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FORTES IN FIDE Nr. 21/22 Jahrgang 1982 – ECÔNE SCHLUSSPUNKT (1. Teil)

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Auch diese Ausgabe von FORTES IN FIDE verfasst von Père Noël Barbara (wie schon die bisherigen) veröffentliche ich hiermit nur zur weiteren Komplettierung der für eine gründliche Auseinandersetzung mit dem SEDISVAKANTISMUS dienlichen, anderweitig online nicht erhältlichen deutschsprachigen Dokumentation! [POS]

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Ecône, Schlusspunkt

In seiner Erklärung vom 8. November 1979 hat sich Mgr. Lefebvre ent­schlossen, in gleicher Weise jeden zu behandeln, der sich weigern würde, ihm in seinen Verhandlungen mit der neuen Kirche zu folgen. Diese Erklärung setzt den Schlussstrich unter eine lange Entwicklung und behob jeden Zweifel bezüglich der Absichten dessen, der diese Erklärung gab. Mgr. Lefebvre war in der Vergangenheit erschienen als der Zeuge der Treugläubigkeit im Hinblick auf Vaticanum II. Von da an aber stellt er sich dar als ein Kämpfer für das Recht einer konserva­tiven Richtung im Schoße jenes Gebildes, das er bis dahin als schis­matische Kirche gekennzeichnet hatte.1 Die Vereinigung für die Treu­gläubigkeit (Union pour la Fidelité) wurde unmittelbar nach dieser Kehrtwendung gegründet: in diesem Klima des Niedergangs wurde diese Kehrtwendung in der fast allgemeinen Lauheit hingenommen, so dass es nötig war, dass die Stimme der katholischen Wahrheit um jeden Preis aufrechterhalten wurde.

Damals wurden, privat und öffentlich, vielfach Schritte unternommen, um zu versuchen, Mgr. Lefebvre und seine Bruderschaft zur Vernunft zu bringen. Unglücklicherweise war dies alles verlorene Mühe; denn es wurde uns ein verachtendes Schweigen entgegengebracht, mit Aus­nahme ganz weniger Antworten, die jedoch jedesmal sehr beleidigend waren.2

Wir haben von unserer Seite aus in «Fortes in Fide» vielfältige Erklä­rungen gegeben, indem wir versuchten, das Problem von allen Seiten her zu erfassen, und wir zögerten nicht, immer wieder über all diese Fragen von ihrem Ursprunge her nachzudenken.3 Jedoch war dies vergebliche Mühe. Die Bruderschaft St. Pius X. wie deren Herzens- und Vernunftverbündete übergingen mit Überheblichkeit jede dieser Bemühungen. Einige Ausnahmen jedoch trübten diese Stille: die mühsamen Versuche, eine theoretische Rechtfertigung zu finden für die praktisch schismatischen Stellungnahmen von Mgr. Lefebvre, um insgesamt den Anschein einer Widerlegung der kath. Lehre zu geben, an die wir bei diesen Gelegenheiten erinnerten. Diesen Produkten wurde ein weites Echo gegeben (in traditionalistischen Zeitschriften), obwohl sie recht jämmerlich waren.4 Vor diesen lehrhaften Etappen auf dem Wege zum Schisma hatten wir unsere Hinweise immer wieder wiederholt5, aber auch hier noch: völlig vergebens! Und es scheint, als sollte während dieser Zeit alles so weitergehen wie in der Vergangen­heit. Die «traditionalistischen» Katholiken behalten ihre kleinen Gewohnheiten bei und die Bruderschaft entwickelt sich weiter und mit ihr eine «neue» neue Religion, nicht nur am Rande der offiziellen Kir­che, die nicht die Kirche ist6, sondern sogar und vor allem am Rande der katholischen Kirche.

***

Kann dies alles noch lange dauern? Sicherlich nicht! Für uns auf jeden Fall ist die Zeit gekommen, einen Schlussstrich zu ziehen in dieser Frage. Wir haben alles getan, was wir tun konnten; wir waren geduldig und haben Verständnis gezeigt; vielleicht könnte man uns dazu noch den Vorwurf machen, dass wir selbst zu geduldig gewesen sind. Jetzt aber müssen wir einen Trennungsstrich ziehen, das heißt, wir müssen in zusammenfassender Art und Weise die Natur und die Schwere des Handelns von Mgr. Lefebvre ins volle Licht rücken, um dann die Verp­flichtungen aufzuzeigen, die sich daraus für alle ergeben, und auch einige praktische Schlüsse daraus zu ziehen. Um diese Klarstellung zu geben, haben wir die jetzige Nummer (in deutsch: Nr. 21 und Nr. 22) verfasst. Ganz gewiss, wir wissen, dass sie von gewissen Leuten genau so wenig angenommen wird wie das andere, was wir geschrieben haben, nämlich mit Spott und Verachtung. Aber das hindert uns nicht, sie zu verbreiten, und zwar aus recht vielen Gründen. Zuallererst, weil wir die Wahrheit sagen müssen zur Ehre des Herrn und seiner Kirche und für das Wohl der verwirrten Gläubigen. Unser erstes und haupt­sächliches Bestreben ist dies, Gott zu gefallen. Indem wir so handeln, wissen wir, dass wir auch all denen gefallen werden, die die Wahrheit lieben, und unsere getreuen Abonnenten gehören dazu, und wir wer­den auch vielen andern gefallen, die gerne noch mehr Material hätten, um das, was vor sich geht, zu verstehen. Für diese schreiben wir, für alle die, die die gegenwärtige Lage ängstigt oder ratlos macht.

Wir schreiben auch, das ist selbstverständlich, für Mgr. Lefebvre und diejenigen, die ihm anhängen. Wir denken, dass eine Gruppenreak­tion sie aus Furcht zurückhält, unsere Zeilen zu lesen, und dass sie die Flucht nach vorn in ihren Wunschträumen vorziehen. Indessen könnte es sein, dass einige von ihnen anders handeln und dass sie Kenntnis nehmen von dem, was für sie einen letzten Anruf darstellt, zur Besin­nung zu kommen.

Sie mögen wissen, dass wir nicht ihre Feinde sind. Wir wünschen ganz einfach, dass die einzelnen Tatsachen, die wir hier sammeln, einen heilsamen Schock in ihnen hervorrufen mögen: die Wahrheit ist nicht immer angenehm zu hören, aber sie ist befreiend.

Wir schreiben endlich auch für die, die bisher nur eine oberflächliche und recht unvollkommene Sicht der Affaire Lefebvre gehabt haben, wie es die Presse ausgedrückt hat: «Katholiken, in der Ungewissheit geblieben, furchtsame Gegner und selbst bis zu einem gewissen Grade der neuen Kirche verpflichtet». Für die einen wie für die andern halten wir daran fest, es kundzutun, dass die Aktion von Mgr. Lefebvre nicht verwechselt werden darf mit dem Bekenntnis des katholischen Glau­bens angesichts der Revolution durch Vaticanum II.

Endlich schrieben wir ganz speziell für alle die, die, ohne direkt Mgr. Lefebvre untergeordnet zu sein, sich zu seinen Verbündeten und ent­schlossenen Parteigängern gemacht haben. Wir wollen sprechen von einem guten Teil der Traditionalisten, und vor allem von denen, die sie mehr oder weniger führen, also von diesen berühmten Führern, die ein wenig durcheinandergebracht worden sind durch die kämpferi­schen Elemente der Bruderschaft Pius X. Bis jetzt haben sie sich allen unseren Schritten gegenüber heftig feindselig gezeigt, besonders, um uns gegenüber die strengste Geschlossenheit zu bewahren, verbunden mit Lefebvre bis zum Schlimmsten.7 Von vorneherein wird also diese Nummer von ihnen nicht zur Kenntnis genommen, sie werden sie nicht einmal lesen oder anrühren8: man kann nie wissen: sicher ist sicher!

Aber nichts von alledem wird uns in Wahrheit sehr beeindrucken. Wir wissen, dass man uns liest und dass unsere Botschaft gehört wird.

Geschichte

Wie so viele andere konservative Bischöfe hatte Mgr. Lefebvre schnell festgestellt, dass Vaticanum II einen Weg eingeschlagen hatte, der nicht mehr kath. war. «Während des Konzils war man sich der Gefahr bewusst, den kath. Glauben nicht mehr zu sichern wie ehemals.»9 Aber wie so viele andere ging er in die Fallen der Neuerer.10

Im Verlauf der beiden ersten Sitzungen hatte er eine mehr zurückhal­tende Rolle, indem er meist eingriff, um die irrgläubigen und zwei­deutigen Stellen der Konzilstexte herauszustellen. Am Ende der zwei­ten Sitzung richtet er mit mehreren anderen Bischöfen einen Brief an Paul VI., in dem er diesen letzteren bat, sich in acht zu nehmen vor den zweideutigen Worten, die sich in den Texten des Konzils finden. Dennoch, zur selben Zeit gibt er den aufmerksamen Katholiken eine positive Zusammenfassung über die Konzilsarbeiten, indem er sich ausführlich auf die Rede von Paul VI. beim Abschluss der zweiten Sit­zung stützt.11 Darin muss man sowohl eine schlechte Beurteilung der Tatsachen als auch den Ausdruck eines großen Vertrauens in den Papst sehen. «Wir erleben Augenblicke, wo das Übernatürliche, wo das Handeln des Heiligen Geistes sichtbar, greifbar wird. Man möge die Konzilsbeobachter fragen: sie können es nicht genug zum Aus­druck bringen, um uns zu beglückwünschen und uns darum zu benei­den, dass wir einen Bischof haben, dem die höchste Macht über die Kirche gegeben wurde, einen Bischof, an den wir uns wenden können, wenn der Zweifel oder die Finsternis uns niederdrücken, und in dem wir sicher sind, das Licht zu haben».12

Darnach jedoch, im Angesichte der ganzen Breite der Unterwühlung, versucht Mgr. Lefebvre, zusammen mit einer kleinen Minderheit von Bischöfen, eine Opposition zu organisieren. Er wird einer der haupt­sächlichsten Anführer des «Coetus Internationalis Patrum». Aber der C.I.P. konnte es entweder nicht oder er verstand es nicht, so zu reagie­ren, wie man es hätte tun müssen; er brachte es nur fertig, dass die Neuerer um so besser ihre Irrlehren verschleierten. Beim Ausgang des Konzils hatte Mgr. Lefebvre nur zwei Texte zurückgewiesen: die Kon­stitution der «Kirche in der Welt von heute», Gaudium et Spes, und die Erklärung über «die religiöse Freiheit», dignitatis humanae. Er hat alle anderen angenommen, insbesondere die dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium; das Dekret über den Ökumenismus, Unitatis redintegratio, und die Erklärung über die Kirche und die nichtchristlichen Religionen, Nostra Aetate.

Geburt von Ecône

Für Mgr. Lefebvre, Generalsuperior der Väter des Hl. Geistes seit 1962, beginnt die Zeit nach dem Konzil in einer relativen Ruhe. Jedoch beklagt er bei mehreren Gelegenheiten die zerstörerischen Wirkungen der Anwendung der Konzilsreformen. Im Dezember 1966 antwortet er auf eine Untersuchung, die durch Kard. Ottaviani veranlasst wurde, und erklärt, dass der Zweifel und die Verwirrung überall eingedrungen seien und dass die Ursache dafür das Konzil selbst ist: «Auf eine fast allgemeine Art und Weise hat das Konzil durch seine Neuerungen die Gewissheit von Wahrheiten erschüttert, die bis dahin vom echten Lehr­amt der Kirche als endgültig zum Schatze der Überlieferung gehörend, gelehrt wurden.13 Aber wie zahlreiche Katholiken dieser Zeit vertraut er auf Paul VI., dass dieser wieder die Lage herstellen werde.

1968 berührt ihn die konzilare Reform persönlich. Paul VI. verlangt von den religiösen Kongregationen, außerordentliche Kapitel zu hal­ten, um sich den Normen der Anpassung anzugleichen. Es handelt sich besonders darum, den Superioren die Autorität zu entziehen, um sie Leitungsgruppen anzuvertrauen. Die Spiritaner stimmen für diese Revolution, und Mgr. Lefebvre wird sich darüber in Rom beklagen. Dort erreicht er gar nichts, sondern stellt fest, dass all diese umstürz­lerischen Reformen von Paul VI. begünstigt werden. Ohne öffentlich zu protestieren, reicht er dann seine Entlassung ein und nimmt eine Stellung ein, die man einen vorgezogenen Ruhestand nennen könnte. Wie viele andere Bischöfe hätte er seine Karriere beenden können, missbraucht, in Vergessenheit geraten und in die Namenlosigkeit. Aber sehr schnell zwang ihn die Vorsehung, aus seiner Untätigkeit her­auszutreten.

Im Jahre seiner Amtsniederlegung selbst kommen französische Semi­naristen, die der beschleunigte Abbau der Seminarien beunruhigt. Sie suchen den Prälaten auf, dessen besondere Vorliebe für die Bildung von Priestern sie kennen. Dieser schickt sie zum französischen Seminar in Rom, das von den Vätern des Hl. Geistes abhängig ist. Da diese Erfahrung nicht die erwarteten Ergebnisse brachte, beschließt Mgr. Lefebvre, sich selbst mit den priesterlichen Berufungen zu beschäfti­gen.

Nach seinem eigenen Hinweis stürzt er sich in das Unternehmen, ohne von vorneherein irgend einen Aktionsplan entworfen zu haben: «Nie­mals hatte ich im voraus die feste Absicht, so zu handeln; niemals habe ich mir gesagt: ich werde ein Seminar aufmachen, ich werde es auf diese Art und Weise machen, ich werde es an diesem Ort errichten.»14 Ohne hier weiter vorauszudenken über die Situation der Kirche und die Mittel, hier Abhilfe zu schaffen, will er ganz einfach auf die Bedürf­nisse der Berufungen antworten, indem er aufs Neue tut, was er schon immer getan hat.

Beginnend mit Juni 1969, eröffnet er ein Haus für Seminaristen in Fri­bourg in der Schweiz und zwar mit Erlaubnis und Ermutigung des Ortsbischofs, Mgr. Charrière. Es ist vorgesehen, dass die Kandidaten für das Priestertum ihre Studien an der Universität am Ort machen, von der man annimmt, dass sie noch traditionell sei. In derselben Zeit und um Bitten um Aufnahme zu entsprechen, erwirbt Mgr. Lefebvre ein Haus in Ecône, im kleinen Tal des Wallis. Sehr schnell stellt er fest, dass der Unterricht, der in Fribourg gegeben wird, sich auch von der Lehre der Kirche entfernt, und er entschließt sich also, in Ecône ein eigenes Seminar aufzumachen.15

Zuvor hatte er seinem Werk den kirchenrechtlichen Status einer Bru­derschaft gegeben: eine Gesellschaft gemeinschaftlichen Lebens ohne Gelübde, nach dem Beispiele der Gemeinschaften der äußeren Mis­sion. Sie umfasste: Priester, Brüder und Schwestern. Das Dekret zu Errichtung der Internationalen Priesterbruderschaft St. Pius X. ist unterzeichnet von Mgr. Charrière, am 11. November 1970. Im Februar 1971 kommt ein Empfehlungsschreiben des Kard. Wright, Präfekt der Kongregation für den Klerus, und bestätigt die Billigung der Hierar­chie für dieses Unternehmen, das unternommen wurde in der Achtung vor den Gesetzen und vor den Autoritäten.

Ein zweideutiger Text

Die Umstände werden dazu beitragen, die Bruderschaft weit auszu­breiten. Im Jahre 1969 wird der novus ordo missae (neue Messe) ver­öffentlicht, der bald an allen Kultorten auferlegt wird, und der in zahl­reichen Ländern, besonders in Frankreich sehr lebhafte Reaktionen der Abweisung hervorruft. Die rechtliche Verschwommenheit, die die Einführung der neuen Messe begleitet, die Veröffentlichung der kur­zen, kritischen Prüfung, unterzeichnet von Kard. Ottaviani und Kard. Bacci, bestärken die Prieser und Gläubigen in ihrer Entscheidung, die neue Messordnung zurückzuweisen und von sich aus die Feier der hl. Messe Pius V. aufrechtzuerhalten.

Sie organisieren sich, schaffen Vereinigungen — meist nennen sie sich Gemeinschaften des hl. Pius V. — und mit der Zeit stellen sie ein eigenes Milieu dar. Zu Beginn ist Mgr. Lefebvre nicht für die Erscheinung die­ser Bewegung, aber bald findet er sehr schnell sich durch diese Bewe­gung getragen.

In der Tat, die Zentren für die traditionelle Messe vervielfältigen sich und man wendet sich spontan zu Mgr. Lefebvre hin und drängt ihn, zu handeln. Das markante Bild, das man sich von ihm gemacht hat, macht aus ihm den Bischof, der ganz und gar dafür ausersehen ist, um den Widerstand gegen die liturgische Reform zu führen. Man kennt seine Vergangenheit als Konservativer, man weiß, dass er einer von denen war, die sich am aktivsten dem Konzil widersetzt haben. Man verlangt die hl. Messe, man verlangt Priester und siehe da: er nimmt sich vor, die Messe aller Zeiten zu bewahren und ein traditionelles Priesterseminar zu gründen. Was noch mehr ist: er wird anerkannt durch die Hierarchie. Er erscheint als ein Mann der Vorsehung und man sieht keinen Grund, dass man ihn nicht drängt und vorwärts treibt.

Mgr. Lefebvre sammelt in sich alle Erwartungen und er scheint auf die Wünsche jener antworten zu wollen, die sich der neuen Messe wider­setzen. In Wirklichkeit gibt es schon am Ursprung dieser Angelegen­heit ein Missverständnis, mindestens eine gewisse Zweideutigkeit. Von seiner Seite aus beruft sich Mgr. Lefebvre bei jeder Gelegenheit darauf, dass er in Übereinstimmung ist mit dem, was er die «offizielle Kirche» nennt. Er behauptet sogar, dass er der einzige ist, der die Richtlinien von Vaticanum II für die Bildung des Klerus anwendet. Er stellt die Bruderschaft Pius X. als ein Werk vor, das dafür bestimmt ist, das Wesentliche aufrechtzuerhalten, eine Insel der Katholizität zu bil­den, geschart um wahre Priester, wo die hl. Messe, die Sakramente, der Katechismus erhalten werden und in der die Kirche, wenn sich einmal der Sturm gelegt haben wird, eine feste Grundlage finden wird für ihre Wie­derentfaltung. Auf der andern Seite sehen die Gläubigen, die sich als erste in Bewegung gesetzt haben, um die wahre Religion zu verteidi­gen, in Mgr. Lefebvre einen Zeugen und ein Beispiel zum Kampf gegen die Neuheiten der Nachkonzilszeit. Ganz sicher, zu dieser Zeit ermisst noch niemand die Schwere der Situation. Die Elemente, sie abzuschätzen fehlen zwar nicht, aber die Aufrechterhaltung der Messe setzt alle Kräfte in Bewegung. Dennoch versteht man schon, dass Vaticanum II als Ganzes verworfen werden muss, und man fragt sich, welche Verantwortung Joh. XXIII. und vor allem Paul VI. dabei haben. Man erwartet also viel von Mgr. Lefebvre, mehr, als er selbst erklärt, tun zu wollen. In einer solchen Situation kann es nicht ausblei­ben, dass Schwierigkeiten auftauchen. Die Gemeinschaften, die für die Erhaltung der wahren Messe arbeiten, sind beunruhigt über die weiche Haltung von Mgr. Lefebvre. Seine Erklärungen befriedigen sie nicht. Mgr. Lefebvre hört nicht auf zu versichern, dass er nur das tun will, was die Kirche immer getan hat, und dabei scheint er sich nicht zu interessieren für das, was in Rom vor sich geht, und für die grundle­genden Probleme, die Vaticanum II stellt. Als einige Studien erschei­nen, die die Ablehnung der neuen Messe unterbauen, bekundet er diesen gegenüber kein besonderes Interesse. Einige Male zeigte er sich selbst feindlich, ohne indessen Argumente dafür zu bringen. Diejeni­gen, die seine Unterstützung für ihre Werke erwarten, sind überrascht, festzustellen, dass er die Hilfe nur in dem Sinne gewährt, wenn sie der Priesterbruderschaft St. Pius X. zugute kommt.16 Mit einem Wort, schon zu dieser Zeit entspricht Mgr. Lefebvre nicht im vollen Sinn den Erwartungen und Hoffnungen der treuen Katholiken. Dennoch hat er in der ersten Zeit das Gewissen zahlreicher Katholiken geweckt.

Die ersten Schwierigkeiten

Im Laufe der ersten Jahre ihres Daseins kannte die Bruderschaft ein regelmäßiges Wachstum. Das Seminar von Ecône zieht Leute aus allen Richtungen an, selbst wenn die hauptsächlichen Zugänge aus der Umwelt der Traditionalisten kommen. Schon 1973 werden neue Häu­ser in Italien, in Frankreich und in den Vereinigten Staaten gegründet.

Alles scheint also bestens zu laufen. Zufrieden mit seinem Werk, ist Mgr. Lefebvre Optimist. Er ist überzeugt, dass die konziliare Hierar­chie ihn unterstützt, um so mehr, als der Erfolg seines Seminars nicht aufhört und nach den Worten von Mgr. Lefebvre, wenn nicht gerade Bewunderung, so doch wenigstens ein sehr lebhaftes Interesse hervorruft. Im Oktober 1973 erklärt er triumphierend: «Ohne Zweifel, unser entschlossenes Sich-Stützen auf die Tradition der Kirche ruft bei einem Teil gewisser Bischöfe Zurückhaltung hervor. Denn wir erschei­nen als solche, die widerspenstig sind gegenüber der konziliaren Anpassung. Indessen: die recht einzigartigen Erfolge der Bruderschaft St. Pius X. geben Probleme auf. Warum kommen die jungen Leute, die eine sehr ernsthafte Berufung haben, so zahlreich zu diesem Seminar, da die Mehrzahl der Seminare immer leerer werden! Von Jahr zu Jahr spüren wir, dass der erste Widerstand sich in Neugier und Überra­schung umwandelt. Schon sind mehrere Bischöfe gekommen oder haben uns geschrieben, um von uns Priester zu erbitten. Fünf Bitten sind bei uns eingegangen, um Professoren zu entsenden fürs große Seminar und um uns Pfarreien anzubieten.

Von Rom aus haben wir Indulte empfangen, die es uns erlauben, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass in der Tat unsere Bruderschaft das Recht hat, zu inkardinieren (= Priester eingliedern), obwohl sie nur diözesanen Rechtes ist. Mehr noch, wir haben durch einen Vermittler an hoher Stelle die Versicherung erhalten, dass der hl. Vater unser Apostolat segne.»17

Mit diesem Rückzieher erscheint diese Erklärung recht lächerlich und geradezu geeignet, sich in den kindischsten Illusionen zu wiegen. Aber niemand zweifelt daran, dass Mgr. Lefebvre zu dieser Zeit glaubt, dass seine Bruderschaft wie ein Ölfleck (auf dem stürmischen Meer) aner­kannt werden könnte durch Paul VI. Das bedeutete aber, seine Wün­sche für die Wirklichkeit zu nehmen.

Schon 1972, anlässlich der Vollversammlung der französischen Bischöfe, wurde der Ausdruck «Wildes Seminar» auf Ecône ange­wendet. Aber die Scherereien beginnen wahrhaftig im November 1974 in Form einer kirchenrechtlichen Visitation (Prüfungsbesuch), ange­kündigt durch eine Kommission, die Paul VI. ernannt hatte, und die aus den Kardinälen Garrone, Wright und Tabera bestand. Die ärger­niserregenden Aussprüche der Visitatoren (Prüfer) und die Tatsache, dass er so behandelt wurde, riefen bei Mgr. Lefebvre Überraschung und Zorn hervor. Er reagiert heftig und greift schongungslos das «kon­ziliare Rom» an, auf welches er bisher gehofft hatte. In einer Erklä­rung, abgegeben in Rom am 21. Nov. 1974, bestätigt er seine Weige­rung, «dem Rom der neomodernistischen und neoprotestantischen Richtung zu folgen, die sich auf dem Vaticanum II klar gezeigt hat und nach dem Konzil in den Reformen, die daraus hervorgingen». Zum ersten Male ist Mgr. Lefebvre dazu gebracht worden, wahrhaftig die grundlegende Unverträglichkeit der Kirche Jesu Christi und der Kir­che des Vaticanum II zu erklären. Übrigens, Rom schlägt hart zurück! Im Mai 1975 teilen die Kardinäle Garrone, Wright und Tabera Mgr. Lefebvre mit, dass seine Darlegungen in allen Punkten unannehmbar sind. Angesichts seiner Weigerung, zu widerrufen, setzt die Kommis­sion der Kardinäle dem gesetzlichen Dasein des Seminars ein Ende.

Von nun an findet sich die Bruderschaft im Zustande der «Gesetzeslo­sigkeit». Ihr Chef ist deshalb nicht weniger entschlossen, sein Werk fortzusetzen. Dennoch: außer einigen Erwägungen über den unge­setzlichen Charakter der Strafen, die ihn treffen, ergreift Mgr. Lefebvre nicht die Gelegenheit, die die göttl. Vorsehung ihm gab, um auf die Fragen zu antworten, die sich aufdrängen, besonders die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Autorität derer, die ihn verfolgen. Für ihn führen die Schwierigkeiten in eine ausweglose Verlegenheit: «Entweder gehorchen und dabei Gefahr laufen, den Glauben zu ver­lieren, oder ungehorsam sein und an der Erhaltung und Fortsetzung der Kirche arbeiten».18 Schließlich weicht er der Frage, die sich alle treuen Katholiken stellen, aus: ist Paul VI. Papst? Er weicht aus, indem er, eine Lösung vorbringt, die die Überlieferung (Tradition) und das lebendige Lehramt miteinander in Widerspruch bringt: «Wir zollen dem Papste Beifall als dem Echo der Tradition und wenn er getreu ist bei der Überlieferung des Glaubensgutes. Wir fühlen uns nicht im Gehorsam gebunden an Neuerungen, die gegen die Überlieferung gehen und die unsern Glauben bedrohen».19 Selbst wenn er diese Aussage nicht absolut nimmt, so wird diese Theorie, die protestanti­schen Geistes ist, zur grundlegenden Richtung im Verhalten von Mgr. Lefebvre. Praktisch sagt er weiterhin, dass er in Gemeinschaft mit der konziliaren Hierarchie ist (= den Bischöfen); er führt Unterredungen mit ihr, aber tagtäglich kümmert er sich nicht um ihre Autorität! Dieses Verhalten überträgt sich auch besonders und wirkt sich aus in zahlrei­chen kirchenrechtlichen Unregelmäßigkeiten. Die Priesterbruder­schaft gründet ihre Priorate ein wenig überall, ohne sich im Geringsten in der Welt um die kirchlichen Machtbefugnisse der Bischöfe am Ort zu kümmern. Diese Art von Haltung lässt für die Zukunft Schlimmes ahnen. Aber die Hellsichtigeren hoffen immer noch, dass die Ereig­nisse Mgr. Lefebvre dazu führen würden, die Dinge auf eine wirklich­keitsgerechtere Art und Weise zu sehen. Sie glauben, dass im Jahre 1976 dieser Augenblick gekommen sei.

Die verpasste Gelegenheit

Trotz dem Streit vom Mai 1975 weiht Mgr. Lefebvre am 29. Juni des­selben Jahres drei Priester. Während der folgenden Monate versucht er mit der konziliaren Kirche wieder anzuknüpfen und versucht bei Paul VI. eine Audienz zu erhalten, überzeugt davon, dass er sein gutes Recht und seine guten Absichten geltend machen kann. Aber vergeb­lich: Rom will kein Gespräch, ganz im Gegenteil. Es versucht, den «rebellischen Erzbischof» zu beugen und droht ihm mit Strafen. Paul VI. untersagt ihm in aller Form, neue Weihen vorzunehmen. Die Kraftprobe des Sommers 1976 zeichnet sich ab. Einmal mehr stellt die göttliche Vorsehung Mgr. Lefebvre vor die Entscheidung.

Trotz der Rügen schreitet er am 29. Juni zu weiteren Weihen. Paul VI. antwortet am 1. Juli damit, dass er die Priester, die geweiht wurden, mit der Suspension a Divinis bestraft (= Verbot, priesterliche Amtshand­lungen auszuführen). Am 29. Juli trifft den Prälaten dieselbe Strafe, der noch am selben Tage mit einer unzweideutigen Erklärung zurück­schlägt: «Diese konziliare Kirche ist eine schismatische Kirche, weil sie mit der katholischen Kirche aller Zeiten bricht». Der Monat August ist der Monat von niederschmetternden Erklärungen. Mgr. Lefebvre hört nicht auf, immer wieder die Häresie und das Schisma von Vatica­num II und seiner Kirche zu betonen. Dennoch spricht er zur selben Zeit davon, «das Konzil im Sinne der Tradition auszulegen» und er bittet schon darum, dass man ihn «das Experiment der Tradition machen lasse». Die Messe in Lille, jetzt berühmt geworden, wurde Mgr. Lefebvre sozusagen aufgedrängt. Anfangs will er daraus keine öffentliche Kundgebung machen. Aber von überall her schreibt man ihm, dass man kommen werde. Da nimmt er die Sache wieder zu sei­nen Gunsten auf, er erweckt alle Gefühle und die Messe von Lille wird zu einem Symbol! Trotz allen Schwankens überwiegt die Festigkeit. Viele möchten glauben, dass nun die entscheidende Gegenüberstel­lung gekommen ist, dass der neue Athanasius sich endlich erhoben hat, um das Anathema (= den Bannfluch) gegen Paul VI. und seine Kirche zu schleudern. Aber die Messe und Kundgebung in Lille ist nur ein feuchter Knallfrosch gewesen. Mgr. Lefebvre beendete so seine Pre­digt: «Dies wäre so einfach, wenn jeder Bischof in seiner Diözese uns, den treuen Katholiken, eine Kirche zur Verfügung stellen würde und ihnen sagen würde: ‹Diese Kirche gehört euch!› Wenn ich daran denke, dass der Bischof von Lille den Mohammedanern eine Kirche zur Verfügung gestellt hat, so sehe ich nicht ein, warum es nicht eine Kirche geben sollte für die Katholiken der Tradition. Und die Frage wäre dann endgültig gelöst. Und das ist es, was ich vom hl. Vater ver­langen werde, wenn er mich wohl empfangen wollte: ‹Lasset uns, sehr heiliger Vater, das Experiment der Tradition machen. Inmitten all der Experimente, die man jetzt macht, möge es doch zum mindesten das Experiment dessen geben, was man während zwei Jahrtausenden gemacht hat!› »

Anstatt dass er das Anathema ausspricht, beansprucht Mgr. Lefebvre, im Namen des Ökumenismus und der Religionsfreiheit, das allge­meine Recht für die Traditionalisten im Schoße der konziliaren Kir­che. Da die treuen Katholiken dies nicht zu glauben wagten, wollten sie in diesen Ausführungen nur ein taktisches Vorgehen sehen und gaben sich frommen Auslegungen hin.

Aber indem Mgr. Lefebvre das Zeugnis, das die göttliche Vorsehung von ihm verlangte, verweigerte, trat der Erzbischof in eine Phase des Kompromisses und des Widerspruchs ein, die ihn weit führen sollte. Die Folgen davon sind um so größer in ihrer Ausdehnung, als diese Ereignisse von 1976 in der Presse einen weiten Widerhall fanden und die Wirkung hatten, dass sie die Welt glauben ließen, Mgr. Lefebvre wäre der einzige, der sich Vaticanum II widersetzte.20

Versuche, zu unterhandeln

Am nächsten Tag nach Lille beginnt ein beschleunigter Niedergang. Am 5. September, am Ende der ersten Messe eines jungen Priesters der Bruderschaft, trifft ein italienischer Priester dank der Vermittlung von Michel de Saint-Pierre mit Mgr. Lefebvre zusammen. Er überredet ihn, an Paul VI. zu schreiben. Am 11. September kniet der «Rebellenbischof» zu dessen Füßen nieder. Er erbittet von ihm die Freiheit, das Experiment der Tradition machen zu dürfen: «Sie brauchen nur ein Wort zu sagen, hl. Vater.» Am Ende der Unterredung ist er erstaunt, dass diese Begegnung innerhalb von zwei Tagen hatte beschlossen werden können, und er erklärt: «Vielleicht haben sie begriffen, dass ich nicht allein war; sie haben sich darüber Rechnung gegeben, dass nahezu 52% der französischen Katholiken meinen Standpunkt vertre­ten. Vielleicht haben sie die unheilvollen Folgen eines Bruches gefürchtet.»21 In der Tat, Paul VI und die Hirten der neuen Kirche, für die es schwer war, einen treuen Bischof zu exkommunizieren, ohne den Beweis ihres Abfalls damit zu geben, neutralisieren ihn dadurch, dass sie mit ihm in den Dialog treten. Und Mgr. Lefebvre tritt um so mehr in ihr Spiel ein, da seine Weigerung, den Dingen bis auf den Grund zu gehen, ihn dafür empfänglich macht. Jeder kommt dabei auf seine Rechnung. Für das konziliare Rom ist die Affaire Ecône in Wirklichkeit beendet. Was Mgr. Lefebvre betrifft, so erlaubt ihm der Dialog, sein Werk zu retten, an dem er überaus hängt.

Die Zeit der Opposition ist zu Ende. Es beginnt die Zeit des Handelns. Von seiten der neuen Kirche indessen gibt man keinen Fingerbreit nach. Mgr. Lefebvre erkennt es gerne an. «In den Tatsachen sehen wir keinerlei Rückkehr zur Tradition, sondern eher im Gegenteil eine Machtergreifung des Ökumenismus und des Kommunismus. Niemals wurden die unbegreiflichsten Neuerungen öffentlich von der Autorität unterdrückt. Allein diejenigen, die den katholischen Glauben aufrechterhalten, werden verfolgt und verurteilt.»22 Aber diese Binsen­wahrheit kann ihn von seiner Entscheidung nicht abbringen. Übri­gens, in derselben Zeit, da er vorgibt, zu verhandeln, vervielfältigt er seine Priorate und spendet die Firmung in allen Diözesen. Diese Ent­wicklung erweckt eine Illusion und Mgr. Lefebvre gefällt sich darin, zu sagen, dass das Gute ein Verströmen seiner selbst ist (er meint die weitere Ausbreitung seines Werkes), und er bittet immer noch darum, öffentlich anerkannt zu werden, überzeugt davon, dass ihn die Tradi­tion notwendigerweise den Sieg davontragen lasse über die konziliare Bewegung: «Für die universale Kirche wünsche ich wie Sie die friedli­che Koexistenz der vor- und nachkonziliaren Riten. Man lasse also die Priester und die Gläubigen wählen, welche ‹Familie des Ritus› sie bevorzugen und welchem sie anhängen wollen. In der Folge warte man dann ab, dass der Lauf der Zeit das Urteil Gottes erkennen lasse im Hinblick auf die Wahrheit und die Heilswirksamkeit für die katholi­sche Kirche und für die ganze Christenheit.»23 Diese entwaffnende Rede des Bischofs der Traditionalisten — als solchen beginnt man ihn zu betrachten — lässt die letzteren glauben, dass die Prüfung bald ein Ende nehmen wird.

Es kommt der Tod Paul VI. und bald der von Joh. Paul I. und die Ankunft von Joh. Paul II. Während alles darauf hinweist, dass dieser Letzte die Absicht hat, die Auferbauung der neuen Kirche zu vollen­den, insbesondere wird dies deutlich in seiner programmatischen Enzyklika «Redemptor hominis», so bewirkte allein schon das Ver­schwinden Pauls VI., der wenig populär war im Traditionalistenmilieu, verstärkt die Versuchung einer Aussöhnung.

Von der Bloßstellung zur Ungerechtigkeit

Am 16.Dezember 1978 begegnet Mgr. Lefebvre Johannes Paul II. Im Anschluss an die Begegnung äußert er große Vorbehalte. Mit einer ungewöhnlichen Freiheit der Sprache spricht er von dem, welchen er als rechtmäßigen Nachfolger Petri anerkennt: «Ich glaube, sagen zu können, dass er grundsätzlich dem Konzil und den Veränderungen zustimmt; ich glaube nicht, dass er dies in Frage stellt. Und das ist offensichtlich sehr schwerwiegend, weil er für den Ökumenismus, für die Kollegialität, für die religiöse Freiheit ist»24. Aber am 24. Dezem­ber schreibt er trotzdem an Johannes Paul II., um ihn zu bitten, aner­kannt und in die konziliare Kirche wieder (!) eingegliedert zu werden: «Heiliger Vater, wir beschwören Sie, ein einziges Wort zu sagen … ‹lasst sie machen! Wir ermächtigen zur freien Ausübung dessen, was die vielhundertjährige Überlieferung benutzt hat für die Heiligung der Seelen!› Welche Schwierigkeit stellt eine solche Haltung dar? Überhaupt keine!»

Dieser Schritt verursacht bei den katholischen Gläubigen ein tiefes Unbehagen, noch verstärkt durch die Antworten Mgr. Lefebvres an die Römische Kurie, die ihn befragt. Diese Antworten lassen bei dem Prälaten besonders verschwommene Rechtfertigungen aufscheinen, ein maßloses Festhalten am Überleben seines Werkes und die Weige­rung, die eigentliche Frage zu stellen in der Lehre entsprechenden Ausdrücken25. Das Unbehagen wächst noch, als im Innern der Bruder­schaft die Tatsache, Johannes Paul II. nicht als Papst anzuerkennen, Grund für Maßregelungen, Verwarnungen an mehrere Priester, Ver­weigerung der Weihen usf. wird.

Im Verlauf des Sommers 1979 überstürzen sich die Ereignisse. Abbé du Chalard, ein Priester der Bruderschaft St. Pius X., erhält für einige junge Franzosen in Ferien in Italien eine Audienz bei Johannes Paul II. Letzterer wird stürmisch bejubelt. Überall singt man Loblieder auf den Papst26. Manche beunruhigt diese unsinnige Windmacherei. Aber Mgr. Lefebvre verstärkt sie noch, indem er ihr am 8. November 1979 seine Billigung gibt. Er macht seine Haltung über die Neue Messe und Johannes Paul II. bekannt, lässt sie in zahlreichen Blättern und Zeit­schriften verbreiten. Ein Trugschluss von einigen Zeilen erlaubt ihm, mit einem Schlage alle tiefgründenden Untersuchungen über die Ungültigkeit der Neuen Messe hinwegzufegen. Bezüglich der Papst­frage beinhaltet dieser Satz das Wesentliche seiner Lösung: «Die Frage der Sichtbarkeit der Kirche ist zu notwendig für ihr Dasein, als dass Gott sie Jahrzehnte hindurch unterlassen könnte »27 . Nicht zufrieden damit, klagt Mgr. Lefebvre alle diejenigen, die anders denken, schismatischen Geistes an. In der vertraulichen Anordnung fügt er seiner Stellun­gnahme eine Vergeltungsdrohung bei: «Die Priesterbruderschaft St. Pius X. … kann in ihrem Schoße keine Mitglieder dulden, die ver­weigern würden, für den Papst zu beten, und die behaupten, dass alle Messen der Neuen Messordnung ungültig sind»28. Es ergibt sich offen­sichtlich eine Säuberung im Schoße der Bruderschaft. Alle, die Johan­nes Paul II. nicht anerkennen, müssen sich unterwerfen. Manche ersticken ihr Gewissen und bleiben. Die anderen werden rücksichtslos weggeschickt unter selbstherrlicher Missachtung des kirchlichen Rechtes. Die traditionalistischen Anführer folgen Mgr. Lefebvre auf dem Fusse. Ecône. Die Abbés Coache und Ducaud-Bourget, Dom Gerard, Oberer der Benediktiner von Bédoin, vervielfachen die Beleidigungen in bezug auf die treuen Katholiken. Im Jahre 1980 beginnt die Zeit des spalterischen Traditionalismus.

Der Beginn der Lefebvre-Bewegung

Das Verhandeln mit der konziliaren Kirche bietet gedanklich drei Lösungen an: entweder das Erlangen eines Rechtes auf traditionalisti­sche Haltung, oder den einfachen und klaren Anschluss, oder den spal­terischen Weg. Aber die neue Kirche hat gar kein Interesse daran, den Traditionalisten welches Recht auch immer zuzuerkennen29, sie braucht sie überhaupt nicht. Zahlenmässig sind sie ein Nichts30. Das ist in den Augen der konziliaren Anführer wichtig. Indem er sich wei­gert, den Bannfluch zu tragen, begibt sich Mgr. Lefebvre der einzigen Waffe, die seinen Sieg sichern könnte. Dadurch, dass er sich begnügt mit dem Anspruch auf ein Haltungsrecht, gestützt auf eine bedeu­tungslose Zahl im Vergleich mit der Masse der Vatikanum-II-Gläubi­gen, gerät er in den Naturalismus, ohne selber glaubhafte Mittel zu haben, und gräbt sein eigenes Grab. Was den reinen und einfachen Anschluss anbetrifft, sind die auf dem Spiel stehenden Interessen zu wichtig, als dass man ihn ohne wirklichkeitsfremde Verhandlungen anstreben könnte31. Mehr noch und vor allem haben die Jahre einen seelischen Bruch zwischen Traditionalisten und Neuerem hervorgeru­fen, der praktisch unmöglich aufzusaugen ist. Der einzige offene Weg bleibt derjenige der Spaltung.

Seit seiner Stellungnahme vom 8. November 1979 hält sich Mgr. Lefebvre also an eine recht genaue Linie: laut und klar sein kindliches Festhalten an den zuständigen Obrigkeiten hinausrufen, ganz beson­ders an Johannes Paul II., ihnen volle Rechtmäßigkeit zuerkennend, ihnen hartnäckig in allem den Gehorsam verweigernd im Namen des «Rechts darauf, den Versuch mit der Überlieferung zu machen».

Dass Mgr. Lefebvre in allen Punkten nicht gehorcht, ist eine Tatsa­chenfrage, die nicht schwierig zu beantworten ist. Er setzt übrigens sein Werk genau so fort, wie er es begonnen hat. Unter Missachtung einer nie aufgehobenen Dienstuntersagung, unter Missachtung der Rechts­zuständigkeit der konziliaren Bischöfe, deren Rechtmässigkeit er aner­kennt, weiht er, firmt er, errichtet er seine Priorate. Unter Missachtung des in der Kirche immer in Kraft befindlichen Rechtes überträgt er sei­nen Priestern die Vollmacht, zu firmen. In einem Wort: er gehorcht nicht.

Ohne dass der Widerspruch sie stört, überhäufen Mgr. Lefebvre und alle, die in seine Fußstapfen getreten sind, Johannes Paul II. mit Lobreden. Sie behalten von ihm nur die wenigen kleinen Aussagen zurück, die noch die Überlieferung spüren lassen. Manchmal bieten die Dinge einen lächerlichen Anblick. Im Februar 1980 singt man in Ecône ein Te Deum: Johannes Paul II. würde die Messe von immer erlauben und Mgr. Lefebvre für sein Werk danken. Tags darauf ver­blüfft das Lesen des Briefes Dominicae Cenae: Johannes Paul II. billigt feierlich die neue Messordnung und die Theologie, deren geistiges Erzeugnis sie ist. Am 15. Juni 1980 kommt Mgr. Lefebvre zum Firmen nach Paris. Er hat den Zeitpunkt dieser Firmungen verlegt, um die Reise von Johannes Paul II. in Frankreich nicht zu beeinträchtigen. Von dieser traurigen Tarnung sagt er: «Der Papst in Frankreich, das ist etwas Sauerstoff aus Rom. Denn der Papst, was immer man sagen mag, ist halt der Papst. Diese Reise war für die Katholiken eine Freude, aber da ist ein Schatten auf dem Bild: die Lage der Kirche ist vernich­tend, traurig, schmerzlich.» Um seinen Papst von jedem Verdacht zu reinigen, fügt er hinzu: «Die Liturgie ist ihm auferlegt worden. Er hätte verweigern können, dem beizuwohnen, was in St. Denis geschehen und eine ärgerniserregende Sache ist … Eines Tages wird der Papst uns danken, die Überlieferung aufrechterhalten zu haben.» Nach dem Anschlag auf Johannes-Paul II. erklärt Mgr. Lefebvre in seiner Predigt am 29. Juni 1981: «Und wir sind sehr verpflichtet, festzustellen, dass der Leidensweg der Kirche weitergeht. Der Leidensweg, der sich kundtut, möchte ich sagen, sogar in dem Gesundheitszustand des Lei­ters der Kirche. Körperlich erleidet der Papst auf eine Art den Lei­densweg der Kirche…» Zur gleichen Zeit, da Mgr. Lefebvre diesen sinnlosen Weg einschlägt, wird die Vereinigung für die Treugläubigkeit gegründet, um an der Verblendung des Prälaten nicht teilzunehmen. Sie versucht mit allen Mitteln, ihn aufzuklären. Aber alle bei ihm unternommenen Schritte stoßen auf eine hasserfüllte Ablehnung. Ein einziges Mal empfängt Mgr. Lefebvre zwei Abgesandte der Union für die Treugläubigkeit. Aber ihrem Vorbringen setzt er nichts anderes entgegen außer der Bitte, dass man ihn «in Ruhe lassen möge»32.

Noch schlimmer, während die katholische Lehre, die ihm entgegen­steht, zeigt, dass seine Haltung abwegig ist, verwickelt sich Mgr. Lefebvre in lehrmäßige Machenschaften, die nach Schwefel riechen. Er stellt sich nicht persönlich bloß, die Arbeit wird von anderen gemacht, aber er unterschreibt sie ausdrücklich. Sein Bemühen zielt auf zwei Punkte ab. Er muss seinen Ungehorsam als rechtmäßig nach­weisen, sowohl auf der kirchenrechtlichen als auch auf der theologi­schen Ebene. Er muss auch einesteils eine Lehre des Lehramtes aufstel­len, welche die Unfehlbarkeit der Kirche und des Papstes einschränkt auf allein neue Glaubenslehre-Umgrenzungen und die Lehre von der Überlieferung des Glaubensschatzes trennt33, anderenteils eine Lehre vom bedingten Gehorsam und der zugebilligten Amtsgewalt, die sich hin­ter Ausdrücken von kirchenrechtlichem Anschein plump verbergen34.

***

Seitdem seine ‹Theologen› und seine ‹Kirchenrechtler› gesprochen haben, beweist Mgr. Lefebvre jeden Tag ein wenig mehr, dass er über­legt eine Lösung gewählt hat, sei es auch um den Preis der Spaltung. Die konziliare Kirche, die er als die katholische Kirche anerkennt, weicht keinen Zollbreit Bodens und lässt die Dinge verkommen. Was die Bruderschaft St. Pius X. anbetrifft, wird sie sich weiterhin entwickeln. Mgr. Lefebvre weiht, die Priorate mehren sich, Seminarien, Schulen, ‹Universitäten› werden gegründet. Das Recht und die Theo­logie sind wiedererfunden worden für die Bedürfnisse der Sache. Die kleine lefebvristische Kirche ist geboren!

Lehre

Die Geschichte des Mgr. Lefebvre und seines Werkes seit Vatika­num II ist schon reich an Auskünften über die Lehre dessen, der recht oft nur bekannt ist durch die entstellende Brille der Schmeichelei, des Ansehens, der Verachtung oder ganz einfach der schlechten Unter­richtung. Bischof der Traditionalisten, Bischof aus Eisen, Bischofre­bell, neuer Athanasius: ebensoviele Bestimmungswörter, die, sagt man, Mgr. Lefebvre selber kaum schätzt und die der Wirklichkeit nicht gerecht werden. Dennoch, das, was übereinstimmend ‹die Affaire von Ecône› genannt wird, hat aus Mgr. Lefebvre einen Mann des öffentli­chen Lebens gemacht. Alle seine Erklärungen sind durch die Presse ausgestrahlt oder in zahlreichen Büchern verbreitet worden. Was seine Taten und Gebärden anbetrifft, ist für den, der in den vergangenen Jahren im traditionalistischen Bereich gelebt hat, ohne sich mit der Lage der Kirche abzufinden, das Wesentliche bekannt. All dies stellt einen überreichen Werkstoff dar, dem man die Lehre von Mgr. Lefebvre entnehmen kann.

Die Wende, welche die Kirche heute durchmacht, hat die Katholiken gezwungen, sich eine große Anzahl von Fragen zu stellen, die man in einem Dreierlei zusammenfassen kann: das Konzil, die Messe, der Papst. Man war berechtigt, von Mgr. Lefebvre, Bischof, Nachfolger der Apostel, Glied der lehrenden Kirche, zu erwarten, dass er über diese Fragen Aufschlüsse beitrüge. Sein Werk machte ihm diese Pflicht noch dringlicher. Nun, die von ihm in diesen letzten Jahren entwickelte Beweisführung zeichnet sich seltsamerweise oft aus durch ihre manchmal sogar wirre, zerstreute Eigenart. Was hauptsächlich das Konzil und den Papst anbetrifft, hat Mgr. Lefebvre fast alles gesagt, alles und das Gegenteil von allem, entgegenkommendste Sätze hin­sichtlich des konziliaren Abfallens bis zu strengsten Sätzen.

Wie praktisch alle, die sich als erste Vatikanum II widersetzten, hat Mgr. Lefebvre damit begonnen, zu handeln ohne jeden anderen Antrieb als den des Glaubensinstinktes35. Die Sache war normal. Aber er hat dieser ersten guten Rückwirkung keine Anstrengung einer lehr­entsprechenden Klarmachung folgen lassen. Er wiederholt seinen Ein­wendern gegenüber gern, dass er sich nicht geändert habe. Das ist jedenfalls wahr. Er hat heute keine andere -Rechtfertigung als die von gestern. Aber von rechtmäßig, was sie im Augenblick war, ist diese Rechtfertigung der unveränderliche Nachweis eines abirrenden Tuns geworden. Selbst die drängendsten Umstände — man denke besonders an die Ereignisse des Jahres 1976! — haben Mgr. Lefebvre nicht dazu entschieden, die Dinge ernstzunehmen. Er hat mitunter aufsehenerre­gende Aussagen gemacht, aber sich schließlich immer geweigert, den Glauben zu bezeugen, wenn die Umstände es von ihm verlangten.

Die Rechtfertigung einer Handlungsweise

Seit Gründung seines Seminars gibt Mgr. Lefebvre seinem Vorgehen eine Rechtfertigung, die fortan zum Leitgrundsatz gemacht worden ist: das II. Vatikanische Konzil hat die Kirche in eine nie dagewesene Wende getaucht; es ist vor allem wichtig, den Glauben zu bewahren, ihn durch die Messe, die Sakramente, den Katechismus aufrechtzuer­halten; hierzu müssen Priester herangebildet werden, indem man sich an das hält, was die Kirche immer getan hat; wenn man der Überliefe­rung treubleibt, begibt man sich nicht in die Gefahr, sich zu täuschen. «Wir halten uns fest an allem, was geglaubt und ausgeübt worden ist im Glauben, in den Sitten, dem Kult, der Lehre des Katechismus, der Ausbildung von Priestern, der Einrichtung der Kirche durch die Kir­che von immer und gesetzlich festgelegt in den Büchern, die vor dem modernistischen Einfluss des Konzils erschienen sind, indem wir erwarten, dass das wahre Licht der Überlieferung die Nebel zerstreut, die den Himmel des ewigen Rom verdüstern. Indem wir dies tun … , sind wir überzeugt, der Kirche treuzubleiben»36. «Dafür mache ich ein Seminar: damit es gute Priester gebe und heilige Priester und damit die Kirche fortbestehe. Dafür hat der liebe Gott mich auf diesen Weg geschickt»37. Man sieht, Mgr. Lefebvre überlässt anderen die Sorge, die Nebel zu zerstreuen, und bezieht sofort eine ausschließlich vertei­digende Stellung: «Meine Mitarbeiter und ich arbeiten nicht gegen jemanden, gegen Personen, gegen Einrichtungen. Wir arbeiten, um aufzubauen, um das fortzusetzten, was die Kirche immer getan hat, und sonst nichts anderes. Wir sind an keine Bewegung gebunden, an keine Partei, an keine besondere Einrichtung. Wir sind an die römisch-katholische Kirche gebunden, und wir wollen das Priestertum der römisch-katholischen Kirche fortsetzen. Nichts anderes Wir wollen ein Werk der Kirche tun»38.

Man muss wohl anerkennen, dass das Beweismittel von Mgr. Lefebvre verführerisch ist. In den Augenblicken der Verwirrung sich in der Tat an das halten, was die Kirche immer gelehrt und immer getan hat, ist mehr nötig als je und die Gewähr dafür, sich nicht zu verirren. Aber so verführerisch es sein mag, ist dieses Beweismittel, auf sich allein beschränkt, unzureichend. Es hat insbesondere zur unmittelbaren Folge, eine ernste Frage aufzuwerfen. Die Überlieferung kann für einen Katholiken nicht verstanden werden außerhalb des lebenden Lehramtes, ausgeübt durch die Gemeinschaft der Bischöfe, ausgeübt unter dem Primat des Papstes. Mgr. Lefebvre beruft sich auf die Über­lieferung gegen das Vatikanum II, gegen die Scheingesamtheit der Bischöfe, gegen den «Papst». Diese Haltung kommt einem Aufruhr gleich. Wenn sie ein Recht ist, müssen dessen gedankliche Grundlagen unbedingt noch gesichert werden.

Andererseits verlangt die Berufung auf die Überlieferung gegen die Neuerer die Pflicht, diese letzteren zu bekämpfen, für einen Bischof eine um so dringlichere Pflicht, als er ganz besonders mit der Verteidi­gung des Glaubens beauftragt ist. Dass andere Bischöfe bisher das Erforderliche nicht getan haben, entschuldigt in nichts die Lässigkeit von Mgr. Lefebvre. Sich damit zufrieden geben, das zu tun, was man immer getan hat in der Vergangenheit, sich damit zufrieden geben, Priester auszubilden, wie man sie im 20. Jhdt. geformt hat, mit den glänzenden Erfolgen, die man kennt, dies alles ist kein allgemeines Maß gegenüber dem Ernst der Lage. Man zittert bei dem Gedanken, die Männer des Trienter Konzils hätten die Sprache von Mgr. Lefebvre sprechen können.

Wenn schließlich es wahr ist, dass das Heranbilden von Priestern eine unerlässliche Sache ist, müssen sie zuvor das Recht und die Möglich­keit haben, ihr Amt auszuüben. Ins Auge zu fassen, dass sie das dau­ernd entgegen der offiziellen Hierarchie tun könnten, heißt, den Weg der Spaltung wählen, wofern man nicht die Unrechtmäßigkeit der Hierarchie nachgewiesen hat und an der Wiederherstellung einer wahrhaft katholischen Hierarchie arbeitet. Damit zu rechnen, dass sie es im Rahmen des konziliaren Pluralismus tun könnten, heißt, sich in Täuschungen zu wiegen. Einer Täuschung, weil niemals die konziliare Kirche Mgr. Lefebvre ein Recht zuerkennen wird außer zum Preise übermäßger Zugeständnisse. Eine Täuschung auch, zu glauben, dass die Ordnung in der Kirche wiederhergestellt werden könnte durch die Gläubigen und einige Priester — seien es auch Priester der Bruderschaft St. Pius X. — außerhalb der Hierarchie und entgegen gut eingenisteten Betrügern, deren Betrügerei anzuprangern man sich enthält. Mgr. Lefebvre hätschelt immer wieder diese beiden Einbildungen. Die zweite vor allem kehrt unaufhörlich wieder in seinen Reden: «Es ist tröstlich, festzustellen, dass in der katholischen Welt der Glaubenssinn der Gläubigen diese Neuerungen zurückweist und sich der Überliefe­rung anschließt. Von daher wird die wahre Erneuerung der Kirche kommen. Und weil diese Neuerungen eingeführt worden sind durch die vom Modernismus verseuchte Priesterschaft, ist das dringendste Werk, das notwendigste in der Kirche, die Heranbildung einer tiefka­tholischen Priesterschaft. Wir widmen uns diesem Werk.»39 «Die Bischöfe würden Orte bestimmen, dieser Überlieferung vorbehaltene Stunden. Die Einheit würde sich unverzüglich wiederfinden auf der Ebene des Ortsbischofs. Demgegenüber als Vorteile für die Kirche: die Erneuerung der Seminarien, der Klöster; ein großer Eifer in den Pfar­reien. Die Bischöfe wären verblüfft, in einigen Jahren einen Schwung von Frömmigkeit und Heilung wiederzufinden, die sie auf immer ver­schwunden glaubten.»40 Wie kann Mgr. Lefebvre wirklich glauben, dass die in den konziliaren Kirchen gelesene Messe des hl. Pius V. die Zustimmung der Gläubigen finden würde? Wie kann er wirklich glau­ben, dass die Gläubigen augenblicklich eine lockere Sittlichkeit aufgä­ben für eine fordernde? Wie kann er wirklich glauben, dass die mit dem Irrtum gleichgestellte Wahrheit schließlich siegen würde? Glaubt er das übrigens wirklich?

Mgr. Lefebvre, der katholisch sein will und der überdies Bischof ist, weiß, dass die Kirche apostolisch ist und dass es unbegreifbar ist, dass die Erneuerung der Kirche ohne die Bischöfe geschehen könnte, schon gar nicht gegen sie. Dennoch hört er trotz allen ihm gegebenen Hinwei­sen nicht auf, sich hinter seinem Entschluss einzugraben, «Priester aus­zubilden, wie die Kirche es immer getan hat». Zur Stützung seines Tuns sagt er oft, dass die Heiligen nicht anders gehandelt haben41 . Unabhängig von der offenbar falschen Art des Einwandes, besteht, wie man weiss, das Nachahmen von Heiligen nicht darin, Zug um Zug ihre Taten und Gebärden nachzuahmen, sondern ihre Tugenden nach­zuahmen in den Umständen, welche die Vorsehung für uns ausgesucht hat. Jeder weiß, dass man Mgr. Lefebvre mit dem heiligen Athanasius verglichen hat. Er selber hat den Heiligen erwähnt, um sein Verhalten zu rechtfertigen42. Aber wenn der hl. Athanasius sich damit begnügt hätte, Priester auszubilden, da ja die von unserem Herrn seiner Kirche gegebenen Versprechen bestehen blieben, wäre die Welt arianisch.

Die stets gleichbleibende Rechtfertigung des Mgr. Lefebvre ist also lächerlich im Blick auf die Taten, die er setzt, und auf den Ernst der Lage. Sie ist lächerlich, aber bequem, um sich einer drängenden Pflicht zu entziehen. Sie ist auch verführerisch. Viele haben sich übrigens dadurch missbrauchen lassen, wie sie missbraucht worden sind durch die mannigfachen und widersprüchlichen Aussagen des Mgr. Lefebvre, so mannigfaltig, dass jeder auf seine Rechnung kommen konnte.

Aussagen nach den Umständen

Mgr. Lefebvre hat sich also ein- für allemal eine Haltungslinie gewählt, so überholt und abartig sie auch sei. Dennoch könnte ein rasches Prü­fen seiner Erklärungen seit Vatikanum II denken lassen, dass im Gegenteil Mgr. Lefebvre sich geändert hat, und zwar bei mannigfalti­gen Gelegenheiten. Man entnimmt ihnen in der Tat sehr widersprüch­liche Einzelheiten.

Eines Tages geißelt Mgr. Lefebvre das Vatikanum II: «Wir weigern uns hingegen und haben uns immer geweigert, dem Rom der neumo­dernistischen und neuprotestantischen Haltung zu folgen, die sich im II. Vatikanischen Konzil und nach dem Konzil in allen daraus hervor­gegangenen Veränderungen klar geoffenbart hat»43. Er fügt hinzu, dass «es ein Irrtum ist, zu sagen, dass die Veränderungen ihren Ursprung nicht im Konzil haben»44, «dass die amtlichen nachkonzilia­ren Veränderungen und Ausrichtungen mit größerer Offensichtlichkeit als irgendein Schriftstück die amtliche und gewollte Auslegung des Kon­zils beweisen»45 und dass «es demnach jedem gewissenhaften und gläubigen Katholiken unmöglich ist, diese Veränderung anzunehmen und sich ihr auf irgendeine Weise zu unterwerfen»46. Eines anderen Tages erklärt sich Mgr. Lefebvre bereit, «eine Erklärung zu unterzeich­nen, die das II. Vatikanische Konzil, ausgelegt gemäß der Überliefe­rung, annimmt »47 . Eines Tages wettert er gegen die «Luthermesse», die «eine andere Auffassung von der katholischen Religion voraussetzt, eine andere Religion»48. Er drückt sogar die Beweggründe seiner Geg­nerschaft auf eine entschiedene Weise aus: «Man möge sich nicht täu­schen, es handelt sich nicht um eine Meinungsverschiedenheit zwi­schen Mgr. Lefebvre und Papst Paul VI.! Es handelt sich um eine völlige Unvereinbarkeit zwischen der katholischen Kirche und der konziliaren Kirche, da die Messe Paul VI. das Zeichen und das Programm der konzi­liaren Kirche ist»49. Er unterstreicht die ernsten Gefahren, welche die neue Messe hervorruft: «Die katholisch-protestantische Messe, fortan vergiftete Quelle, die unberechenbare Verheerungen erzeugt … Die ökumenische Messe führt folgerichtig zum Abfall vom Glauben .. .»50 Aber eines anderen Tages errötet Mgr. Lefebvre nicht, das Miteinan­der der beiden Riten ins Auge zu fassen. Er unterscheidet die «guten» neuen Messen von den schlechten. Und er schließt nicht aus, dass man an der neuen Messe teilnimmt, um die Sonntagspflicht zu erfüllen: «Ich glaube, dass es nicht nötig ist, jede öffentliche religiöse Handlung zu übergehen, und demzufolge glaube ich, dass, wenn die Messe, die gefeiert wird, es nicht auf eine gotteslästerliche und unehrerbietige Weise wird, es gut ist, am Sonntag an dieser Messe teilzunehmen, um die Sonntagspflicht zu erfüllen»51 . Eines Tages spricht Mgr. Lefebvre über die konziliare Kirche, ihre Hierarchie und hauptsächlich ihren «Papst» von Schismatikern: «Alle diejenigen, die an der Anwendung dieses Umsturzes mitarbeiten, diese neue konziliare Kirche annehmen und ihr angehören.. ., treten in die Spaltung ein »52 . Eines anderen Tages ernie­drigt er sich dazu, bei diesen «Abgespaltenen» eine Anerkennung zu erbetteln, auf die er immer wartet: «Heiliger Vater, um der Ehre Jesu Christi willen, um des Wohles der Kirche willen, um des Heiles der Seelen willen beschwören wir Sie, ein einziges Wort zu sagen …: Lasst sie machen!»53. Wir müssen hier einhalten mit dem Aufzählen all der Zusammenhanglosigkeiten von Mgr. Lefebvre, um zu versuchen, sie zu erklären.

Ein erster Gedanke kommt in den Sinn. Die Ereignisse hätten Mgr. Lefebvre gedrängt, seine Lagen zu erhellen. Was ist da natürlicher, als dass seine Aussagen sich ändern? Das Gegenteil wäre beunruhigend. Aber diese Erklärung hält nicht. Wir haben gezeigt, dass das Werk von Mgr. Lefebvre auf einer Rechtfertigung beruht, die sich nicht geändert hat. Der Chef, dem daran liegt, nimmt für sich die Tatsache in Anspruch: «Ich glaube, sagen zu können, dass ich meine Meinung über diese Dinge nicht geändert habe»54. Anderenteils zeigt ein Geringstmaß von Untersuchung seiner Aussagen, dass in einer gleichen Lage er fähig ist, eine Sache und ihr Gegenteil zu sagen. So z.B. hat man viel gesprochen über den ‹heißen Sommer› von 1976. Und Tatsache ist es, dass unter dem Druck der Ereignisse der Ton ein wenig gestiegen ist. Am 29. Juli erklärt Mgr. Lefebvre unter dem Schlag der Suspendie­rung a divinis: «Diese konziliare Kirche ist eine spalterische Kirche, weil sie mit der katholischen Kirche von immer bricht…»

«Diese konziliare Kirche ist schismatisch, weil sie zur Grundlage ihrer Fortführung Grundsätze übernommen hat, die denen der katholi­schen Kirche entgegengesetzt sind.»

«Die Kirche, die derartige Irrtümer behauptet, ist zugleich schismatisch (spalterisch) und häretisch (irrgläubig). Diese konziliare Kirche ist also nicht katholisch.» Nun, weniger als eine Woche später sagt er, vom Konzil sprechend: «Ich verwerfe sie nicht gänzlich. Ich nehme das Konzil an in dem Maße, wie es mit der Überlieferung übereinstimmt»55. Besser noch verrichtet er in einer gleichartigen Erklärung in der Zei­tung Le Figaro eine Heldentat. Nachdem er seine sehr harten Aussa­gen vom 29. Juli wiederholt und die Frage der Rechtmäßigkeit Paul VI. gestellt hat, folgert er: «Wir sind also fest entschlossen, unser Werk der Wiederherstellung des katholischen Priestertums fortzuset­zen, was auch kommen mag, überzeugt, dass wir der Kirche, dem Papst, den Bischöfen und den Gläubigen keinen besseren Dienst erweisen können. Möge man uns die Erfahrung mit der Überlieferung machen lassen!»56

Manche haben in diesen Zusammenhanglosigkeiten ein taktisches (planvoll geschicktes) Vorgehen sehen wollen. Wenn das wahrhaftig der Fall wäre, wäre das Vorgehen schon ärgerniserregend. In Wirk­lichkeit beweist all dies, dass Mgr. Lefebvre überhaupt keine Doktrin hat! Treu der Linie, die er gewählt hat, d. h. ungestraft sein Werk fort­zusetzen, handelt er auf Grund von Ereignissen, die geeignet sind, sein Werk zu bedrohen, um es zu schützen und sich zu rechtfertigen. Wäre dies eine zu rasche Schlussfolgerung? Leider nein! Um sich davon zu überzeugen, wird es genügen, sich kurz der Geschichte der Bruder­schaft St. Pius X. wieder zu erinnern.

Ursprünglich erklärt Mgr. Lefebvre, das tun zu wollen, was die Kirche immer getan hat. Aber da es wirklich nicht überlieferungsgemäß ist in der Kirche, gegen ein ökumenisches (allgemeines) Konzil zu han­deln, nimmt er seine Zuflucht zur Konzilsbezeichnung ‹pastoral› (seel­sorgerisch), indem er glaubt, so die Unfehlbarkeit des Papstes und der Kirche aussparen zu können: «Am Konzil von Trient können wir nichts mehr ändern, wogegen das II. Vatikanische Konzil ein seelsor­gerisches gewesen ist, das es gerade vermieden hat, sich mit der Abfas­sung von Glaubenslehrsätzen zu beschäftigen, und deshalb konnte es das werden, was es gewesen ist».57 Es kommen die Ereignisse der Jahre 1975 und 1976. Die von Rom gekommenen Schikanen fordern Mgr. Lefebvre heraus. Sein Werk ist bedroht. Da macht er die sehr harten Aussagen, die man weiß. Hat Mgr. Lefebvre die ernsten Lehrfragen, die er sich stellen muss, tiefergründig überprüft? Hat er endlich begrif­fen, dass er mit der konziliaren Sekte brechen muss? Wird er endlich seine Bischofspflicht erfüllen? In Wirklichkeit nichts von alledem! Mgr. Lefebvre hat sich nicht geändert! Seine Aussagen sind Aussagen je nach den Umständen58. Der Beweis dafür ist, dass, als mit Paul VI. in Verhandlungen eingetreten worden ist, er zu mehr mildernden Reden zurückkommen wird. Sein Werk kann fortbestehen in der Ruhe. Später machen sich einige Priester und Seminaristen, von Johannes Paul II. nicht weniger getäuscht als von Paul VI., Sorgen über die Frage des Papstes und die Rechtfertigung des Tuns von Mgr. Lefebvre. Zum erneuten Male ist sein Werk in Gefahr. Er lässt daraufhin sein ‹endgültiges› Denken über die brennenden Fragen veröffent­lichen und schickt die Störenfriede weg. Und als die Vereinigung für die Treugläubigkeit sich bemüht, die Zusammenhanglosigkeit aufzu­zeigen, die darin besteht, Johannes Paul II. als Papst anzuerkennen und zu gleicher Zeit ihm in allem nicht zu gehorchen59, schickt er ‹Theologen› auf den Kampfplatz, die sich bemühen, eine Irrlehre über das ordentliche Lehramt des Papstes und der Kirche, tatsächlich eine Wiederholung der alten protestantischen und gallikanischen Irrleh­ren, zu rechtfertigen.

So hat Mgr. Lefebvre die von der Vorsehung seit der Gründung seiner Bruderschaft von Gott gewollten oder zugelassenen Ereignisse nicht angenommen als Gelegenheiten, die Wahrheit zu suchen, sich zu ermannen und seine Bischofspflicht zu erfüllen, sondern eben als Angriffe gegen sein Werk. Die Verschiedenheit dieser Angriffe erklärt seine Aussagen, widersprüchliche Aussagen, die aber gemeinsam haben, mit dem einzigen Ziel gemacht worden zu sein, das Trugbild zu schützen, das er gegen alles und jedes anzustreben sich entschieden hat.

Indem er dies tat, hat Mgr. Lefebvre viele Leute getäuscht, und haupt­sächlich die Katholiken, die einige Zeit brauchten, um zu begreifen. Mgr. Lefebvre strebte mehr nach dem Wohl seines Werkes als nach dem Wohl der Kirche. Aber indem er die Gläubigen täuschte, deren er sich übrigens reichlich bedient hat und ohne die die Bruderschaft St. Pius X. heute nichts wäre, hat er sich selber getäuscht dadurch, dass er sich bei vielen Gelegenheiten weigerte, den Glauben zu bekennen.

Weigerung, den Glauben zu bekennen

Erzbischof Lefebvre weiß, und hat es selber gesagt, dass die Kirche heute eine außerordentliche Krise erlebt, wohl die größte ihrer Geschichte. Er weiß auch, dass das überwiegende Problem dasjenige der Rechtmäßigkeit des Oberhauptes der Konzilskirche ist. Es fiel ihm in ganz besonderer Weise zu, für dieses Problem eine Lösung zu bringen, nicht nur in bezug auf den Entschluss, in diesem oder jenem Sinn zu handeln, und der Erwartung der Katholiken eine Antwort zu geben, sondern um vor der Welt zu bezeugen, dass die Konzilskirche nicht die Kirche Jesu Christi ist, und dass ihre Vorgesetzten Betrüger sind. Es ist vorgekommen, dass der Erzbischof diese Frage in Betracht gezogen hat. So sagte er in einem am 6. Oktober 1978 an vierzig Kardinäle, worunter Karol Wojtyla, gesandten Brief: «Ein dieses Namens würdi­ger Papst, wirklicher Nachfolger Petri kann nicht erklären, er widme sich der Anwendung der Reformen des Konzils. Er bricht damit mit allen sei­nen Vorgängern, und mit dem Konzil von Trient im besonderen.» Bes­ser konnte man das Problem nicht stellen, und besser auch nicht das Prinzip seiner Lösung geben. Doch die Folge lässt immer auf sich war­ten, und im übrigen war das Ereignis eher außergewöhnlich.

Verabscheuungswerte Gewohnheit

In allgemeinem Sinne, und bevor er selber oder durch andere eine irr­tümliche, aber bequeme These entwickelt, hat der Erzbischof immer dafür Sorge getragen, diese Probleme zu stellen, um sich ihnen sofort zu entziehen, indem er sie in eine weite Zukunft verschob, oder sie anderen anvertraute. 1973 sagte er schon: «Ja! aber was wollt ihr, wir müssen dem Papste folgen, wir müssen Rom folgen. Ich weiß nicht, ich würde sagen, dass ich diese Dinge nicht erwägen will, dass ich meine Seele retten will, dass ich zum ewigen Leben gelangen will, und der Glaube gibt mir das ewige Leben. Folglich will ich lieber sterben als den Glauben aufgeben. Und alles, was man mir gegen den Glauben sagen wird, werde ich kategorisch abweisen»60. Auf gleiche Weise weicht er 1976 aus: «Ein ernstes Problem stellt sich dem Gewissen und dem Glauben aller Katholiken seit dem Anfang des Pontifikates Paul VI. Wie kann ein Papst, wahrer Nachfolger Petri, des Beistandes des Hl. Geistes gewiss, der Zerstörung der Kirche vorstehen, der tief­sten und ausgedehntesten seiner Geschichte in einer so kurzen Zeit­spanne, was keinem Hierarchen je gelang?» Auf diese Frage wird man wohl eines Tages antworten müssen, doch indem man diese Frage den Theologen und Historikern überlässt, zwingt uns die Wirklichkeit, gemäß dem Rat vom hl. Vinzenz von Lerin zu antworten61. Diese Weigerung der Prüfung, schändlich für jeden Christen, ganz besonders von seiten eines Bischofs, wird erneut durchsichtig in der Deklaration, die Erzb. Lefebvre im November 1979 weit verbreitet hat: «Glückselig diejenigen, welche gelebt haben und gestorben sind, ohne sich eine derartige Frage haben stellen zu müssen!»62.

Ein anderes Beispiel zeigt gut, dass Erzb. Lefebvre das Zeugnis des Glaubens abschlägt, um den irdischen Erfolg seines Werkes besser sichern zu können. Man weiß, dass er sich zu Recht eine Spezialität daraus gemacht hat, die Konzils-Deklaration über die Religionsfrei­heit zu durchbrechen. Und gleichwohl, in einem am 23. November in Angers gehaltenen Vortrag erklärte der Erzbischof: «Man muss hoffen, dass die Dinge mit dem Papst Joh.-Paul II. sich lösen werden, ich verzweifle gar nicht daran… Wir verlangen einfach, vielleicht, die theoretischen Probleme nicht zu sehr zu diskutieren, die Fragen, die uns trennen, wie diejenige der Religionsfreiheit, beiseite zu lassen. Man muss nicht alle Probleme sofort lösen, die Zeit wird ihre Klarheit bringen, ihre Lösung …» Man muss sich der Evidenz fügen: Erzb. Lefebvre, der so oft proklamiert hat, dass die Annahme der von Vatikanum II pro­klamierten Religionsfreiheit gleichbedeutend sei mit der Leugnung der Rechte Christi über die Welt, nimmt sich nichts anderes vor, als die Königsherrschaft unseres Herrn unter den Scheffel zu stellen, sobald ihm dies erlaubt, bei der Konzilskirche in Gunst und Gnade zu kommen. Ist er sich aber bewusst, dass er, um seine eitlen Verhandlun­gen zum Ziel zu führen, den katholischen Glauben dem Erfolg seines Werkes unterordnet?

Der Augenblick der Wahrheit

Um diese Frage abzuschließen, müssen wir noch berichten von der Gegenüberstellung zwischen der Kongregation für den Glauben und Erzbischof Lefebvre. Letzterer wollte, dass alle Elemente dieser Kon­frontation veröffentlicht und vereinigt werden in einer Spezialnummer der Zeitschrift Itinéraires»63. In der Einleitung dazu erwähnte Erzb. Lefebvre seine Antwort an das Ex-heilige Offizium, das ihn der Spal­tung der Kirche beschuldigte: «Wenn ich denke, dass wir im Raum des Heiligen Offiziums sind, außergewöhnlicher Zeuge der Tradition und der Verteidigung des katholischen Glaubens, kann ich nicht umhin zu denken, dass ich hier zuhause bin, und dass ich es bin, den Ihr Traditio­nalisten nennt, der Euch richten müsste. Die Tradition stellt eine uner­schütterliche Vergangenheit dar, wie dieses Haus, der Liberalismus hat keine Grundlage und wird vergehen. Eines Tages wird die Wahrheit ihre Rechte wieder zurücknehmen.» Aus eigenem Geständnis ergab sich hier für Erzb. Lefebvre eine Gelegenheit, die Konzilskirche zu richten und zu verurteilen und der Wahrheit zum Triumph zu verhel­fen.

Die Zeit der Gegeneinanderstellung ist das Gespräch vom 11. und 12. Januar 1979. Doch müssen wir rasch das Vorangehende beschreiben. Der erste Brief des Kardinals Seper an Mgr. Lefebvre datiert vom 28. Januar 1979. Diesem Brief ist ein Fragebogen beigelegt, welchem Mgr. Lefebvre am 26. Februar antwortet. Seine Antwort wird als unvollständig taxiert, und am 16. März erhält er ein neues Gesuch zur Rechtfertigung, die wir hier ganz zitieren müssen:

«1. In Bezug auf den Ordo Missae:

a) Der Gläubige kann die Übereinstimmung eines vom obersten Hir­ten veröffentlichten sakramentalen Ritus mit der Glaubenslehre nicht bezweifeln.
b) …
c) …

2. Ihre allgemeinen Verlautbarungen (über die Autorität des 2. Vati­kanischen Konzils und des Papstes Paul VI.) führen zu einer Praxis, die dazu führt, sich die Frage zu stellen: steht man nicht vor einer schis­matischen Bewegung? In der Tat, Sie weihen Priester gegen den aus­drücklichen Willen des Papstes und ohne die «litterae dimissoriae», welche vom kanonischen Recht gefordert sind — und Sie haben nach Ihrer Suspens a divinis damit fortgefahren—, Sie schicken diese Priester in Priorate, wo sie ihr Ministerium ohne die Erlaubnis des Orts-Ordi­narius ausüben; Sie halten Vorträge, die geeignet sind, Ihre Gedanken in Diözesen zu verbreiten, in welchen der ansäßige Bischof Ihnen die Erlaubnis dazu verweigert; mit den Priestern, die Sie geweiht haben, beginnen Sie, ob Sie es wollen oder nicht, Gruppen zu bilden, welche zu gespaltenen Gemeinschaften werden.
3. Sie erachten, dass die von Ihnen geweihten Priester die vom kanoni­schen Recht für den Bedarfsfall vorgesehene Gerichtsbarkeit besitzen. Heißt das nicht vernünfteln, wie wenn die Hierarchie aufgehört hätte zu existieren?
4. Der Papst hat die «Potestas suprema jurisdictionis» non solum in rebus quae ad fidem et mores sed etiam in iis quae ad disciplinam et regimen Ecclesiae per totum orbem diffusae pertinent» (Conc. Vat. I. Const. Pastor Aeternus, DS 3064)64, so ist der ihm geschuldete Gehor­sam nicht auf die Gegenstände der Doktrin beschränkt.
5. Durch Ihre Deklarationen über die Unterwerfung unter das Konzil und den nachkonziliären Reformen Paul VI. — Deklarationen, mit denen ein ganzes Verhalten, insbesondere die unerlaubten Priester­weihen übereinstimmen — sind Sie in einen schweren Ungehorsam ver­fallen, dessen Logik in das eigentliche Schisma führt.»

Wie man auch denkt über die Qualität der Mietlinge der neuen Kirche, muss man wohl erkennen, dass sie die wesentlichen Fragen stellen. Kann man einen vom Papst promulgierten sakramentalen Ritus in Zweifel stellen? Wenn dieser Ritus objektiv zweifelhaft ist, kann dann derjenige, der ihn promulgiert hat, Papst sein? Handeln, wie Mgr. Lefebvre es tut, und zugleich die konziliären Häupter als rechtmäßige Obrigkeiten anerkennen, ist das nicht den Weg des Schimas ergreifen? Oder setzt diese Handlung nicht voraus, dass die legitime Hierarchie aufgehört hat zu existieren? Kann ein Katholik den Gehorsam gegen­über dem Papst allein auf den Gegenstand der Lehre beschränken? Man kann wirklich sagen, dass die Aufgabe Mgr. Lefebvre beträcht­lich erleichtert ist.

So verblüffend dies erscheinen mag, dieser letztere denkt keineswegs an eine Antwort. Weit weg, die Fragen Punkt für Punkt wieder aufzu­greifen, begnügt er sich damit, «allgemeine Erwägungen über die Lage der Kirche seit Vatikanum II zu verbreiten …» und einige «besondere Betrachtungen». Die «allgemeinen Erwägungen» antworten nicht auf die Fragen, sondern sind nur Wiederholungen seiner unveränderli­chen Reden. Was nun die «besonderen Betrachtungen» betrifft, so sind auch sie keine bessere Antwort und rechtfertigen den Ungehorsam gegenüber dem Papst mit der Enzyklika Leo XIII., Libertas Praestan­tissimum, allerdings um den Preise einer Verwechslung zwischen der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche mit irgendwel­cher natürlichen Gesellschaft, mit einer maßgeblichen Unterlassung, nämlich derjenigen der Unfehlbarkeit.

Auf diese Basis eröffnet sich das Gespräch vom 11. und 12. Januar 1979. Da wir hier nicht die Gesamtheit der Debatte wiedergeben kön­nen, werden wir uns damit begnügen, die ersten zwei Fragen der Modernisten zu behandeln und die Antworten, die Mgr. Lefebvre gegeben hat. Es sind die aufschlussreichsten.

1.  Frage:
«Muss man aus diesen Aussagen65 folgern, dass nach Ihrer Auffassung der Papst, indem er den Neuen Ordo promulgiert und vorschreibt, und die Bischöfe, die ihn aufgenommen haben, sichtlich eine neue ‹konzi­liäre› Kirche eingeführt und um sich versammelt haben, die mit der katholischen gänzlich unvereinbar ist?»

Antwort von Mgr. Lefebvre:

«Ich bemerke vorerst, dass der Ausdruck ‹konziliäre Kirche› nicht von mir ist, sondern von S.E. Mgr. Benelli, welcher in einem öffentlichen Brief verlangte, dass unsere Priester und Seminaristen sich der konzi­liären Kirche unterordnen sollen.»

«Ich ziehe in Betracht; dass ein Geist mit modernistischer und prote­stantischer Neigung sich kundtut im Begriff der neuen Kirche, und übrigens in jeder liturgischen Reform. Die Protestanten selbst versi­chern dies und Mgr. Bugnini erkennt dies stillschweigend, wenn er behauptet, dass die liturgische Reform in einem ökumenischen Geist aufgefasst worden ist. (Ich kann eine Studie vorbereiten, um zu zeigen, auf welche Weise ein protestantischer Geist im Ordo Missae vorhan­den ist).»

2.  Frage:
«Vertreten Sie die Meinung, dass ein katholischer Gläubiger denken und versichern kann, dass ein sakramentaler Ritus, im besonderen die hl. Messe, betätigt und promulgiert vom Oberhaupt der Kirche, nicht übereinstimmen kann mit dem katholischen Glauben, oder ‹favens haeresim›»?

Antwort von Mgr. Lefebvre:

«Dieser Ritus in sich selbst bekennt den katholischen Glauben nicht so klar wie der alte ‹Ordo Missae›, und infolgedessen kann er die Häre­sie begünstigen. Ich weiß aber nicht, wem ich dies zuschreiben soll, noch ob der Papst dafür verantwortlich ist.

Bestürzend ist, dass ein ‹Ordo Missae› mit protestantischem Beige­schmack, also‹favens haeresim›, von der römischen Kurie hat ver­breitet werden können.»

Man wird bemerkt haben, wie sehr die Schalheit der Antworten von Mgr. Lefebvre kontrastiert mit dem Ernst der gestellten Fragen. Die Gelegenheit ist einmalig. Während die Mietlinge der neuen Kirche im allgemeinen bei haltlosen Äußerungen bleiben, stellen sie an diesem Tage Fragen von großer Genauigkeit. Handelt es sich ihrerseits um einen Irrtum? Oder wissen sie, gestützt auf die geschriebenen Antwor­ten, die der Prälat ihnen schon gesandt hatte, dass dieser ausweichen wird, und denken sie, auf diese Weise die Lage zu ihren Gunsten umkehren zu können? Wie dem auch sei, die Vorsehung wollte, dass die Fragen gestellt wurden, und man wird feststellen müssen, dass der Prälat die Antwort verweigerte. Man fordert ihn auf zu sagen, ob ja oder nein mit Vatikanum II eine neue Kirche geboren ist, ob diese Kir­che unvereinbar ist mit der katholischen Kirche. Die in Hirten gekleideten Wölfe sind es, die ihn ausfragen. Die Antwort ist leicht. Er selber hat gesagt, dass er sie richten müsste. Und er weicht aus mit einem Drehsprung und einigen undeutlichen Erwägungen über den Geist der Reform. Ein zweites Mal stellt die neue Kirche eine Frage, mit welcher sie ihre eigene Verurteilung ausspricht. Kann ein ver­nünftiger Katholik aufrechthalten, dass der Oberhirte der hl. katholi­schen Kirche verpflichtend erklären kann, was er, Mgr. Lefebvre, so oft die «Luthermesse» genannt hat? Und ein zweites Mal weicht er aus. Denn der Respekt nötigt zu denken, dass diese Unwissenheit über die Verantwortung des «Papstes» bei dem neuen «Ordo Missae» eine getarnte Unwissenheit ist, eine klägliche Flucht. Diese Frage kann ihn nicht überraschen, nachdem sie ihm zum dritten Mal in weniger als einem Jahr unterbreitet worden ist: ein Jahr, um die einzige sich auf­drängende Antwort vorzubereiten. Ob diese falschen Richter aus Irr­tum oder aus List gehandelt haben, Tatsache ist, dass Mgr. Lefebvre seine Pflicht nicht erfüllt hat, sich dazu verurteilt, sie nicht im Namen des Glaubens zu richten, und sich im Namen aller ausserhalb der Kir­che stellt. Tatsache ist, dass er der Forderung der Vorsehung aus dem Wege geht: den Glauben bekennen; bezeugen, dass die Konzilskirche nicht die Kirche ist und dass die Vorsteher Betrüger sind.

Verblendung

Seit dieser Weigerung, den Glauben zu bekennen, haben sich die Dinge wesentlich verschlimmert. Als Frucht dieser furchtbaren Demission folgte die Deklaration vom 8. November 1979, Taufschein dessen, was man wohl den Lefebvrismus nennen muss. Auf der einen Seite missachtet er blindlings die Einwände von der katholischen Lehre aus66, auf der anderen Seite segnet er alles, was im Sinne seines Starrsinns läuft.

Blind führt er andere Blinde. In bezug auf die Lehre ist seine Umge­bung bedingungslos, wenig anspruchsvoll den Grundsätzen gegen­über, gewandt sie anzupassen, alles abwägend und beurteilend nach Maßgabe der Praxis. Die Tendenzen sind verschieden, ver­schwommene Lehre ist üblich, doch was liegt daran, solange die Praktiken des Erzb. Lefebvre nicht in Frage gestellt werden. Der Lefebvrismus hat sich im Laufe der Jahre bereichert mit lehrlichen Bei­trägen, anscheinend ohne ausreichende Einheit, die aber alle versu­chen, den Bischof von jeglichem Verdacht reinzuwaschen.

Wir sagen richtig: den Bischof von jeglichem Verdacht reinzuwaschen. Denn es handelt sich für die lefebvristischen «Denker» nicht darum, Gegenstände der katholischen Lehre zu erörtern, die dazu angetan wären, eine Verhaltensweise zu stützen. Es geht vor allem darum, den Meister gegen die Angriffe der wahren Kirche zu schützen, und einige Antworten mit einem traditionellen Anschein ausfindig zu machen.

So hat man im Monat Mai 1980 die protestantischen Trugschlüsse des Abbé Williamson entstehen sehen, dann die gallikanischen Aufrufe des Domherrn Berthod, alias P. René-Marie, im Januar 198167, dann die rousseauistischen Faseleien von Me Roger Lefebvre über das kanonische Recht im April, dann das Communiqué von der «sainte Résistance» im Mai, und endlich, indem man besseres erwartet, die Verfälschungen von Georges Salet, alias Michel Martin, im Februar 1982. Man wird dabei bewundern, dass Mgr. Lefebvre nie direkt Hand anlegt bei der Ausarbeitung dieses Gemengsels dieser vornehmlich klassischen Häresien. Sogar das Communiqué, das er unterzeichnet hat, erscheint allzu deutlich als ein Werk des Abbé Coache. Wäre er sich des äußerst künstlichen Charakters seiner Erzeugnisse bewusst? Sollte er befürchten, seinen Namen bloßzustellen in Geistes-Gebäu­den, die allzu sehr nach Arglist riechen? Es bleibt, dass er sie auf die eine oder andere Weise ermutigt und billigt.

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1 In Ecône, am 29. Juli 1976 (unter anderem).

2 Siehe Fortes in Fide Nr. 15, S. 1-38.

3 Deshalb sind wir so vorgegangen, dass es einen deutlichen Einschnitt gibt in unserer Zeitschrift zu der früheren Serie. Daraus wollen Leute wie z.B. der gute Abbé Coache heute uns einen Vorwurf machen und auch für sonstigen Änderungen, als ob die Tatsache, Fortschritte in der Vertiefung und Darlegung der christlichen Lehre zu machen, einen unverzeihlichen Fehler darstellen würde.

4 Insbesondere wurden weit verbreitet die freien Ausgeburten des Geistes von Abbé Williamson (siehe «Forts dans la Foi» Nr. 2 NS, S. 101-126) oder die von Abbé de Pivain, ohne den Fall von Fall G. Salet zu vergessen (siehe Ergänzung «Forts dans la Foi» Nr. 9, NS.)

5 Siehe Fortes in Fide Nr. 18, S 170-177.

6 Gemäss dem Ausdruck von Mgr. Lefebvre, am 27. Juni 1980 (siehe «Fideliter», N r. 16, S. 9).

7 Wie z.B. der gute Abbé Coache, Doktor des Kirchenrechts, der all die vielen uner­laubten Vollmachten deckt, aber vor allem die ungültige Vollmacht, zu firmen, die Mgr. Lefebvre einfachen Priestern der Bruderschaft gewährt.

8 Das ist eine Sünde (dieses Heft zu lesen)! Der gute Abbé Coache garantiert uns: «Die Herausgabe dieses Buches ist eine sehr schlechte Aktion, nehmt daran nicht teil, selbst nicht aus Neugierde, ihr werdet euch schuldig machen!» (Unterstrichen vom Autor, «Combat de la Foi», 25. Jan. 1982, S. 6).

9 Ansprache anläßlich des Tages der Begegnung der katholischen internationalen Vereinigungen.

10 Siehe über diesen Gegenstand: «Die Aufgabe der Katholiken», Ed. Forts dans la Foi, 1981.

11 «Nach der zweiten Sitzung des Konzils machen wir einen Schlussstrich unter das Benehmen des Nachfolgers Petri», in Ergänzung zur Zeitschrift Intinéraires Nr. 81, 21. Januar 1964. Man ist erstaunt, in dieser Zusammenfassung die Freiheit der Mei­nungsäußerung bei den Debatten positiv vermerkt zu sehen und auch alles, was während den beiden ersten Sitzungen geschah: die Liturgiekonstitution, das Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel, über die Offenbarung, über den Epis­kopat usw.; all dies wurde positiv beurteilt.

12 Op. cit. S. 16.

13 Mgr. Lefebvre: «Ich klage das Konzil an», St. Gabriel 1976, S. 109.

14 Konferenz in Wien, am 9. September 1975.

15 Da er am Anfang nicht wusste, ob er ein unabhängiges Seminar aufmachen sollte, oder seine Seminaristen auf die Universität schicken sollte, hatte Mgr. Lefebvre Kard. Journet um Rat gefragt. Dieser hatte geantwortet: «Schicken Sie nicht alle Seminaristen an die Universität. Gründen Sie ein Priesterseminar. 80% Ihrer Stu­denten sind nicht für die Universitätsstudien geeignet.» (Darlegung, von Mgr. L. berichtet «Priester für morgen», St. Gabriel, 1973 SS. 10/11). Der Pessimismus von Kard. Journet, was die Truppe von Mgr. Lefebvre anbetrifft, sollte in der nachfol­genden Zeit seinen tiefen Wirklichkeitssinn offenbaren.

16 Der Brief von Abbé Coache an Père Barbara vom 21. Febr. 1974 gibt davon Zeugnis: «Ich sah Mgr. Lefebvre in Albano. Wurde sehr gut empfangen; erhielt Unterkunft und Verpflegung. Indessen kehre ich sehr enttäuscht zurück (was mein Anliegen betrifft). Trotz seiner guten und herzlichen Worte ist es klar, dass Mgr. Lefebvre sich weigert, in der Sache des Seminars mit mir zusammenzuarbeiten. Sein Wohlwollen ist eher eine Art Neutralität mit Sympathie (das, was er in Lille in der Konferenz gesagt hat bezüglich des Seminars – nach dem, was er mir selbst berichtet hat -, zeigt klar, dass er mit unserem Werk nichts zu tun haben will, es sei denn er billigt von Herzen eine Initiative eines anderen Traditionalisten, die ihm günstig erscheint). Als ich ihn darum bat, unsere Gründung in seiner kleinen Zeitschrift zu vermerken und auf die Zusammenarbeit hinzuweisen, die er zugesagt hatte, da hat er dies zurückgewiesen! Ich habe ihm gesagt, dass die Leute sein Schweigen nicht verstehen würden, da es sich um das Werk eines Seminars handle (vielleicht wird er zwei Zei­len darüber schreiben; aber in einer Art und Weise, dass man sieht, dass es sich nicht um sein Werk handelt). Er hat eine starke Angst, einesteils vor der Reaktion der Bischöfe, andererseits, dass Katholiken ihn anklagen, sich mit dem «Combat de la Foi» («Glaubenskampf») zu «identifizieren». Ich habe ihm gesagt, dass es sich nicht um eine Identifizierung handeln könne, sondern dass die Wahrheit die Grundlage von allem sein müsse, und dass er uns auf dieser Grundlage ein besonderes Wohl­wollen und eine Zusammenarbeit bezeugen solle, und er infolgedessen auch auf sich nehmen müsse, in Schwierigkeiten zu geraten, wenn es nötig ist.» In einem Brief vom 21. Mai 1974 fügt Abbé Coache hinzu: «Um auf das Seminar zurückzukom­men: da scheint Mgr. Lefebvre sich schuldig zu machen. Er kann Priester haben und will sich nicht in Verlegenheit bringen, indem er uns hilft. Ich werde den Spendern zu verstehen geben, dass man uns nicht hilft.»

17 Brief an die Freunde und Wohltäter, Nr. 5, Okt. 73.

18 Brief an die Freunde und Wohltäter, Nr.9, Sept. 75.

19 ebenda

20 Die Journalisten haben verstanden, allerdings erst spät, welchen Dienst sie damit Mgr. Lefebvre erwiesen. Der sehr fortschrittliche Henri Fresquet schrieb in der Zei­tung «Le Monde» am 17. Sept. 1976: «Wäre es für die Katholiken nicht an der Zeit, den Gegenstand der Unterhaltung und Hauptbeschäftigung zu wechseln, und auf der andern Seite für gewisse unter ihnen, aus Mgr. Lefebvre nicht ein Opfer zu machen, ja einen Märtyrer. Ecône ist mehr ein falsches Manöver als ein Drama.» Seit die Journalisten daraus eine Lehre gezogen haben, belassen sie Mgr. Lefebvre in einem verachtenden Vergessen gemäß den Wünschen der konziliaren Kirche: «So weit ich es weiß: wenn der Vatikan dieses Jahr keine Erklärung abgegeben hat bei der Gelegenheit der Weihen durch Mgr. Lefebvre, so bedeutet dies keineswegs, dass sich die Haltung des Vatikans geändert hat in der Beziehung zu diesem Bischof, der amtsenthoben bleibt und der sehr wohl weiß, dass er kein Recht hat, diese Wei­hen vorzunehmen …»

«Der Vatikan weiß sehr gut, dass jede neue Erklärung zu diesem Thema in den Mas­senmedien mehr über Mgr. Lefebvre sprechen lässt, was darauf hinausläuft, ihm mehr Bedeutung zuzumessen. Es genügt, daran zu denken, was sich im Sommer 1976 zuge­tragen hat, wo man keine Zeitung öffnen konnte und keinen Radiosender anschal­ten konnte, ohne einen Artikel oder eine Sendung über Mgr. Lefebvre zu finden.» (Brief des Erzbischofs von Marseille, Roger Echtegaray, an G.H., am 1. Juli 1981).

21 Le Monde, 14. Nov. 1976. Die Meinung von Mgr. Lefebvre, was die Unterstützung anbetrifft, die ihm die Mehrzahl der französischen Katholiken entgegenbrachte, ist, geben wir es zu, zumindest optimistisch.

22 Brief an die Freunde und Wohltäter, Nr. 13, 17. Okt. 1977.

23 Brief an den Präsidenten von Una Voce, am 17. Sept. 76.

24 Cor unum Oktober 1979.

25 Über diese Antworten werden wir in einem anderen Teil berichten.

26 Erwähnen wir z. B. die Aussagen von Mgr. Ducaud-Bourget am Mikrophon von Europa Nr. 1, wiedergegeben im Républicain Lorrain am 20. März 1980: «Seit Beginn seines Papstamtes ist alles, was Johannes Paul II. öffentlich als Lehre ausge­sagt hat, vollkommen auf der Linie der Überlieferung. Die Lehre des Papstes stimmt mit der überein, die ich seit 80 Jahren erhalten habe.» Es kommt vor, dass die Erin­nerungen von 80 Jahren nicht mehr sehr getreu sind.

27 «Das sei fern von Dir, o Herr! Das wird Dir nicht widerfahren!» «Hinweg von mir, du Satan! Du bist mir zum Ärgernis; denn du denkst nicht nach Gottes Ratschluss, sondern nach der Menschen Weise!» (Mt. 16, 22-23). Der schwankende Glaube von Mgr. Lefebvre ist ein wenig kurz, um die Tatsachen zu leugnen.

28 Cor unum, November 1979.

29 Beweis dieser vertraulichen Aussage von Paul VI. an Jean Guitton: »Diese Messe, genannt die von Pius V., wie man es in Ecône sieht, wird das Zeichen der Verurtei­lung des Konzils. Nun, ich werde es unter keinen Umständen annehmen, dass man das Konzil durch ein Symbol verdammt. Wenn diese Ausnahme gewährt würde, wäre das ganze Konzil erschüttert und in der Folge die apostolische Autorität des Konzils» (Jean Guitton: Paul VI. geheim, DDB 1979, S. 132).

30 Die von Kardinal Knox durchgeführte Befragung über den Gebrauch des Latein und über die Messe des hl. Pius V. enthüllt, dass 0,22% der Bischöfe, die geantwortet haben, einer Zulassung der wahren Messe günstig gesinnt seien, dies als das geringere Übel, um Verwirrung zu vermeiden. Dieser Prozentsatz stellt das sachli­che Gewicht der Traditionalisten in der Welt dar. Im Blick darauf ist die Behauptung von Mgr. Lefebvre, wonach 52% der französischen Katholiken seine Gesichts­punkte teilten, eine lächerliche Masslosigkeit.

31 Man stelle sich die Abbés Aulagnier, Bolduc, Lorans und andere vor, wie sie ihre vorteilhaften Stellungen aufgeben und einfache Pfarrverweser der (roten Bannmei­len) werden!

32 Vgl. Fortes in Fide Nr. 15, S.21.

33 Vgl. u. a. die schon angeführten Sätze von Abbé Williamson, wiedergegeben und widerlegt in Forts dans la foi Nr.2 NS!

34 Vgl. u. a. die Sätze von Maitre Rogar Lefebvre, verbreitet durch die Zeitschrift Fideliter (Nr.20, März-April 1981) und widerlegt in Forts dans la foi Nr. 7 NS! (s. auch Fortes in Fide Nr. 18, Anm. 91, S. 174).

35 Wenn in einem ausnahmsweisen Umstand eine Seele guten Willens sich einer Sache gegenübergestellt sieht, die eine Schwierigkeit für ihren Glauben darstellt, eine Schwierigkeit, deren Bösartigkeit die Kenntnis dieser Seele von den Glaubenswahr­heiten übersteigt, wirkt sich der Glaubensinstinkt aus und erlaubt dieser Seele, diese Schwierigkeit zu überwinden. Die Seele überwindet sie, nicht mittels einer Beweis­führung, die durchzuführen sie nicht in der Lage ist, sondern durch eine übernatür­liche Rückwirkung, durch den Glaubensinstinkt, der die übliche Rückwirkung der­jenigen ist, die vom Geiste Jesu bewegt werden. Nach Überwindung der Schwierig­keit hört der Instinkt nach Erfüllung seiner Aufgabe auf, deutlich zu wirken. Die Seele ist es, welche die göttliche Wahrheit gekostet hat, die gleicherweise durch sie selber wirken muss, um diese geahnte Wahrheit besser anzunehmen, indem sie ihren Glauben erhellt durch das Erforschen der Lehre, ihre Tugend entwickelt durch das Hervorbringen von Glaubenshandeln.

36 Erklärung vom 21. November 1974.

37 Gardons la foi, Saint-Gabriel, 1974.

38 Ein Bischof spricht, DMM 1974, S. 208.

39 Brief an die Freunde und Wohltäter, Nr. 18, Sonntag Quasimodo 1980

40 Brief an Johannes Paul II., 24. Dezember 1978.

41 Was man auch sage über den Prälat, die wilden Seminarien, die Weihen ohne Weihe-Erlaubnisbriefe, die Firmungen und die Beichten ohne Zuständigkeit sind dem entgegengesetzte Ausübungen, was immer in der Kirche getan wurde. Ausge­nommen Irrgläubigspalterische, welche die katholische Kirche nicht als einzige Arche des Heiles anerkennen, hat niemals ein Bischof oder Heiliger ein Seminar, eine Universität, eine Gottesdienststätte, auch private, eröffnet, die Sakramente gespendet ohne vorherige Ermächtigung durch das Ortsordinariat, noch weniger dadurch, dass er dessen Verbot trotzte, wofern er nicht vorher es als irrgläubig nach­gewiesen hatte und dann demzufolge öffentlich handelte, wie es der hl. Athanasius zu seiner Zeit tat.

42 Schriftliche Antwort an die Glaubenskongregation, 13. Januar 1979.

43 Erklärung vom 21. November 1974.

44 Cor unum Nr. 1, S.6.

45 Briefe an die Freunde und Wohltäter Nr. 9, 3. September 1975.

46 Erklärung vom 21. November 1974.

47 Antwort an die Glaubenskongregation, anlässlich der Besprechung am 11. und 12. Januar 1979.

48 Das Meisterstück Satans, Saint Gabriel, S.12.

49 Mitteilung an die Agence France-Presse, 12. Juli 1976.

50 Briefe an die Freunde und Wohltäter Nr. 14, 19. März 1978.

51 Brief an Mlle. T., 15. März 1974. Der Brief von Abbé Coache an Père Barbara, datiert vom 21. Februar 1974, ist in dieser Hinsicht recht lehrreich: «Das Schlimmste ist die Frage der Messe. Er liebt den Abbé de N. überhaupt nicht (er hat es mir wie­der gesagt und versichert, keine Beziehung zu ihm zu haben); aber seine Haltung trifft sich mit seiner; in der Tat hat mir Mgr. Lefebvre seinen Standpunkt bezeichnet: es ist besser, die Neue Messe zu haben als gar keine Messe zu haben; das ist sicherer, um nicht zu wagen, den Glauben zu verlieren, in die Neue Messe zu gehen als über­haupt nicht hinzugehen… Es sieht nicht so aus, als wolle er eine Erörterung über diesen Punkt zulassen; übrigens erhalte ich in diesen Tagen viele Briefe von Schrei­bern, die sich über diese Haltung von Mgr. L. ärgern!!!» Zum Glück für ihren Glau­ben haben die Priester und die Gläubigen, die während mehrerer Jahre die Straßen durchlaufen haben, um die Messe zu retten, den Rat von Mgr. Lefebvre nicht befolgt. Wenn sie es getan hätten, hätte sich letzterer übrigens rasch allein gefunden. Fügen wir an, dass in Sache Neue Messe Mgr. Lefebvre es versteht, die Gebärde mit dem Wort zu verbinden und das Beispiel zu geben. Am 30. Juni 1980 hat er anlässlich der Beisetzungsfeierlichkeiten für ein Mitglied seiner Familie in Beglei­tung von Abbé Simoulin auf tätige Weise an einer (Luthermesse) ganz nach dem Geschmack des Tages teilgenommen.

52 Le Figaro, 4. August 1976.

53 Brief an Johannes Paul II. 24. Dezember 1978.

54 Erklärung am 8.November 1979.

55 France-Soir, 4. August 1976.

56 Le Figaro, 4. August 1976.

57 Bewahren wir den Glauben! Saint-Gabriel, 1974, S.25. Mgr. Lefebvre fügt eine Bemerkung bei, deren theologische Tiefe man zu schätzen wissen wird: »Wenn der Papst gesagt hätte, ein Lehrkonzil abzuhalten, wäre der Hl. Geist mit diesem gewe­sen, und diese Dinge hätten nicht geschehen können; er hätte eine Atombombe auf St. Peter fallen gelassen …, was weiß ich, aber das war unmöglich.» Die Unfehlbar­keit der Kirche, gewahrt durch die Atombombe, eine entschieden zeitgemäße theo­logische Ansicht, aber, seien wir uns darin einig, eines Bischofs unwürdig.

58 In seiner Antwort an die Glaubenskongregation, die schon erwähnt wurde, »ent­schuldigt» Mgr. Lefebvre seine Aussagen so: «Wenn in meinen Reden ein wenig maßlose Ausdrücke ausgesprochen worden sein können, muss man die Literatur-Gat­tung bedenken.» «Schismatische Kirche», »häretische Kirche», die Literaturgattung des Prälaten von Ecône ist reichlich giftig, aber sein Ausweichen recht erbärmlich.

59 In seinem Combat de la foi vom 25. März 1982 unterscheidet Abbé Coache «Unge­horsam gegen genaue Erlasse und Weigerung, den Grundsatz des Gehorsams dem Papst gegenüber» anzuerkennen (hervorgehoben von ihm), um besser zu versi­chern, dass er nur das erstere ausübt. Über wen macht sich der Abbé Coache lustig? Denn man möchte lieber wissen, in was er Johannes Paul II. gehorcht. In Wirklich­keit ist er, wie viele seiner Anführer-Mitbrüder in allem ungehorsam, ausgenom­men …in dem, was die Messgebühren anbetrifft. Das ist etwas mager, um ein Gehorsamsvorbild aufzustellen. Die Scheinheiligkeit des Abbé Coache reicht nicht, aus, seine wirkliche «Weigerung» zu verdecken, «den Grundsatz des Gehorsams dem Papst gegenüber anzuerkennen».

60 Gardons la Foi, Saint Gabriel, 1974, S.24. Man kann nicht anders als den lutheri­schen Charakter einer solchen Rede hervorzuheben: der Bürge des Glaubens, der «Leuchtturm der Wahrheit», das ist Rom, d.h. das lebendige Magisterium, mit Vor­rang durch den Papst geführt, und nicht durch das einzelne Gewissen, es sei dasje­nige eines Bischofs.

61 Le Figaro, 4. August 1976.

62 «Ja, doch selig, die das Wort Gottes hören und es bewahren.»

63 Mgr. Lefebvre und das hl. Offizium, Nr.233, Mai 1979. Alle folgenden Zitate sind daraus entnommen.

64 Der Papst hat die «Macht der höchsten Gerichtsbarkeit, nicht nur in den Fragen den Glauben und die Sitten betreffend, sondern auch in denjenigen, welche die Dis­ziplin und die Führung der Kirche, die in der Welt zerstreut ist, betreffen«.

65 Verschiedene Deklarationen von Mgr. Lefebvre waren vorher gelesen worden.

66 «Ich will diesbezüglich jede Polemik vermeiden. Deshalb beantworte ich keinen Diskussionsbrief über diesen Gegenstand. Ich meine genügend Arbeit mit den Feinden der Kirche zu haben, als dass ich Zeit verliere mit denjenigen, die, nachdem sie unsere Mitarbeiter waren, sich jetzt als unsere Feinde erklären» (Brief an Abbé Siegel, 1. Oktober 1981). Bemerken wir, dass katholisch bleiben wollen in die Kate­gorie der Feinde von Mgr. Lefebvre führt.

67 Vgl. Una Voce Helvetica, Januar 1981. Begnügen wir uns mit dem Zitat einiger Worte: «Die Übereinstimmung mit der Tradition ist so die äußerste Bedingung für – die Unfehlbarkeit des ordentlichen Magisteriums.» Der Domherr Berthod sieht sich übrigens genötigt, eine Klarstellung beizufügen, die vielsagend ist: «Dies zu sagen bedeutet nicht, das Magisterium der freien Gewissenserforschung zu unterzie­hen …»

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Quelle: FORTES IN FIDE Nr. 21/22, Jahrgang 1982. Verantwortlich für die deutsche Ausgabe: Dr. Pierre Cuttat, Basel

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