Von Laszlo Szijarto
Laszlo Szijarto war ein FSSPX-Seminarist
(St. Thomas Aquinas Winona) von 1989 – 1991
Entnommen dem „Angelus Press Magazine“, Oktober 1995
(Aus dem Englischen übersetzt von P. O. Schenker)
Einige Theologen halten dafür, dass ein Papst sein Amt ipso facto [durch den Tatbestand selbst] verlieren würde , wenn er in eine manifeste (offenkundige, augenscheinliche) Häresie fällt. [1] Sedisvakantisten haben viel Zeit und Mühe darauf verwendet, dies herauszustellen. Gemäß dem Prinzip „papa a nemine judicandus“ [2], [der Papst kann von niemandem gerichtet werden] könnte keine Erklärung durch die Kirche die Absetzung eines Papstes bewirken. Katholiken haben jedoch nicht das Recht, für sich selbst eine Entscheidung zu fällen, ob die Absetzung in dieser Art wirklich stattgefunden hat.
Obwohl offenkundige Häresie ontologisch (seinsgemäß) die Absetzung ipso facto bewirken würde, müsste eine Entscheidung durch die universelle [weltumspannende] Kirche getroffen werden über die Tatsache selbst, die enthalten ist in dem Ausdruck „ipso facto“, am wahrscheinlichsten durch die Erklärung eines Allgemeinen Konzils, ehe individuelle Katholiken zu einem solchen Schluss in ihrer Kritik kommen könnten.
Das Erkennen, WANN eine Absetzung stattgefunden hat
Kanonisten (Gelehrte des Kirchenrechts) unterscheiden zwischen einer sententia (iudicalis) privationis [eines Gerichtsurteils mit Amtsentzug und eines nur feststellenden (deklaratorischen) Richterspruches. Papst Innozentz III. wandte diese Unterscheidung zum ersten Mal an im Falle eines häretischen Höchsten Pontifexes. [4] Indes die Kirche nicht eine sententia privationis verfügen könnte, um die Absetzung eines häretischen Papstes (iudicare) [richterlich festzustellen], würde es dennoch nichts geben, sie daran zu hindern, dass ein Papst seinem Amt ipso facto nicht genügt hat (judicatum ostendere) [ihm zu zeigen, dass er bereits gerichtet ist] [5], aber sie würde dies tun müssen, ehe Katholiken für sich selbst eine Entscheidung treffen könnten. [6]
Warum haben Katholiken kein Recht, eigenmächtig zu einem solchen Schluss zu kommen? Lasst mich diesen Punkt mit einigen seiner praktischen Implikationen illustrieren. Bei einer Gelegenheit empfahl mir einer meiner sedisvakantistischen Freunde, dass Papst Pius IX. von der pästlichen Würde abgefallen war. Aus welchen Gründen? Er hatte eine „Häresie“ entdeckt in einem päpstlichen Rundschreiben, das vom höchsten Pontifex hausgegeben worden war – eine Schlussfolgerung gegründet natürlich auf seinem Missverständnis des Dokumentes. Er kam von da zur Überzeugung, dass sogar der hl. Petrus selber an einem gewissen Punkt die Autorität verloren habe (nämlich als er unseren Herrn verleugnete). Zum Glück jedoch gewann der hl. Petrus sein Amt nachher zurück. Verschiedene Sedisvakantisten haben die Rechtmäßigkeit Pius XII. [7 ], Pius XI., Benedikt XV. und (ja!) sogar Pius X. abgestritten. Nun Pius IX. und St. Petrus sogar? Wo wird das enden? Man nehme Pius XII. heraus, und man entwurzelt das Dogma der Aufnahme Unserer Lieben Frau in den Himmel . Man entferne Pius IX. und man untergräbt die Unbefleckte Empfängnis, die Unfehlbarkeit des Papstes und das gesamte Erste Vatikanische Konzil. Sollen wir auf diese Weise das Lehramt verteidigen?
Legitimität als eine dogmatische feststehende Gegebenheit
Theologen klassifizieren die päpstliche Legitimität unter dogmatische Tatsachen, d.h. theologische Schlussfolgerungen so eng verknüpft mit dem Glauben, dass ihre Bestreitung/Ablehnung zur Unterminierung von offenbarter Lehre führen würde. Man versuche nur einmal, sich das Chaos vorzustellen, das unvermeidbar resultieren würde, wenn individuellen Katholiken das Recht konzediert würde, über die Legitimität zu entscheiden. Lasst uns hypothetisch annehmen, dass ein gewisser Papst eben ein Dogma definiert hat. Nach Prüfung des Dogmas (im Lichte privaten Urteils) entscheidet ein bestimmter Katholik, dass das Dogma der Tradition widerspricht. Der besagte Katholik fühlt sich gebunden, daraus zu schließen, dass der genannte Papst aus dem Papstamt gefallen ist. Gemäß diesem Prinzip (das absolut fundamental ist für den Sedisvakantismus), würde jede dogmatische Erklärung dem privaten Urteil individueller Katholiken unterworfen sein als ihrem letzten Kriterium.
Wer hat die Autorität, über eine solche Frage zu entscheiden?
Dogmatische (feststehende) Tatsachen die Legitimität betreffend haben a priori [vorausgehende] Auswirkung auf dogmatische Definitionen. Wenn es möglich wäre, a posteriori [nachgehend] aus einer wahrgenommenen „falschen“ Lehre auf die Nicht-Legitimität eines Papstes zu argumentieren, würde die Apriori-Unfehlbarkeit einer jeglichen dogmatischen Definition komplett unterminiert. Dogmatische Definitionen würden letztlich mit Bezug auf ein privates Urteil über ihre Wahrheit oder Falschheit entgegengenommen. Der Sedisvakantismus macht jegliche Apriori-Unfehlbarkeit unmöglich, selbst im Falle feierlicher Definitionen.
Quid prodesset enim in abstracto profiteri infallibilem concilioreum oecumenicorum aut Pontificum R. auctoritatem, si licitum esset dubitare de legitimitate cuiuslibet concilii aut Pontificis? [8] Was würde es nützen, die unfehlbare Autorität von Oekumenischen Konzilen oder Römischer Pontifices im Abstrakten zu bekennen, wenn es erlaubt wäre, Zweifel zu hegen über die Legitimität irgendeines Konzils oder Pontifexes?
[Facta dogmatica] „[e]jus modi sunt, e.g., Scripturam s., qua utimur, esse genuinam; concilia nicaenum, ephesinum, tridentinum etc., fuisse legitima; PiusIX, Leonem XIII etc. legitime fuisse electos ac proinde legitimos Petri in episcopatu romano successores. Sane fac quidpiam horum in dubium vocetur, illico consequetur, editas definitiones in conciliis incertas, incertum esse centrum unitatis catholicae, scil. consequetur ipsius fidei excidium revelationisque pernicies… [9]
[Dogmatische Fakten] schließen Dinge dieser Art ein: dass die Heiligen Schriften, die wir gebrauchen, echt sind, dass die Konzile von Nizäa, Ephesus, Trient, usf. legitim waren, dass Pius IX., Leo XIII., etc. legitim gewählt wurden und folglich legitime Nachfolger Petri als Bischöfe von Rom waren. Man sehe nur, was daraus folgen würde, wenn wir irgend eines dieser Dinge in Zweifel ziehen lassen würden. Definitionen, die während Konzilen erlassen würden, hätten keine Gewissheit. Es gäbe keinen sicheren Weg, das Zentrum der Katholischen Einigkeit festzustellen. Kurz, was daraus folgen würde, ist die Entwurzelung des Glaubens selber und die Zerstörung der Offenbarung. [Meine Hervorhebung]
Der Sedisvakantismus verteidigt das unfehlbare Lehramt nicht, sondern unterminiert es in einer schwerwiegenden Weise! Der Glaube hängt von der Autorität der Kirche ab. Die Heilige Schrift selber würde keinerlei Gewicht haben, hätte die Kirche sie nicht vorgelegt als Gottes Offenbarung enthaltend. Wenn Lehren mit der Autorität der Kirche ausgerüstet sein müssen, muss die Legitimität jener, die sie promulgieren ebenfalls auf keiner geringeren Autorität gegründet sein. Umgekehrt, wenn die Legitimität jener, die Lehren promulgieren dem privaten Urteil individueller Katholiken überlassen bliebe, würde keine Lehre je ausgestattet sein mit dieser Autorität, die den formalen Grund des Glaubens ausmacht (gemäß dem Prinzip der Logik priorem semper partem sequitur conclusio) Schlussfolgerungen gründen auf den schlechtesten Fakten].
…[H]isce factis ita implexae veritates revelatae, ut illis nutantibus hae ipsae nequeant consistere: revelationis depositum unitasque fidei sarta tectaque servari non peterit, nisi Ecclesia judicio supra omnem dubium [facta dogmatica] judicare possit. [10]
Geoffenbarte Wahrheiten sind so miteinander verflochten mit [dogmatischen] Fakten, dass, wenn diese letzteren nicht auf einem sicheren Fundament ruhen, die ersteren ebenfalls nicht bestehen können. Weder die Hinterlage der Offenbarung, noch die Einheit des Glaubens könnten sicher und gesund/intakt bewahrt werden, es sei denn wenn die Kirche fähig wäre, über [dogmatische Fakten] mit einem Urteil jenseits jeglichen Zweifels zu urteilen.
Wenn Fragen über die Legitimität vom Urteil einzelner Katholiken abhängen (würden), dann – da individuelle Katholiken nicht mit einem „Urteil über jeglichem Zweifel“ „über sie urteilen“ können – könnte weder die Offenbarungs-Hinterlage noch die Einheit des Glaubens gesichert und gesund/intakt bewahrt werden.“
Was konstituiert ein Urteil durch die Kirche?
Probleme mit der Indefektibilität
Nur die Universelle Kirche kann Urteile fällen über die Legitimität – nicht Individuen, noch Teile der Kirche, auch keine Mehrheit, sondern nur die Universelle Kirche. Warum? Weil nur die universelle Kirche über solche Dinge „jenseits jeglichen Zweifels“, d.h. unfehlbar, entscheiden kann.
„Papa dubius, Papa nullus.“ Porro verum est duntaxat, si dubium et propter dubium secessio est totius Ecclesiae; non autem potest admitti, si, postquam Pontifex legitime est constitutus, in parte, imo in parte etiam majori Ecclesiae, propter inductas perturbationes dubia et secessiones oriantur. [11]
„Zweifelhafte Päpste sind gar keine Päpste.“ Doch dies wäre wahr nur, wenn es einen Zweifel und aufgrund dieses Zweifels eine Abspaltung durch die ganze Kirche gäbe. Es kann jedoch nicht eingeräumt werden, wenn – nachdem ein Pontifex legitim eingesetzt worden ist – Zweifel und Abspaltung eintreten würden in einem Teil, auch im größeren Teil der Kirche aufgrund von Wirren/Unruhen, die eingeführt worden wären.
Folglich bewirkt der Sedisvakantismus ernsthaftge Schwierigkeiten für die Indefektibilität der Kirche. Es wäre völlig unvereinbar mit dieser Indefektibilität, wenn die Universale Kirche entweder einem falschen Papst anhangen oder einen wahren zurückweisen könnte.
Unde, si universalis Ecclesia a Pontifice quodam secedit, signum est infallibile, iuxta superius dicta, non illum, antea Papam, nunc a potestate sua privari ista defectione, sed illum numquam fuisse verum et legitimum Pontificem, cum Christus, in promissis fidelis, permittere non possit ut total Ecclesia falso adhaereat pontifici aut verum reiiciat. [12]
Weshalb, wenn die Universelle Kirche je von einem Pontifex sich abtrennt, dieser Tatbestand ein unfehlbares Zeichen darstellt, gemäß dem, was oben gesagt wurde, nicht dass jener, der einst Papst gewesen wäre nun seiner Macht beraubt worden wäre aufgrund dieser Abtrünnigkeit, sondern dass er nie ein wahrer und legitimer Pontifex gewesen ist, da Christus, treu in seinen Versprechen, nicht fähig ist zuzulassen, dass die gesamte Kirche einem falschen Papst anhängt oder einen wahren abweist.
Omnes admittunt Ecclesiam infallibilitate audere circa legitimitatem S. Pontificis, proinde errare non posse quando unanimiter hunc Papam et legitimum agnoscit; secus enim Ecclesiae corpus a capite separaretur; quod contrarium est ejus indefectiilitati et unitate. [13]
Alle bestätigen, dass die Kirche sich der Indefektibilität erfreut im Hinblick auf die Legitimität eines Heiligen Vaters, und deshalb nicht irren kann, wenn sie einmütig diesen Papst als legitim anerkennt. Sonst würde der Leib der Kirche getrennt von ihrem Haupt. Das wäre konträr zu ihrer Indefektibilität und Einheit.
Nebst dem gänzlichen Verwerfen dieses Prinzips, würden nur zwei mögliche Alternativen bleiben. Entweder die Vatikan II-Päpste waren legitim oder was von der Heiligen Katholischen Kirche übrigbleibt ist anwesend (nur) in sedisvakantistischen Gruppen. Non datur tertium [es gibt keine dritte Wahl].
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(Fortsetzung [mit allen Fußnoten] folgt)
