gesprochen worden (vgl. V. 6).

Hier haben wir eine erste wichtige Wirkung des Handelns des Heiligen Geistes, der die Verkündigung des Evangeliums leitet und beseelt: die Einheit, die Gemeinschaft. In Babel hatte, dem biblischen Bericht zufolge, die Zerstreuung der Völker und die Verwirrung der Sprachen begonnen, Frucht der Geste des Hochmuts und des Stolzes des Menschen, der nur aus eigenen Kräften und ohne Gott »eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis zum Himmel« bauen wollte (Gen 11,4). An Pfingsten werden diese Spaltungen überwunden. Es gibt keinen Hochmut gegenüber Gott mehr, und auch nicht die Verschlossenheit der einen gegenüber den anderen, sondern es gibt die Öffnung für Gott, es gibt das Herausgehen, um sein Wort zu verkündigen: eine neue Sprache, die Sprache der Liebe, die der Heilige Geist in die Herzen ausgießt (vgl. Röm 5,5); eine Sprache, die alle verstehen können, und die, wenn sie angenommen wird, in jedem Leben und in jeder Kultur zum Ausdruck gebracht werden kann. Die Sprache des Geistes, die Sprache des Evangeliums ist die Sprache der Gemeinschaft, die dazu einlädt, Verschlossenheit und Gleichgültigkeit, Spaltungen und Gegensätze zu überwinden. Wir alle sollten uns fragen: Wie lasse ich mich vom Heiligen Geist führen, so dass mein Leben und mein Glaubenszeugnis Einheit und Gemeinschaft zum Ausdruck bringt? Bringe ich das Wort der Versöhnung und der Liebe, die das Evangelium ist, in das Umfeld, in dem ich lebe? Manchmal scheint sich heute das zu wiederholen, was in Babel geschehen ist: Spaltungen, Unfähigkeit, einander zu verstehen, Konkurrenzdenken, Neid, Egoismus. Was tue ich mit meinem Leben? Schaffe ich Einheit um mich herum? Oder spalte ich, durch Geschwätz, Kritik, Neid? Was tue ich? Denken wir darüber nach. Das Evangelium bringen bedeutet, dass wir als Erste die Versöhnung, die Vergebung, den Frieden, die Einheit und die Liebe leben, die der Heilige Geist uns schenkt. Erinnern wir uns an die Worte Jesu: »Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt« (Joh 13,35).

Ein zweites Element: Am Pfingsttag tritt Petrus auf »zusammen mit den Elf«, er erhebt »seine Stimme« (Apg 2,14) und verkündigt »freimütig« (V. 29) die gute Nachricht von Jesus, der sein Leben hingegeben hat für unser Heil und den Gott von den Toten auferweckt hat. Das ist eine weitere Wirkung des Geisteshandelns: der Mut, allen mit Freimut (»parrhesia«) die Neuheit des Evangeliums Jesu zu verkündigen, mit lauter Stimme, zu jeder Zeit und an jedem Ort. Und das geschieht auch heute für die Kirche und für jeden von uns: Das Feuer von Pfingsten, das Wirken des Heiligen Geistes setzt immer neue Kräfte für die Mission frei, neue Wege zur Verkündigung der Heilsbotschaft, neuen Mut zum Evangelisieren. Verschließen wir uns nie diesem Wirken! Leben wir das Evangelium mit Demut und Mut. Bezeugen wir die Neuheit, die Hoffnung, die Freude, die der Herr ins Leben bringt. Spüren wir in uns »die innere und tröstliche Freude der Verkündigung des Evangeliums« (Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 80). Denn Evangelisieren, Jesus verkündigen schenkt uns Freude; der Egoismus hingegen bewirkt Bitterkeit, Traurigkeit, er drückt uns nieder; Evangelisieren richtet uns auf.

Ich erwähne nur kurz ein drittes Element, das jedoch besonders wichtig ist: Eine Neuevangelisierung, eine evangelisierende Kirche muss immer beim Gebet beginnen, beim Bitten um das Feuer des Heiligen Geistes, so wie es die Apostel im Abendmahlssaal getan haben. Nur die treue und tiefe Beziehung zu Gott gestattet es, aus der eigenen Verschlossenheit herauszukommen und das Evangelium mit Freimut zu verkündigen. Ohne das Gebet wird unser Handeln leer und hat unser Verkündigen keine Seele, ist es nicht vom Geist beseelt.

Liebe Freunde, wie Benedikt XVI. gesagt hat, spürt die Kirche heute »in erster Linie das Wehen des Heiligen Geistes, der uns hilft und uns den rechten Weg weist; und so sind wir […] mit neuem Enthusiasmus auf dem Weg und danken dem Herrn« (Grußworte an die Ordentliche Versammlung der Bischofssynode, 27. Oktober 2012; in O.R. dt., Nr. 45, 9.11.2012, S. 17). Wir wollen jeden Tag das Vertrauen in das Wirken des Heiligen Geistes erneuern, das Vertrauen, dass er in uns wirkt, dass er in uns ist, uns den apostolischen Eifer schenkt, uns den Frieden schenkt, uns die Freude schenkt. Lassen wir uns von ihm leiten, seien wir Männer und Frauen des Gebets, die mutig das Evangelium bezeugen, indem wir in unserer Welt zu Werkzeugen der Einheit und der Gemeinschaft mit Gott werden. Danke.


Mittwoch, 29. Mai 2013

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Letzten Mittwoch habe ich die enge Verbindung zwischen dem Heiligen Geist und der Kirche hervorgehoben. Heute möchte ich einige Katechesen über das Geheimnis der Kirche beginnen, ein Geheimnis, das wir alle leben und dessen Teil wir sind. Ich möchte das mit Worten tun, die in den Texten des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils enthalten sind. Heute das erste: die Kirche als Familie Gottes. In diesen Monaten habe ich mehr als einmal Bezug genommen auf das Gleichnis vom verlorenen Sohn oder besser gesagt vom barmherzigen Vater (vgl. Lk 15,11–32). Der jüngere Sohn verlässt das Haus des Vaters, verschleudert alles und beschließt zurückzukehren, denn er merkt, dass er einen Fehler gemacht hat, hält sich aber nicht mehr für wert, Sohn zu sein, und meint, als Tagelöhner wieder aufgenommen werden zu können. Der Vater jedoch läuft ihm entgegen, umarmt ihn, gibt ihm die Sohneswürde zurück und feiert ein Fest. Dieses Gleichnis, wie andere im Evangelium, zeigt sehr gut den Plan Gottes für die Menschheit.

Worin besteht dieser Plan Gottes? Er besteht darin, uns alle zu einer einzigen Familie seiner Kinder zu machen, in der ein jeder spürt, dass Gott nahe ist, und sich von ihm geliebt fühlt, wie im Gleichnis des Evangeliums, in der jeder die Wärme spürt, Familie Gottes zu sein. In diesem großen Plan wurzelt die Kirche, die keine aus der Übereinkunft einiger Personen hervorgegangene Organisation ist. Sondern sie ist – wie Papst Benedikt XVI. uns oft in Erinnerung gerufen hat – das Werk Gottes, sie geht aus eben diesem Liebesplan hervor, der in der Geschichte allmählich verwirklicht wird.

Die Kirche geht hervor aus dem Wunsch Gottes, alle Menschen zur Gemeinschaft mit sich zu rufen, in seine Freundschaft, ja sogar als seine Kinder an seinem göttlichen Leben teilzuhaben. Schon das Wort »Kirche«, vom griechischen »ekklesia «, bedeutet »Versammlung«: Gott ruft uns zusammen, er spornt uns an, aus dem Individualismus heraus zu kommen, aus der Tendenz, sich in sich selbst zu verschließen, und ruft uns, Teil seiner Familie zu sein. Und dieser Ruf hat seinen Ursprung in der Schöpfung selbst. Gott hat uns geschaffen, damit wir in einer Beziehung enger Freundschaft zu ihm leben, und auch als die Sünde diese Beziehung zu ihm, zu den anderen und zur Schöpfung zerstört hat, hat Gott uns nicht verlassen. Die ganze Heilsgeschichte ist die Geschichte Gottes, der den Menschen sucht, ihm seine Liebe anbietet, ihn annimmt. Er hat Abraham zum »Stammvater einer Menge« bestimmt, er hat das Volk Israel auserwählt, um mit ihm einen Bund zu schließen, der alle Völker umfasst, und in der Fülle der Zeit hat er seinen Sohn gesandt, damit sein Liebesplan in einem neuen und ewigen Bund mit der ganzen Menschheit verwirklicht wird. Wenn wir die Evangelien lesen, dann sehen wir, dass Jesus eine kleine Gemeinschaft um sich versammelt, die sein Wort annimmt, ihm nachfolgt, seinen Weg teilt, zu seiner Familie wird, und mit dieser Gemeinschaft bereitet er seine Kirche vor und baut sie auf.

Woraus geht also die Kirche hervor? Sie geht aus der erhabenen Geste der Liebe Christi am Kreuz hervor, aus der geöffneten Seite Jesu, aus der Blut und Wasser fließen, Symbol der Sakramente der Eucharistie und der Taufe. In der Familie Gottes, in der Kirche, ist die Lebenskraft die Liebe Gottes, die umgesetzt wird in der Liebe zu ihm und zu den anderen, zu allen, ohne Unterschiede und Maß. Die Kirche ist eine Familie, in der man liebt und geliebt wird.

Wann offenbart sich die Kirche? Wir haben es am vorletzten Sonntag gefeiert; sie offenbart sich, als die Gabe des Heiligen Geistes das Herz der Apostel erfüllt und sie anspornt, hinauszugehen und den Weg zur Verkündigung des Evangeliums zu beginnen, die Liebe Gottes zu verbreiten. Auch heute noch sagen einige: »Christus ja, die Kirche nein.« Wie jene, die sagen: »Ich glaube an Gott, aber nicht an die Priester.« Aber eben gerade die Kirche ist es, die uns Christus bringt und uns zu Gott bringt; die Kirche ist die große Familie der Kinder Gottes. Gewiss hat sie auch menschliche Aspekte. Bei jenen, aus denen sie sich zusammensetzt, Hirten und Gläubigen, gibt es Fehler, Unvollkommenheiten, Sünden – auch der Papst hat sie, und zwar viele–, aber das Schöne ist: Wenn wir merken, dass wir Sünder sind, finden wir die Barmherzigkeit Gottes, der immer vergibt. Vergesst das nicht: Gott vergibt immer und nimmt uns in seiner verzeihenden und barmherzigen Liebe an. Einige sagen, die Sünde ist eine Beleidigung Gottes, aber auch eine Gelegenheit zur Demut, um wahrzunehmen, dass es noch etwas Anderes, etwas Schöneres gibt: die Barmherzigkeit Gottes. Denken wir daran. Wir wollen uns heute fragen: Wie sehr liebe ich die Kirche? Bete ich für sie? Fühle ich mich als Teil der Familie der Kirche? Was tue ich, damit sie eine Gemeinschaft ist, in der jeder sich angenommen und verstanden fühlt, die Barmherzigkeit und die Liebe Gottes spürt, die das Leben erneuert? Der Glaube ist ein Geschenk und ein Akt, der uns persönlich betrifft, aber Gott ruft uns auf, unseren Glauben gemeinsam zu leben, als Familie, als Kirche.

Bitten wir den Herrn, ganz besonders jetzt im Jahr des Glaubens, dass unsere Gemeinschaften, die ganze Kirche immer mehr wahre Familien sein mögen, die leben und die Wärme Gottes bringen.


Mittwoch, 5. Juni 2013

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute möchte ich über das Thema Umwelt sprechen, wozu ich bereits mehrmals Gelegenheit hatte. Das legt mir auch der heutige Weltumwelttag nahe, der von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde und der nachdrücklich an die Notwendigkeit appelliert, der Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln Einhalt zu gebieten. Wenn von Umwelt, von der Schöpfung, die Rede ist, dann gehen meine Gedanken zu den ersten Seiten der Bibel, zum Buch Genesis, wo es heißt, dass Gott den Mann und die Frau auf die Erde stellt, damit sie sie bebauen und hüten (vgl. 2,15). Und mir kommen die Fragen: Was bedeutet es, die Erde zu bebauen und zu hüten? Bebauen und hüten wir die Schöpfung wirklich? Oder vernachlässigen wir sie und beuten sie aus?

Beim Verb »bebauen« kommt mir die Sorgfalt in den Sinn, mit der der Landwirt seinen Acker bestellt, damit er Frucht trägt und diese Frucht geteilt werden kann: wie viel Fürsorge, Leidenschaft und Hingabe! Die Schöpfung bebauen und hüten: Diese Weisung gab Gott nicht nur am Anfang der Geschichte, sondern sie gilt einem jeden von uns. Sie gehört zu seinem Plan; es bedeutet, die Welt verantwortungsvoll wachsen zu lassen, sie in einen Garten zu verwandeln, in einen bewohnbaren Ort für alle. Benedikt XVI. hat uns oft daran erinnert, dass diese Aufgabe, die Gott, der Schöpfer, uns anvertraut hat, es verlangt, den Rhythmus und die Logik der Schöpfung zu verstehen. Wir dagegen sind oft vom Hochmut des Herrschens, des Besitzens, des Manipulierens, des Ausbeutens geleitet; wir »hüten« sie nicht, wir achten sie nicht, wir betrachten sie nicht als unentgeltliches Geschenk, für das wir Sorge tragen müssen. Wir verlieren die Haltung des Staunens, der Betrachtung, des Hörens auf die Schöpfung; und so können wir darin nicht mehr das erkennen, was Benedikt XVI. »den Rhythmus der Liebesgeschichte Gottes mit dem Menschen« nennt. Warum passiert das? Weil wir horizontal denken und leben, uns von Gott entfernt haben, seine Zeichen nicht erkennen.

Das »Bebauen und Hüten« umfasst jedoch nicht nur die Beziehung zwischen uns und der Umwelt, zwischen dem Menschen und der Schöpfung, sondern es betrifft auch die zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Päpste haben von der Ökologie des Menschen gesprochen, die eng mit der Ökologie der Umwelt verbunden ist. Wir durchleben gerade einem Augenblick der Krise; das sehen wir in der Umwelt, aber vor allem sehen wir es im Menschen. Der Mensch ist gefährdet: Das ist sicher, der Mensch ist heute gefährdet, daher die Dringlichkeit der Ökologie des Menschen! Und die Gefahr ist groß, denn die Ursache des Problems ist nicht oberflächlich, sondern sitzt tief: Es ist nicht nur eine Frage der Wirtschaft, sondern der Ethik und der Anthropologie. Die Kirche hat das oft hervorgehoben. Und viele sagen: Ja, das stimmt, das ist wahr…, aber das System geht weiter wie zuvor, denn was herrscht, sind die Dynamiken einer Wirtschaft und einer Finanz, denen es an Ethik mangelt. Heute gebietet nicht der Mensch, sondern das Geld, das Geld regiert. Und Gott, unser Vater, hat nicht dem Geld die Aufgabe erteilt, die Erde zu hüten, sondern uns: den Männern und Frauen.

Wir haben diese Aufgabe! Stattdessen werden Männer und Frauen den Götzen des Profits und des Konsums geopfert: Das ist die »Wegwerfkultur «. Wenn ein Computer kaputtgeht, ist es eine Tragödie, aber die Armut, die Nöte, die Dramen vieler Menschen werden am Ende zur Normalität. Wenn zum Beispiel in einer Winternacht, hier ganz in der Nähe, in der »Via Ottaviano«, ein Mensch stirbt, dann macht es keine Schlagzeilen. Wenn es in vielen Teilen der Welt Kinder gibt, die nichts zu essen haben, dann macht das keine Schlagzeilen, sondern scheint normal zu sein. Das darf nicht so sein! Und doch gehören diese Dinge zur Normalität: dass einige obdachlose Menschen auf der Straße erfrieren, macht keine Schlagzeilen. Ein Verlust von zehn Punkten an den Börsen einiger Städte dagegen stellt eine Tragödie dar. Einer, der stirbt, macht keine Schlagzeilen, wenn aber die Börsen um zehn Punkte fallen, ist es eine Tragödie! So werden Menschen weggeworfen als seien sie Abfall.

Diese »Wegwerfkultur« wird zur allgemeinen Denkweise, die alle ansteckt. Das menschliche Leben, der Mensch wird nicht mehr als oberster Wert empfunden, der geachtet und geschützt werden muss, besonders wenn er arm oder behindert ist, wenn er noch keinen Nutzen hat – wie das ungeborene Kind – oder wenn er keinen Nutzen mehr hat – wie der ältere Mensch. Diese Wegwerfkultur hat uns auch unempfindlich gemacht gegenüber der Verschwendung und dem Wegwerfen von Lebensmitteln, was noch verwerflicher ist, wenn leider überall auf der Welt viele Personen und Familien hungern und an Unterernährung leiden. Einst haben unsere Großeltern sehr darauf geachtet, keine übrig gebliebene Nahrung wegzuwerfen. Durch das Konsumdenken haben wir uns an den Überfluss und an die tägliche Verschwendung von Nahrung gewöhnt, der wir manchmal nicht mehr den richtigen Wert zuordnen können, der weit über wirtschaftliche Maßstäbe hinausgeht. Wir sollten jedoch stets daran denken, dass Nahrung, die weggeworfen wird, gleichsam vom Tisch des Armen, des Hungrigen geraubt wird! Ich lade alle ein, über das Problem des Verderbens und der Verschwendung von Nahrung nachzudenken, um Wege und Mittel zu finden, die, wenn man dieses Problem ernsthaft angeht, Ausdruck der Solidarität und des Teilens mit den Notleidenden sein sollen.

Vor wenigen Tagen, am Hochfest Fronleichnam, haben wir den Bericht über das Brotwunder gelesen: Jesus gibt der Menge zu essen mit fünf Broten und zwei Fischen. Und der Schluss des Abschnitts ist wichtig: »Alle aßen und wurden satt. Als man die übrig gebliebenen Brotstücke einsammelte, waren es zwölf Körbe voll« (Lk 9,17). Jesus bittet die Jünger, dass nichts verloren gehen möge: Nichts darf weggeworfen werden! Und da sind diese zwölf Körbe: warum zwölf? Was bedeutet das? Zwölf ist die Zahl der Stämme Israels, sie steht symbolisch für das ganze Volk. Und das sagt uns: Wenn die Nahrung gerecht geteilt wird, mit Solidarität, entbehrt niemand das Notwendigste, kann jede Gemeinschaft der Not der Armen entgegenkommen. Ökologie des Menschen und Ökologie der Umwelt gehen Hand in Hand.

Ich möchte also, dass wir alle uns ernsthaft bemühen, die Schöpfung zu achten und zu hüten, jedem Menschen Aufmerksamkeit zu schenken, der Kultur des Verschwendens und des Wegwerfens entgegenzuwirken, um eine Kultur der Solidarität und der Begegnung zu fördern. Danke.


Mittwoch, 12. Juni 2013

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute möchte ich kurz bei einem weiteren Begriff verweilen, mit dem das Zweite Vatikanische Konzil die Kirche beschreibt: bei dem Begriff »Volk Gottes« (vgl. Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 9; Katechismus der Katholischen Kirche, 782). Und ich tue das mit einigen Fragen, über die jeder nachdenken kann.

Was bedeutet es, »Volk Gottes« zu sein? Zunächst bedeutet es, dass Gott keinem Volk in eigener Weise gehört; denn er ist es, der uns ruft, uns beruft, uns einlädt, zu seinem Volk zu gehören, und diese Einladung ist an alle gerichtet, ohne Unterschied, denn Gottes Barmherzigkeit »will, dass alle Menschen gerettet werden« (1 Tim 2,4). Jesus sagt nicht zu den Aposteln und zu uns, dass wir eine exklusive Gruppe, eine Elite bilden sollen. Jesus sagt: Macht alle Völker zu meinen Jüngern (vgl. Mt 28,19). Der hl. Paulus sagt: Im Volk Gottes, in der Kirche, gibt es »nicht mehr Juden und Griechen… denn ihr seid alle ›einer‹ in Christus Jesus« (Gal 3,28). Auch dem, der sich fern von Gott und von der Kirche fühlt, der ängstlich oder gleichgültig ist, der meint, sich nicht mehr ändern zu können, möchte ich sagen: Der Herr ruft auch dich, zu seinem Volk zu  gehören, und er tut dies mit großer Achtung und Liebe! Er lädt uns ein, zu diesem Volk, zum Volk Gottes zu gehören.

Wie wird man zu Gliedern dieses Volkes? Nicht durch die physische Geburt, sondern durch eine neue Geburt. Im Evangelium sagt Jesus zu Nikodemus, dass man neu geboren werden muss, aus Wasser und aus Geist, um in das Reich Gottes zu kommen (vgl. Joh3,3–5). Durch die Taufe werden wir in dieses Volk eingegliedert, durch den Glauben an Christus: ein Geschenk Gottes, das genährt werden und dass in unserem ganzen Leben zum Wachsen gebracht werden muss. Wir wollen uns fragen: Wie lasse ich den Glauben wachsen, den ich in meiner Taufe empfangen habe? Wie lasse ich diesen Glauben wachsen, den ich empfangen habe und den das Volk Gottes besitzt?

Die nächste Frage. Welches ist das Gesetz des Volkes Gottes? Es ist das Gesetz der Liebe, Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten nach dem neuen Gebot, das der Herr uns gegeben hat (vgl. Joh 13,34). Eine Liebe jedoch, die keine unfruchtbare Sentimentalität oder etwas Vages ist, sondern bedeutet, Gott als einzigen Herrn des Lebens anzuerkennen und gleichzeitig den anderen als echten Bruder anzunehmen und Spaltungen, Feindschaften, Unverständnis, Egoismus zu überwinden; diese beiden Dinge gehören zusammen. Wie lang ist doch der Weg, den wir noch zurücklegen müssen, um dieses neue Gesetz, das Gesetz des Heiligen Geistes, der in uns wirkt, das Gesetz der Liebe konkret zu leben! Wenn wir in den Zeitungen oder im Fernsehen die vielen Kriege unter Christen sehen: Wie kann das nur geschehen? Wie viele Kriege gibt es im Volk Gottes! In den Stadtvierteln, an den Arbeitsplätzen, gibt es so viele Kriege aus Neid, aus Eifersucht!

Und wie viele Kriege gibt es auch im Inneren der Familie! Wir müssen den Herrn bitten, dass er uns dieses Gesetz der Liebe gut verstehen lässt. Wie schön ist es, einander zu lieben als echte Geschwister. Wie schön ist das! Wir wollen heute etwas tun. Wir alle haben wohl Sympathien und Antipathien; viele von uns sind vielleicht über einen anderen verärgert. Sagen wir also zum Herrn: Herr, ich bin verärgert über denjenigen oder diejenige; ich bitte dich für ihn und für sie. Für jene zu beten, über die wir verärgert sind, ist ein ganz schöner Schritt in diesem Gesetz der Liebe. Tun wir das? Tun wir es heute! Welche Sendung hat dieses Volk? Es hat die Sendung, die Hoffnung und das Heil Gottes in die Welt zu tragen; Zeichen der Liebe Gottes zu sein, der alle zur Freundschaft mit sich ruft; Sauerteig zu sein, der den ganzen Teig durchsäuert, Salz, das Geschmack gibt und das vor dem Verderben bewahrt; ein Licht zu sein, das erleuchtet. Um uns herum – es genügt, wie gesagt, eine Zeitung aufzuschlagen – sehen wir die Gegenwart des Bösen, sehen wir, dass der Teufel wirkt. Aber ich möchte mit lauter Stimme sagen: Gott ist stärker! Glaubt ihr das: dass Gott stärker ist? Wir wollen es alle sagen, wir wollen es alle zusammen sagen: Gott ist stärker! Und wisst ihr, warum er stärker ist? Weil er der Herr ist, der einzige Herr. Und ich möchte hinzufügen, dass die zuweilen dunkle, vom Bösen gezeichnete Wirklichkeit sich ändern kann, wenn wir als erste das Licht des Evangeliums dorthin bringen, vor allem durch unser Leben. Wenn in einem Stadion, – denken wir an das Olympiastadion hier in Rom oder an das Stadion »San Lorenzo« in Buenos Aires, – in einer dunklen Nacht ein Mensch ein Licht entzündet, dann sieht man es kaum, aber wenn jeder der über 70.000 Zuschauer das eigene Licht entzündet, dann wird das Stadion erleuchtet. Sorgen wir dafür, dass unser Leben ein Licht Christi ist; gemeinsam bringen wir der ganzen Wirklichkeit das Licht des Evangeliums.

Was ist die Bestimmung dieses Volkes? Die Bestimmung ist das Reich Gottes, das Gott selbst auf der Erde begonnen hat und das sich bis zur Vollendung entfalten muss, wenn Christus, unser Leben, erscheinen wird (vgl. Lumen gentium, 9). Die Bestimmung ist also die volle Gemeinschaft mit dem Herrn, die Vertrautheit mit dem Herrn, in sein göttliches Leben einzutreten, wo wir die Freude seiner grenzenlosen Liebe leben, eine vollkommene Freude.

Liebe Brüder und Schwestern, Kirche sein, Volk Gottes sein, nach dem großen Liebesplan des Vaters, bedeutet, der Sauerteig Gottes in unserer Menschheit zu sein. Es bedeutet, Gottes Heil zu verkünden und in unsere Welt zu tragen, die oft verloren ist, die Antworten braucht, die Mut machen, Hoffnung schenken, neue Kraft auf dem Weg schenken. Die Kirche möge Ort der Barmherzigkeit und der Hoffnung Gottes sein, wo jeder spüren kann, dass er angenommen und geliebt ist, dass ihm vergeben wurde, und er sich ermutigt fühlt, dem guten Leben des Evangeliums gemäß zu leben. Und damit der andere sich angenommen und geliebt fühlt, damit er spürt, dass ihm vergeben wurde, und er sich ermutigt fühlt, muss die Kirche offene Türen haben, damit alle eintreten können. Und wir müssen durch diese Türen hinausgehen und das Evangelium verkünden.


(Fortsetzung)

 



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